Berner kulturagenda 2008 N° 49

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Annette Boutellier

Christoph Hoigné

Vangelis Thomaidis

N°49 Do., 4., bis Mi., 10.12.2008

Pippi im Theater Szene

Kinderkonzert der Camerata im Zentrum Paul Klee

«Mattemärli» im Stadttheater Bern

Auf ihren Papa, Kapitän Langstrumpf, hat die Neunjährige lange gewartet. Endlich ist er da.

Wie im Wettkampf brauchts fürs Konzert volle Konzentration. Besonders, wenn Zwischensprints durch die Partitur anstehen.

Kapitänin Leuchtrakete (Henriette Cejpek) kann mit Säbeln umgehen. Ihr innigster Wunsch ist es, ein Mädchen wie Noemi zu haben – sie muss sich aber mit ihrem Gorilla herumschlagen.

Strumpfzeit Ihr Kinderlein, kommet Hat sie Wuffi gekapert? Ein rotzfrecher Wirbelsturm mit roten Zöpfen und einem Kopf voll Flausen stürmt das Berner Theater Szene.

Was eine Stradivari ist, wer Vivaldi war und was der Begriff Konzert bedeutet, das verspricht die Camerata Bern zu klären. Am Familienkonzert schickt die Musikpädagogin und Geigerin Fränzi Frick sechzehn Streicher in den Wettkampf.

Kranksein ist langweilig. Das dachte auch die kleine Katrin, als sie mit einer Lungenentzündung im Bett lag. «Erzähl mir von Pippi Langstrumpf!», bat sie ihre Mutter. Den Namen hatte sie in ebenjenem Moment erfunden – und brachte damit einen Stein ins Rollen. Die Geschichten der vorlauten Seemannstochter machten Katrins Mutter, Astrid Lindgren, weltberühmt.

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. So hat es Nietzsche niedergeschrieben. Ein Irrtum ist es auch, zu glauben, man könne Kindern noch keine anspruchsvolle Musik zumuten – man muss nur wissen, wie. Um einen leichten Zugang zur klassischen Musik zu schaffen, leitet die Musikpädagogin und Geigerin Fränzi Frick am Kinder- und Familienkonzert spielerisch und humorvoll durch Antonio Vivaldis Concerto grosso in d-Moll und Heinz Karl Grubers Concertino aus dem Violinkonzert Nr. 2, «Nebelsteinmusik». Da zwischen den beiden Komponisten fast 200 Jahre liegen, steht gleich zu Beginn eine Zeitmaschine bereit. «Das wird eine rasante Einturnübung rückwärts durch die Geschichte, nach der sicher alle frisch und aufgeweckt sind», kündigt Fränzi Frick im Gespräch an.

Die Villa Kunterbunt am Berner Rosenweg «Pippi gibts seit 1945. Die Eltern, die ihre Kinder in unsere Vorstellungen begleiten, sind selbst mit ihr aufgewachsen. Das ist das Schöne», meint Schauspieler und Regisseur Ernesto Haus­ammann. Der Gründer des Kleintheaters hat Astrid Lindgrens Buchreihe zum rasanten Bühnenstück adaptiert. Die hysterische Waisenhaustante Frau Prysselius, Kapitän Langstrumpf, der Polizist, die Lehrerin, die beiden trotteligen Landstreicher Donner Karlsson und Blom – alle sind sie mit dabei, gespielt von Hausammann und seinem Team Mägie Kaspar, Susanna Cerny und Fabienne Dietrich. Natürlich sind auch Herr Nilsson, das smarte Äffchen und Pippis Pferd mit von der Partie. An der dichten Inszenierung haben auch die Erwachsenen ihre Freude. Pippi lebt uns mit ihrer ungestümen, spontanen Art vor, was sich heute in teuer bezahlten ManagementSeminaren lernen lässt. Sie hört auf ihre innere Stimme – und macht, was ihr gefällt. Mariana Raschke \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Theater Szene, Bern. Sa., 6.12., So., 7.12., und Mi., 10.12., 14.30 Uhr www.theaterszene.ch

Das Konzert als Fussballmatch Erst seit dem 18. Jahrhundert gibt es das Konzert, wie wir es heute kennen. Zuvor wurde öffentliche Musikdarbietung immer in Verbindung mit Tanz oder in einem religiösen oder höfischen Zusammenhang präsentiert. Das Wort Konzert lässt sich sowohl auf «conserere» (zusammenfügen) als auch auf «concertare» (wetteifern) zurückführen. Die Moderatorin nimmt das wörtlich und schickt die Instrumentengruppen der 16 Streicher der Camerata Bern in einen Wettkampf. Konzertante Elemente, Moderation, Musikvermittlung und Interaktion mit dem jungen Publikum stehen auf dem Programm. Auf bildreiche Art soll Wissens- und Staunenswer-

