Berner kulturagenda 2009 N° 9

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www.incanto.de

N°9 Do., 26.2., bis Mi., 4.3.2009

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4. Radio-RaBe-Fest im Gaskessel

Fasnacht in Bern

Bernd Glemser mit der Camerata Bern im Kultur-Casino

Der Belgier Xavier Gazon alias Playboys Bend ersteht Kinderelektronik, hantiert mit dem Lötkolben daran herum, entlockt dem Ding wunderliche Töne und bezeichnet das Ganze als «gelenkter Zufall».

Johnny Depp ist nicht der Einzige, der sich als Pirat verkleidet.

Die beiden Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus und Ludwig van als grösstmögliche Annäherung von zwei musikalischen Monolithen: Für einmal tönt Mozart wie Beethoven und Beethoven wie Mozart.

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Flugschau des Raben Larvenlos Wien hoch vier Das RaBe-Fest sorgt von Donnerstag bis Samstag für heisse Ohren: Rock und Elektro dominieren das Programm. Patent Ochsner bläst schön Trübsal und ein Belgier bedient umgelötete Schaltkreise.

Wer beim Stichwort Fasnacht nicht die Flucht ergreift, steht vor der Frage: Was trägt man diesen Winter?

Die Camerata Bern lässt die vier grossen Wiener Komponisten Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert hochleben und lanciert damit eine neue Konzertreihe mit Weltklassesolisten im Kultur-Casino.

Geräte auf der Bühne. Neben dem Duo Saalschutz dürfte insbesondere mit Playboys Bend eine Entdeckung zu machen sein. Dahinter steckt der Belgier Xavier Gazon. Er lötet an altem Elektrokinderspielzeug, das er auf Flohmärkten findet, die Schaltkreise um und bastelt sich daraus seine Loops. Erstaunlicherweise kommt die Musik enorm clubtauglich daher. «Vor einigen Jahren habe ich einen Abendkurs in Elektronik besucht. Ich entdeckte dann Videos von US-amerikanischen Künstlern, die mit umgelöteten Schaltkreisen, sogenanntem ‹circuit bending›, arbeiteten. Das hat meine Arbeit inspiriert», erklärt Gazon seine Faszination für altes Elektronikspielzeug.

Die ganz Gerissenen verkleiden sich als Steuerschlupfloch oder als «Der Bund»-Retter, andere minimieren den Aufwand und gehen als Mafioso. Ob selbstgebastelt oder vom Verleih: Um das Kostüm kommt nicht herum, wer sich ernsthaft als Fasnächtlerin oder Fasnächtler bezeichnen will.

«Die Kombination der beiden Werke von Mozart und Beethoven ist besonders reizvoll, weil man die Komponisten von einer Seite kennen lernt, die gar nicht typisch ist», sagt Bernd Glemser, der als Solist Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 und Mozarts KV 466 zum Besten geben wird. Diese beiden Monumente der Musikgeschichte sind in der Tat eine wunderliche Kombination, klingt doch der Beethoven deutlich nach Mozart und der Mozart wie Beethoven, erläutert Klaviervirtuose Glemser. Der 46-Jährige ist nicht nur ein international gefragter Solist mit 50 bis 60 Konzerten jährlich, er hat auch zahlreiche Werke auf CD eingespielt, ist Familienvater und Professor an der Musikhochschule im süddeutschen Würzburg. «Sowas bringt man nur mit Fleiss, Flexibilität und Effizienz unter einen Hut», meint er lachend am Telefon. Beethoven hat sein Klavierkonzert in B-Dur bereits als 18-Jähriger begonnen. Glemser: «Diese Musik ist entspannt, und am Ende des zweiten Satzes mündet sie in eine Verklärung, einen visionären Traum von etwas Glücklichem. Der spritzige Schluss ist dann wieder sehr nah an Mozart.»

Es gibt Abende, an denen man getrost zu Hause bleiben kann. Statt an einem mittelmässigen Konzert viel Geld auszugeben für Eintritt und Bier, dreht man lieber in der guten Stube das Radio auf und stellt Radio RaBe ein, den unabhängigen Popsender der Stadt. Nächstes Wochenende können sich aber auch Stubenhocker und fleissige RaBe-Hörerinnen in die Stadt wagen. Bereits zum vierten Mal haben die Radiomacherinnen und -macher im Gaskessel ein interessantes Festivalprogramm auf die Beine gestellt. Überdosis Gefühl Wie letztes Jahr Züri West, eröffnet auch heuer ein Fixstern am Schweizer Pop- und Rockhimmel das Fest: Patent Ochsner. Die Band muss man in Bern niemandem vorstellen. Für all jene, die noch keine Karten für eines der Konzerte der aktuellen Tour haben, ist am Donnerstag eine der seltenen Gelegenheiten, Büne Huber live zu hören. Die meisten anderen Konzerte der «Rimini Flashdown Tour» sind nämlich längst ausverkauft. Nach dem gefühlvollen Auftakt mit dem Berufsromantiker Huber geht es am zweiten Abend deutlich rauer weiter. Dafür verantwortlich sind unter anderem die irischen Post Rocker God is an Astronaut. Die Band eröffnet ihre Europatournee im Gaskessel. Unterdessen soll sie auch wieder ihre Tourneeausrüstung komplettiert haben, die ihr während der ersten USA-Tournee im vergangenen Jahr gestohlen wurde. Am Samstag bleiben die Gitarren im Koffer verstaut, dafür stehen Laptops, Plattenspieler und andere elektronische

