P.b.b., Vertr. Nr. GZ 02Z030418M; Verlagspostamt 1150 Wien biomed austria, Grimmgasse 31, 1150 Wien
biomed austria – Fachzeitschrift für Biomedizinische AnalytikerInnen
Winter 2014
Lungenfunktion
EKG
Schlaflabor
Gastroenterologie
Lehre und Praxis
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biomed austria – Fachzeitschrift für Biomedizinische AnalytikerInnen, Nr. 4/2014; ISSN 1997-5503; VP: € 15,–
Vielfalt Funktionsdiagnostik
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Das Das Klinikum Klinikum der Universität der Universität München München ist eines ist eines der größten der größten und und leistungsfähigsten leistungsfähigsten UniverUniversitätsklinika sitätsklinika in Deutschland in Deutschland und und Europa. Europa. 46 Fachkliniken, 46 Fachkliniken, Abteilungen Abteilungen und und Institute Institute mit einer mit einer exzellenten exzellenten Forschung Forschung und und Lehre Lehre ermöglichen ermöglichen eineeine Patientenversorgung Patientenversorgung auf höchstem auf höchstem medimedizinischem zinischem Niveau. Niveau. Hieran Hieran sindsind rundrund 10.000 10.000 Mitarbeiterinnen Mitarbeiterinnen und und Mitarbeiter Mitarbeiter beteiligt. beteiligt. Das Das Institut Institut für Laboratoriumsmedizin für Laboratoriumsmedizin sucht sucht zumzum nächstmöglichen nächstmöglichen Zeitpunkt Zeitpunkt eine/n eine/n
Medizinisch-technischen Medizinisch-technischen Laboratoriums Laboratoriums assistenten assistenten (MTLA) (MTLA) (m/w) (m/w) Ihr Aufgabenbereich: Ihr Aufgabenbereich: Ihre Ihre Aufgabe Aufgabe wirdwird es sein, es sein, das MTLA-Team das MTLA-Team im Fachbereich im Fachbereich Molekulare Molekulare Diagnostik Diagnostik des Instituts des Instituts zu unterstützen. zu unterstützen. Dieses Dieses gewährleistet gewährleistet die labordiagnostische die labordiagnostische Krankenversorgung Krankenversorgung mit einem mit einem breiten breiten Spektrum Spektrum an molekularbiologischen an molekularbiologischen Methoden Methoden und und ist auch ist auch an der an Etablierung der Etablierung und und Weiterentwicklung Weiterentwicklung molekularbiologischer molekularbiologischer Testsysteme Testsysteme beteiligt. beteiligt. Unsere Unsere Anforderungen: Anforderungen: • Abgeschlossene • Abgeschlossene Ausbildung Ausbildung als MTLA als MTLA (m/w) (m/w) • Vorerfahrung • Vorerfahrung in Molekularer in Molekularer Diagnostik Diagnostik ist wünschenswert ist wünschenswert • Teilnahme • Teilnahme an Wochenenddiensten an Wochenenddiensten • Fähigkeit • Fähigkeit zumzum zuverlässigen, zuverlässigen, selbstständigen selbstständigen und und verantwortungsvollen verantwortungsvollen Arbeiten Arbeiten • Soziale • Soziale Kompetenz Kompetenz und und überdurchschnittliche überdurchschnittliche Motivation Motivation Unser Unser Angebot: Angebot: • Tätigkeit • Tätigkeit an einem an einem der renommiertesten der renommiertesten Universitätsinstitute Universitätsinstitute für Laboratoriumsmedizin für Laboratoriumsmedizin in in Deutschland Deutschland • Fundierte • Fundierte und und individuelle individuelle Einarbeitung Einarbeitung in innovative in innovative Technologien Technologien der Molekularbiologie der Molekularbiologie • Angebote • Angebote zur Fortzur Fortund und Weiterbildung Weiterbildung • Sehr • Sehr gutegute Entwicklungsmöglichkeiten Entwicklungsmöglichkeiten • Option • Option einereiner Mitarbeiterwohnung Mitarbeiterwohnung zu günstigen zu günstigen Konditionen Konditionen • Vergütung • Vergütung nachnach TV-LTV-L Schwerbehinderte Schwerbehinderte Bewerber/innen Bewerber/innen werden werden bei ansonsten bei ansonsten im Wesentlichen im Wesentlichen gleicher gleicher Eignung Eignung bevorzugt. bevorzugt. Vorstellungskosten Vorstellungskosten können können leider leider nichtnicht erstattet erstattet werden. werden. Für weitere Für weitere Informationen Informationen wenden wenden Sie sich Sie sich bittebitte an Frau an Frau Prof.Prof. Dr. med. Dr. med. Dr. rer. Dr.nat. rer. Lesca nat. Lesca Miriam Miriam Holdt, Holdt, Tel. 089/4400Tel. 089/440073212. 73212. BitteBitte beachten beachten Sie bei Sie der bei Übersendung der Übersendung IhrerIhrer Bewerbung Bewerbung per E-Mail, per E-Mail, dassdass bei diesem bei diesem ÜberÜbermittlungsweg mittlungsweg Ihre Ihre Daten Daten unverschlüsselt unverschlüsselt sindsind und und unter unter Umständen Umständen von Unbefugten von Unbefugten zur Kennzur Kenntnis tnis genommen genommen oderoder auchauch verfälscht verfälscht werden werden könnten. könnten. Gerne Gerne können können Sie uns Sie uns Ihre Ihre Unter Unter lagen lagen per Post per Post zukommen zukommen lassen. lassen. IhreIhre schriftlichen schriftlichen Bewerbungsunterlagen Bewerbungsunterlagen richten richten Sie bitte Sie bitte zeitnah zeitnah unter unter Angabe Angabe der Referenz-Nr. der Referenz-Nr. 2014-K-0210 2014-K-0210 an: an: Klinikum Klinikum der Universität der Universität München München Prof.Prof. Dr. med. Dr. med. Daniel Daniel Teupser Teupser Direktor Direktor des Instituts des Instituts für Laboratoriumsmedizin für Laboratoriumsmedizin Marchioninistr. Marchioninistr. 15, 81377 15, 81377 München München
inhalt | editorial
INHALT
Die Funktionsdiagnostik – „ein besonderes Wesen“
D
wissenschaft & praxis Funktionsdiagnostik in Lehre & Praxis
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Reflux: Eine neue Zivilisationskrankheit?
7
Nein - Nicht jeder kann Lungenfunktionsdiagnostik (Teil 1)
9
Nein - Nicht jeder kann Lungenfunktionsdiagnostik (Teil 2)
14
Gibt es saisonale Auswirkungen auf den Methacholintest? 19 Ist Asthma bronchiale genetisch determiniert?
21
Sport als Therapie statt tägliche Maskenbeatmung bei Schlafapnoe
23
Die Schrift des Herzens oder von Wellen und Zacken
26
Mein Einstieg in den Fachbereich Funktionsdiagnostik
32
aktuelles & internes Regionalwahlen Tirol und Vorarlberg
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Impressum biomed austria – Fachzeitschrift für Biomedizinische AnalytikerInnen, Nr. 4/2014 • P.b.b., Vertr.Nr. GZ 02Z030418M • Verlagspostamt 1150 • Medieninhaber und Herausgeber: biomed austria – Österreichischer Berufsverband der Biomedizinischen AnalytikerInnen, Grimmgasse 31, 1150 Wien, ZVR-Zahl: 011243159, Tel.: 01-817 88 270, Fax: 01-817 88 27-27, E-Mail: office@biomed-austria.at, Web: www.biomed-austria.at • Jahresabo (Inland), 3 Ausgaben: € 45.Co-Chefredakteurinnen: Nicole Ferstl, MSc; Mag. Birgit Luxbacher, BSc Redakteur dieser Schwerpunktausgabe (verantwortlich für Konzeption und Inhalt): FH-Prof. Dr. Marco Kachler MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Jana Apel, Carina Bum, BSc; Romina Fabbro, BSc; Maria Flaschberger, BSc; Ulrike Fötschl, MSc; FH-Prof. Dr. Marco Kachler, MMag. Ute Maurer, Reinhard Meixner, BSc; Christina Weirich Lektorat: Mag. Birgit Luxbacher, BSc
ie Funktionsdiagnostik (FD) umfasst mit Sicherheit einen recht schillernden Tätigkeitsbereich, dessen Berufsgrenzen national, vor allem aber auch im europäischen Ausland wenig konturiert sind. Zu den Kernbereichen der FD (international: Clinical Physiology) gehören die vier großen Bereiche der neurophysiologisch-somnologischen, kardiologisch-angiologischen, pulmologischen und audiologischen Funktionsdiagnostik. Darüber hinaus umfasst sie aber auch die Endoskopie bzw. andere invasive Eingriffe wie Herzkatheter oder angiografische Untersuchungen, sowie die kraniomandibuläre bzw. kraniofaziale Funktionsdiagnostik in der Zahnheilkunde bzw. Orthopädie. Hier ist die Grenze zwischen Diagnostik und Therapie fließend. Man könnte es am ehesten Theragnostik nennen. So vielfältig funktionsdiagnostische Untersuchungen angewandt werden, so unterschiedlich sind die Berufspersonen, die sie durchführen bzw. daran mitwirken. In den meisten europäischen Ländern ist die FD Bestandteil der Kompetenzfelder verschiedener Gesundheitsberufe, wie z. B. der Pflegeberufe, der Biomedizinischen Analytik, der Logopädie, der Physiotherapie oder der Radiologietechnologie. Dabei reicht das Spektrum auch von mitwirkender bis eigenverantwortlicher Tätigkeit auf diesen Gebieten. Hingegen ist z. B. in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden die Funktionsdiagnostik im Sinne einer „Clinical Physiology“ ein eigenständiger Berufszweig von DiagnostikerInnen. Die Clinical Physiologists bearbeiten eigenverantwortlich die diagnostischen Fragestellungen mithilfe funktionsdiagnostischer Methoden und geben einen Bericht/Befund an die beauftragenden ÄrztInnen ab. Interessant wird daher die Frage des Verbleibs der Funktionsdiagnostik als eigenständiger Bereich innerhalb der Biomedizinischen Analytik, als eigener Beruf in Sinne des Clinical Physiologists oder als transdisziplinäres Feld verschiedener Gesundheitsberufe. Wie sehen Sie die Zukunft der Funktionsdiagnostik? Wir möchten Sie mit dieser Sonderpublikation zum Dialog motivieren. Darüber hinaus möchte ich mich bei allen Autorinnen und Autoren bedanken, die zum Gelingen dieser Ausgabe beigetragen haben. FH-Prof. Dr. Marco Kachler
m.kachler@fh-kaernten.at
Layout: typothese.at/Robert Scheifler • Druck: Resch KEG, 1150 Wien
biomed austria WINTER 2014
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Wissenschaft und Praxis
Einblicke und Ausblicke
Funktionsdiagnostik in Lehre & Praxis Zusammenfassung, Daten und Fakten über den Status quo, der im Zuge der biomed austria Veranstaltung „Lehre trifft Praxis“ im November 2013 in Salzburg präsentiert und diskutiert wurde.
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in aktuelles Thema, das die gesamte MTD-Berufsgruppe seit einem Jahr ordentlich auf Trab hält, ist u. a. die bevorstehende MTD-Gesetzesnovelle. Darin werden alle 7 gehobenen medizinisch-technischen Dienste in Bezug auf Berufs- und Tätigkeitsprofil geregelt sowie die Ausbildungsanforderungen detailliert beschrieben. Was hat das mit Funktionsdiagnostik zu tun?
Fach- und Tätigkeitsbereiche in der Funktionsdiagnostik Praktisch werden funktionsdiagnostische Messverfahren in folgenden medizinisch-klinischen Fachbereichen ausgeübt: • Atemphysiologische Funktionsdiagnostik (Lungenfunktionsdiagnostik) • Kardiovaskuläre Funktionsdiagnostik (z. B. EKG) • Neurologische Funktionsdiagnostik (EEG und Schlaflabor) • Sportmedizinische Leistungsdiagnostik (Ergometrie) • Spiroergometrie • Gastroenterologische Funktionsdiagnostik • Angiologische Funktionsdiagnostik (Gefäß- und Herz-Ultraschalldiagnostik) • Dermatologische Funktionsdiagnostik • Urodynamische Funktionsdiagnostik Anwendung finden diese Tätigkeiten meistens in bestimmten medizinisch-klinischen Abteilungen bzw. Anstalten: • Öffentliche und private Kliniken: Abteilungen für Pulmologie, Interne Medizin, Kinderkliniken (Allergieambulanzen), Sportmedizin, Neurologie • Reha-Einrichtungen und -Kliniken • Leistungssport-Diagnostik • Fitness- und Wellness-Center • Niedergelassener Bereich (allgemeinmedizinische und Facharztpraxen)
Das Gesetz Die Funktionsdiagnostik stellt eine Besonderheit im Berufsbild der Biomedizinischen Analytik dar und wird im MTD-Gesetz 1992, Berufsbild §2 (2), wie folgt beschrieben: „Der medizinisch-technische Laboratoriumsdienst umfasst die eigenverantwortliche Ausführung aller Laboratoriumsmethoden nach ärztlicher Anordnung, die im Rahmen des medizinischen Untersuchungs-, Behandlungs- und Forschungsbetriebes erforderlich sind. Hierzu gehören insbesondere klinisch-chemische, hämatologische, immunhämatologische, histologische, zytologische, mikrobiologische, parasitologische, mykologische, serologische und nuklearmedizinische Untersuchungen sowie die Mitwirkung bei Untersuchungen auf dem Gebiet der Elektro-Neuro-Funktionsdiagnostik und der Kardio-Pulmonalen-Funktionsdiagnostik.“ 4
Untermauert wird dies durch das jüngste MAB-Gesetz (MABG 2012), in den Übergangsbestimmungen für MTF durch folgenden Wortlaut: „Unter Tätigkeiten des medizinisch-technischen Laboratoriumsdienstes gemäß Abs. 1 und Abs. 3 fallen 1. die Assistenz bei Untersuchungen auf dem Gebiet der Elektro-Neuro-Funktionsdiagnostik und der Kardio-Pulmonalen-Funktionsdiagnostik…“ Der wesentliche Unterschied im Vergleich zum klassischen Laboranalyseprozess liegt darin, dass dieser von Biomedizinischen AnalytikerInnen in eigenverantwortlicher Regie durchgeführt wird. Die Funktionsdiagnostik hingegen ist in der derzeitigen Gesetzesfassung „nur“ als Mitwirkung, also ohne Eigenverantwortung, definiert. Praktisch betrachtet unterscheidet sich die Arbeit im Rahmen der Funktionsdiagnostik ganz wesentlich vom sonstigen Berufsprofil der Biomedizinischen Analytik nämlich im direkten, unmittelbaren und persönlichen Umgang mit PatientInnen und gegebenenfalls deren Angehörigen (beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen). Dies erfordert vom durchführenden Personal neben den fachlich-methodischen Kompetenzen vor allem auch ausgeprägte sozial-kommunikative und fallweise psychologische Kompetenzen, um die erforderlichen funktionsdiagnostischen Untersuchungen in höchster Qualität erfolgreich durchführen zu können. Eine weitere Besonderheit in der funktionsdiagnostischen Arbeit stellt neben dem PatientInnenkontakt der hohe Grad an Interdisziplinarität und Interaktion mit angrenzenden Berufsgruppen der Gesundheitsbranche, wie beispielsweise MedizinerInnen, Pflegepersonal, PhysiotherapeutInnen und administrativem Personal, dar. Ausgezeichnete IT-Kompetenzen sind ebenso gefordert bzw. in jedem Fall von Vorteil, um das technisch aufwendige diagnostische Equipment bedienen und warten zu können. Bei allen funktionsdiagnostischen Messverfahren muss der so genannte „Instructor“ (m/w) zu jeder Zeit als Schnittstelle zwischen „Mensch und Maschine“ agieren und die Rolle wechseln können. Die gelebte Realität und Praxis zeigen, dass funktionsdiagnostische Messverfahren mit den erforderlichen Kompetenzen zur Gänze vom jeweiligen Personal selbst- und eigenständig ausgeübt werden. Diese Health Professionals genießen meist sogar einen wahren ExpertInnenstatus, wobei ihre Einschätzung und Interpretation der Ergebnisse einen wesentlichen Beitrag zur ärztlich-medizinischen Diagnosestellung liefern. Aus diesem Grund ist in der MTD-Gesetzesnovelle 2014 das Tätigkeitsprofil im Rahmen der Funktionsdiagnostik unbedingt den realen Bedingungen anzupassen und die derzeitige Formulierung auf „eigenverantwortliche Durchführung“ zu ändern. WINTER 2014 biomed austria
Wissenschaft und Praxis
Die Lehre
Weiters sind verpflichtend praktische Kenntnisse und Fertigkeiten zur Mitwirkung bei der Funktionsdiagnostik wahlweise insbesondere in der Kardiologie, Atemphysiologie oder Elektro- und Neurophysiologie zu erwerben.“ Die im November 2013 durchgeführte Erhebung und der Vergleich aller österreichischen Bachelor-Fachhochschulgänge für Biomedizinische Analytik zeigen, dass gemäß den Vorgaben des MTD-Gesetzes 1992 die theoretischen und praktischen Lehrinhalte zum Thema „Funktionsdiagnostik“ fixer Bestandteil der Curricula aller Ausbildungsinstitutionen sind. Damit sind Biomedizinische AnalytikerInnen per Gesetz dazu ausgebildet und ermächtigt, im Rahmen der Funktionsdiagnostik mitzuwirken, und zwar als so genannte Vorbehaltstätigkeit. Der österreichische Berufsverband biomed austria hat dazu bereits im Dezember 2001 ein entsprechendes Rechtsgutachten von Dr. jur. Gertrude Allmer (in ihrer Funktion als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Gesundheits- und Krankenpflege, Berufskunde, Arbeitstechnik und Betriebsorganisation; Planung, Ausbildung, Führung von Führungskräften) mit folgendem Ergebnis und Wortlaut eingeholt: „Die eigenverantwortliche Durchführung von elektro-neurofunktionsdiagnostischen und kardio-pulmonalen funktionsdiagnostischen Untersuchungen ist eine Vorbehaltstätigkeit des medizinisch-technischen Laboratoriumsdienstes… Jemanden, der zu einer solchen Tätigkeit nicht berechtigt ist, z. B. gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege, dafür heranzuziehen, ist rechtswidrig und im übrigen die Verwirklichung eines verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestandes (vgl § 33 Z 1 MTD-G iVm § 105 a Abs 1 Z 2 GuKG); OGH 27. 05. 1997, 4 Ob 150/97f, KRSlg 799;).“
Blick auf Europa Ein ergänzender Vergleich mit der Lage in diversen europäischen Ländern liefert weitere Impulse zur Thematik (Anmerkung: Daten mit freundlicher Genehmigung von EPBS Chief Delegate Erika Garner-Spitzer MSc, aus der Zusammenarbeit mit EPBS European Association for Professions in Biomedical Science, vom November 2013): In Schweden können Biomedizinische AnalytikerInnen ein spezialisiertes Diplom in Funktionsdiagnostik erwerben. Dazu werden im ersten Ausbildungsjahr die Grundlagen, im zweiten und dritten Jahr die speziellen physiologischen Untersuchungsverfahren unterrichtet. Daraus resultiert allerdings ein Problem mit den nordischen Nachbarländern: Ein/e auf Funktionsdiagnostik spezialisierte/r Biomedizinische/r Analytiker/in aus Schweden hat mit seinem/ihrem Diplom theoretisch die Berechtigung, in den nordischen Nachbarländern regulär als Biomedizinische/r Analytiker/in zu arbeiten, ohne über die dafür biomed austria WINTER 2014
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Die FH-MTD-Ausbildungsverordnung 2006 beschreibt u. a. in Anlage 11 die Mindestanforderung an die praktische Ausbildung wie folgt: „Die praktische Ausbildung hat folgende Pflichtbereiche zu umfassen: a. Klinische Chemie, Hämatologie, Immunhämatologie und Hämostaseologie; b. Histologie, Zytologie und Mikrobiologie.
Fitnesstests am Fahrradergometer zählen zu den gängigsten Untersuchungen in der Sportmedizin.
erforderliche „klassische“ Ausbildung zum/zur Biomedizinischen Analytiker/in zu verfügen. In Norwegen, Finnland und Island werden funktionsdiagnostische Messverfahren im Rahmen der Ausbildung unterrichtet, aber praktisch nicht von Biomedizinischen AnalytikerInnen durchgeführt. Ähnlich ist die Lage in den Niederlanden. In Belgien sind funktionsdiagnostische Verfahren beispielsweise gar nicht in der Lehre verankert und werden praktisch auch nur von Pflegepersonal durchgeführt.
