ZVG
Christoph Hoigné
N°07 14. bis 20. Februar 2008
«weiss, schwarz, rot» – Rudolf Mumprecht im Kunstmuseum Bern
Fiji in der Mühle Hunziken.
Eine Ausstellung zum 90. Geburtstag des Zeichners und Bildpoeten zeigt, wie er seine künstlerischen Botschaften auf den Punkt bringt.
Der Elektropop des Trios sitzt gut um die Hüfte und geht in die Beine.
Poetischer Kalligraf des zwanzigsten Jahrhunderts
Verführung in der Elektroabteilung
Zu seinem 90. Geburtstag widmet das Kunstmuseum Bern einem der bedeutendsten Schweizer Künstler eine Ausstellung. «weiss, schwarz, rot» erlaubt eine zaghafte Annährung an Rudolf Mumprecht, den Philosophen unter den Zeichnern.
Einmal satte Beats und einmal Triphop: Die Berner Bands Fiji und Annakin gastieren in der Mühle Hunziken.
Am Neujahrsmorgen 1918, im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs, am Vormittag um zehn – gibt der Meister augenzwinkernd zu Protokoll – habe man im Bürgerspital zu Basel amtlich festgehalten, dass Mumprecht Rudolf das Licht der Welt erblickte. «Geburtstage hab ich ganz und gar nicht gerne, ich nehme schon am Tag davor kein Telefon ab», sagt der Jubilar heute über das ungeliebte Wiegenfest. Nun nimmt das Kunstmuseum Bern einen runden Geburtstag Mumprechts zum Anlass, den Künstler mit einer Ausstellung zu ehren. Er selber hat dafür den Titel «weiss, schwarz, rot» gewählt, gezeigt werden Werke aus den letzten 30 Jahren. «Das Weiss», erläutert der betagte, aber rüstige Künstler, «steht für die Leere, die es auszufüllen gibt und die nach einer Fülle verlangt. Schwarz vermittelt die Tiefe» und Rot sei das kraftvolle Element, mit dem er gezielt Akzente in seine Werke setze. Am Anfang war die Handschrift Während seiner Lehre als Kartograf bei Kümmerly & Frey in Bern entdeckte Rudolf Mumprecht seine ganz persönliche Handschrift. Sie ist klar und lesbar, schwungvoll und raumgreifend zugleich. «Alles ist Sprache – Sprache ist Raum», ist auch heute noch einer seiner wichtigsten Leitsätze. In seinem erlernten Beruf hat er nie gearbeitet, sondern sich schon vor Ende seiner Lehre 1938 der Gebrauchsgrafik zugewandt. Die Jahre des Zweiten Weltkriegs verbrachte er vorwiegend im Militärdienst. Bereits ab 1943 arbeitete er in Bern mit einer eigenen Kupferdruckpresse, wobei er sich alle Kenntnisse autodidaktisch erwarb. Bis 1948 entstanden zahlreiche Radierungen, die er in regionalen und internationalen Ausstellungen
zeigen konnte. Rudolf Mumprecht unternahm verschiedene Reisen nach Italien, Holland und Südfrankreich. Von 1949 bis 1954 lebte er in Paris, von 1960 bis 1964 in Versailles. 1964 kehrte er in die Schweiz zurück. Er baute sich in Köniz ein modernes Atelierhaus, wo er bis heute lebt und arbeitet, abwechslungsweise mit dem Tessiner Dorf Brione sopra Minusio. Worte, die waren, sind und bleiben Mumprechts Werke aus einer über 60-jährigen Schaffenszeit sind poetisch und stets durchkomponiert. In unnachahmlicher Weise tanzen beschwingt gezeichnete Wörter in seiner Handschrift über die meist weissen oder schwarzen Flächen. Manchmal sind die Buchstaben aufgeklebt oder durch Schablonen gemalt. Die Sprache ist der rote Faden durch Rudolf Mumprechts Werk. Das Wort ist in jedem Werk präsent. Viele seiner Lieblingswörter findet man immer wieder, zum Beispiel «Liberté», «jetzt», «amour», «espoir», «vie», «joye» oder «aujourd’hui». Woher nimmt der Grenzgänger zwischen Sprache und Bild seine Inspiration? Mehr aus dem Nachschlagewerk «Petit Robert» als aus Tageszeitungen, verrät seine Gattin Esther. Er hat sich in den 50er-Jahren in Paris vom französischen Philosophen Roland Barthes beeinflussen lassen, einem der bedeutendsten Semiotiker des letzten Jahrhunderts. Und natürlich habe er «die Weltliteratur der Nachkriegszeit durchgeackert». «Was mich interessiert, sind Worte, die waren, sind und noch lange bleiben», sagt Rudolf Mumprecht. Die Schnelllebigkeit der Aktualität ist ihm zuwider. «1963 war ich vom Mord an John F. Kennedy so aufgewühlt, dass ich ein Bild darüber