Mehr als eine künstlerische Bewegung Das Projekt Plaboys Bend vereint Musik, Performance, bildende Kunst und Elektronik: «Die künstlerische Arbeit beginnt, wenn ich ein Spielzeug erstehe. Ich nehme die Batterien raus, öffne die Kiste, verändere die Elektronik und male das Gerät neu an.» Treuer Begleiter ist der Zufall; der gelenkte Zufall, präzisiert Gazon. «Das ‹circuit bending› ist weniger eine musikalische als eine künstlerische Bewegung», meint der Belgier auf die Frage, ob er eher Musiker, Bastler oder Künstler sei. Damit erinnert er an die beiden Schweizer Klangforscher Möslang und Guhl. David Loher \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Gaskessel, Bern Do., 26.2., ab 21 Uhr, Fr., 27., und Sa., 28.2., ab 22 Uhr www.gaskessel.ch

Eine Fasnacht frei von Mottos Doch was sind die Trends für diesen Fasnachtsmodewinter? Manuela Piren vom Kostümverleih Häxebäse in Bern erklärt, es gebe wegen der mottolosen Berner Fasnacht kaum saisonale Moden. Ein Favorit der Berner ist dennoch auszumachen: «Seit ‹Pirates of the Caribbean› ist die Johnny-Depp-Piratenverkleidung ein Dauerbrenner.» Auch die Werbung hinterlässt karnevaleske Spuren. Das Skidress «1818» sei heiss begehrt. Bei Frauenkostümen sind ihr keine solchen Spitzenreiter bekannt. Kostüme, die bekannte Persönlichkeiten darstellen, sind laut Piren weniger gefragt. Die Berner gedenken kaum, als Obama, Merkel oder Merz zu den feuchtfröhlichen Festivitäten aufzukreuzen. Das hat einen simplen Grund: «Die Berner tragen nicht so gerne Masken», weiss sie. Merke: Der Berner Fasnächtler hat nichts zu verbergen; er treibt es und trägt gerne bunt. mfe \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Bärebefreiig: Käfigturm Do., 26.2., 20 Uhr Chinderumzug: Zeughausgasse bis Münsterplatz. Fr., 27.2., 14 Uhr Fasnachtsumzug: Gerechtigkeitsgasse– Kramgasse–Marktgasse–Bundesplatz Sa., 28.2., 14.30 Uhr. www.fasnacht.be

Das Quartett der Wiener Lieblinge Die beiden Klavierkonzerte von Mozart und Beethoven werden durch die Sinfonie Nr. 60 ergänzt, genannt «Il Distratto», von Joseph Haydn und die Sinfonie Nr. 5 in B-Dur von Franz Schubert. Mit diesen beiden Komponisten ist das Wiener Kleeblatt komplett. Für Erich Höbarth, den langjährigen Leiter der Camerata, ist es gewissermassen Wunschkonzert und Heimspiel in einem – die

Wiener Komponisten gehören zu seinen Lieblingen und Höbarth selber stammt ebenfalls aus Wien. Als Primus inter Pares führt Geiger Höbarth die auf zwei Dutzend Mitwirkende verstärkte Camerata Bern behutsam durch die Werke. «Die Zusammenarbeit mit Erich Höbarth ist immer wunderbar», sagt Bernd Glemser, «und die Camerata Bern pflegt eine überaus lebendige Art zu musizieren.» Er schätze es, Werke statt mit einem grossen Sinfonieorchester mit einem Kammerorchester aufzuführen, «jeder Musiker hat dabei viel mehr Verantwortung für den Gesamtklang». Grosse Musik für viele Ohren Die neue Reihe mit Solisten der Weltelite wird in der kommenden Saison weitergeführt mit Gastauftritten von Meisterpianisten wie András Schiff und Alexander Lonquich. Das erste Konzert der Camerata Bern im Kultur-Casino seit fünf Jahren sprengt endlich ein Korsett, in dem dieses weltweit gefragte Ensemble seit einiger Zeit steckt. Der schöne, aber viel zu kleine Saal des Zentrums Paul Klee (ZPK) ist zwar bei Abo-Konzerten regelmässig ausverkauft, was aber nicht verhindert, dass die Konzerte massiv defizitär sind. Gleichzeitig bleibt vielen der Genuss dieser Musik verwehrt. Wie gross die Nachfrage ist, beweist die Tatsache, dass für den 1. März rasch drei- bis viermal so viele Karten verkauft wurden, wie es Plätze im ZPK gibt. Christoph Hoigné \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Kultur-Casino, Bern So., 1.3., 17 Uhr (Einführung 16 Uhr) www.cameratabern.ch


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