tes über die Musik vermittelt werden. So kommt es zu einem richtigen Match mit dem lokalen Club Camerata Bern, mit Fans und Anpfiff, Fouls, Schiedsrichtern, Goalie und Captain, inszeniert mit vielen musikalischen Kostproben. Fränzi Frick nimmt die Rolle des am Spielfeldrand kommentierenden Fans ein. «Das Wichtigste ist, dass die Kinder etwas Aussergewöhnliches im Konzert­ rahmen erleben und viel Spass haben.» findet sie. Mit einer Stradivari durch die Zeit Die Altersempfehlung lautet zwar «ab sechs Jahren», aber auch jüngere Zuhörer sind willkommen. Gut möglich, dass sich neben den Eltern auch andere volljährige Semester unters Publikum schummeln, die fürs Abendkonzert keine Karten mehr erhalten. Der Leiter und Solist Benjamin Schmid dürfte mit seiner Violine Zuhörer jeden Alters erfreuen. Er hat bereits mit namhaften Orchestern wie den Wiener Philharmonikern, dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam und der Tschechischen Philharmonie gespielt; er tourte mit seinem Jazz-Trio durch Japan und ist der neue Dozent für Violine an der Hochschule der Künste Bern. Schmid spielt auf einer Stradivari-Violine von 1731, sie wurde also noch zu Vivaldis Lebzeiten gebaut und ist somit fast selbst so etwas wie eine kleine musikalische Zeitmaschine. Nina Heinzel \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

«KONZERTiert euch, Kinder!» Zentrum Paul Klee, Bern So., 7.12., 11 Uhr www.cameratabern.ch

Das Stadttheater entführt auf einen Ausflug ins mystische nächtliche Mattequartier. Im Weihnachtsmärchen kommen keine Engelsgestalten und Feen vor, dafür Piraten, Plüschhunde und patente Polizisten. Es schneit Schneekonfetti auf die Bühne des Stadttheaters Bern, und Noemi hat ihren Plüschhund auf der MünsterPläfe liegen lassen. So beginnt das Märchen. Nichts mit: «Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin», nein. Noemi kann und will einfach nicht ohne ihren geliebten Wuffi einschlafen. Also stiehlt sich die Kleine aus dem Haus und macht sich heimlich auf die Suche. Die Berner Autorin Dagny Gioulami lässt Noemi (Danijela Milijic) in die Märchenwelt Matte eintauchen. Reale Schauplätze der Stadt dienen dabei als Kulisse für die surrealen Geschichten. Während das mutige Mädchen dank dem verzauberten Senkeltram vom Münster in die Matte findet, bemerkt zu Hause die Babysitterin, dass Noemi abgehauen ist. Eine doppelte Verfolgungsjagd beginnt, und jeder im Stück ist ein kleiner Detektiv. Einstein spielt den Mattentango Die Plüschhundehalterin begegnet nicht nur dem sonderbaren Liftmann in Gestalt von Einstein (Michael Frei), der die welterklärende Superformel ausheckt und auf seiner Geige den Mattentango spielt. Sie bekommt auch Unterstützung vom Münsterkinder-Duo Sandi und Steini (Sarah Hinnen und Matthias Hungerbühler), einer Mischung aus Teletubbies und Sumoringer, das nur in aphoristischen Reimen zu ihr spricht. Gleichzeitig trifft das aufgewühlte Kindermädchen Ingrid (Friederike Pöschel) auf die beiden chaotischen Polizisten Chrigu und Res (Diego Valsecchi und Stefano Wenk), die ihren Job als Freund und Helfer der Matte eigenwillig ernst nehmen.

Einmal im Märchenland angekommen, laufen den beiden Trios seltsame Gestalten und Figuren über den Weg. So auch der blinde Herr Krebs, der die Braunbärin Ursula bei sich versteckt, weil diese zu alt geworden ist, um noch in den Bären­park zu ziehen. Die lippenstifttragende Mutzin wurde als Kind von Kapitänin Leuchtrakete und Kapitän Wolf aus Sibirien entführt und an den Bärengraben verkauft. Und genau dieses Piratenpaar stört die ganze Idylle im Matte­traumland. Märchen mit voller Fracht Autorin Gioulami hat ganz schön viel in dieses Kinderstück reingepackt. Die Regisseurin Antje Thomas hat es geschafft, einige Szenen mit viel Witz und Schalk umzusetzen. So wird eine gelungene Persiflage des Ballettabends zum Besten gegeben, dem die ahnungslosen Eltern von Noemi beiwohnen. Das Stück lebt von seinen (Bühnen-)Bildern, Tierund Märchengestalten. Als Noemi in die Gefangenschaft der brutalen Piraten gerät, wird das Mattemärli zum Mattekrimi. Das Kinderpublikum wird immer wieder mit einbezogen. Die Interaktion funktioniert prächtig – und beweist den Zauber, den das Theater in seiner Unmittelbarkeit seit jeher ausstrahlt. Und auch wenn die Inszenierung mit Bühnenbildern und Figuren nicht sparsam umgeht, bleibt die alles entscheidende Frage des Abends einfach: Wo ist Wuffi? Anna Serarda Campell \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Stadttheater, Bern. So., 7.12., 16 Uhr, Mo., 8.12., 10. und 14 Uhr. Weitere Vorstellungen: www.stadttheaterbern.ch


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