gestaltete. Zwei Jahre später hab ich es wieder übermalt, es war vergänglich und nur für den Augenblick.» Wortklänge und Sprachwitz Seine Bildkompositionen haben einen fast musikalisch anmutenden Rhythmus. «Dopodomani», italienisch für übermorgen, ist eines seiner Lieblingswörter. «Hören Sie nur auf die unerhört schöne Abfolge der Vokale o-o-o-a-i», schwärmt Rudolf Mumprecht. Die Ausstellung im Kunstmuseum zeigt zwei Dutzend kleine und ein paar grossformatige Werke. Etwa das in Collagetechnik gefertigte «MIDI MINUIT», das sich mit dem Umgang mit Zeit beschäftigt. «In einem Tag dreht sich der Zeiger der Uhr zweimal im Kreis. Einmal von Mittag bis Mitternacht, einmal von Mitternacht bis Mittag.» Und was nicht alles passiert in den 24 Stunden des Tages: Die als Untergrund verwendeten Zeitungsausschnitte von NZZ und Basler Zeitung berichten vom «Schlag gegen die internationale Drogenmafia», über «Die Etrusker im Schatten Kleopatras» und die «Wetterstationen der Schweiz». In Mumprechts Werken leuchtet immer wieder der Schalk des Künstlers durch. Selber sagt der 90-Jährige dazu: «Humor ist nicht Witz, sondern Geistesfreudigkeit.» Welche Zukunftswünsche hat der geistesfreudige 90-Jährige? «Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir noch etwas weiterkommen mit unserer Zivilisation.» Oder wie eines seiner neuesten kleinformatigen Werke es sagt: «Vita. Si. Ti amo.» Christoph Hoigné \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Kunstmuseum Bern. Ausstellung bis 20.4. www.kunstmuseumbern.ch
Bern beherbergt die Rockstars, die Kunos und Polos, und gilt ihretwegen als die Schweizer Stadt, aus der die Musik kommt. Wer sich in der Elektroabteilung umschaut, sieht schnell einmal, dass es auch da einige Trouvaillen gibt, und eine davon ist Fiji. Das ist Popmusik, die tönt, als gäbe es nichts Einfacheres, als gute Musik zu machen. Musik, die einem nachläuft wie ein verpixelter Schosshund in einer in Samtstoff gehüllten Kunstwelt aus Synthesizer, Nullen und Einsen. Der Elektropop des Berner Band ist wie eine gute Hose: Sie sitzt gut um die Hüfte und geht in die Beine. Als täte die Verführung zum Tanzen nicht schon reichen, ist die Performance der Sängerin Simone de Lorenzi ganz schön aufregend. Ihre Laszivität bleibt in der postkonzertiven Erinnerung haften wie Hundekot am Schuh, liegt aber am anderen Ende der Hot-orNot-Skala. So erinnert Fiji optisch etwas an Burlesque, und dazu passt, dass de Lorenzi auf dem neuen Album, «Le Loup», französisch singt und nicht mehr englisch – was dazu geführt hat, dass die Musik sich in Sachen Erotiklevel der Bühnenperformance der Sängerin angenähert hat. «Je veux jouer aver toi, crois moi» klingt nun einfach dreimal sexyer als «I wanna play». Nicht nur in der Sprache hat sich Fiji seit ihrem Debütalbum, «Rosy», gewandelt. Das letztjährige Album, «Le Loup», des Trios kommt etwas dreckiger und kantiger, stellenweise punkig aus den Boxen. Was unverändert geblieben ist, ist der Anteil wirklich gelungener Songs der Brüder Simon und Menk Schüttel, die mit de Lorenzi das Trio bilden. Annakin für die Verliebten Zu Fiji gesellt sich in der Mühle Hunziken Annakin. Die Berner Sängerin Ann
Kathrin Lüthi, die ehemalige SwandiveFrontfrau, fährt ebenfalls auf der Elektroschiene, allerdings mit langsamerem Tempo als Fiji. Ihren englischen Produzenten Jono Buchanan hat Lüthi in Mexiko am Pool kennen gelernt. Die Zusammenarbeit, die sich aus dieser Bekanntschaft ergeben hat, fand im Internet statt. Das Album zeigt, dass diese musikalische Fernbeziehung sehr gut funktioniert. Sehr schön ist der Song «Breathe». Ein luftiger Triphop-Beat, dazu ein Piano, etwas Streicher stehen der Stimme von Lüthi zur Seite – das dürfte für Verliebte eine Nummer für die innige Umarmung sein. Michael Feller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Mühle Hunziken, Rubigen. Sa., 16.2., 21 Uhr. www.muehlehunziken.ch
Kulturbeutel «Efterklang» im Bad Bonn 3 «Gelbe Tage» im Schlachthaus 3 Getroffen: Sylvia Hostettler 3 Kind & Kegel 4 Berner Symphonie-Orchester 4 Hören & Sehen 5 Sang & Klang 6 Camerata Bern im ZPK 7 Hand & Herz 8 Worte & Orte 9 Hin & Weg 10 Plüsch & Plausch 11 Klappe! für «Der Rächer von Davos» 11 Interview mit Franz Hohler 12 «Black Box» in der Kunsthalle 12