Die Praxis in Österreich Eine Erhebung des Österreichischen Berufsverbands biomed austria im November 2013 zeigt ebenso eine große Lücke zwischen Theorie/Lehre und Praxis: Die erhobenen Daten zeigen ein sehr heterogenes Bild mit teilweise nur qualitativen Informationen aus den Bundesländern – Realität ist: Trotz definierter Vorbehaltstätigkeit der funktionsdiagnostischen Messverfahren für Biomedizinische AnalytikerInnen werden diese in der Praxis überwiegend von folgenden Berufsgruppen durchgeführt: Pflegepersonal, Medizinisch-technischen Fachkräften, (Turnus-)ÄrztInnen, SportwissenschaftlerInnen bzw. Studierende der Sportwissenschaften und sonstigem (mitunter angelerntem) Personal (z. B. OrdinationsassistentInnen). Ab 2015 wird sich vermutlich auch noch die neue Berufsgruppe der MAB (Medizinische Assistenzberufe) dazugesellen. An diesem Punkt wird klar und deutlich, wie viel berufspolitisches Engagement und Arbeit im Bereich der Funktionsdiagnostik erforderlich sind. Auch stellt sich die Frage, welche Rolle die Lehre dabei spielen kann? 5
Wissenschaft und Praxis
Ausblick In der Lehre gäbe bzw. gibt es ausreichend Potenzial, die Funktionsdiagnostik als spezialisierten, konsekutiven Masterstudiengang an einem Standort aufzubauen und anzubieten. Sollte die Thematik aufgriffen werden wollen, so bietet sich damit ein hoch spezialisiertes Tätigkeitsfeld, um unsere Profession im Zuge der Funktionsdiagnostik vertiefend zu autorisieren und gleichzeitig zu akademisieren. Basis dafür müsste ein übergreifendes und sehr gut überlegtes Konzept sein. Aktuell gibt es in der Lehre nämlich die Diskussion, ob im Bereich der Funktionsdiagnostik entweder eine Spezialisierung im Sinne von Fort- und Weiterbildung (CPD) oder eine Akademisierung auf Masterniveau favorisiert werden sollte. Die Lösung dafür liegt womöglich im Brückenschlag, der „sowohl – als auch“ beinhaltet. In Sachen Berufspolitik hat das MTD-Gesetz 1992 bereits die notwendigen Rahmenbedingungen für Biomedizinische AnalytikerInnen geschaffen, um bei Tätigkeiten im Rahmen der Funktionsdiagnostik „mitwirken“ zu können. Diese Position soll nun im Zuge der MTD-Gesetzesnovelle durch die Umwandlung des Wortlautes „Mitwirkung bei“ in „eigenverantwortliche Durchführung von“ noch weiter ausgebaut und gestärkt werden.
Darüber hinaus obliegt es im praktischen Alltag sicher der Eigenverantwortung und -initiative jedes/jeder einzelnen Biomedizinischen Analytikers/Analytikerin, der/die in diesem Spezialbereich tätig ist, (pro)aktiv an den laufenden Verbesserungen und Entwicklungen für unsere Profession mitwirken, und zwar an Ort und Stelle - genau da wo Sie sind, dort wo Sie in diesem Bereich arbeiten. Einzelpersonen nehmen damit eine beispielhafte Rolle als RepräsentantInnen für ihre gesamte Berufsgruppe ein und werden diese auch im interdisziplinären Kontext prägen. Die gesamte Thematik könnte man somit einmal mehr mit einem berufspolitischen Plädoyer abrunden, welches dem Motto der „Drei Musketiere“ des französischen Romanciers Alexandre Dumas folgt: „Einer für alle, alle für einen.“ ■ Ulrike Fötschl
iomedizinische Analytikerin an der Salzburger B Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde/ Allergie- und Lungenambulanz und hauptberufliche Mitarbeiterin in Lehre & Forschung an der FH Salzburg, Studiengang Biomedizinische A nalytik, u. a. Lehrende für „Pulmonale Funktionsdiagnostik“
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Wissenschaft und Praxis
Gastroenterologie
Reflux: Eine neue Zivilisationskrankheit?
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Der Advent ist eine der besinnlichsten Zeiten des Jahres. Die feierliche Atmosphäre lässt niemanden kalt, Jung und Alt freuen sich auf das bevorstehende Weihnachtsfest. Die ersten Weihnachtsmärkte laden zum Verweilen ein, Punschstände öffnen ihre Pforten und die Maronibrater arbeiten auf Hochtouren. Was wäre die Adventzeit schließlich ohne sie?
PatientInnen mit Refluxbeschwerden sollten Süßes und Fettes meiden.
W
ir alle kennen das: Am Weihnachtsabend selbst sitzt die ganze Familie zusammen, bespricht tagesaktuelle Themen bei einem guten Glas Wein oder Kinderpunsch und alle warten gemeinsam auf die traditionelle Weihnachtsgans. Im Anschluss lässt man den Abend gemütlich bei Kaffee oder einem Glas Whiskey, gepaart mit einer guten Zigarre, ausklingen. Was all diese Dinge gemeinsam haben? Sie fördern ein bislang sehr unterschätztes Krankheitsbild: den Reflux. Der korrekte medizinische Ausdruck dafür lautet gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD). Hierbei können mehrere Manifestationsformen unterschieden werden: • nichterosive Refluxkrankheit (NERD) • erosive Ösophagitis verschiedener Schweregrade (ERD) • Barrett-Ösophagitis • Extraintestinale Manifestationen Die Unterscheidung, ob Erosionen nachweisbar sind oder nicht, lässt sich endoskopisch durchführen. Dabei sind verschiedene Schleimhautveränderungen feststellbar. Durch andauernde, wiederholte Säureexposition kann sich das Plattenepithel des Ösophagus in Zylinderepithel umwandeln, wie es sonst nur in Magen und Darm vorkommt. Bei der beschriebenen Metaplasie spricht man von BarrettZellen, welche eine erhöhte Prävalenz von Adenokarzinomen des Ösophagus begünstigen können.
Aber was ist eigentlich die Ursache für Reflux? Eine häufige Ursache für Reflux ist unzureichende Aktivität des unteren Schließmuskels der Speiseröhre. Dieses „Anti- Reflux-Ventil“, wie der untere Ösophagus-Sphinkter (lower esophagus sphincter, LES) gerne biomed austria WINTER 2014
genannt wird, versagt häufig seinen Dienst und verursacht so das Zurückfließen von Mageninhalt bzw. Magensäure in die Speiseröhre. Die aggressive Säureeinwirkung kann langfristig zu den oben beschriebenen Schleimhautveränderungen führen. Warum der Schließmuskel zu wenig Aktivität zeigt, kann vielfältige Ursachen haben. Genetik, schweres Heben, Dehnen des Sphinkters durch große Nahrungsmengen über einen längeren Zeitraum - oft ist die genaue Ursache im Nachhinein nicht mehr eruierbar. Ein damit in Zusammenhang stehendes Erscheinungsbild ist der sogenannte „Bislang handelt es sich bei Zwerchfellbruch, die so genannte Hia- GERD um ein vorwiegend tushernie (HH). Das Zwerchfell spannt westliches Phänomen. Es sich durch den Brustkorb und trennt gibt noch nicht viele Studien Brust- und Bauchraum voneinander. Es zu diesem Thema, allerdings unterstützt die Speiseröhre einerseits sprechen die vorhandenen durch eine gewisse Stabilitätsfunktion, epidemiologischen Daten für andererseits übt das Zwerchfell unter- eine kontinuierliche Zunahme stützenden Druck auf den LES aus. Bei aller GERD-assoziierten einer Hiatushernie gehen beide „Sup- Manifestationsformen in portfunktionen“ verloren und eine Kon- den letzten Jahrzehnten.” traktion des Ösophagus ist die Folge. Speiseröhre samt Schließmuskel können bis zu mehrere Zentimeter nach oben wandern und ein Anteil des Magens kann potentiell in den Brustraum hinaufrutschen. Durch dieses instabile System kann der LES den notwendigen Druck nicht mehr aufbauen, Reflux ist die Folge. Es gibt viele Ursachen, die Reflux als Kofaktoren zusätzlich begünstigen können. Zu nennen wären hier die klassischen Faktoren, wie ungesunde Ernährung (große Mengen, fett- und zuckerreiche Nahrung), Übergewicht, Rauchen, Alkohol, Stress u. v. m., welche das unliebsame 7
Wissenschaft und Praxis
Sodbrennen auslösen oder deutlich verstärken können. Auch bei Schwangeren wird häufig eine Refluxsymptomatik beobachtet, welche allerdings in der Regel nach der Geburt wieder verschwindet. Wer kennt ihn nicht, diesen diffusen Schmerz oder Druck hinter dem Brustbein, das saure Aufstoßen, pauschal oft als Sodbrennen „Bei vielen PatientInnen bezeichnet. Ich selbst bekomme Sodspielen Lebensqualität und brennen beim Verzehr fetter Speisen Leidensdruck eine große Rolle, oder zu großer Mengen der vielgeliebum die ideale individuelle ten Weihnachtsgans. Und damit bin ich Therapieform auswählen zu nicht alleine: Etwa 10 bis 20% der Westkönnen. Oft können bereits europäer leiden unter regelmäßigen Resimple Maßnahmen, wie fluxattacken. Es gibt noch nicht viele beispielsweise Schlafen Studien zu diesem Thema, allerdings mit erhöhtem Oberkörper, sprechen die vorhandenen epidemioErnährungsumstellung, logischen Daten für eine kontinuierliausreichende Bewegung oder che Zunahme aller GERD-assoziierten Stressreduktion, bestehende Manifestationsformen in den letzten Refluxbeschwerden mindern Jahrzehnten. Bislang handelt es sich bei oder sogar verhindern.” GERD um ein vorwiegend westliches Phänomen, in Asien leidet die Bevölkerung erheblich weniger unter refluxbedingten Beschwerden.
Diagnose von GERD Bei Verdacht auf Sodbrennen, Speiseröhrenkrebs oder Schluckstörungen kann eine Endoskopie der Speiseröhre durchgeführt werden. Diese kann auch in Kombination mit einer Gastroskopie erfolgen. Hier können Schleimhautveränderungen begutachtet werden, Gewebeproben entnommen, aber auch Fremdkörper oder oberflächliche Gewebeveränderungen entfernt werden. Diese Untersuchung empfiehlt sich sowohl bei der Diagnosefindung, als auch bei Verlaufskontrollen und postoperativen Begutachtungen. Eine weitere Untersuchungsmöglichkeit ist die so genannte Ösophagusmanometrie. Bei dieser Methode werden Druckwerte in der Speiseröhre und der Schließmuskulatur gemessen. Bei einem Schluck öffnet sich der obere Ösophagussphinkter (UES) für einen kurzen Moment, lässt den Bolus passieren und schließt sich daraufhin wieder. Im Ösophagus wird der Bolus durch die Peristaltik der Speiseröhre vorangedrückt, bis ihn schließlich der untere Ösophagussphinkter (LES) in den Magen entlässt und sich danach verschließt, um einen Rückfluss von Magensäure zu verhindern. Dieser gesamte Vorgang lässt sich durch Darstellung der Druckwerte visualisieren. Funktioniert der Prozess nicht richtig, zeigen sich Anomalien in den Druckwerten. Bei der Langzeit-pH-Metrie handelt sich um ein Messsystem, welches mithilfe des pH-Wertes im Ösophagus Rückschlüsse auf die Säureexposition erlaubt. Es gibt verschiedenste Systeme, wobei das ihnen zugrunde liegende Prinzip immer dasselbe ist: Eine dünne Sonde wird über die Nase in den Magen vorgeschoben. Ein pH-Sensor liegt im Magen, ein weiterer im Ösophagus. Sobald der Sensor in der Speiseröhre sauer wird, lässt dies auf einen Reflux schließen. Mit diesem System lassen sich Anzahl, Stärke und Zeitpunkt der Refluxepisoden über einen Zeitraum von zumindest 23 Stunden ermitteln. Die PatientInnen markieren zusätzlich wichtige Aktivitäten, wie Essen und Trinken, bemerkte Beschwerden und Liegezeiten mithilfe des aufzeichnenden Gerätes, zusätzlich auch mithilfe 8
eines handschriftlichen Protokolls. Hierbei ist es wichtig, säurehemmende Medikamente - wenn möglich - rechtzeitig abzusetzen, um die Ergebnisqualität nicht zu beeinflussen. Eine Kombination aus Manometrie und pH-Metrie ist sinnvoll, um sowohl mögliche Ursachen als auch den Schweregrad des GERD zu ermitteln. Im Gegensatz zur Endoskopie werden diese Untersuchungen - je nach betrieblicher Vorgabe - auch von MitarbeiterInnen der Gesundheits- und Krankenpflege oder Biomedizinischen AnalytikerInnen durchgeführt. Auch die Verwertung der erhobenen Daten zu einem vorläufigen technischen Befund kann in den Verantwortungsbereich von Biomedizinischen AnalytikerInnen fallen, welcher abschließend durch ÄrztInnen medizinisch validiert wird. Gerade die Kombination aus Untersuchung und anschließender Befundung macht diesen Bereich zu einem spannenden und interessanten Tätigkeitsfeld. Für Biomedizinische AnalytikerInnen ergibt sich so die Möglichkeit, den/die Patienten/ Patientin von Anfang an zu begleiten und am Diagnoseund Therapieprozess direkt beteiligt zu sein.
Therapie des GERD Bei vielen PatientInnen spielen Lebensqualität und Leidensdruck eine große Rolle, um die ideale individuelle Therapieform auswählen zu können. Oft können bereits simple Maßnahmen, wie beispielsweise Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, Ernährungsumstellung, ausreichende Bewegung oder Stressreduktion, bestehende Refluxbeschwerden mindern oder sogar verhindern. Auch späte Mahlzeiten vor dem Zubettgehen, Alkohol, Schokolade, Kohlensäure und fettreiche Speisen sind sehr häufig Auslöser von Refluxepisoden. Diese zu meiden kann für PatientInnen daher vielfach bereits ausreichen um beschwerdefrei zu sein. Darüber hinaus können säurereduzierende Medikamente den Beschwerden entgegenwirken. Hilft dies alles nichts, bleiben nur operative Maßnahmen. Auch hier ist eine regelmäßige Kontrolle durch einen Gastroenterologen oder Chirurgen zu empfehlen, wobei Biomedizinischen AnalytikerInnen als „Diagnostic Partners“ eine immens wichtige Rolle bei Diagnose und Verlaufskontrollen von Refluxerkrankungen zukommt. ■
Reinhard Meixner
Biomedizinischer Analytiker und Studierender des Masterstudiengangs Management im Gesundheitswesen an der FH Burgenland Campus Pinkafeld
Quellen:
El-Serag, H.B., Sweet, S., Winchester, C.C., Dent J. (2014): Update on the epidemiology of gastro-oesophageal reflux disease: a systematic review. Verfügbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23853213 http://www.gesund.at/f/langzeit-ph-metrie http://www.sodbrennen-welt.de/gastro/201012-DGVS-GERD-KonsensI-Definitionen-Epidemiologie-und-natuerlicher-Verlauf.htm http://www.speiseroehrenerkrankungen.de/index.php/diagnostik-beispeiseroehrenerkrankungen Prinz, C. (2012): Basiswissen Innere Medizin. Berlin/Heidelberg. Springer Verlag Riemann, J. F., Fischbach, W., Galle, P. R., Mössner, J. (2010): Gastroenterologie: Das komplette Referenzwerk für Klinik und Praxis. Band 1: Intestinum. Stuttgart. Thieme Verlag
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Wissenschaft und Praxis
Messverfahren und Qualitätssicherung
Nein - Nicht jeder kann Lungenfunktionsdiagnostik (Teil 1) Das verbundene Manöver aus Bodyplethysmografie und Spirometrie dient der umfangreichen Diagnostik von obstruktiven, restriktiven und kombinierten Lungenerkrankungen. Für die Durchführung der Bodyplethysmografie/ Spirometrie gibt es nationale und internationale Empfehlungen.
U
nter anderem sind handfeste Qualitätskriterien von der Deutschen Atemwegsliga und der American Thoracic Society (ATS) und European Respiratory Society (ERS) veröffentlicht worden, damit die Messungen den Gütekriterien (objektiv, reliabel, valide) entsprechen. Die Durchführung der zwei Messungen wird in den jeweiligen Empfehlungen explizit beschrieben, wobei jede Teilmessung - Atemschleifen, Verschlussdruck, Spirometrie hohe Anforderungen an die Mitarbeit der PatientInnen, aber auch an die Fachkompetenz der UntersucherInnen stellt. Darüber hinaus unterliegt jede Teilmessung eigenen Qualitätsmerkmalen, die entweder anhand der Grafik oder der Werte evaluiert werden müssen. Wenn man sich in der Klinik einmal umhört, stößt man bei KollegInnen nicht selten auf das Vorurteil „Lungenfunktion kann doch jeder... ein bisschen pusten!“ Doch wie in jedem anderen medizinischen Fachbereich setzt auch die Lungenfunktionsuntersuchung eine Menge Know-how voraus. Neben der allgemeinen Durchführung der Messung Bodyplethysmografie/Spirometrie muss der/ die UntersucherIn ihre PatientInnen gut instruieren und motivieren, die Qualitätskriterien der Messung kennen und umsetzen, die Ergebnisse beurteilen und auf ihre Plausibilität prüfen und nicht zuletzt das Gerät fachgerecht bedienen.
gehend unabhängig ist. So wird der spezifische Atemwegswiderstand (sRtot) während der Ruheatmung ermittelt und eine gegebenenfalls vorliegende Obstruktion kann einem Schweregrad zugeordnet werden. Ein weiterer wichtiger Parameter der Bodyplethysmografie ist die funktionelle Residualkapazität (FRCpleth, bodyplethysmografisch gemessen), die während des Verschlusses erfasst wird. Die FRCpleth lässt unter anderem Rückschlüsse auf das Vorliegen einer statischen Lungenüberblähung zu.
Bodyplethysmografie/ Spirometrie Erst die Kombination aus Bodyplethysmografie und Spirometrie erlaubt eine umfangreiche Diagnostik der obstruktiven, restriktiven bzw. kombinierten Ventilationsstörung sowie die Graduierung der Lungenüberblähung.
Messverfahren Bodyplethysmografie/Spirometrie
Die Spirometrie dient der Diagnostik obstruktiver Lungenerkrankungen. Mittels dieser Untersuchung können verschiedene Lungenvolumina (u. a. FEV1, FVC, VCIN) und Atemstromstärken (u.a. MEF-Werte, PEF) schnell, nicht-invasiv und preisgünstig gemessen werden. Anhand der Werte lässt sich eine Aussage bezüglich des Schweregrads einer etwaigen obstruktiven Lungenerkrankung treffen, und ob es sich um eine Obstruktion der zentralen oder peripheren Atemwege handelt. Die Diagnose einer restriktiven Lungenerkrankung ist mittels Spirometrie nicht möglich. Der Parameter FEV1%VCmax (=/ ↑), in Verbindung mit der FEV1 (↓) und VCmax (↓), kann jedoch einen Hinweis darauf geben.
Der Messablauf der Bodyplethysmografie und Spirometrie wird in den jeweiligen Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga explizit beschrieben, sollte jedoch an den Allgemeinzustand jedes/jeder einzelnen Patienten/Patientin angepasst werden. Wichtig ist, dass eine Abteilung nach einheitlichen SOPs „Wenn man sich in arbeitet und somit die Messungen untersu- der Klinik einmal cherunabhängig sind. Bevor die eigentliche umhört, stößt man Messung beginnt, müssen die persönlichen bei KollegInnen nicht Daten (Größe, Gewicht, Alter, Geschlecht) selten auf das Vorurteil des/der Patienten/Patientin erfragt und im „Lungenfunktion PC aktualisiert werden. Aus diesen An- kann doch jeder... ein gaben berechnen sich die Referenzwerte. bisschen pusten!“ Nach der Datenaufnahme wird der/die PatientIn gebeten, im Bodyplethysmografen Platz zu nehmen. Es werden ein frisches Mundstück (inkl. Bakterienfilter) und ein neuer Krümmer an den Pneumotachografen (PT) angebracht. Dann wird die Höhe von Mundstück und Stuhl an die Größe des/der Patienten/Patientin angepasst, sodass diese/r aufrecht sitzt und die Beine im rechten Winkel sind. Während der gesamten Messung muss der/ die PatientIn die Nase mittels Nasenklammer verschließen. Nun erfolgt die Einweisung in die Untersuchung. Dem/ Der Patienten/Patientin sollte der grobe Ablauf geschildert werden, wobei die Notwendigkeit einer guten Mitarbeit explizit hervorhoben werden muss. Nachdem der/die PatientIn eingewiesen wurde, wird die Tür des Bodyplethysmografen geschlossen und das Programm gestartet.
