Facetten der Männlichkeit in Worb
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N°49 Donnerstag bis Mittwoch 3. bis 9.12.2009 www.kulturagenda.be
Fränzi Frick und das Huhn Horti mit der Camerata Bern im Zentrum Paul Klee
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Diese Männer lassen die Hosen runter – Seelenstriptease inklusive: «Ladies’ Night» will das Menschliche im Fleischlichen hervorheben.
Sie sprüht Funken, wenn sie musiziert, sich Geschichten ausdenkt und diese erzählt. Die im Aargau lebende Zürcher Geigerin hat das Huhn Horti erfunden, welches sie mit der Camerata Bern (unter Leitung von Antje Weithaas) beim Kinder- und Jugendkonzert am Nikolaustag erstmals vorstellt.
Graziöse Büezer
Huhn Horti träumt vom Samichlous
Die Wirtschaftskrise greift um sich, auch in Worb. In der Bühnenfassung des Films «The Full Monty» bringt das Theaterprojekt Worb die Geschichte in den Bärensaal, in der sich sechs Büezer ihres letzten Hemdes entledigen, um genau dieses zu retten.
Am Nikolaustag lädt die Camerata Bern zum Familienkonzert. Die Geigerin Fränzi Frick hat sich eine Geschichte zu Haydns Sinfonie «La Poule» ausgedacht und erzählt mit ansteckender Begeisterung vom unzufriedenen Huhn Horti.
Die Chippendales sind in der Stadt! Die Show ist restlos ausverkauft – Gregor, Kaspar und Robert können es kaum fassen. Die drei sind seit der Schliessung ihrer Fabrik arbeitslos. Und erst das Geld, das diese Lackaffen mit Sichausziehen machen! Schon ist die Idee geboren: Per Anzeige suchen sie Verbündete, um mit einer eigenen Strip-Show etwas Geld zu verdienen. Die finanzielle Not ist gross, und schon bald sind sie zu sechst – bis zum synchron choreografierten Auftritt ist es aber noch ein weiter Weg. Ein Stück, das «zieht» «Ladies’ Night» ist die zweite Produktion des Vereins Theaterprojekt Worb. Das Stück von Stephen Sinclair und Anthony McCarten wurde in zwölf Sprachen übersetzt, seit der Verfilmung als «The Full Monty» ist die Geschichte der strippenden Männer weitherum bekannt. «‹Ladies’ Night› ist ein Magnet», erklärt Regisseur Alex Truffer die Stückwahl. «Ein so junger Theaterverein darf noch nicht auf ein Stammpublikum zählen, darum sollte es ein Stück sein, das ‹zieht›.» Truffer hat die britische Geschichte auf Worb umgemünzt. Dennoch wirken diesmal weniger Worber mit als in der ersten Produktion des Vereins («Klassezämekunft»). Dabei sei in Worb speziell für die Audition geworben worden. «Offenbar haben die Worber Angst, die Hosen runterzulassen», bemerkt Truffer augenzwinkernd. Die Ensemblemitglieder kommen «aus allen Ecken», unterschiedlich ist auch ihre Schauspielerfahrung, nebst vier Profis spielen Amateure, die jedoch schon in mehreren Produktionen mitgewirkt haben.
Für Truffer ist das Thema Männer-Striptease «dramaturgisch banal» und darum nur Mittel zum Zweck, eine Geschichte zu erzählen. Ihn interessierten die Schicksale der porträtierten Männer, die mit Ängsten um ihre Existenz, um das Sorgerecht für das Kind oder ihren Ruf konfrontiert sind. «Die Männer sind zunächst vulgäre Büezertypen. Doch die coole Fassade fällt, wenn sie merken, dass sie alle am selben Strick ziehen müssen. So machen sie eben auch Seelenstriptease.» Von Truffers «sozialkritischem» Ansatz, wie er ihn nennt, ist an der Premiere jedoch nicht viel zu spüren. Von der ersten Szene weg wird euphorisch mitgelacht, auch wenn sich auf der Bühne gerade jemand umbringen will. An zahlreichen Stellen sind Witze über Türken, Nonnen, Schwule und Frauen eingebaut. Das Publikum nimmt jeden Witz dankbar auf, auch wenn er ganz anders gemeint ist: Die Schwulenwitze etwa sollten gerade das Thema Homophobie kritisch beleuchten. Doch die Ernsthaftigkeit kommt nicht an, und das ist schade. Bis die Choreografie sitzt Modern ist das minimalistische Bühnenbild (Dany Rhyner) aus den metallischen Türen einer Fabrikhalle, die jedoch recht statisch bleiben. Zum Finale sitzt schliesslich auch die Choreografie des Strips (Tanja Mikhail). Doch die feinste Überraschung kommt erst, als bereits alle Hüllen gefallen sind. Felicie Notter \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Bärensaal, Worb. Do., 3.12., Fr., 4.12., und Mi., 9.12., 20 Uhr Weitere Aufführungen bis 31.12. www.ladiesnightworb.ch
