ZVG
Courtesy Coma Gallerie, Rom
N°39 Donnerstag bis Mittwoch 24. bis 30.9.2009 www.kulturagenda.be
Die Ausstellung «Pièces de résistance» im Kunstmuseum Thun
The Kruder & Dorfmeister Session in der Grossen Halle
Ein Objekt, halb Wassermine, halb Virus, ruht auf einem aufgeblasenen Airbag – bis? Die Arbeit von Fabrice Gygi während ihrer Präsentation in der Galerie Bernhard Bischoff & Partner in Bern.
Beim letzten gemeinsamen Auftritt in der Schweiz hatten die beiden Wiener Peter Kruder und Richard Dorfmeister noch keine grauen Haare. Aber das ist auch schon eine Weile her.
Kratzer im Konsens
Elegante Schlurfer
Flache Väter, trügerische Sicherheit mit Luftkissen und Kamikazefliegerei: Die Ausstellung «Pièces de résistance» zeigt vielerlei Formen politischen Widerstands in der zeitgenössischen Kunst.
Flach und dennoch tiefsinnig Der Genfer Jérôme Leuba widmet sich dem Phänomen des «Flat Daddy». Das Familienprogramm der Nationalgarde verteilt in den USA lebensgrosse, auf Pappe gezogene Fotografien von USSoldaten an deren Ehefrauen. Die «flachen Väter» erfreuen sich mittlerweile grosser Beliebtheit in den Soldatenfamilien, die ihre Pappfiguren überallhin mitnehmen: auf Geburtstage, Beerdigungen und in den Supermarkt.
Selbst von Gynäkologenbesuchen mit Flat Daddys wurde berichtet. Psychologen glauben, dass die Pappsoldaten ein guter Nähe-Ersatz sein können. Auch hätten mehrere Mütter bestätigt, dass es nur Flat Daddy zu verdanken sei, wenn ihre Kinder den eigenen Vater nach einem langen Auslandsaufenthalt überhaupt wiedererkennen. Jérôme Leuba zeichnet dieses Szenario filmisch in einer Berliner Familie nach. «Flat Daddy» ist die Nummer 46 aus seiner Reihe «Battlefield». Trügerisches Symbol für Sicherheit Fabrice Gygi, ebenfalls aus Genf, hat sich in den letzten Jahren als subtiler Kritiker von Macht- und Autoritätsstrukturen hervorgetan. Gygis Installation im Kunstmuseum Thun besteht aus zwei auf blasbaren Objekten: einem riesigen gelben Airbag, auf dem eine schwarze Minoviras (eine Kombination aus Wassermine und Virus) liegt. Als trügerisches Symbol für Sicherheit instrumentalisiert, ist ein Airbag, da er erst nach dem Aufprall sichtbar wird, in
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Kunstmuseum Thun Ausstellung bis 22.11. www.kunstmuseumthun.ch
Jérôme Leuba
Zwanzig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer lohnt es sich, einen Blick auf die junge Kunst der osteuropäischen Nachbarstaaten zu richten. «Why do you resist? Forms of resistance in contemporary art and society» (Wieso lehnen Sie sich auf? Formen des Widerstandes in zeitgenössischer Kunst und Gesellschaft) wurde bereits in Graz und im tschechischen Usti nad Laben gezeigt, kuratiert von Andrea Domesle und Michal Kolecˇek. In Thun wurde die Ausstellung auf 26 Künstler erweitert. So durfte Thomas Hirschhorn nicht fehlen, der sich während der gesamten Bundesratsamtszeit von Christoph Blocher geweigert hat, in der Schweiz auszustellen. Er zeigt Arbeiten aus seiner Serie «Ur-Collagen» von 2008. Hier kombiniert er Ausschnitte aus Hochglanzmagazinen mit brutalen Kriegsbildern, die er im Internet gefunden und ausgedruckt hat. «Eine Ur-Collage», so sagt Hirschhorn, «ist keine Information, kein Journalismus, kein Kommentar.» Bei den Ur-Collagen gehe es ihm vielmehr darum, «eine neue Wahrheit zu schaffen».