Bodyplethysmografie
Messung der spezifischen Resistance
Die Bodyplethysmografie ist ein Messverfahren, welches von der Mitarbeit des/der Patienten/Patientin weit-
Der/Die PatientIn erhält die Instruktion, ruhig und gleichmäßig ein- und auszuatmen. Während der Ruheat-
Aussagekraft der Bodyplethysmografie/Spirometrie Sowohl die Spirometrie als auch die Bodyplethysmografie dienen der Diagnostik von Lungenerkrankungen, mit jeweils eingeschränkter Aussagekraft. Erst wenn beide Messungen miteinander kombiniert werden, erhöht sich diese deutlich.
Spirometrie
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mung werden die Atmungsschleifen aufgezeichnet (siehe Abb. 1), die sich aus der Änderung des Kabineninnendrucks und dem Atemstrom am PT ergeben. Die spezifische Resistance ergibt sich nun aus dem Winkel ß der Atmungsschleife.
Abb. 1: Registrierung der Atemschleifen bei Ruheatmung. Atemfrequenz wird während der Registrierung der Atemschleifen kontinuierlich angegeben
Messung des FRCpleth Nachdem fünf bis zehn reproduzierbare Atmungsschleifen aufgezeichnet sind und die Atemruhelage erreicht ist, wird der Verschluss gesetzt. Der/Die PatientIn wird aufgefordert, während des Verschlusses eine frustrane Atembewegung durchzuführen. Das heißt, er/sie soll während der Dauer des Widerstands die „normale Atembewegung“ fortführen. Dabei werden die Druckänderungen am Verschluss ins Verhältnis zu den Änderungen des Kabineninnendrucks gesetzt und eine nach links geneigte Verschlussdruckkurve mit tan α entAbb.2: Verschlussdruckkurve mit steht (siehe Abb. 2). vier Atemexkursionen (rechts)
Abb. 3: (oben) Variante 1 bzw. 2: nach Erreichen der Atemruhelage wird nach jedem Shutter ein Spirometrie-Manöver eingeleitet. (unten) Variante 3: nach dem dritten Verschluss wird die langsame Spirometrie durchgeführt.
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Das „verbundene Manöver“ Das „verbundene Manöver“ setzt sich aus der Messung des FRCpleth in Verbindung mit der Spirometrie zusammen und dient der Berechnung der totalen Lungenkapazität (TLC) und des Residualvolumens (RV). In der Praxis haben sich drei Varianten (siehe Abb. 3) der Durchführung des „verbundenen Manövers“ etabliert: 1. Nach jedem Verschluss wird eine forcierte Spirometrie (FV-Kurve) durchgeführt. Dies setzt eine hohe Kooperation und einen guten Allgemeinzustand des/der Patienten/ Patientin voraus. 2. Nach jedem Verschluss wird eine langsame Spirometrie eingeleitet und die Parameter TLC und RV bestimmt. Im Anschluss wird dann separat die forcierte Spirometrie zur Aufzeichnung der FV-Kurve bei offener Tür durchgeführt. Dieser Ablauf führt zu einem höheren Zeitumfang, fordert von den PatientInnen allerdings etwas weniger Mitarbeit. 3. Entsprechend der Empfehlung der Deutschen Atemwegsliga werden mindestens drei Verschlussdruckmessungen hintereinander aufgezeichnet, bevor dem dritten Verschluss das „verbundene Manöver“, mit einer langsamen Spirometrie folgt. Die forcierte Spirometrie wird anschließend bei offener Tür gemessen. Kritisch betrachtet wird bei dieser Vorgehensweise nur einmal das „verbundene Manöver“ zur Bestimmung von TLC und RV durchgeführt und setzt somit eine hohe Fachkompetenz des/der Untersuchers/Untersucherin und eine optimale Mitarbeit des/ der Patienten/Patientin voraus. Bei allen drei Verfahrensweisen ist darauf zu achten, dass vor dem Verschluss die Atemruhelage erreicht wird, die Verschlussdruckmessung technisch fehlerfrei ist und innerhalb von 20 Sekunden nach dem Verschluss das Spirometrie-Manöver zur Bestimmung von TLC und RV eingeleitet wird. Des Weiteren muss sichergestellt sein, dass während des gesamten Vorgangs kein Leck im System „Patient – Gerät“, beispielsweise durch unabsichtliches Öffnen des Mundes, entstanden ist. Dies wäre eine Indikation für eine Wiederholung der Untersuchung.
Langsame Spirometrie Die langsame Spirometrie muss innerhalb von 20 Sekunden nach dem Verschluss eingeleitet werden. 1. Der/Die PatientIn wird aufgefordert, unmittelbar nach dem Öffnen des Verschlusses maximal auszuatmen. 2. Der/Die PatientIn führt nach dem Verschluss zwei bis drei Ruheatemzüge durch und atmet dann maximal aus. Während der maximalen Ausatmung wird das exspiratorische Reservevolumen (ERV) gemessen. Anschließend erfolgt eine langsame maximale Einatmung zur Bestimmung der inspiratorischen Vitalkapazität (VCIN). Die gemessenen Parameter dienen als Grundlage zur Berechnung von TLC und RV. So ergibt sich die TLC aus Median FRCpleth minus Maximum ERV plus VCmax. Ist der/die PatientIn nicht in der Lage, aus der Ruhe heraus maximal auszuatmen, kann er/sie alternativ so instruiert werden, dass er/sie nach dem Öffnen des Shutters erst maximal einatmet. Dabei wird die Inspirationskapazität (IC) gemessen. Anschließend soll der/die PatientIn vom TLC-Niveau aus maximal langsam ausatmen, damit die exspiratorische Vitalkapazität (VCEX) gemessen werden kann.
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Forcierte Spirometrie Ist der/die PatientIn in guter Verfassung empfiehlt es sich, gleich aus der maximalen Einatmung der langsamen Spirometrie heraus das FV-Manöver (siehe Abb. 4) mit einem kräftigen Atemstoß einzuleiten. Dabei sind die Qualitätskriterien der Spirometrie, veröffentlicht von der Deutschen Atemwegsliga bzw. der American Thoracic Society (ATS) und der European Respiratory Society (ERS), zu beachten. Abb. 4: Fluss-Volumen Diagramm der Zur Reproduzierbarkeit der Werte forcierten Spirometrie. Leichte optische Abweichung der FV-Kurven in FEV1 und FVC sollder Grafik. Reproduzierbarkeit der ten mindestens drei Parameter FEV1 und FVC anhand der zufriedenstellende Werte nachgewiesen. Durchgänge absolviert werden.
Qualitätskriterien der Bodyplethysmografie und Spirometrie Atemschleifen Während der Registrierung der Atemschleifen ist darauf zu achten, dass der/die PatientIn sich in Ruhe befindet und die Umgebungsbedingungen konstant sind. Zu Beginn der Messung soll der/die PatientIn ohne weitere Vorgaben spontan atmen. Dafür wird er/sie instruiert, durch das Mundstück gleichmäßig ein- und auszuatmen. Zeichnen sich nach einigen Atemzügen keine technisch zufriedenstellenden Atemschleifen ab, muss der/die UntersucherIn eingreifen. Er/Sie sollte einen gleichmäßigen Takt mit einer Atemfrequenz (BF) von 20 bis 25 (30) Atemzügen pro Minute vorgeben. Die aufgezeichneten Atemamplituden im Spirogramm dürfen dabei nicht zu flach (Zeichen einer oberflächlichen Atmung) bzw. zu hoch (zu tiefe Atemzügen) sein. Des Weiteren muss während oder nach der Messung eine Korrektur der Artefakte vorgenommen werden, die aufgrund der unterschiedlichen Gastemperatur und relativen Luftfeuchtigkeit bei In- und Exspiration auftreten. Die elektronische BTPS-Korrektur (body temperature, atmospheric pressure, water) zur Kompensation der Atemschleifen geschieht heutzutage mithilfe eines automatischen Schleifen-Computers (ASC). Sind die Atemschleifen sowohl im in- und exspiratorischen Bereich offen, muss an eine fehlerhafte ASC-Korrektur gedacht und eine manuelle Änderung vorgenommen werden. Ziel der Messung ist es, fünf bis zehn reproduzierbare Atemschleifen aufzuzeichnen (siehe Abb. 1). Anhand der Kurven wird computergestützt die Neigung der Atemschleife (tan ß) ermittelt, woraus sich die spezifische Resistance (sRtot bzw. sReff) ableitet.
FRCpleth- Messung Im Anschluss an die Widerstandsmessung erfolgt die Verschlussdruckmessung. Der/Die PatientIn wird aufgebiomed austria WINTER 2014
fordert, eine frustrane Atembewegung gegen den Verschluss auszuführen. Die aufgezeichnete FRCpleth-Kurve (früher auch ITGV-Kurve) ist als technisch zufriedenstellend zu bewerten, wenn zwei bis fünf Atemexkursionen vorliegen. Dies äu- „Der Messablauf der ßert sich in einer Überlagerung nahezu Bodyplethysmografie und parallel liegender Linien (Criée 2009, Spirometrie wird in den S. 24). Entsprechend den Empfehlun- jeweiligen Empfehlungen der gen der Deutschen Atemwegsliga wird Deutschen Atemwegsliga empfohlen, mindestens drei Verschlüs- explizit beschrieben, sollte se nacheinander ohne dazwischenlie- jedoch an den Allgemeinzustand gendes Maximalmanöver aufzuzeich- der PatientInnen angepasst nen, um die Qualität der Volumenbe- werden. Wichtig ist, stimmung beurteilen zu können (Criée dass eine Abteilung nach einheitlichen SOPs arbeitet 2009, S. 25). Die Reproduzierbarkeit der Ver- und somit die Messungen schlussdruckmessung ist im Idealfall untersucherunabhängig sind.” dann erreicht, wenn drei FRCpleth-Werte innerhalb eines 10 %-Intervalls (Differenz zwischen höchstem und niedrigstem Wert dividiert durch den Mittelwert < 0,1) vorliegen. SMITH gibt zur Qualitätskontrolle an, dass die Streuung von mindestens zwei bzw. mehreren aufeinanderfolgenden FRCpleth-Werten sogar weniger als 5 % betragen sollte. Zudem muss die Verschlussdruckkurve sowohl positive (exspiratorische) als auch negative (inspiratorische) Druckauslenkungen aufweisen. Für den weiteren Verlauf der Messung ist zu beachten, dass die Qualität der Verschlussdruckkurve maßgeblich die Güte der von ihr abgeleiteten Messwerte (Rtot bzw. Reff, TLC und RV) bestimmt.
Verbundenes Manöver Für die korrekte Berechnung von TLC und RV muss die langsame Spirometrie innerhalb von 20 s nach dem Verschluss eingeleitet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass der/die PatientIn maximal ausatmet und anschließend in einem Atemzug maximal einatmet. Die internationalen Leitlinien der American Thoracic Society (ATS) empfehlen, mindestens drei akzeptable Versuche durchzuführen. Dafür muss bei jeder Teilmessung ein endexspiratorisches Plateau mit einer Volumenänderung ≤ 25 ml oder einer Exspiration ≥ 6 s erreicht werden. Die Reproduzierbarkeit der Messung wird anhand der VC kontrolliert. Die Differenz zwischen dem besten und zweitbesten VC-Wert muss ≤ 0,15 l sein. Bei dem in den Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga beschriebenen Messablauf wird das verbundene Manöver einmalig nach dem letzten Verschluss durchgeführt. Hier kann keine Kontrolle der Reliabilität des TLCund RV-Niveaus erfolgen. Einzig der Vergleich der VC aus dem verbundenem Manöver mit der FVC (bzw. VCIN) der forcierten Spirometrie gibt Aufschluss darüber, ob der/die PatientIn maximal ein- und ausgeatmet hat.
forcierte Spirometrie Die forcierte Spirometrie mit ihrem kräftigen Atemstoß und endexspiratorischer Ausatmung nach maximaler Inspiration setzt eine optimale Mitarbeit seitens der PatientInnen, aber auch eine exakte Anleitung durch den/die UntersucherIn voraus. Die Beurteilung der Fluss-Volumen-Kurve anhand der Grafik und der Parameter ist nach jeder Teilmessung unerlässlich. 11
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Hüllkurve Für die Beurteilung der Qualität der einzelnen Fluss-Volumen Kurven (FV-Kurven) ist es notwendig, die genaue Geräteeinstellung zu kennen. Viele Geräte arbeiten mit der sogenannten Hüllkurve. Als Hüllkurve wird die vom PC dargestellte Ergebniskurve bezeichnet, die aus den äußeren Begrenzungen aller hintereinander durchgeführten FV-Kurven ermittelt wird. Die Ergebniskurve stellt somit kein reelles Atemmanöver dar; vielmehr kann diese Form der Auswertung eine mäßige Mitarbeit bzw. Artefakte verschleiern. Von der Verwendung der Hüllkurve wird daher abgeraten. (AWMF-Leitlinien).
ATS/ERS-Kriterien (2005) Die Qualitätsbeurteilung der Spirometrie sollte anhand der Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zur Spirometrie bzw. der internationalen Empfehlungen der American Thoracic Society (ATS) und der European Respiratory Society (ERS) vorgenommen werden. Tabelle 3 gibt eine Zusammenfassung der Qualitätskriterien. Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden die Qualitätskriterien nach ATS/ERS (2005) erläutert. Das forcierte Spirometrie-Manöver, auch Tiffeneau-Manöver genannt, startet unmittelbar nach der maximalen Inspiration und umfasst den Atemstoß mit anschließender endexspiratorischer Ausatmung. Für die exakte Messung der Einsekundenkapazität (FEV1 – das Volumen, das in der ersten Sekunde der forcierten Exspiration ausgeatmet wird) ist es notwendig, dass der/die PatientIn von Beginn an forciert ausatmet. Einigen PatientInnen fällt es schwer, von Beginn an forciert auszuatmen. Sie atmen zuerst ein wenig Volumen aus, bevor sie den eigentlichen Atemstoß mit hoher Flussgeschwindigkeit machen. Dieses Volumen, das zu Beginn der Exspiration nicht forciert ausgeatmet wird, ist das zurückextrapolierte Volumen. Nach ATS/ERS muss das zurückextrapolierte Volumen ≤ 5 % der FVC und absolut ≤ 150 ml sein. Bei den meisten Geräten lassen sich die Werte des zurückextrapolierten Volumens in der Parameter-Tabelle einstellen und können so nach jeder Teilmessung gut kontrolliert werden. Die forcierte Exspiration ist durch ein schnelles Erreichen des Spitzenflusses (Peak Flow, PEF) gekennzeichnet. Der PEF muss innerhalb von 120 ms erreicht sein. Dieses Kriterium lässt sich in der Fluss-Volumen-Kurve anhand eines steilen Anstiegs zum PEF überprüfen.
Darüber hinaus muss die erste Sekunde der forcierten Exspiration frei von Artefakten sein. Das heißt, dass während der ersten 70 – 80 % der Vitalkapazität keine Artefakte auftreten dürfen (siehe Abb. 5). Mögliche Artefakte können sein: • patientenbedingt: - Hustenartefakt - Glottisverschluss - vorzeitig beendete Exspiration - unterschiedliche Anstrengung • gerätetechnisch: - Leckagen - zusammengedrücktes Mundstück
Abb. 5: a) FEV1 entspricht in etwa 70 - 80 % von dem Volumen der VC (blaue Fläche + straffierte Fläche) mögliche Artefakte: b) Hustenartefakt; c) + d) Glottisverschluss; e) vorzeitig beendet; f) unterschiedliche Anstrengung
Um die FEV1%VC und FVC exakt zu bestimmen, muss ein exspiratorisches Maximalmanöver durchgeführt werden. Dafür muss der/die PatientIn mindestens sechs Sekunden ausatmen, wobei ein endexspiratorisches Plateau (Volumenänderung < 30 ml in der letzten Sekunde) erreicht werden muss. Valide Messwerte sind gegeben, wenn drei [zwei] reproduzierbare Teilmessungen vorliegen. Um diese zu erreichen, sollten jedoch nicht mehr als acht Versuche gemacht werden, da sonst ein „Spirometer-Asthma“ provoziert werden könnte. Die Reproduzierbarkeit der Teilmessung wird anhand der Parameter FEV1 und FVC überprüft. Sie ist gegeben, wenn die Differenz zwischen dem besten und zweitbesten FEV1- und FVC-Wert ≤ 0,15 l und nicht mehr als 5 % des Bestwertes beträgt.
Tabelle 1: Qualitätskriterien der Bodyplethysmographie Bodyplethysmographie Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga Atemschleifen
Verschlussdruck-Manöver
andere Qualitätsbeschreibungen
-A temfrequenz (BF) zw. 20 – 25 Atemzügen pro Minute
- * Atemfrequenz (BF) zw. 20 – 30 Atemzüge pro Minute und Atemzugvolumen kleiner als 40 l/min
- z wei bis drei Atemexkursionen
- ** positive und negative Druckauslenkung und Streuung von mindestens zwei bzw. mehreren aufeinanderfolgenden FRCpleth-Werten weniger als 5 %
-d rei FRCpleth-Werte innerhalb eines 10 %-Intervalls
- *** keine Schleifenbildung, Atemfrequenz von 0,5 (30/ min) bis 1 (60/min) Hz und Druckänderungen im Druckströmungsdiagramm von max. 2 kPa * Bedienungsanleitung MasterScreen PFT® CareFusion ** Smith, Grundlagen der Bodyplethysmographie *** AWMF-Leitlinien
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Tabelle 2: Qualitätskriterien der langsamen Spirometrie langsame Spirometrie ATS/ERS 2005 (forcierte Spirometrie)
andere Qualitätsbeschreibungen
- mind. drei akzeptierte Versuche - Reproduzierbarkeit VC (Differenz zwischen bestem und zweitbestem Messwert ≤ 150 ml) - endexspiratorisches Plateau vorhanden (Exspiration ≥ 6 s oder Volumenänderung ≤ 25 ml in letzter Sekunde (bei Kindern jünger als zehn Jahre wird die Zeit auf 3 s verkürzt)
verbundenes Manöver
- * Einleitung der Spirometrie innerhalb von 20 s nach dem Verschluss
*B edienungsanleitung MasterScreen PFT® CareFusion ** S mith, Grundlagen der Bodyplethysmographie *** AWMF-Leitlinien
Tabelle 3: Qualitätskriterien der forcierten Spirometrie forcierte Spirometrie Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zurückextrapoliertes Volumen
ATS/ERS 2005 (forcierte Spirometrie) - Rückextrapoliertes Volumen ≤ 5 % FVC und absolut ≤ 150 ml
PEF
- soll innerhalb von 120 ms erreicht sein (gekennzeichnet durch steilen Anstieg)
- soll innerhalb von 120 ms erreicht sein
Artefakte
- keine Artefakte (Husten, Glottisverschluss, Leckagen, vorzeitige Beendigung, unterschiedliche Anstrengung)
- in der ersten Sekunde der forcierten Exspiration dürfen keine Artefakte (Husten, Glottisverschluss, vorzeitig beendete Exspiration, unterschiedliche Anstrengung, Leckagen, zusammengedrücktes Mundstück) auftreten
maximale Exspiration
- Fluss kleiner als 0,1 l/s - von einer zeitlichen Komponente (z. B. mind. 4 s) wird abgeraten
- Exspirationszeit ≥ 6 s (≥ 3 s bei Kindern) und endexspiratorisches Plateau erreicht (Volumenänderung < 30 ml in der letzten Sekunde) - kein Abbruch der Exspiration (exspiratorischer Fluss darf nicht um mehr als 200 ml/s in den letzten 100 ml abfallen)
Reproduzierbarkeit FEV1 und FVC
- mind. 3 Versuche - mind. drei [zwei] Versuche - Differenz zw. den besten zwei Versu-D ifferenz zw. den besten zwei Versuchen für FEV1 und FVC ≤ 0,15 l chen für FEV1 und FVC < 5% (bei einer und ≤ 5% des Bestwertes FVC < 1 l weniger als 100 ml)
Reproduzierbarkeit PEF
- Differenz der besten zwei Versuche für PEF < 10 %
Anzahl der ≤4 Versuche
≤8
Jana Apel
MTAF und Fachlehrerin für MTA-Schulen an der Akademie der Gesundheit Berlin/Brandenburg
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Beurteilung und Interpretation
Nein - Nicht jeder kann Lungenfunktionsdiagnostik (Teil 2) Zur Durchführung der Bodyplethysmografie/Spirometrie gehört, dass der/die Biomedizinische AnalytikerIn, welche/r die Messung durchführt, das Ergebnis auf seine Plausibilität hin überprüft. Dazu zählt auch, dass nicht vermeidbare Artefakte erkannt und dokumentiert sowie die Mitarbeit des/der Patienten/Patientin beurteilt wird. Der/Die UntersucherIn sollte auch profunde Kenntnisse über die Pathologie der Lungenfunktionsstörungen haben und das Ergebnis interpretieren können, um eine Plausibilitätskontrolle der Messwerte im Hinblick auf die Anamnese vornehmen zu können. Beurteilung und Interpretation der Bodyplethysmografie/Spirometrie Die Bodyplethysmografie/Spirometrie ist nicht mit dem Abspeichern und Ausdrucken des Untersuchungsergebnisses beendet. Der/Die Biomedizinische AnalytikerIn sollte jetzt ein letztes Mal das Ergebnis der Plausibilitätskontrolle unterziehen, um gegebenenfalls Korrekturen in Anwesenheit des/der Patienten/Patientin vornehmen zu können. Zudem müssen Mitarbeit und Abweichungen vom Standard dokumentiert werden.