«Ich wollt, ich wär ein Huhn, ich hätt nicht viel zu tun», sangen schon die Comedian Harmonists, «mich lockte auf der Welt kein Ruhm mehr und kein Geld.» Anders Horti, das Huhn. Horti – eigentlich Hortensia – hadert mit ihrem Hühnerdasein, Horti will nicht mehr das Poulet sein. Sie will mehr Anerkennung, mehr Erfolg. Horti will bewundert werden – und das berühmteste Huhn auf der ganzen Welt. Horti ist eine Erfindung von Fränzi Frick. Die Geigerin hat sich im Auftrag der Camerata Bern eine Geschichte ausgedacht, passend zu Joseph Haydns 83. Sinfonie mit dem Beinamen «La Poule». Fricks Huhn geht es nicht anders als so vielen menschlichen Gottesgeschöpfen. Es träumt von attraktiven Berufen und tollen Abenteuern, vom grösstmöglichen Profit mit dem geringsten Einsatz. Was liegt da näher als der Job des Weihnachtsmanns? Eine kurze, aber heftige Saison, dafür maximale Beliebtheit ... Soweit Fränzi Fricks Geschichte, die vom Ende nur so viel verrät: «Horti erlebt ihr blaues Wunder und wird tatsächlich berühmt.» Haydns runder Todestag Sehr berühmt, auch 200 Jahre nach seinem Tod, ist der Komponist Joseph Haydn (1732–1809). Er gehörte mit Mozart und Beethoven zu den Monolithen der Wiener Klassik. Seine Sinfonie Nr. 83 komponierte er 1785 wie fünf weitere für eine Konzertreihe in Paris, weshalb sie auch die Pariser Sinfonien genannt werden. Auftraggeber für die Kompositionen war die Pariser Freimaurerloge Olympique, die damals mit rund 65 Mu-
sikern das grösste Orchester ihrer Zeit unterhielt. Den Beinamen «Das Huhn» erhielt das Werk erst später. «Er passt perfekt», sagt Fränzi Frick, welche «La Poule» erst bei der Arbeit für das Kinderkonzert kennen gelernt hat, «das Leitmotiv der Oboen im ersten Satz erinnert deutlich an einen Hühnerhof.» Dennoch war Frick überwältigt von der grossen Dramatik des zu drei Vierteln in Moll gehaltenen ersten Satzes. «Dazu passte für mich die tragische Figur der Horti mit all ihren Selbstzweifeln. Aber keine Bange: Später werden die Geschichte und die Musik sehr lustig.» Und für Horti gilt durchaus, was die Comedian Harmonistst einst trällerten: «Und fände ich das grosse Los, dann frässe ich es bloss.» Schlummernde Kinder aufwecken Frick liebt Haydn als «wunderbaren Komponisten mit einem enorm reichhaltigen und in vielen Farben schillernden Werk». Bereits vor einem Jahr moderierte Fränzi Frick ein Kinderkonzert der Camerata Bern. «Beim Concerto ging es um die Parallelen zwischen Sport und Musik. Das Concerto war so erfolgreich, dass wir nun mit der Camerata in 40 Primarschulen im ganzen Kanton Bern auftreten können», erzählt Frick mit ansteckender Begeisterung für die Musikvermittlung. Die 1974 in Zürich geborene und in den USA aufgewachsene Geigerin ist unter anderem als Dozentin für Fachdidaktik an der Zürcher Hochschule für Musik
tätig und unterrichtet am Konservatorium Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen ab dreieinhalb Jahren. Zudem ist die Lebenspartnerin des Aargauer Starpianisten Oliver Schnyder Mutter eines zweieinhalbjährigen Sohnes. Braucht es diese Nähe zu Kindern, um Geschichten wie «Horti, das Huhn» auszuhecken? «Das Wichtigste ist wohl, dass in mir immer noch ein waches Kind steckt, das Freude an Geschichten hat», ist Frick überzeugt. Sie sei «von Natur aus eine Rampensau» und geniesse den Auftritt als Moderatorin bei einem so fabelhaften Orchester wie der Camerata Bern. Bei all ihren Tätigkeiten als Musikerin und Musikvermittlerin gehe es letztlich darum, die Glut, die in allen schlummere, anzufachen. «Ich verstehe mich als Botschafterin, um den Menschen die Ohren zu öffnen.» Christoph Hoigné \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Zentrum Paul Klee, Bern So., 6.12., 11 Uhr www.cameratabern.ch
Henne Horti hadert mit ihrem Hühnerdasein. Gackernd giert sie nach dem grünen Gras ennet dem Gartenhag.