Wahrheit ein Indiz dafür, dass bereits ein Unfall stattgefunden hat. Gysi untersucht in seinen Arbeiten die Wechselwirkungen von Schutz und Aggression. Thomas Gallers Arbeit «Before the Collision» wirkt auf den ersten Blick poetisch, auf den zweiten frei erfunden. Tatsächlich handelt es sich um eine Anleitung für Kamikazeflieger im Zweiten Weltkrieg, die er im Internet gefunden und auf einen Vierzeiler zusammengekürzt hat. «Es handelt sich», erklärt Galler, «um technische Anweisungen, gepaart mit psychologischem Support und philosophischen Reflexionen, um den Piloten die Angst vor dem Tod zu nehmen. Formal und inhaltlich ist sie praktisch identisch mit den Anweisungen, die radikal-muslimische Jihad-Kämpfer zur Vorbereitung auf ein SelbstmordAttentat benutzen.» Die Grenzen zwischen künstlerischem und politischem Anliegen werden in der Ausstellung ausgelotet, und es wird Lust gemacht auf ein klein wenig Widerstandsgeist in einer Zeit von Konsenssucht und Mediengläubigkeit. Nina Heinzel
Mit Papp-Papa auf Fahrradtour – ganze Armeen von Pappsoldaten sollen die daheimgebliebenen Ehefrauen und Kinder trösten (Jérôme Leuba, Battlefield # 46 / flat daddy, 2009).
Jahrelang war es ruhig um Kruder & Dorfmeister. Keine Auftritte, keine Platten. Nichts. Jetzt sind die beiden Wiener DJs und Produzenten endlich zurück – und bringen gleich noch ihre Freunde nach Bern mit. Legt man heute wieder einmal die alten Platten auf, so fragt man sich erstaunt, warum ein Wiener Friseur und ein bis dahin mässig erfolgreicher Musiker mit ihren beiden Alben «DJ-Kicks» von 1996 und dem zwei Jahre später erschienenen «The K&D-Sessions» solche Begeisterungsstürme hervorriefen. Der langsame, nachlässig dahinschlurfenden Downbeat, den Kruder & Dorfmeister damals produzierten, ist mittlerweile einfach so oft und schlecht kopiert worden, dass sich sogar beim Anhören des Originals ein gewisser Überdruss einstellt. Trotzdem: All die «Café del Mar»- und «Buddha Bar»-Compilations verblassen neben den sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail produzierten Sounds von Kruder & Dorfmeister. Auch nach zehn Jahren klingen sie noch erstaunlich frisch und unverbraucht. Und das wiederum spricht für ihre Qualität. Links liegen gelassen Den Namen Kruder & Dorfmeister umgab um die Jahrtausendwende ein Nimbus, der seinesgleichen suchte. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre noch als Geheimtipp gehandelt, bettelten wenige Jahre später gestandene Grössen der Musikbranche wie Madonna oder Depeche Mode um Remixe ihrer Songs. Nicht wenige vergebens: Anfragen von U2 oder Grace Jones etwa lehnten Peter Kruder und Richard Dorfmeister nonchalant ab. Dafür entwickelte sich in Wien eine dichte und äusserst kreative Szene der elektronischen Musik, deren Epizentrum Kruder & Dorfmeister waren. Auf einmal galt Österreich in Sachen Musik
wieder etwas. Bei Auftritten im In- und Ausland füllten die beiden DJs und Produzenten grosse Hallen. Doch plötzlich, nach der Jahrtausendwende, hörte man nichts mehr von ihnen. Keine Auftritte, keine neuen Platten, nichts. Was war geschehen? Auf dem Gipfel des Erfolgs liessen die beiden ihr Projekt einfach links liegen und wandten sich anderen Dingen zu. Richard Dorfmeister werkelte mit Ruprecht Hubert unter dem Namen Tosca weiter, und Peter Kruder widmete sich unter anderem seinem Soloprojekt Peace Orchestra. Erst in jüngster Zeit traten Kruder & Dorfmeister an ausgesuchten Veranstaltungen wieder gemeinsam auf. Seither verstummt auch das Gerücht nicht, dass ein neues Album in Planung sei, was die beiden bis heute aber nicht bestätigen wollten. Grosses Familientreffen Nach acht Jahren ist das Duo nun erstmals wieder in der Schweiz zu hören. Um die Liebhaberinnen und Liebhaber für das lange Warten zu entschädigen, haben die beiden Wiener mit Makossa & Megablast gleich noch ihre Freunde von G-Stone Recordings mitgebracht, die einen Teil des Abends bestreiten werden. Und auch für die visuelle Inszenierung des Auftritts kommt mit Fritz Fritzke ein alter Bekannter aus dem Kruder-&Dorfmeisteruniversum zum Zug. Was sich da wohl getan hat in all den Jahren? g David Loher sun o erl \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \V\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
Grosse Halle der Reitschule, Bern Sa., 26.9., 22 Uhr www.reitschule.ch