Artefakte und deren Dokumentation Ein aussagekräftiger Befund umfasst eine qualitative und quantitative Beschreibung der aufgetretenen Störungen. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: • Beurteilung der Mitarbeit • nicht vermeidbare Artefakte/ technische Probleme
Beurteilung der Atemschleifen Die Atemschleife mit guter Mitarbeit (Atemfrequenz (BF) zw. 20 - 25 l/min und ausreichend hohe Flussgeschwindigkeit) stellt sich als geradlinige Kurve, entsprechend der Pathologie dar (Abb. 1a). Neben einer mäßigen Mitarbeit durch den/ die Patienten/Patientin können aber auch technisch bedingte Artefakte die Güte und somit die Beurteilbarkeit der Atemwegsschleifen einschränken. Folgende Artefakte der Atemschleife können auftreten: • Verzitterter Linienverlauf (Abb. 1b) tritt auf, wenn der/die PatientIn zu langsam atmet oder durch Vibrationen, die von außen auf den Bodyplethysmografen wirken. • Deutliche horizontale und vertikale Auslenkungen (Abb. 1c) werden durch Schlucken oder ruckartige Bewegungen hervorgerufen. • Weit offene Kurven (Abb. 1d) können ein Zeichen pathologischer Veränderung sein, treten aber auch aufgrund fehlender BTPS-Kompensation auf. Bei zu geringer ASC-Korrektur sind die Kurven offen. Ist die Abb. 1: Artefakt der Atemschleifen a)Normvariante ent- ASC-Korrektur hingegen zu hoch, kommt sprechend der Pathologie, b) es zu Überscheidungen im Kurvenverlauf. Vibrationsartefakt, c) Schluck- • Fehlendes Signal (Abb. 1e und 1f) artefakt, d) mangelnde kann sowohl den Fluss als auch das VerASC-Korrektur, e) fehlendes schiebevolumen betreffen. Fehlt das FlussFlusssignal, f) fehlendes Versignal, ist der Pneumotachograf zu überschiebevolumen 14
prüfen. Bei fehlendem Drucksignal sollte kontrolliert werden, ob die Kabinentür richtig geschlossen ist. Des Weiteren empfiehlt es sich, das Druckausgleichsventil kurzzeitig zu öffnen und erneut zu schließen. Besteht der Fehler weiter, sollte die Dichtigkeit der Kabine mittels Eichung überprüft werden.
Beurteilung der FRCpleth-Kurve Eine optimale Mitarbeit des/der Patienten/Patientin während des Verschlussdruckmanövers (FRCpleth-Manöver) ist gegeben, wenn die FRCpleth-Kurve zwei bis fünf Atemexkursionen sowie eine Überlagerung nahezu parallel liegender Linien aufweist. Zudem sollten sowohl in- als auch exspiratorische Druckauslenkungen innerhalb von ± 0,5 bis ± 2 kPa, erkennbar sein. Wichtig bei der Beurteilung der Mitarbeit des FRCpleth-Manövers ist, dass der/die UntersucherIn den/die Patienten/Patientin während der Messung beobachtet und später auf dem Befund nicht korrigierbare Artefakte notiert. Artefakte können hier sein: Frustrane Atembewegung wird nicht oder zu stark ausgeführt (Abb. 2b und 2c). In der Regel öffnet sich der Shutter, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: nach 4 bzw. 51 s oder eine Drucksumme (Munddruck) von 7 kPa ist erreicht. Wird die Atembewegung zu stark ausgeführt, öffnet sich der Verschluss vorzeitig und es werden nicht genügend Atemex- Abb. 2: Artefakte FRCpleth-Kurve, a) kursionen aufgezeichnet. Normvariante, b) "weg gepustet", Wird die Atembewegung c)"angesaugt", d) Abfall des exspiratorischen Munddrucks, e) hingegen nicht (Luft anundichtes Mundstück, f) fehlendes halten) oder nur mit ge- Drucksignal am Mund, g) fehlendes ringem Druck ausgeführt, Verschiebevolumen 1
entsprechend der Programmierung, eine niedrigere Verschlussdauer (< 4 sec) wird nicht empfohlen WINTER 2014 biomed austria
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kommt es nur zu minimalen horizontalen und vertikalen Auslenkungen der Kurve und der Winkel α kann nicht zuverlässig bestimmt werden. Leckagen (Abb. 2d und 2e). Der/Die PatientIn öffnet während des FRCpleth-Manövers den Mund oder umschließt das Mundstück nicht vollständig mit den Lippen und zieht somit über die Mundwinkel Luft. Um Leckagen zu erkennen ist es notwendig, die PatientInnen während der Verschlussdruckmessung genau zu beobachten (Blickkontakt!). Fehlendes Signal (Abb. 2f und 2g). Ein fehlendes Munddrucksignal kann durch eine defekte Shutter-Einheit verursacht werden. Das Mundstück kann aber auch vom Pneumotachografen abgegangen sein. Fehlt das Verschiebevolumen sollte auch hier kontrolliert werden, ob die Kabine richtig geschlossen ist bzw. die Dichtigkeit der Kabine mittels Eichung überprüft werden.
Beurteilung Fluss-Volumen-Kurve Die forcierte Spirometrie sollte entsprechend der Empfehlung der Deutschen Atemwegsliga bzw. der ATS-Kriterien durchgeführt werden. Aber auch hier gilt, dass ein kritischer Blick auf den Ausdruck unumgänglich ist. Artefakte der FV-Kurve sind im Folgenden zusammengefasst (Abb. 3 und 4): 1. kein steiler/geradliniger Anstieg zum Peak Flow (PEF): Ist der Anstieg der Exspirationskurve durch einen Knick, eine Zacke o. ä. gekennzeichnet, hat der/die PatientIn nicht von Beginn an forciert geatmet. Dieses Artefakt gibt einen Hinweis darauf, dass das zurückextrapolierte Volumen erhöht sein kann. 2. Ein mäßiger Anstieg zum PEF heißt, dass der/die PatientIn nicht forciert ausgeatmet hat. 3. kein spitzer PEF: Ein abgerundeter PEF tritt auf, wenn der/die PatientIn nicht mit aller Kraft ausgeatmet hat. Cave: Auch bei intrathorakalen und fixierten Trachealstenosen kommt es zu einer Abflachung des PEF, die jedoch pathophysiologisch begründet ist. 4. Exspiration artefaktisch (Hustenartefakt etc.): Die ersten 70 – 80 % der ausgeatmeten forcierten Vitalkapazität (FVC) dürfen keine Artefakte, wie Husten, Glottisverschluss oder unterschiedliche Anstrengung aufweisen. 5. Endexspiratorisches Plateau nicht vorhanden: Bricht die FV-Kurve am Ende der Exspiration ab, hat der/die PatientIn vermutlich nicht maximal (> 6 s) ausgeatmet. Eine endexspiratorische Ausatmung ist für die korrekte Berechnung der FEV1%FVC und der MEF-Werte erforderlich.
6. Kurve nicht geschlossen: Physiologisch tritt eine kleine Differenz zwischen den Werten der forcierten Vitalkapazität (FVC) und der inspiratorischen Vitalkapazität (VCIN) mit dem Verhältnis FVC < VCIN auf. Ist die FVC deutlich gegenüber der VCIN erniedrigt, endet die FV-Kurve nicht in einem endexspiratorischen Abb. 3: Beurteilungspunkte der Güte der Plateau oder kommt es gar FV-Kurve zum Abbruch des exspiratorischen Kurvenverlaufes bedeutet dies, dass keine maximale Ausatmung stattgefunden hat. Ist die FVC im Vergleich zur VCIN größer, hat der/die PatientIn nicht maximal eingeatmet. In der Folge weist die aufgezeichnete Exspiration eine „Pseudo Volumen- und Flusslimitierung“ auf. Um der Dokumentationspflicht nachzukommen, empfiehlt die Deutsche Atemwegsliga das in Tab. 1 abgebildete Schema. 1. Es empfiehlt sich, jede Teilmessung [Messung der spezifischen Resistance (Atemschleife), VerschlussdruckAbb. 4: Artefakt-Beispiele der manöver (FRCpleth-Kurve) Fluss-Volumen Kurve und forcierte Spirometrie (FV-Kurve)] separat zu umschreiben. Bei eingeschränkter Kooperation des/der Patienten/Patientin, schlechtem Allgemeinzustand, Schmerzen oder Angst ist die gesamte bodyplethysmografische/spirometrische Messung meist nicht möglich. Entsprechend der Voraussetzungen können folgende Abstufungen vorgenommen werden, um trotzdem eine klinische Aussage treffen zu können: 2. Aufzeichnung Atemschleife + FRCpleth-Kurve + langsame und forcierte Spirometrie 3. Aufzeichnung Atemschleife + FRCpleth-Kurve + langsame Spirometrie, z. B. bei PatientInnen mit schlech-
Tab. 1: Beurteilung der Messung entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga Dokumentation Mitarbeit und Technische Qualität Mitarbeit
Technische Qualität
Einwandfrei Gut Eingeschränkt wegen mangelndem Verständnis Eingeschränkt wegen Hustenreiz Eingeschränkt wegen Angst Eingeschränkt wegen mangelnder Kraft Eingeschränkt wegen Schmerzen Eingeschränkt wegen mangelnder Bereitschaft
Messung fehlerhaft Messung ohne relevante Fehler Messung noch brauchbar Messung teilweise fehlerhaft Messung mit großen Fehlern
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tem Allgemeinzustand oder starkem Hustenreiz beim forcierten Manöver 4. Aufzeichnung Atemschleife + forcierte Spirometrie, z. B. bei PatientInnen, die Angst vor dem Verschlussdruck-Manöver haben 5. Aufzeichnung der Atemschleife, z. B. bei PatientInnen, die Schmerzen beim Maximalmanöver haben
Abb. 5: typische Atemschleifen: a) Normalbefund; b) extrathorakale Stenose; c) intrathorakale Stenose; d) Hauptbronchusstenose; e) Asthma bronchiale; f) Lungenemphysem (Lorenz 2008, S. 21)
Interpretation und Plausibilitäts kontrolle
Die Interpretation der Bodyplethysmografie/Spirometrie ist meist nur ein Baustein der ganzheitlichen Diagnosefindung einer Erkrankung und obliegt ÄrztInnen. Dennoch sollten Biomedizinische AnalytikerInnen, die diese Untersuchung durchführen, die Messung anhand der aufgezeichneten Kurven und Abb. 6: Tangenten der Atemschleife Parameter interpretieren können, um pathologische Veränderungen von Artefakten oder Fehlermessungen abgrenzen zu können. Zur Plausibilitätskontrolle sollten folgende Fragen gestellt werden: • Stimmen die persönlichen Daten? • Welche Lungenfunktionsstörung lässt sich anhand der Kurven ableiten? • Sprechen alle Werte für den pathologischen Befund bzw. Normbefund?
• Passt das Ergebnis zur Anamnese? Mittels Bodyplethysmografie/Spirometrie können unterschiedliche Ventilationsstörungen nachgewiesen und quantifiziert werden. Zu den diagnostizierbaren Ventilationsstörungen zählen allgemein: • obstruktive Ventilationsstörung (Obstruktion) • restriktive Ventilationsstörung und (Restriktion) • simultan auftretende Obstruktion und Restriktion
Definition Ventilationsstörung Eine Obstruktion ist definiert als Folge von obstruktiven Atemwegserkrankungen mit Erhöhung des endobronchialen Strömungswiderstands; kennzeichnend sind inhomogene Belüftung der Alveolen und zunehmende Lungenüberblähung; in fortgeschrittenen Stadien Gasaustauschstörungen (Pschyrembel, S. 1750). Eine restriktive Ventilationsstörung wird hervorgerufen durch Behinderung der Lungenausdehnung durch Thoraxdeformitäten (Kyphoskoliose, nach Operationen u. a.) oder verminderte Dehnbarkeit des Lungengewebes (Lungenfibrose) (Pschyrembel, S. 1750). Dies führt zu einer verminderten Alveolenbelüftung (evtl. mit Verteilungsstörung) und Beeinträchtigung des Gasaustausches (Pschyrembel, S. 1750). Mittels Bodyplethysmografie/Spirometrie lassen sich diese zwei Syndrome mit ihren Unterformen diagnostizieren und quantifizieren (siehe Tab. 2).
Interpretation Atemschleifen und Atemwegswiderstandsparameter Bei Vorliegen einer Restriktion ist die Atemschleife steil und entspricht optisch der Norm. Bei einer Obstruktion hingegen ist das Kurvenbild der Atemschleife charakteristisch verändert (Abb. 5). Die Erhöhung des Atemwegswiderstandes geht immer mit einer Abflachung des Winkels β einher. Anhand der Steilheit der Kurve lässt sich erkennen, ob eine Strömungsbehinderung primär in- oder exspiratorisch oder in beiden Phasen des Atemzyklus vorliegt. Dazu eignet es sich, die Steilheit der Tangenten sRtotIN und sRtotEX (Abb. 6) näher zu betrachten. Ist überwiegend der exspiratorische Teil (unterer Kurvenverlauf) abgeflacht, liegt eine primär exspiratorische Störung vor und umgekehrt. Eine Inhomogenität der Lungenbelüftung (trapped air, Pendelluft) stellt sich durch eine Öffnung der Atemschleife dar. Hierbei ist zu beachten, dass eine korrekte Aussage bezüglich der Inhomogenität der Belüftung nur dann getroffen
Tab. 2: Indikatoren der Obstruktion und Restriktion (Übersicht aus: Pschyrembel) Obstruktion
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Restriktion
erhöhter Atemwegswiderstand
↑ Rtot
Abnahme der Vitalkapazität
↓ VC
erniedrigte absolute und relative Sekundenkapazität
↓ FEV1 und ↓ FEV1%VC
Abnahme der funktionellen Residualkapazität
↓ FRCpleth
Zunahme der funktionellen Residualkapazität
↑ FRCpleth
Abnahme des Residualvolumens
↓ RV
Zunahme des Residualvolumens
↑ RV
normale relative Sekundenkapazität
= FEV1%VC
Vergrößerung des Quotienten aus Residualvolumen und Totalkapazität
↑ RV%TLC
normale Resistance
= Rtot
Verminderung der Vitalkapazität bei zunehmender mechanischer Schädigung des bronchopulmonalen Systems
(↓) VC
erniedrigte pulmonale Compliance
↓C
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werden kann, wenn eine technisch saubere Kurve mit adäquater BTPS-Kompensation (ASC-Korrektur) aufgezeichnet wurde. Ein s-förmiger Verlauf zeigt sich bei einem erhöhten Atemwegswiderstand der oberen Atemwege, wie dies z. B. bei Trachealstenosen der Fall ist. Anhand der Parameter sReff bzw. Reff lässt sich eine Quantifizierung der Widerstandserhöhung vornehmen (Tab. 3).
Tab. 3: Soll-Werte und Schweregradeinteilung Atemwegswiderstand (Criée 2009, S. 46) Soll-Werte: Atemwegswiderstände bei Erwachsenen
Interpretation Verschlussdruckkurve und FRCpleth (TLC und RV) Die Form der Verschlussdruckkurve gibt keine Auskunft über die zugrundliegende Pathologie. Einzig der Winkel α gibt an, ob das gemessene FRCpleth im Vergleich zum Soll-Wert erhöht oder erniedrigt ist. Dabei gilt: Ist Winkel α erhöht, ist der FRCpleth im Vergleich zum Soll erniedrigt und umgekehrt. Für die Diagnostik sind neben dem gemessenen FRCpleth-Wert die abgeleiteten Werte aus dem anschließenden Spirometrie-Manöver (TLC, RV und RV%TLC) von großer Bedeutung. Eine optisch abgeflachte FRCpleth-Kurve (erniedrigter Winkel α) und somit ein erhöhter FRCpleth-Wert lassen auf eine Lungenüberblähung schließen. Anhand der Parameter RV und RV%TLC kann dann eine etwaige Lungenüberblähung qualitativ und quantitativ diagnostiziert werden (Tab. 4). Bei einer restriktiven Lungenerkrankung findet sich gelegentlich auch ein erhöhter Quotient RV%TLC. Dieser ist jedoch nicht als Zeichen einer echten Lungenüberblähung zu werten. Er tritt aufgrund einer überproportionalen Verminderung der VC im Vergleich zum RV auf und ist als Recheneffekt zu deklarieren. Zur Diagnosestellung einer restriktiven Ventilationsstörung wird die totale Lungenkapazität (TLC) (Tab. 5), die sich aus der bodyplethysmografischen Messung des F RCpleth (Winkel α ↑und FRCpleth ↓) und der anschließenden langsamen Spirometrie (VCmax) berechnet, herangezogen.
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(kPa x s)
< 1,2 (Kinder < 1,0)
Reff
(kPa x s/L)
< 0,3
Rtot
(kPa x s/L)
< 0,3
Soll-Werte für Kinder in Lindemann H, Leupold W. Lungenfunktionsdiagnostik bei Kindern. Stuttgart 2003 Schweregradeinteilung: Widerstandserhöhung sReff (kPa x s)
Reff (kPa x s/L)
leichtgradig
1,2 – 2,0
mittelgradig
2,0 – 4,0
schwergradig
> 4,0
leichtgradig
0,3 – 0,5
mittelgradig
0,5 – 1,0
schwergradig
> 1,0
Tab. 4: Einteilung Schweregrad (Criée 2009, S. 27) Schweregradeinteilung Lungenüberblähung RV (%Soll)
Interpretation der Fluss-Volumen-Kurve und der spirometrischen Parameter Die Fluss-Volumen-Kurve zeigt charakteristische Formveränderungen bei Vorliegen einer obstruktiven oder restriktiven Ventilationsstörung. Die dynamischen Parameter (FEV1, FEV1%VC, MEF75, MEF50, MEF25) und die optische Analyse der FV-Kurve geben Hinweise auf die Art der Obstruktion. Allgemein lässt sich formulieren, dass eine Obstruktion mit einer Verminderung der relativen Einsekundenkapazität (FEV1%VC) unterhalb der 5. Perzentile einhergeht und die maximalen exspiratorischen Flüsse (MEF-Werte) eingeschränkt sind. Dabei kann zwischen einer Obstruktion der zentralen Atemwege mit Verminderung von FEV1, FEV1%VC, PEF, MEF75, MEF50 und MEF25 und einer leichten Obstruktion der peripheren Bronchialabschnitte, dem so genannten „Small Airway Disease“ mit Verminderung der FEV1%VC, MEF50 und MEF25 unterschieden werden. Optisch sticht die Obstruktion in der FV-Kurve durch ihren konkaven Verlauf während der Exspiration hervor. Je nach Ausmaß der Obstruktion umfasst er die Bereiche MEF75 bis 25 oder ist lokal auf die Peripherie (MEF50 bis 25) beschränkt (Abb. 7a-c). Der in Abb. 7b dargestellte Knick in der FV-Kurve wird weitverbreitet als „Emphysemknick“ bezeichnet. Dieser Kurvenverlauf tritt häufig bei schweren Emphysemen sowie bei allen Formen inhomogener Entleerung der Lunge, insbesondere bei größeren Volumina von „gefesselter Luft“ und damit auch bei schweren Obstruktionen ohne Emphysem (Ulmer 2004, S. 13) auf. Deshalb sollte die Bezeichnung „Emphysemknick“ vermieden werden. Eine weitere Form der Obstruktion stellen die Trachealstenosen dar. Sie lassen sich anhand des Kurvenverlaufs der FV-Kurve gut diagnostizieren, setzen aber eine optimale
sReff
RV%TLC
1
normal
RV < ULN1 (unterhalb des 95. Perzentils seiner Normalverteilung)
leichtgradig
≤ 140%
mittelgradig
> 140 – 170%
schwergradig
> 170%
normal
RV%TLV < ULN (unterhalb des 95. Perzentils seiner Normalverteilung)
leichtgradig
≤ 40%
mittelgradig
> 40 – 60%
schwergradig
> 60%
upper limit of normal
Tab. 5: Schweregrad der Restriktion anhand der TLC (Smith 2014, S. 4) Schweregrad Restriktion Normal
TLC > LLN1 (oberhalb des 5. Perzentils seiner Normalverteilung)
Leichtgradige Restriktion
≥ 70% Soll
Mittelgradige Restriktion
< 70 – 50% Soll
Schwergradige Restriktion
< 50% Soll
für die Berechnung des 5. Perzentils wird die Mittelwerts-Gleichung – 1,64 x RSD (residuale Standardabweichung) herangezogen (siehe CRIÉE 2009, S.27) → TLC [L]: ♂[7,99 x KG(*2) – 7,08] – 1,15 und ♀[6,60 x KG – 5,79] – 0,99 1 lower limit of normal 2 KG = Körpergröße
17
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Abb. 8: a) pulmonale Restriktion bei einem Pat. mit V.a. Alveolitis b) extrapulmonale Restriktion bei einem Pat. mit Motoneuronen erkrankung
Abb. 7: a + b) zentrale Obstruktion: konkaver Kurvenverlauf mit deutliche zentrale und periphere Flusslimitierung a) FEV1[%Soll] 53,2 %; FEV1%VC[%Soll] 63,8 %; PEF[%Soll] 63,3 %; MEF75[%Soll] 27,6 %; MEF50[%Soll] 18,9 %; MEF25[%Soll] 10,6 %] b) nach reduziertem PEF kommt es zu abrupten Abfall des exspiratorischen Fluss mit Ausbildung eines Knicks [FEV1[%Soll] 39,9 %; FEV1%VC[%Soll] 50,2 %; PEF[%Soll] 57,1 %; MEF75[%Soll] 16,3 %; MEF50[%Soll] 10,8 %; MEF25[%Soll] 7,9 %] c) periphere Obstruktion: konkaver Kurvenverlauf mit primär peripherer Flusslimitierung [FEV1[%Soll] 82,8 %; FEV1%VC[%Soll] 92,5 %; PEF[%Soll] 108,7 %; MEF75[%Soll] 100,1 %; MEF50[%Soll] 54,7 %; MEF25[%Soll] 20,4 %] d) fixierte Stenose der großen Atemwege: in- und exspiratorische Plateaubildung Flusslimitierung [FEV1[%Soll] 67,8 %; FEV1%VCIN[%Soll] 86,7 %; PEF[%Soll] 35,5 %; MEF75[%Soll] 38,9 %; MEF50[%Soll] 48,8 %; MEF25[%Soll] 38,3 %]
Mitarbeit der PatientInnen bei der Untersuchung und eine adäquate Dokumentation dieser voraus. Die variable intrathorakale Stenose stellt sich durch eine exspiratorische Flusslimitierung (Plateaubildung im Bereich des PEF und MEF75) dar, während die variable extrathorakale Stenose durch eine Einschränkung der inspiratorischen Flüsse charakterisiert ist. Eine von der In- bzw. Exspiration unabhängige Stenose der großen Atemwege (sog. fixierte Stenose)
Tab. 6: spirometrischer Schweregrad der obstruktiven Ventilationsstörung Obstruktive Ventilationsstörung Definition FEV1/IVC < 5. Perzentile1 des Sollwertes Schweregrad
1
18
I
leicht
FEV1 > 70% Soll
II
mäßig
FEV1 60 – 69% Soll
III
mittelschwer
FEV1 50 – 59% Soll
IV
schwer
FEV1 35 – 49% Soll
V
sehr schwer
FEV1 < 35% Soll
Regressionsgleichung (EGKS-Werte) ♂ FEV1/VC(%) = -0,18A + 87,21 ± 11,8; ♀ FEV1/VC(%) = -0,19A + 89,10 ± 10,7
Abb. 9: Differentialdiagnose bei verminderter Vitalkapazität (CRIÉE 2006, S.16)
zeigt sowohl eine in- als auch exspiratorische Flusslimitierung mit Plateaubildung (Abb. 7d). Zur Bestimmung der Schwere der Obstruktion wird die Einschränkung des Parameters FEV1 (Tab. 6) herangezogen. Die restriktive Ventilationsstörung ist durch eine Verminderung der totalen Lungenkapazität (TLC) definiert, die mittels Spirometrie nicht erfasst wird. Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Restriktion kann aus der spirometrisch erfassten Vitalkapazität (VC) abgeleitet werden. Ist diese erniedrigt und der Quotient FEV1%VC normal oder erhöht, ergibt dies einen Hinweis auf Restriktion. Prinzipiell unterscheidet man zwei Formen der Restriktion. Die pulmonale Restriktion, die mit einer vermehrten Steifigkeit der Lunge einhergeht. Sie stellt sich in der FV-Kurve durch einen kaum erniedrigten Peak Flow (PEF) bei exspiratorisch konkavbogiger, volumengestauchter Form dar (Abb. 8a). Die extrapulmonale Restriktion, bei der die Lungendehnbarkeit normal ist, eine restriktive Einschränkung jedoch beispielsweise durch eine Atemmuskelschwäche, Thoraxdeformation oder Pneumektomie auftritt. Ihr Kurvenbild entspricht dem der Normkurve, ist jedoch sowohl im Fluss als auch im Volumen gestaucht (Abb. 8b). Neben der restriktiven Verminderung der VitalkapaWINTER 2014 biomed austria
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zität (VC) kann es auch bei einer obstruktiven Ventilationsstörung mit Lungenüberblähung zur Abnahme der VC kommen. Erfahrungsgemäß ist bei einer obstruktiven Ventilationsstörung mit einem FEV1/IVC-Quotienten unter 55 % die Verminderung der Vitalkapazität fast immer durch eine Lungenüberblähung bedingt (Criée 2006; S. 16). Entsprechend der Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga sollte der oftmals gebrauchte Begriff der „kombinierten Ventilationsstörung“, der eine Einschränkung sowohl der relativen Einsekundenkapazität (FEV1%VC) als auch der Vitalkapazität beschreibt, nicht mehr verwendet werden, da dieser nicht zwischen den Differentialdiagnosen Restriktion und Lungenüberblähung unterscheidet. Vielmehr sollte dann eine „simultan bestehende restriktive und obstruktive Ventilationsstörung“ diagnostiziert werden (Criée 2006; S. 16) (Abb. 9). ■ Jana Apel
MTAF und Fachlehrerin für MTA-Schulen an der Akademie der Gesundheit Berlin/Brandenburg
Literatur:
Criée, C.-P. et.al: Empfehlungen zur Ganzkörperplethysmographie (Bodyplethysmographie), 2009; Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle Criée, C.-P. et.al: Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zur Spirometrie, 2006, Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle CareFusion: Messprogramm Bodyplethysmographie, Version 5.3x Miller, M.R. et.al: Standardisation of spirometry. Series “ATS/ ERS task force standardization of lung function testing”, 2005, Edited by V. Brusasco, R. Crapo and G. Viegi Smith, H.-J.: Pneumotag Universitätsspital Basel. Grundlagen der Ganzkörperplethysmographie, 2014 Matthys, H. (Hrsg.) u. Seeger, W. (Hrsg.): Klinische Pneumologie, 2008, Springer Medizin Verlag Ulmer, W.T. (Hrsg): Lungenfunktions-Manual. Nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, 2004, Georg Thieme Verlag Lorenz, J.: Checkliste XXL. Pneumologie, 2009, Georg Thieme Verlag AWMF online: Lungenfunktionsprüfung in der Arbeitsmedizin, Verfügbar unter: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/002-013.html [vom 03.06.2011] Welch Allyn: Akzeptabilität und Reproduzierbarkeit der Anstrengung bei der Spirometrie, Verfügbar unter: http://intl.welchallyn.com/documents/ Cardiopulmonary/Spirometry/Spiro_Acceptability_Poster_20080318_ German.pdf [vom 02.07.2014]
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Gibt es saisonale Auswirkungen auf den Methacholintest? Asthma äußert sich klinisch durch Kurzatmigkeit bzw. Atemnot. Dies äußert sich anfallartig mit Husten oder Pfeifen, thorakalem Engegefühl und glasig-zähem Sputum (vgl. Bauer & Rutsch 2003: S. 15). Schon physiologisch liegt ein zirkadianer Rhythmus vor (vgl. Haber: 2004: S.61ff.). Tagsüber sind die Bronchien üblicherweise weiter als in den Abendstunden, daher kann es zu gehäuften Asthmabeschwerden nachts bzw. in den frühen Morgenstunden kommen (vgl. Haber 2004: S.61ff.). Einleitung Einige Studien beschäftigten sich mit der Frage, ob es saisonale Auswirkungen auf den Methacholintest gibt, d. h. ob die Jahreszeiten eine Auswirkung auf die Intensität der bronchialen Hyperreaktivität und damit auf das Resultat des Methacholintests bei PatientInnen mit Verdacht auf Asthma haben. Sinn eines Bronchospasmolysetests ist die Überprüfung der Reversibilität, um damit die Differenzierung zu einer unklaren obstruktiven Ventilationsstörung zu ermöglichen. (vgl. Bösch & Criée 2009: S.84ff.). Das Grundprinzip eines Provokationstests beruht auf der Inhalation einer standardisierten Dosis von ergänzenden Substanzen, welche auf chemische oder physikalische Art eine bronchiale Reaktion hervorrufen können, über eine geeignete Apparatur (vgl. Haber 2004: S. 65ff.). Wichtige Parameter für die Diagnostik von Asthma bronchiale mittels Provokationstest sind: FEV1: Das forcierte Exspirationsvolumen der ersten Sekunde ist definiert durch das Atemvolumen, welches unter stärkstem Bemühen schnellstmöglich binnen einer Sekunde ausgeatmet werden kann (Haber, Röggla & Götz 1989: S. 47). FVC: Die forcierte Vitalkapazität beschreibt das maxibiomed austria WINTER 2014
male Gasvolumen, welches nach maximaler Inspiration so schnell und stark wie möglich wieder ausgeatmet werden kann (Jakob & Ruß 2009: S. 35). PC20: Die Provokationskonzentration 20 ist gekennzeichnet durch einen Abfall des FEV1 von mehr als 20 % gegenüber dem Ausgangswert und zeigt das Ausmaß der Hyperreagibilität an (Haber, Röggla & Götz 1989: S. 51). Für die Durchführung eines Provokationstests wird das Mehrkonzentrationsver- „Das Grundprinzip eines fahren von ÖGLUT als Standardverfahren Provokationstests empfohlen (vgl. Haber 2004: S. 68). Dabei beruht auf der werden mehrere Methacholinlösungen be- Inhalation einer reitgestellt, deren Konzentrationen stetig standardisierten Dosis um den Faktor zwei ansteigen. Beginnend von Substanzen, welche mit der niedrigsten Konzentration (0,25 auf chemische oder %) wird jede Dosis zwei Minuten lang in- physikalische Art eine haliert, danach erfolgt eine Messung des bronchiale Reaktion FEV1. Bei erfolgtem Abfall von 20 % des hervorrufen können.“ FEV1 des Ausgangswertes wird der Test abgebrochen. Kommt es zu keinem Abfall, wird der Test spätestens nach der 4,0 mg % Lösung beendet. Eine PC 20 von 3,0 % oder darüber entspricht einer normalen Reaktivität, wobei ein Wert darunter als bronchiale Hyperreaktivität gilt (vgl. Wolf 1989: S. 3 ff). 19
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Methodisches Vorgehen Für die Literatursuche wurde die Online-Suchmaschine PubMed mit den Keywords „Methacholine challenge test“ und „season“ verwendet. Die ausgewählten Studien sind auf dem Stand vom 10. August 2013. Um die Studien vergleichen zu können, wurden Probandenaufteilung, Studiendauer, Testzeitraum bzw. Jahreszeit, verwendete Testmethode und Ergebnisse als Vergleichskriterien herangezogen.
Ergebnisse der Literaturstudie Sposato und Kollegen: Diese Studie zeigte auf, dass manche Jahreszeiten einen Einfluss auf das Resultat des Methacholintests haben. Im Sommer wurde eine geringere Hyperreaktivität gefunden als im Herbst. Die logistischen Regressionsmodelle zeigten im Herbst ein höheres bronchiales Risiko für Hyperreaktivität als im Sommer. Weiters konnte ein vermehrtes Risiko für „Die Ergebnisse einen höheren Schweregrad der Atemwegshyder Literaturstudie perreaktivität im Frühling und Sommer festdeuten darauf hin, dass jahreszeitliche gestellt werden. Dies ist vermutlich auf die erhöhte Allergenbelastung zurückzuführen Schwankungen (vgl. Sposato et. al 2012). einen Einfluss auf Fruchter und Yigla: Im Verlauf der Studie Resultate von diendauer konnte beobachtet werden, dass Methacholintests sich ein Trend abzeichnet. Der Anteil der pound damit auf die Diagnosefindung sitiven Methacholintests variierte signifikant haben.“ während der vier Jahreszeiten. Im Sommer gab es im Vergleich zum Winter und Frühling weit weniger positive Methacholintests. Die Kernaussage der Studie ist, dass PatientInnen mit typischen Symptomen wie Husten und/oder Dyspnoe im Sommer eine geringere Chance haben, dass Asthma bronchiale diagnostiziert wird, als im Winter und/oder im Frühling. Der Winterpeak könnte eine Konsequenz von Infektionen der oberen und unteren Atemwege darstellen. Das Frühlingshoch hingegen könnte durch eine höhere Allergenbelastung erklärt werden. Dies fällt vor allem bei PatientInnen mit einem positiven Pricktest auf (vgl. Fruchter & Yigla 2009). Riccioni und Kollegen: PatientInnen, die gegen Hausstaubmilben allergisch waren, hatten die höchste nicht-spezifische Reaktivität im Herbst bzw. in den Monaten September bis November. Die Monate mit der geringsten Reaktivität waren März bis Mai. PatientInnen mit einer Allergie gegen Hausstaubmilben und Gräserpollen zeigten ihre nicht-spezifische Reaktivität am häufigsten im Sommer. Im Winter hingegen konnten geringere Immunreaktionen beobachtet werden. Die saisonale Variabilität von Hausstaubmilbenallergenen ist weniger relevant als die Belastung durch Gräserpollen, vor allem in geografischen Bereichen mit einem Klima, welches nicht durch Schwankungen der Luftfeuchtigkeit beeinflusst wird. Es konnte ebenfalls ein vermehrtes Auftreten von Symptomen bei HausstaubmilbenallergikerInnen in den Monaten mit einer erhöhten Luftfeuchtigkeit beobachten werden. Beim Vergleich der PC20-Ergebnisse vom Herbst mit den Daten anderer Jahreszeiten konnten statistisch signifikante Unterschiede festgestellt werden (vgl. Riccioni, Di Stefana & De Benedic 2001) Diskussion Die Ergebnisse der Studien sind nur schwer vergleichbar. In jeder Studie konnte der Einfluss der Jahreszeiten bewiesen werden, jedoch stimmen die Ergebnisse nicht 20
miteinander überein. In der Studie von Fruchter und Yigla konnte ein signifikanter Anstieg von positiven Methacholintests im Winter und Sommer beobachtet werden. Am wenigsten positive Ergebnisse konnten im Sommer verzeichnet werden (vgl. Fruchter & Yigla 2009). Die Studie von Sposato und Kollegen hingegen konnte höhere und schwerere bronchiale Hyperreaktivität im Frühling verzeichnen bei einer höheren Wahrscheinlichkeit eines PC20 unter 400 µg. Im Gegensatz zum Sommer konnte im Winter ebenfalls eine erhöhte bronchiale Hyperreaktivität beobachtet werden (vgl. Sposato et al. 2012). Die Studie von Riccioni und Kollegen verzeichnete bei HausstaubmilbenallergikerInnen im Sommer einen markanten Anstieg von positiven Methacholintests. Im Herbst hingegen konnte bei Hausstaubmilben- und GräserpollenallergikerInnen ein Peak beobachtet werden. Im Winter und im Sommer gab es weniger positive Provokationstests (vgl. Riccioni, Di Stefana & De Benedic 2001).
Zusammenfassung Obwohl die Ergebnisse der Literaturstudie darauf schließen lassen, dass die Jahreszeiten einen Einfluss auf das Resultat eines Methacholintests haben, konnte nicht festgestellt werden, in welcher Jahreszeit sich eine Prävalenz abzeichnet. Jedoch wurde in einer Studie erwähnt, dass es maßgebliche Auswirkungen auf das Resultat eines Provokationstests und somit auf die Diagnosefindung hat, in welchem Zeitraum der Methacholintest durchgeführt wurde. ■
Maria Flaschberger
Biomedizinische Analytikerin im Routinelabor des KH Spittal/Drau
Literaturverzeichnis
Bauer, Carl-Peter & Rutsch, Sabine (2003): Asthma auf einen Blick. Blackwell Verlag GmbH Bösch, Dennis & Criée, Carl-Peter (2009): Lungenfunktionsprüfung. Durchführung – Interpretation – Befundung. 2. Auflage. Heidelberg. Springer Medizin Verlag Fruchter & Yigla (2009): Seasonal Variability of the Methacholine Challenge Test. In: Pubmed VOL 46/ 9. S. 951-954 Haber, Paul (2004): Lungenfunktion und Spiroergometrie Interpretation und Befunderstellung. 1. Auflage. Wien. Springer Verlag Haber, Paul (1989): Asthma bronchiale und chronische Bronchitis. Ein Lehrbuch für Patienten. Wien. Jakob & Ruß (2009): Asthma XXS pocket. 2. Auflage. Grünwald. Börm Bruckmeier Verlag Merget & Schultze (2002): Diagnostik des Asthma bronchiale In: Kroegel. Asthma bronchiale Pathogenetische Grundlagen, Diagnostik, Therapie.2. Auflage. Stuttgart. Georg Thieme Verlag Riccioni, Di Stefana & De Benedic (2001): Seasonal Variability of Non-Specific Bronchial Responsiveness in Asthmatic Patients with Allergy to House Dust Mites. Pubmed VOL 22 Part 1. 5-10. Sposato et. al. (2012): Seasons can influence the results of the methacholine challenge test. Statistik Austria (2008): Gesundheitsbefragung 2006/07 Chronische Krankheiten und Gesundheitsprobleme. Erstellt am: 18.07.2008 Wagner & Ficker (2008): Inhalative, bronchiale Provokationstestung. Er kennen einer Überempfindlichkeit der Atemwege. Klinikum Klagenfurt Wolf, Christian (1989): Die unspezifische bronchiale Provokationsprüfung. Methodik, Interpretation, Anwendung. 1. Auflage. Wien. Facultas Universitätsverlag
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Asthma und Genetik
Ist Asthma bronchiale genetisch determiniert? Asthma bronchiale zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. In Österreich sind mehr als eine halbe Million Menschen von dieser Krankheit betroffen, weltweit beträgt die Morbidität 235 Millionen (vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreich 2012; WHO 2013).
Neben zahlreichen möglichen Ursachen stellt auch die genetische Prädisposition einen wichtigen Risikofaktor für die Entstehung von Asthma dar. Laut zahlreichen Studien sollen unter anderem Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNP, Punktmutationen) in der Promotorregion von Interleukin 4 (IL-4) in Verbindung mit der Entstehung von Asthma stehen. Zahlreiche Studien, die sich mit SNPs von IL-4 beschäftigen, kommen jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen im Hinblick auf Zusammenhänge und die Herkunft der getesteten Populationen. Dabei soll folgende Fragestellung beleuchtet werden: Besteht ein Zusammenhang zwischen Single-Nukleotid-Polymorphismen in der Promotorregion von Interleukin 4 (-589 C>T, -590 C>T) und der Entstehung von Asthma bronchiale? Gibt es hierbei Unterschiede, die mit der Ethnizität der ProbandInnen in Zusammenhang stehen? Gibt es Unterschiede zwischen atopischem und nicht-atopischem Asthma?
Methodisches Vorgehen Die Literatursuche wurde zwischen 1. Mai und 4. August 2013 durchgeführt. Dazu wurden die Online-Suchmaschinen PubMed und Google Scholar verwendet. Die Suche erfolgte mit den Keywords „Interleukin 4 asthma snp“, „Single nucleotid polymorphism il4“, „Association between interleukin-4 polymorphisms and asthma”, “IL4 single nucleotide polymorphisms asthma bronchiale 589 590 c t” und “Asthma bronchiale „single nucleotide polymorphisms“ „interleukin 4“”. Die Auswahl der Studien basierte auf folgenden Kriterien: • Erscheinungsjahr zwischen 2003 und 2013 • Studienpopulationen mit SNPs an Position 589 bzw. 590 in der Promotorregion von IL-4 • Fokus auf Untersuchung des Zusammenhangs zwischen diesen SNPs und Asthma bronchiale • Aufbau als Fall-Kontroll-Studie mit mindestens zwei Vergleichsgruppen • Probanden männlich und weiblich Ausgeschlossen wurden Studien, welche auf verwandtschaftlichen Verhältnissen der ProbandInnen beruhen.
Ergebnisse IL-4 -590 C>T Polymorphismus In dieser Arbeit wurden insgesamt 14 Studien untersucht, mit teils widersprüchlichen Ergebnissen. Fünf dieser Studien befassen sich mit dem SNP -590 C>T. Vishnumaya et al. konnten zwischen dem Polymorphismus an Position -590 und Asthma bronchiale einen eindeutigen Zusammenhang erkennen, untersuchten allerdings nur 56 PatientInnen. Bei Abdi Rad et al. konnte im Hinblick auf diesen Polymorphismus kein Zusammenhang erkannt werden, jedoch wurden auch in dieser Studie nur 64 PatientInnen untersucht. Bei Vishnumaya et al. zeigte sich eine biomed austria WINTER 2014
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Einleitung
Asthma bronchiale könnte laut Studien auch genetisch determiniert sein.
große Verteilung der homozygoten TT Allele (65,38 %) bei der getesteten indischen Population, bei Abdi Rad et al. im Iran betrug die Häufigkeit der TT-Verteilung fast null. Hosseini-Farahabadi et al. konnten wiederum einen Zusammenhang zwischen IL-4 -590 C>T Polymorphismus und Asthma im Iran nachweisen, getestet wurde wiederum nur eine geringe Stichprobengröße (30 PatientInnen). Im Hinblick auf den -590 C>T Polymorphismus in der Jordanischen Bevölkerung zeigt „Laut Studien sollen sich ein ähnliches Resultat, es konnte keine Single-NukleotidVerbindung mit Asthma hergestellt werden Polymorphismen in und der homozygote TT-Genotyp kam in der der Promotorregion Studienpopulation gar nicht vor, allerdings von Interleukin 4 mit wurden auch wieder nur 40 Patienten getes- dem Auftreten von tet. Im Rahmen der Meta-Analyse von Li et Asthma bronchiale al. bezüglich des -590C>T Polymorphismus in Zusammenhang konnte eine Studienpopulation von 1120 Pa- stehen.“ tientInnen untersucht und ein signifikanter Zusammenhang mit Asthma gefunden werden. Die größten Unterschiede nach Ethnizität der getesteten Personen zeigten sich hier bei der Verteilung des TT-Genotyps im Vergleich zwischen Asthma- und Kontrollgruppen bei Koreanern und Russen. Tabelle 5 und 6 geben einen kurzen Überblick über die Vergleichskriterien. Unter Stichprobengröße n wird nur die Asthmagruppe angegeben, Kontrollen gab es bei allen aufgelisteten Studien. IL-4 -589 C>T Polymorphismus Zehn der ausgewählten Studien behandelten den -589 C>T Polymorphismus, sieben davon konnten einen signifikanten Zusammenhang mit Asthma nachweisen. 21
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Die Meta-Analyse von Nie et al. untersuchte insgesamt 7345 PatientInnen und konnte vor allem bei AsiatInnen und KaukasierInnen einen deutlichen Zusammenhang feststellen, nicht jedoch bei AfroamerikanerInnen. Bei der Analyse nach asthmatischem Phänotyp konnte zwischen atopischem und nicht-atopischem Asthma kein Zusammenhang festgestellt werden. Im Kontrast zu diesen Ergebnissen steht die Arbeit von Liu et al., untersucht wurden 3037 PatientInnen und es „Bisherige Studien konnte ein genereller Zusammenhang zwideuten darauf hin, dass das IL-4 -589 T-Allel schen diesem Polymorphismus und Asthma mit einer höheren hergestellt werden, allerdings wurde ein Bindungsrate von signifikant erhöhtes Risiko nur bei KaukaTranskriptionsfaktoren sierInnen und dem atopischen Asthmatyp im Vergleich zum -589 gefunden. Ebenfalls einen Zusammenhang C-Allel assoziiert erkannte Hai-Jun Yang in seiner Meta-Anaist. Somit scheint es lyse, welche 4737 PatientInnen beinhaltet. plausibel, dass -589 C>T Auch hier fand sich ein erhöhtes Risiko bei Polymorphismen, die AsiatInnen und KaukasierInnen, jedoch das Transkriptionslevel kein signifikanter Unterschied zwischen von IL-4 betreffen, atopischem und nicht-atopischem Asthdas Asthmarisiko ma. Micheal et al. testeten 108 atopische beeinflussen.“ AsthmatikerInnen in Pakistan und fanden ebenfalls ein erhöhtes Risiko bei dem -589 C>T Polymorphismus und der Entstehung von Asthma. Chiang et al. testeten 452 TaiwanerInnen mit Asthma und fanden ebenfalls heraus, dass das T-Allel deutlich häufiger bei AsthmatikerInnen als bei Gesunden auftritt. Zwischen atopischem und nicht- atopischem Asthma wurde nicht differenziert. Auch Kamali-Sarvestani et al. fanden bei den getesteten 203 PatientInnen im Iran einen Zusammenhang zwischen dem -589 C>T Polymorphismus und Asthma. Eine weitere Studie von Chiang et al. mit TaiwanerInnen kann ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem TT-Genotyp und Asthma feststellen; untersucht wurden 167 PatientInnen, ein Zusammenhang zwischen atopischem Asthma und dem -589C/T Polymorphismus konnte nicht bestätigt werden.
Diskussion Asthma ist eine sehr komplexe Krankheit, die von mehreren Faktoren beeinflusst wird. In zahlreichen Studien werden die Substitution von Cytosin durch Thymin in der Promotorregion von IL-4 an Stelle -589 und -590 behandelt, aber auch andere Polymorphismen, wie beispielsweise der SNP -33 C>T und ADAM33, weisen auf einen möglichen Zusammenhang in Bezug auf die Entwicklung von Asthma hin. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass das IL-4 -589 T-Allel mit einer höheren Bindungsrate von Transkriptionsfaktoren im Vergleich zum -589 C-Allel assoziiert ist (vgl. Nie et al. 2013). Somit ist es plausibel, dass -589 C>T Polymorphismen, die das Transkriptionslevel von IL-4 betreffen, das Asthmarisiko beeinflussen (vgl. Nie et al. 2013). Bekannt ist auch, dass der spezifische Genotyp (C oder T) an der Position -590 von IL-4 in Beziehung sowohl mit der Expression als auch mit der IL-4 vermittelten Aktivität steht (vgl. Attab et al. 2008). Ein solcher funktioneller Polymorphismus im IL-4 Gen kann die Spiegel von IL-4 erhöhen und somit die IL-4 vermittelten Vorgänge beeinflussen, was die Entwicklung von Krankheiten zur Folge haben kann (vgl. Attab et al. 2008).
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Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt 14 Studien im Hinblick auf Ethnizität, Diagnosestellung von Asthma, DNA-Gewinnung und Genotypisierung untersucht. Bei beiden Polymorphismen spricht jeweils die Mehrheit der Studien für einen Zusammenhang zwischen -589 und -590 C>T und der Entstehung von Asthma. Viele der AutorInnen weisen auch darauf hin, dass mehrere Studien mit einer größeren Anzahl an ProbandInnen erforderlich wären, um einen definitiven Zusammenhang sicher festzustellen. Auch wurden bei vielen der vorliegenden Studien AsthmatikerInnen aus Krankenhäusern ausgewählt, was vielleicht auch einen Einfluss auf das Ergebnis haben könnte. Hinsichtlich Ethnizität zeigt sich eine deutliche Tendenz zu einer Verbindung zwischen den untersuchten Polymorphismen und Asthma bronchiale bei KaukasierInnen. Die widersprüchlichen Ergebnisse bezüglich einer Verbindung des Polymorphismus mit atopischen bzw. nicht-atopischen Asthmatypen lässt hierzu keine konkrete Aussage zu. Um das Risiko an Asthma zu erkranken vorhersehen und die sichere genetische Diagnose von Asthma verbessern zu können, müssten mehrere miteinander in Verbindung stehende Gene untersucht werden (vgl. Chiang et al. 2012). ■ Romina Fabbro
Biomedizinische Analytikerin
Literaturquellen
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Wissenschaft und Praxis
Atem- und Schlafstörungen
Sport als Therapie statt tägliche Maskenbeatmung bei Schlafapnoe – alternative Behandlungsmethoden im Vergleich zur konventionellen Gerätetherapie Die Schlafapnoe ist eine weitverbreitete Atemstörung, welche mit gravierenden Auswirkungen auf das gesamte Organsystem sowie mit Beeinträchtigungen der Lebensqualität der Betroffenen einhergehen kann. Als Standardtherapie wird die Überdruckbeatmung mit Maske eingesetzt. Im vorliegenden Artikel werden alternativen Therapieempfehlungen bei leichter Schlafapnoe fokussiert.
Körperliche Aktivität und Bewegungstherapie können die Lebensqualität von Schlafapnoikern erheblich verbessern.
E
ine Schlafstörung, ein gestörter Schlaf ist an sich keine Krankheit, sondern ein Symptom. Unter bestimmten Umständen kann sich daraus jedoch eine eigenständige Krankheit entwickeln. Zu den häufigsten Formen zählen Einschlafstörung und Durchschlafstörung sowie unerholsamer Schlaf. Zu letzterer Gruppe gehören Schlafapnoiker, deren Schlaf durch lautes, unregelmäßiges Schnarchen mit wiederholten Atemstillständen und/oder Atemflusslimitationen gekennzeichnet ist. Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) ist eine weit verbreitete schlafassoziierte Atemstörung. Die Störung des erholsamen Nachtschlafes resultiert aus einer Behinderung der Atmung im Schlaf, was zu einer Fragmentation des Schlafes führt und durch eine abnorme Tagesschläfrigkeit mit Einschlafattacken am Tage charakterisiert ist. Im Wachzustand werden aufgrund der natürlichen Muskelanspannung die oberen, pharyngealen Atemwege offen gehalten, im Schlaf allerdings kommt es zur Entspannung und zur Erschlaffung dieser Muskulatur. So wird bei der Einatmung das weiche Pharynxgewebe angesaugt und verengt, wodurch bei der Inspiration Gewebsvibrationen (= Schnarchen) und in Kombination mit zu engen Verhältnissen Atemflussbehinderungen (obbiomed austria WINTER 2014
struktive Hypopnoen) hervorgerufen werden können. Bei obstruktiven Apnoen kommt es zu einem vollständigen Verschluss der Atemwege. Thoraxmuskulatur und Zwerchfell arbeiten nun gegen „Vielfach zeigen die geschlossenen Atemwege, und Bauch Studien, dass und Brustkorb beginnen sich schließlich ein signifikanter gegeneinander zu bewegen. Im Weiteren Zusammenhang kann es zu einem dramatischen Abfall der zwischen Gewicht und Sauerstoffsättigung und damit verbunden AHI sowie zwischen zur Ausschüttung von Stressfaktoren kom- Body Mass Index und men, die wiederum zu Weckreaktionen, AHI besteht. Drastische so genannten Arousals, führen können. Gewichtsreduktionen Wenn durch die Muskelanspannung der können daher ein Atemwegsverschluss wiederrum aufgeho- wirksames Mittel gegen ben wird, folgt eine rasche Normalisierung Schlafapnoe sein.“ der Sauerstoffwerte. Wiederholt sich dieser Vorgang einige Male in der Nacht, kann dadurch ein völlig zerstückeltes Schlafprofil mit stark verringerten Tiefschlafphasen entstehen.
Diagnostik und Klinik Die Diagnostik dieser respiratorischen Atemstörung erfolgt in einem Schlaflabor. Die Polysomnografie stellt 23
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den Goldstandard in der Schlafapnoe-Diagnostik dar und umfasst eine Echtzeitüberwachung mit Bestimmung der Schlafstadien mittels EEG und Messung der Augenmuskulatur, eine Videoaufzeichnung, Messungen der thorakalen und abdominalen Atembewegungen, des nasopharyngealen Luftflusses, der Sauerstoffsättigung, der Muskelbewegungen (Beine, Kinn) sowie Pulsmessung und EKG. Die Schwergradeinteilung der Schlafapnoe beruht auf der Anzahl der oben bereits beschriebenen respiratorischen Ereignisse pro Stunde und wird als Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) angegeben. In weiterer Folge wird zwischen leichter, mittelschwerer und schwerer Schlafapnoe differenziert. Sofern der AHI <5 pro Stunde ist, handelt es sich um einzelne Ereignis„Das obstruktive se, welche nicht mit Pathologien assoziiert Schlafapnoesind. Bei einem AHI zwischen 5 und 15 Syndrom (OSAS) ist spricht man allerdings von einer leichten eine weit verbreitete OSA, welche bereits klinisch relevant sein schlafassoziierte kann. Mittelschwere (AHI ≥ 15 und <30) Atemstörung. Die Störung des erholsamen und schwere Schlafapnoe (AHI ≥30) werNachtschlafes resultiert den mit erhöhter Morbidität und Mortalität in Verbindung gebracht. Das Syndrom ist aus einer Behinderung schließlich nicht nur durch ein harmloder Atmung im ses (primäres) Schnarchen gekennzeichnet, Schlaf, was zu einer sondern wird darüber hinaus mit HypertoFragmentation des nie, Insulinresistenz, ischämischer HerzSchlafes führt und krankheit, Stroke und frühzeitigem Herztod durch eine abnorme assoziiert. Als häufigste Risikofaktoren für Tagesschläfrigkeit mit Einschlaf OSAS gelten Adipositas, Alkohol- und Niattacken am Tage kotinabusus, insbesondere in Kombination charakterisiert ist.“ mit Tonsillenhyperplasie.
Die „klassische“ Therapie bei Schlafapnoe Da auf Dauer große Gesundheitsgefahren drohen und hohe Kosten für das Gesundheitssystem prognostiziert werden, ist eine konsequente Behandlung von OSA mit hoher Compliance von großer Bedeutung. Die Wahl der richtigen Behandlungsmethode hängt von der Art und Ausprägung der Schlafapnoe sowie von der Präferenz des/ der gut informierten Patienten/Patientin ab. Bei leichten Fällen kann schon eine Änderung der Lebensgewohnheiten Erfolge bringen. Schließlich sind Alkohol, Nikotin und Übergewicht reversible Faktoren beim OSAS; bei Verzicht lassen sich Beschwerden in manchen Fällen minimieren. Allerdings kommt bei mittelschweren und hochgradigen OSAS-PatientInnen, in Kombination mit hohem Leidensdruck und Unmöglichkeit einer Verhaltensänderung, primär die CPAP-Therapie zum Einsatz (CPAP = continuous positive airway pressure). Dabei kommt es zu einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbehandlung, welche den pharyngealen Luftwegkollaps verhindert und die Sauerstoffsättigung während des Schlafes und somit die Schlafqualität verbessert.
Alternative Therapien bei leichter Schlafapnoe Bei milden Formen der Schlafapnoe sowie bei PatientInnen, die nicht compliant oder in der Lage sind, sich zum Schlafen ständig eine Beatmungsmaske anzulegen, können verschiedene Therapien als Behandlungsalternativen eingesetzt werden. Diese reichen von Zahnschienen zur kieferorthopädischen Anpassung über Operationen der Tonsillen bis hin zu alternativen Therapien, wie beispielsweise Atem-, Ernährungs- sowie Sport- und Bewegungstherapien. 24
Atemtherapie Durch regelmäßiges Didgeridoo spielen wird beispielsweise die schwache Muskulatur, basierend auf spezieller Atemtechnik, stark beansprucht und trainiert. Im Rahmen einer Studie konnte tatsächlich belegt werden, dass das Spielen des Instrumentes Auswirkungen auf die Muskulatur hat und somit auch zu positiven Effekten bei leichter Apnoe führt. Zudem wird therapeutische Atem- und Sprachgestaltung gegen Schlafapnoe empfohlen. Im Zuge dieser Therapien werden vor allem die im Gaumen gebildeten Laute G, K, H und NG trainiert. Auch Übungen, bei welchen ein energisches „Turnen“ von Zunge und Gaumen gefordert werden, erhöhen effizient die Spannkraft im Gaumensegel und die Sensibilität der Zunge. Im Rahmen dieser Behandlung bezieht man u. a. auch die menschliche Stimme mit ein. Stimmsitz, Klangraum und Gestalten der Stimme sollen bei Schlafapnoikern bewusst eingesetzt werden. So ist beispielsweise der Vokal A jener, welcher den hinteren Gaumen am stärksten formt und öffnet. Nicht zuletzt sind Sprache und Sprechen durch die Artikulation von Zahn-, Zungen- und Gaumenlauten gekennzeichnet. Im Zuge dieser Sprach- und Körpertherapie können Stellung und Elastizität von Zunge, Gaumen und Schlund, welche wichtige Faktoren bei Schlafapnoe darstellen, gestärkt und dadurch langfristig auch Alltagsgewohnheiten verändert und positiv beeinflusst werden.
Ernährungstherapie Vielfach zeigen Studien, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen Gewicht und AHI sowie zwischen BMI (Body Mass Index) und AHI besteht. Drastische Gewichtsreduktionen können daher ein wirksames Mittel gegen Schlafapnoe sein bzw. zu einer Reduktion des AHI beitragen – schließlich bedeutet weniger Gewicht auch weniger Atemanstrengung. Außerdem verengt Fett, welches nicht nur im Bauch sondern auch im Halsbereich eingelagert ist, die Atemwege und mindert den Atemantrieb. Empfohlen wird eine ausgeglichene Ernährung. Weder ein nagendes Hungergefühl noch ein übervoller Magen sind förderlich für einen gesunden Schlaf. Kleinere Mahlzeiten vor dem Zubettgehen haben sich als schlaffördernd erwiesen. Zu den schlaffördernden Mahlzeiten gehören beispielsweise Milch und Milchprodukte, Ananas und Bananen. Schlafstörende Wirkung haben hingegen Lebensmittel wie Eier, Erbsen und Bohnen.
Sport- und Bewegungstherapie In Studien wurde belegt, dass nachts vermehrt Wasser im Gewebe von Schlafapnoe-PatientInnen eingelagert wird, was mit einem generellen Bewegungsmangel dieser Personen assoziiert wird. Eine sitzende und inaktive Lebensweise ist grundsätzlich zu vermeiden. Überdies unterstützt Ausdauersport eine erfolgreiche Gewichtsreduktion. Bei leichten Formen der Erkrankung kann dies bereits zu einer normalisierten Atmung führen. Durch Schlafapnoe bedingte Beschwerden sind ein Warnsignal des Körpers! Darüber hinaus kann das allgemeine Wohlbefinden durch bewusste Ernährung und regelmäßige körperliche Betätigung erheblich gesteigert werden. Vermehrte körperliche Aktivität ist als wesentliches Instrument zu Erhaltung und Gewinn von Gesundheit zu betrachten und leistet zusammen mit anderen lebensstilassoziierten Faktoren einen essentiellen Beitrag zur Steigerung WINTER 2014 biomed austria
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der Lebensqualität und Vermeidung von Krankheiten und vorzeitigem Tod. Gesundheitsbenefits durch körperliche Aktivität zeigen sich vor allem durch ihren positiven Einfluss auf Ausdauer (Leistungsfähigkeit), Muskelkraft, Body Composition und nahezu alle Organsysteme. Die Mortalität ist bei körperlich aktiven Menschen deutlich geringer als bei körperlich inaktiven. Zudem wird das Risiko für verschiedene Erkrankungen sowie für Teilfaktoren des metabolischen Syndroms (Adipositas, Dyslipidämie, Hypertonie, Glukosetoleranzstörungen und Diabetes) verringert.
fungieren. Allerdings ist zu erwarten, dass mit dem bevorstehenden Paradigmenwechsel im Gesundheitssystem künftig auch anderen Health Professionals – weit über ÄrztInnen hinaus - große Bedeutung zukommen wird, insbesondere bei der Realisierung von Bewegungsförderung und Ernährungsqualität auf Verhaltensebene sowie in der Therapie und Beratung von PatientInnen. Gesundheitsfördernde und präventivmedizinische Aspekte haben schließlich auch in der Schlafmedizin einen vorrangigen Stellenwert. ■
Fazit Die Basis einer effektiven Schlafapnoe-Behandlung bildet eine umfangreiche Untersuchung des/der Patienten/ Patientin. Nur durch ein ganzheitliches Diagnostikverfahren im Schlaflabor kann die Ursache für das Schnarchen ermittelt werden. Bei mittlerer oder höhergradiger Schlafapnoe ist das dauerhafte Tragen einer Atemmaske während des Schlafes oft die einzig erfolgreiche Therapie. Im Gegensatz zur konventionellen Maskenbehandlung gibt es bei leichter Schlafapnoe erfolgversprechende alternative Therapiemaßnahmen, die künftig auch im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention sowie unter der Prämisse der Umsetzung der Rahmengesundheitsziele zu forcieren sind. Schließlich soll nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung verbessert, sondern in weiterer Folge auch eine Entlastung des Gesundheitssystems bewirkt werden. Unabhängig von der Therapiewahl muss die Behandlung regelmäßig nachkontrolliert werden. In der Schlafmedizin ist ein interdisziplinäres Team für Diagnostik und Therapie verantwortlich, in welchem Biomedizinische AnalytikerInnen als unverzichtbare „Diagnostic Partners“
Ute Maurer
Biomedizinische Analytikerin, Sportwissenschafterin, Pädagogin - Hochschullehrende an der Fachhochschule Burgenland, Campus Pinkafeld, Department Gesundheit
Literaturverzeichnis
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Ausschreibung der Regionalversammlung
Regionalwahlen Tirol und Vorarlberg Die aktuelle Funktionsperiode der Regionalleitung für Tirol und Vorarlberg nähert sich ihrem Ende, daher finden im April 2015 eine Regionalversammlung und Wahlen der Regionalleitung statt. Termin: 25. April 2015 Zeit: 09:00 Uhr Ort: fhg - Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH, Innrain 98, 6020 Innsbruck Mehrzwecksaal
Tagesordnung: 1. Begrüßung und Feststellung der Beschlussfähigkeit 2. Rechenschaftsbericht der Regionalleitung 3. Durchführung der Wahl der Regionalleitung (Wahlkommission) • Feststellung der Wahlberechtigten • Vorstellung und Hearing der KandidatInnen • Wahl 4. Information über relevante berufspolitische Themen 5. Bekanntgabe des Wahlergebnisses 6. Vorstellung und Diskussion des Arbeitsvorhabens der neu gewählten Regionalleitung 7. Allfälliges biomed austria WINTER 2014
Die Funktionsbeschreibung der beiden zu wählenden Funktionen (RegionalleiterIn, stv. RegionalleiterIn) sowie Informationen über das ordnungsgemäße Einbringen eines Wahlvorschlags findet Ihr auf unserer Website (unter Verband/Regionalversammlungen).
Antragsfrist: 14. März 2015 Die eingereichten Wahlvorschläge werden zwei Wochen vor der Wahl auf der Homepage veröffentlicht. Regionalversammlung und Wahl finden im R ahmen der Innsbrucker Frühjahrstagung statt, über deren Programm wir Euch zeitgerecht auf der Homepage von biomed austria unter http://www.biomed-austria.at/index.asp?id=4000 informieren. Auf Euer Kommen freut sich Nadja Baumgartner, Regionalleiterin 25
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Elektrokardiografie
Die Schrift des Herzens oder von Wellen und Zacken
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Das Elektrokardiogramm stellt eine der wichtigsten Untersuchungen zur Beurteilung der Funktion des Herzens dar. Die Interpretation des EKGs gehört zu den wichtigsten Anforderungen in der Kardiologie, wobei die Diagnosestellung allein ÄrztInnen vorbehalten ist. Biomedizinische AnalytikerInnen müssen jedoch in der Lage sein ein EKG auszuwerten, um Fehler und Besonderheiten, wie beispielsweise pathologische Befunde oder physiologische Auffälligkeiten, erkennen zu können.
Das Elektrokardiogramm wird auch Herzschrift genannt.
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as EKG (altgriechisch: καρδία kardía ‚Herz‘ und γράµµα grámma ‚Geschriebenes‘) ist die Aufzeichnung der Summe der elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern. Elektrokardiogramm heißt auf Deutsch Herzspannungskurve, gelegentlich wird es auch Herzschrift genannt. Die Untersuchung ist nicht invasiv und der damit verbundene Zeitaufwand relativ gering.
Anatomie und Physiologie des Herzens Das Herz baut sich – von außen nach innen – aus folgenden Schichten auf: • Perikard (= Herzbeutel, grenzt das Herz gegen umliegendes Gewebe ab) • Epikard • Myokard • Endokard
Atrium und Ventrikel Das muskuläre Hohlorgan Herz, lat. cor, besteht aus dem rechten und linken Atrium und dem rechten und linken Ventrikel. Scheidewände trennen beide Atria (= Vorhofseptum) und beide Ventrikel (= Kammerseptum). In den rechten Vorhof münden die obere und untere Hohlvene (Vena cava superior und Vena cava inferior) sowie eine große Herzvene (Sammelvene), die das venöse Blut aus dem Herzmuskel führt (Sinus coronarius). Alle drei Venen führen das verbrauchte Blut 26
dem Herzen zu. Das linke Atrium wird durch vier aus der Lunge kommende Gefäße erreicht. Diese vier Lungenvenen (obere und untere V. pulmonalis bds.) führen dem Herzen arterielles Blut zu. Es gibt vier Herzklappen, welche einerseits die Herzhöhlen trennen und andererseits als Auslassventil für die beiden großen Gefäße dienen, welche die jeweilige Herzkammer verlassen. Zwischen dem rechten Atrium und dem rechten Ventrikel befindet sich die Trikuspidalklappe, zwischen dem linken Atrium und dem linken Ventrikel die Mitralklappe. Aus der rechten Herzkammer entspringt die Lungenschlagader (Pulmonalarterie), aus der linken Kammer die Körperhauptschlagader (= Aorta). Zwischen rechter Kammer und Pulmonalarterie befindet sich die Pulmonalklappe, zwischen linker Kammer und Aorta die Aortenklappe. Während die Aorten und Pulmonalklappe aus jeweils drei taschenartigen Ausbuchtungen bestehen (= Taschenklappen), handelt es sich bei der Trikuspidal- und Mitralklappe um so genannte Segelklappen, die im ersten Fall aus drei Segeln (= tricuspid) und im anderen Fall aus zwei Segeln (= bicuspid) aufgebaut sind. In den beiden letztgenannten Fällen werden die Klappensegel durch Sehnenfäden in ihrem Bewegungsausmaß begrenzt, wobei die Sehnenfäden wiederum bindegewebige, zarte Strukturen zwischen den Segeln und den Auswüchsen der Kammermuskulatur (= Papillarmuskeln) darstellen. Man spricht hierbei vom Halteapparat der Segelklappen. Die Einschnitte zwischen WINTER 2014 biomed austria
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den Segeln heißen Kommissuren. So haben die Aorten, Pulmonal- und Trikuspidalklappe drei, die Mitralklappe zwei Kommissuren. Jede der vier Klappen hat eine entsprechende Klappenöffnungsfläche, die wiederum vom Klappenring (= Klappenanulus) begrenzt wird.
Die Koronararterien Während sich die rechte Kranzarterie erst im mittleren und vor allem peripheren Verlauf aufzweigt, gibt die linke Kranzarterie bereits nach kurzstreckigem Verlauf von 13 cm, dem linkskoronaren Hauptstamm, zwei große Äste ab, die wiederum zu weiteren Verzweigungen führen. Nach Passieren der kapillären Strombahn gelangt das venöse Blut aus dem Herzmuskel über die Koronarvenen zum Hauptgefäß, dem Sinus coronarius, welcher in das rechte Atrium einmündet.
Der pumpende Motor Das Herz ist hinsichtlich seines Aufbaus mit einem Automotor und in seiner Funktion am ehesten mit einer Druck-Saug-Pumpe vergleichbar. Das koronare Gefäßsystem dient der Sauerstoff- und Energiezufuhr des Herzens. Die ständig erbrachte Herzleistung ist in Ruhe, vor allem jedoch unter Belastung von einer kontinuierlichen Energie- und Sauerstoffzufuhr abhängig, die über den Blutweg erfolgt. Das dafür zuständige Gefäßsystem sorgt mit seinen beiden Stammarterien (linke und rechte Koronararterie) sowie deren Verzweigungen für den Sauerstofftransport zum Myokard. Bei einem durchschnittlichen Herzgewicht von 300 g werden dabei etwa 250 ml Blut pro Minute vom Herz selbst benötigt. Die im Herz erzeugte Strömung wird durch Ventile (= Klappen) gerichtet. Ein spezielles elektrisches System mit Zentrum der Erregungsbildung im rechten Vorhof (= Sinusknoten) sowie die Weiterführung und Verbreitung der Erregung über spezielle Leitungsbahnen regen das Herz zur Kontraktion an und tragen so zur rhythmischen Herzaktion und Kreislauffunktion bei. Vorhöfe wie Herzkammern unterliegen einer rhythmischen, durch elektrische Vorgänge gesteuerten und aufeinander abgestimmten Herzaktion. Diese wird durch einen besonderen Aufbau der Kammermuskulatur gewährleistet, wobei es durch Kombination zirkulärer und spiralförmig angelegter Muskelfasern mit unterschiedlicher Zugrichtung zu einer raschen Kammerentleerung kommt. Die den Blutfluss regulierenden Herzklappen werden dabei passiv - abhängig vom aufgebauten Druck - zum Öffnen und Schließen gebracht. Bei der Systole der Herzkammern werden die Auslassventile beider Ventrikel geöffnet, während die Mitral- und Trikuspidalklappe geschlossen bleiben. Die jeweilige Blutmenge aus der linken und rechten Herzkammer fließt durch die offene Aorten- und Pulmonalklappe in den entsprechenden Kreislauf:
kontraktion sind die Vorhöfe gefüllt. Als Kontraktionsfolge kommt es während der Systole zur deutlichen Minderung der Koronarperfusion.
Kammerdiastole - Erschlaffungsphase In der Diastole schließen sich die Herzkammern über die Aorten- und Pulmonalklappen. Bei abgeklungener Kammerkontraktion und gefüllten Vorhöfen öffnen sich nun infolge einsetzender Vorhofkontraktion Mitral- und Trikuspidalklappe, und das Blut „Die Interpretation aus den Vorhöfen fließt in die Herzkam- des EKGs gehört mern. Der entscheidende Teil der Koronar- zu den wichtigsten durchblutung kommt der Diastole zu, da in Anforderungen in dieser Phase der Herzmuskel infolge seiner der Kardiologie. Erschlaffung eine freie Blutpassage in die Biomedizinische Kranzgefäße zulässt. Dass der Aortendruck AnalytikerInnen müssen während der Diastole nicht gegen Null in der Lage sein ein sinkt, sondern ein kontinuierlicher Blut- EKG auszuwerten, um fluss auch während dieser Herzphase erhal- Besonderheiten und ten bleibt, verdanken wir der Elastizität der pathologische Befunde großen Arterien (= Windkesselfunktion). erkennen zu können.“
Belastung von Muskel und Klappen Bedingt durch unterschiedliche periphere Widerstände im großen und kleinen Kreislauf muss ein hoher bzw. niedriger Kreislaufdruck (= Blutdruck = Perfusionsdruck) aufgebaut werden, um das Blut fließen zu lassen. Die Ventrikel des linken und rechten Herzens unterliegen dabei einer unterschiedlichen Belastung, was sich in der Muskelmasse der entsprechenden Kammern zeigt. Aufgrund ihrer Lokalisation im linken Herzen (= Hochdrucksystem) unterliegen Aorten- und Mitralklappe einer größeren mechanischen Belastung als Pulmonal- und Trikuspidalklappe, was einen wesentlichen Faktor für die Häufigkeit von Erkrankungen der Aorten- und Mitralklappe darstellt. Dabei ist zu bedenken, dass eine Verdoppelung der Volumenarbeit nur max. 10 % mehr Sauerstoffverbrauch, eine Verdoppelung der Druckarbeit hingegen auch eine Verdoppelung des Sauerstoffverbrauchs mit sich bringt.
Historie der Elektrokardiografie Als Erfinder des Elektrokardiogrammes gilt Willem Einthoven. Der niederländische Arzt wurde am 21. Mai 1850 in Indonesien geboren. Er studierte Medizin an der Universität Utrecht und widmete seine Doktorarbeit der so genannten „Farbenstereoskopie“, deren Phänomene er
Körperkreislauf – GroSSer Kreislauf Die Aortenklappe öffnet sich und es entstehen die Pulswelle mit tastbaren arteriellen Pulsen sowie der Blutdruck. Dabei gelangt sauerstoffreiches Blut auf dem arteriellen Gefäßweg in die Peripherie.
Lungenkreislauf – Kleiner Kreislauf Öffnet sich die Pulmonalklappe, wird das aus dem Körper stammende venöse Blut in die Lunge gepumpt und dort mit Sauerstoff angereichert. Zum Ende der Kammerbiomed austria WINTER 2014
Normales EKG
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durch die unterschiedlichen Wellenlängen des roten und blauen Lichts erklärte. Einthoven promovierte 1885, von 1886 bis zu seinem Tod war er Professor für Physiologie an der Universität Leiden, welcher er 1905/06 auch als Rektor vorstand. Als junger akademischer Lehrer beschäftigte er sich zunächst mit der Physiologie der Atmung (1885 –1894) und formulierte ein neues, revolutionäres Konzept zu den Mechanismen von Asthma bronchiale. Die Richtigkeit des Einthoven-Konzepts wurde erst nach 1950 experimentell bestätigt. Einthoven arbeitete bereits 1894 mit dem Lippmann-Kapillarelektrogramm, 1900 gelang ihm der Nachweis unterschiedlicher Potenzialkurven bei Gesunden und PatientInnen mit Herzerkrankungen. Ein weiterer Erfolg war die Registrierung der Herztöne mittels Kapillarelektrograf sowie die Aufzeichnung des Karotispulses und des Herzspitzenstoßes als Referenzmethoden im Jahr 1894. Er entdeckte, dass die Messempfindlichkeit (Trägerkohlen-Windungen) gesteigert werden konnte, und berichtete 1901 über seine Ergebnisse und Erfahrungen mit dem neuen Saitengalvanometer. Für diese Erfindung erhielt er 1924 den Nobelpreis. Die erste elektrografische Aufzeichnung erfolgte 1903. Erst ab 1908 verbreitete sich der Ruf von Einthovens Neuentwicklung in Deutschland, Frankreich, England und den USA, sodass es viele Wissenschaftler und Mediziner aus aller Welt nach Leiden zog. 1913 etablierte Einthoven die mathematisch-theoretischen Grundlagen für die Interpretation kardialer Oberflächenpotenzialkurven, was zur Beschreibung des „Einthoven-Dreiecks“ als Berechnungsgrundlage des EKGs führte. Einthoven beschrieb zahlreiche EKG-Veränderungen, wie beispielsweise Herzkammervergrößerung, Arrhythmien, Herzfrequenzen bei Ein- und Ausatmung, QRS-Morphologie in Ableitung III, Einfluss der Herzlage auf das EKG etc., welche bis heute Gültigkeit besitzen.
Die Ableitungen des EKGs Ein normales EKG beruht auf Brustwandableitungen und Extremitätenableitungen. Für die Gewinnung der sechs Brustwandableitungen sind die Brustwandelektroden an folgenden Punkten anzubringen (siehe Abb. 1), wobei die Interkostalräume jedenfalls abzuzählen sind: • V1 = 4. Interkostalraum rechts parasternal • V2 = 4. Interkostalraum links parasternal • V3 = zwischen V2 und V4 • V4 = 5. Interkostalraum an der Medioklavikularlinie links • V5 = vordere linke Axillarlinie, Höhe V 4 • V6 = mittlere linke Axillarlinie, Höhe V4
Unipolare Ableitung nach Wilson Um herznah ableiten zu können, hat Wilson die unipolaren präkordialen Ableitungen mit genau definierten Ableitungsstellen – von V1 bis V6 - eingeführt. Bei Verdacht auf Hinterwand- oder Seitenwandinfarkt erfolgen auf Höhe von V4 zusätzlich: • V7: auf der hinteren Axillarlinie (HAL) • V8: auf der Skapularlinie • V9: auf der Paravertebrallinie Bei speziellen klinischen Fragestellungen können auch noch modifizierte Elektrodenpositionen, wie die so genannte Rechtsherzableitung („Wilson von rechts“), oder die tiefe und hohe Brustwandableitung herangezogen werden. 28
• VR 3 entspricht dann V3, jedoch auf der rechten Seite des Sternums • VR 4 entspricht dann V4, ebenfalls auf der rechten Seite • V1 bis V6 werden als differente Elektroden jeweils gegen die über Widerstände zusammengeschalteten Extremitätenelektroden (Sammelelektrode bzw. „Central Terminal“) abgeleitet. Die Ableitung nach Wilson dient zur Darstellung von Potenzialänderungen in der Horizontallinie. Darüber hinaus erfasst sie Nahpotenziale, die bei den Extremitätenableitungen nicht registrierbar sind.
Die Extremitätenelektroden folgen dem Ampelprinzip • • • •
ROT: am RECHTEN Arm GELB: am LINKEN Arm GRÜN: am LINKEN Bein SCHWARZ (= ERDE): am RECHTEN Bein
Die bipolare Ableitung ist nach Willem Einthoven benannt. Hier werden die Spannungsunterschiede zwischen zwei Extremitäten herzfern gemessen. • Ableitung 1 = linker Arm <- rechter Arm • Ableitung 2 = linkes Bein <- rechter Arm • Ableitung 3 = linkes Bein <- linker Arm
Unipolare Ableitung nach Goldberger • • • •
Ableitung aVR = rechter Arm Ableitung aVL = linker Arm Ableitung aVF = linker Fuß aV bedeutet „amplified voltage“ (dt.: verstärkte Stromspannung)
Ergänzende Ableitungen nach Nehb Ebenfalls zur Beurteilung von Veränderungen an der Herzhinterwand stellen die Ableitungen von Nehb eine wichtige Erweiterung der Standardmessungen dar. Hierbei wird über drei Extremitätenkabel abgeleitet. Rote Elektrode = am Ansatz der 2. Rippe am Sternum rechts Grüne Elektrode = über Herzspitze Gelbe Elektrode = linke hintere Axillarlinie
Bipolare Ableitungen Dazu gehören die Ableitungen nach Einthoven und Nehb. Hierzu wird von zwei Punkten der Körperoberfläche abgeleitet (= bipolar)
Unipolare Ableitungen Charakteristischerweise wird hierbei die differente Elektrode gegen eine indifferente Elektrode, die so genannte Bezugselektrode, geschaltet. Die indifferente Elektrode entsteht durch den Zusammenschluss der Extremitätenableitungen über hochohmige Widerstände. Unipolare Ableitungen werden von einer einzigen Elektrode registriert. Hierzu gehören die Ableitungen nach Goldberger und Wilson.
Fehlerquellen • In aller Regel sind Störungen bei der Registrierung auf äußere Einflüsse zurückzuführen. • Vom Patienten ausgehende Störungen, wie beispielsweise Bewegungen WINTER 2014 biomed austria
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• In der Umgebung bzw. Beschaffenheit des Messplatzes liegende Störungen • Störungen durch Fehlbedienungen
Die häuFIgsten Fehler 1. Nulllinienschwankungen Das Problem bei Nulllinienschwankungen besteht in der unzureichenden Signalübertragung über die Haut des Patienten zum EKG-Verstärker. Lösung: • Hautelektroden neu platzieren • Im Sommer für Kühlung sorgen • Den Hautwiderstand durch Anwendung von Alkohol senken (Entfettung) • Bei üppigem thorakalem Haarwuchs • die erforderlichen Ableitpunkte rasieren • Den/die Patienten/Patientin auffordern, ruhig und entspannt zu liegen 2. Springende EKG-Kurve Lösung: • Gebrochenes Kabel ersetzen • Kabelsteckverbindungen sicher fixieren oder eine neue Ausrüstung verwenden 3. Wechselspannungsüberlagerungen A) Störungen durch magnetische Felder, z. B. Röntgenanlagen, Aufzüge, Heizgeräte, Leuchtstoffröhren oder elektronische Blutdruckmessungen Lösung: Filtertaste am EKG-Gerät lösen B) Störungen durch elektrische Felder Diese Felder entstehen in indirekter Nachbarschaft des elektrischen Leitungsnetzes, und zwar unabhängig davon, ob dieses Leitungsnetz Strom führt. Je größer aber der Hautwiderstand ist, desto mehr kommen kapazitative Einstreuungen zur Wirkung. Lösung: Übergangswiderstände durch genügend Elektrodenspray verringern, ev. Haare entfernen
Von Wellen und Zacken Ein EKG richtig auszuwerten erfordert viel Hintergrundwissen und Erfahrung. Sowohl Unter- als auch Überbewertungen können für PatientInnen gefährlich sein, da sie zu falschen Diagnosen und in der Folge zu einer falschen Behandlung führen können. Ein EKG-Bild setzt sich aus verschieden Zacken, Strecken und Wellen zusammen. Jeder dieser Komponenten kommt eine bestimmte Bedeutung zu. Je nach Dauer und Abstand der Erregung vom Zeitpunkt der Ableitung ergeben sich positive und negative Ausschläge. Wandert die Erregung von einer Ableitung weg, so ergibt sich ein negativer Ausschlag in dieser Ableitung. Wandert die Erregung der Herzmuskelzellen auf eine Ableitung zu, so folgt daraus ein positiver Ausschlag. Die Größe der Zacken und Wellen resultiert dabei aus der Summe aller tatsächlich am Herzen entstehenden Spannungen.
Die Erregungsleitung des Herzens folgt einem streng geordneten Verlauf Der Sinusknoten gibt den Takt mit ca. 60 bis 80 Schlägen pro Minute vor, ist also der DJ und entscheidet über Rhythmus und Takt. Der AV Knoten – in der Funktion des Verstärkers bzw. der Boxen - übernimmt diesen und leibiomed austria WINTER 2014
tet ihn über das His‘sche Bündel - die einzige muskuläre Verbindung zwischen Vorhof und Kammer - zum rechten und linken Tawaraschenkel, also zur Tanzfläche. Die Purkinje-Fasern – sie sind die Tänzer - bringen die Musik zu den Ventrikeln. An der Schnittstelle von Atrium und Ventrikel - genauer gesagt proximal im rechten Atrium - sitzt also der DJ mit seinem Verstärker. Fällt der Sinusknoten als Taktgeber aus, so ist der AV-Knoten selbstständig in der Lage einen eigenen Reiz zu geben und dem Herz seinen Takt vorzugeben. In diesem Fall schlägt das Herz allerdings nur noch mit einer verminderten Frequenz von 40 bis 60 Schlägen pro Minute. Fällt auch dieses System aus, so gibt es noch ein drittes reizbildendes System: Das tertiäre Erregungsbildungszentrum, „Ein EKG richtig auch His´sches Bündel genannt. In diesem auszuwerten erfordert Fall schlägt das Herz nur noch ca. 30mal viel Hintergrundwissen pro Minute. Es besteht Lebensgefahr durch und Erfahrung. Sowohl Herzversagen aufgrund von Rhythmusstö- Unter- als auch rungen oder Asystolie. Überbewertungen In der Praxis werden heute meist digita- können für PatientInnen le EKG-Schreiber mit einem 6- bzw. 12-Ka- gefährlich sein, nal-System verwendet. Dabei ist es wichtig, da sie zu falschen dass das Gerät vor jeder Aufzeichnung ge- Diagnosen und in eicht wird. Dies geschieht durch eine auto- weiterer Folge zu einer matisch aufgezeichnete EKG-Zacke, deren falschen Behandlung Norm 1cm = 1mV entspricht. Ein grund- führen können.“ legendes Problem bei der Befundung des EKGs stellt zumeist die Identifizierung der einzelnen Abschnitte dar. Das physiologische EKG besteht aus: • Nulllinie kennzeichnet den Anfang der P-Welle und das Ende der T-Welle, keine Erregung • P-Welle = Atriumerregung • PQ-Strecke = Erregung von Vorhof zu Kammererregung • QRS-Komplex = vollständige Erregung beider Ventrikel • T-Welle = Repolarisation der Kammern • ST- Strecke = Beginn der Erregungsrückbildung der Kammern • U-Welle (kommt selten vor und hat keine erwiesene Bedeutung) • P-Welle Der erste Teil der P-Welle steht für das rechte Atrium, der zweite für das linke Atrium. Die P-Welle ist in allen Ableitungen einsichtig, am besten in Ableitung II und III. In Ableitung I, II und V6 ist sie normalerweise immer positiv, in III evtl. biphasisch oder negativ, in aVR immer negativ und in V1 gewöhnlich biphasisch. • Q ist immer negativ • R ist immer positiv + • S ist immer negativ – Folgt auf eine P-Welle eine positive Zacke, handelt es sich um ein R; folgt dann noch eine negative Zacke, handelt es sich um einen RS-Komplex. Folgt auf die P-Welle nur ein negativer Ausschlag, spricht man von einem QS-Komplex. Da die EKG-Schreiber immer mit einer klar definierten Schreibgeschwindigkeit arbeiten, kann die Dauer der einzelnen Erregungsabläufe exakt bestimmt werden.
Die Zeiten • • • •
P- Welle: bis 0,1 s PQ-Zeit: 0,12 - 0,21 s QRS-Komplex: < 0,11 s QT-Zeit 0,3 - 0,45 s (frequenzabhängig) 29
Wissenschaft und Praxis
Das 12-Kanal-EKG Ein 12-Kanal-EKG umfasst die folgenden Ableitungen: • Ableitungen nach Einthoven I, II und III • Goldberger aVR, aVL und aVF • Wilson V1 - V6 Das Standard-EKG sollte alle 12 Ableitungen beinhalten, da nur so alle Herzbereiche und Ischämiestörungen oder Herzinfarkte erkannt werden können.
Die Lagetypen In der Aufzeichnung der Extremitäten lässt sich durch den Cabrera-Kreis der Lagetyp des Herzens bestimmen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sitzt das Herz nicht ausschließlich links, sondern schräg im Brustkorb zwischen den beiden Lungenflügeln. Die Herzspitze zeigt meist nach links vorn. Da das Herz als großer Muskel nach dem Prinzip der elektromechanischen Koppelung funktioniert, muss es elektrisch erregt werden, um sich zu kontrahieren. Die elektrische Herzachse entspricht dabei der Hauptausbreitungsrichtung der elektrischen Erregung in den Ventrikeln. Diese wird zur Beurteilung eines EKGs aus mehreren Gründen routinemäßig bestimmt: Bestimmte Lagetypen gelten von vornherein als pathologisch (z. B. überdrehter Rechtstyp). Eine Änderung der Herzachse kann auf eine Herzerkrankung, wie beispielsweise einen Herzinfarkt oder eine Lungenarterienembolie, hindeuten.
nicht immer der Fall sein. Kleinere Veränderungen sind im Alter oder bei einer Schwangerschaft, dem Aus- oder Einatmen in Ordnung. Allerdings weisen innerhalb kurzer Zeit auftretende, stärkere Differenzen auf eine Pathologie hin (siehe Tabelle 1). Folgende Fragen sollte man sich bei der Beurteilung eines EKGs stellen: • Wie ist die Rhythmik? • Wie sieht der Atriumteil aus? Ist der Sinusknoten als Taktgeber erkennbar? ACHTUNG: Eine respiratorische Arrhythmie ist bei körperlich gut trainierten Menschen deutlich ausgeprägt, gilt jedoch als normal. Durch das Stichwort an den/die Patienten/Patientin, er/sie möge den Atem anhalten, verschwindet sie und dient damit dem Beweis eines Normalbefundes. • Wie ist der Lagetyp? • Werden Normbereiche und Zeiten eingehalten? • Sind Besonderheiten zu erkennen, wie beispielsweise VES, Herzschrittmacher etc.? ■
Christina Weirich
MTAF/Audiologie, Saarland, Deutschland
EKG-Lagetypbestimmung mit dem Cabrera-Kreis Folgende Lagetypen des Herzens können unterschieden werden: • überdrehter Linkstyp (<-30°) • Linkstyp (-30° bis +30°) • Indifferenztyp / Normtyp (+30° bis +60°) • Steiltyp (+60° bis +90°) • Rechtstyp (+90° bis +120°) • überdrehter Rechtstyp (>+120°) Die elektrisch ermittelten Lagetypen stimmen meist mit den anatomischen Lagetypen überein. Das muss aber
Literatur
www.grundkurs-ekg.de Steffel, Jan und Lüscher, Thomas: Herz-Kreislauf. Heidelberg: Springer Medizin Verlag 2011 Klinge, Rainer: Das Elektrokardiogramm. Stuttgart: Thieme Verlag 2002 Klinge, Rainer und Klinge, Sybille: Praxis der EKG-Auswertung. Stuttgart: Thieme Verlag 2003 Schuster, Hans-Peter und Trappe, Hans-Joachim: EKG-Kurs für Isabel. Stuttgart: Thieme Verlag 2005 Dietz, Thomas G. und Schubert, Marcus P.: Der EKG-Knacker. Das Notfall-EKG-Buch. Berlin, New York: de Gruyter Verlag 1998 http://user.medunigraz.at/helmut.hinghofer-szal-kay/EKG-Uebung.htm So, Cook-Sup: Praktische EKG-Deutung. Stuttgart: Thieme Verlag 2001
Tabelle 1: Lagetypen und pathologische Abweichungen Lagetyp
Pathologie
Überdrehter Linkstyp
Linksanteriorer Schenkelblock, linksventrikuläre Hypertrophie, Vorhofseptumdefekte
Linkstyp
Adipositas, Linksherzbelastung
Indifferenztyp
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Normbefund
Ab dem 40. und 45. Lebensjahr Erwachsene und Jugendliche: normal!
Steiltyp
Rechtsherzbelastung
Jugendliche und sehr dünne Erwachsene: normal
Rechtstyp
Rechtsherzbelastung
Kinder
Überdrehter Rechtstyp
Linksposteriorer Hemiblock, extreme Rechtsherzhypertrophie
WINTER 2014 biomed austria
Wissenschaft und Praxis
Machen Sie mit! Bewerben Sie sich um den ABBOTT-Preis 2015 für wissenschaftliche Publikationen Wir laden alle Mitglieder von biomed austria ein, ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen bzw. Abschlussarbeiten beim Abbott-Preis für wissenschaftliche Publikationen einzureichen!
Die PreisträgerInnen dürfen ihre Arbeit im Rahmen der 23. Jahrestagung der Biomedizinischen AnalytikerInnen von 17. bis 18. APRIL 2015 in GRAZin einem kurzen Vortrag präsentieren. biomed austria freut sich, in ABBOTT GesmbH Diagnostics einen großzügigen Sponsor des Preises gewonnen zu haben, auch die Reisespesen und eine Nächtigung werden von ABBOTT übernommen: Preise: 1. Preis € 200,2. Preis € 150,Zugelassene Arbeiten: Aus dem Publikationszeitraum 2013 und 2014: ■ Wissenschaftliche Abschlussarbeit an einer Akademie, Fachhochschule oder Universität: Bachelor-, Diplomarbeit, Mastertheses oder Dissertation ■ Wissenschaftliche Publikation in Zeitschriften/Büchern Einreichbedingungen: ■ Mitgliedschaft bei biomed austria ■ Die vollständige wissenschaftliche Arbeit als PDF ■ Eine zweiseitige Zusammenfassung (ca. 5.000 Zeichen) ■ Übermittlung per E-Mail bis zum Einsendeschluss ■ Im Falle einer Prämierung: Vortrag im Rahmen der Jahrestagung Einsendeschluss: 28. Februar 2015 Die von biomed austria bestellte Fachjury (bestehend aus drei erfahrenen Biomedizinischen Analytikerinnen) wählt aus allen Einsendungen zwei PreisträgerInnen. Diese werden von biomed austria bis spätestens 10. März 2015 benachrichtigt. Die prämierten Arbeiten werden von den jeweiligen AutorInnen bei der 23. Jahrestagung der Biomedizinischen AnalytikerInnen vom 17. bis 18. April 2015 in Graz in einem kurzen Vortrag (15 Minuten) präsentiert. Die Reisespesen und eine Nächtigung werden von ABBOTT GesmbH Diagnostics Division übernommen. Die beiden PreisträgerInnen erhalten zudem die Möglichkeit, einen Artikel über ihre Arbeit in der Fachzeitschrift „biomed austria“ zu veröffentlichen. Bei Fragen können Sie sich gerne an Mag. Martina Glechner wenden: Tel. 01/817 88 27-16 oder office@biomed-austria.at Wir freuen uns schon sehr auf Ihre interessante Einreichung!
Sylvia Handler, MBA Vorsitzende biomed austria WINTER 2014
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Wissenschaft und Praxis
Übertitel: Perspektiven und Chancen
Mein Einstieg in den Fachbereich Funktionsdiagnostik Die junge Berufseinsteigerin Carina Bum hat sich mit Chancen und Möglichkeiten für Biomedizinische AnalytikerInnen in der Funktionsdiagnostik auseinandergesetzt und berichtet über ihre ganz persönlichen Motive, ihre Leidenschaft und ihren Weg in diesen zukunftsweisenden, spannenden und herausfordernden Fachbereich.
D
er Fachbereich Funktionsdiagnostik ist ein besonders vielseitiger Tätigkeitsbereich für Biomedizinische AnalytikerInnen und hat steigende Bedeutung für AbsolventInnen dieses Fachhochschulstudiums. Im Rahmen einer Dokumentenanalyse von Stellenangeboten für biomedizinisches Personal Der häufigste und (Pracher, Waitz & Maurer, 2013) wurde schwerste Fehler, der im eruiert, dass der Fachbereich FunktionsBereich der Blutabnahme diagnostik gegenwärtig unter den Top 3 auftreten kann, ist die Probenverwechslung, daher der gefragtesten Bereiche rangiert. Auffallend ist allerdings die derzeit verhältnissind korrekte Beschriftung mäßig geringe Menge an facheinschlägider Röhrchen und gen Lehrveranstaltungen und Praktika im PatientInnenidentifikation Zuge des Studiums, welche hinsichtlich unmittelbar vor der Blutabnahme unerlässlich.“ Ausmaß und Inhalten stark variieren und von den Fachhochschulen selbst festgelegt werden. Anhand einer Fragebogenerhebung wurde ermittelt, dass in der Funktionsdiagnostik tätige Biomedizinische AnalytikerInnen eine ausgedehntere, umfangreichere Ausbildung im fachlich-methodischen Bereich als wünschenswert erachten würden und im Studium auch verstärkt sozialkommunikative Kompetenzen vermittelt werden sollten. Grundsätzlich gestaltet sich das Spektrum dieses Tätigkeitsbereiches vielseitig, ist breit gefächert und beinhaltet folgende drei Hauptbereiche: • Pulmonale Funktionsdiagnostik (z. B. Atemphysiologisches Labor, Schlaflabor) • Elektroneurophysiologische Funktionsdiagnostik (z. B. EEG, Elektroneurographie) • Kardiovaskuläre Funktionsdiagnostik (z. B. Kardiologie, Angiologie) An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass das derzeitige Berufsbild der Biomedizinischen AnalytikerInnen laut MTD-Gesetz die „Mitwirkung bei Untersuchungen“ auf diesen Gebieten vorsieht.
Mein Weg in die Funktionsdiagnostik Hinsichtlich des Interesses am Fachbereich Funktionsdiagnostik scheiden sich die Geister. Bereits während meines Studiums und spätestens nach der Absolvierung der Pflichtpraktika in diesem Fachbereich gab es entweder besonders interessierte Studierende oder jene, die ihn strikt ablehnten. Meine Erfahrungen während des Praktikums in der pulmonalen Funktionsdiagnostik waren allerdings durchwegs positiv, weshalb ich bereits früh Gefallen an diesem Tätigkeitsbereich fand. Nach dem Besuch von funktionsdiagnostischen Abteilungen in verschiedenen Krankenhäusern im Rahmen 32
des Studiums konnte dieser Eindruck nur noch bestätigt werden, und ich wollte mich der Herausforderung dieses Tätigkeitsbereichs stellen. Deshalb nahm ich nach meinem Studienabschluss eine 20h-Stelle in der kardiologischen Funktionsdiagnostik an.
Blutabnahme: Dos and Don‘ts Im Bereich Blutabnahme, in den ich mich mit großer Begeisterung gestürzt hatte, kam bald die Ernüchterung: Die Venensituation der PatientInnen gestaltete sich nämlich vollkommen anders, als ich das von den prächtigen Venen meiner damaligen StudienkollegInnen während unserer Übungen gewohnt war. Pro Halbtag kommen bis zu 40 PatientInnen zur Blutabnahme, die meisten davon mit kardiologischen, angiologischen oder pulmologischen Fragestellungen. Trotz der oft schwierigen Venenverhältnisse habe ich schnell gelernt, mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen und Situationen umzugehen und entsprechend zu reagieren. Ich wurde zum „Tagesvampir“ und entwickelte dabei eine erstaunliche Empathie: So konnte ich nach wenigen Wochen meinen PatientInnen bereits beim Betreten des Labors ansehen, ob sie nervös waren oder ihnen womöglich sogar übel werden könnte. Es ist in solch sensiblen Bereichen wirklich immens wichtig, optimal auf die PatientInnen einzugehen und ihnen so weit wie möglich die Angst zu nehmen. Eine gute Möglichkeit hierbei ist beispielsweise den PatientInnen anzubieten, die Blutabnahme im Liegen durchzuführen. Viele PatientInnen trauen sich nicht, aktiv danach zu fragen, da sie das Gefühl haben „stark“ sein zu müssen. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, die Blutabnahme in ruhiger Atmosphäre durchzuführen und sorgfältig eine geeignete Punktionsstelle auszuwählen. Verzögert sich die Blutabnahme und fließt das Blut nicht schnell genug in das Abnahmeröhrchen, kann es dadurch bereits zur Gerinnung kommen, was viele Laborparameter drastisch verfälschen kann. Auch eine zu lange Stauung (> 1 min) kann zu falsch hohen Werten bei Gesamteiweiß, Albumin, Kalium, Calcium und LDH führen, außerdem steigt die Gefahr der Hämolyse. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Füllstand des Blutröhrchens: Es sollte möglichst bis zur jeweiligen Markierung gefüllt werden, um das korrekte Mischungsverhältnis zwischen Antikoagulanzien und Blut zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen die entnommenen Proben ordnungsgemäß zwischengelagert (für die Bestimmung von Homocystein ist beispielsweise eine Lagerung auf Eis erforderlich) und möglichst rasch zur Analyse ins Labor gebracht werden. Der häufigste und schwerste Fehler, der im Bereich der Blutabnahme auftreten kann, ist die PatientInnenverwechslung, daher ist die korrekte Beschriftung der RöhrWINTER 2014 biomed austria
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Ängstliche PatientInnen vor der Blutabnahme zu beruhigen ist ebenfalls Teil des Jobs.
chen vor der Blutabnahme unerlässlich. Auch in Stresssituationen muss penibel genau darauf geachtet werden, dass alle Sicherheitsmaßnahmen zum Ausschluss einer PatientInnenverwechslung eingehalten werden. Größtmögliche Sicherheit kann dadurch gewährleistet werden, dass der/die Patient/in unmittelbar vor der Blutabnahme nach seinem/ihrem Nachnamen, Vornamen und Geburtsdatum gefragt wird und gleichzeitig die vorbereiteten Röhrchen nochmals kontrolliert werden. Zuverlässige Laboranalysen hängen im besonderen Maße von der präanalytischen Phase ab, deshalb muss sichergestellt werden, dass in der Blutabnahme sämtliche Schritte ordnungsgemäß ablaufen, um so den PatientInnen einen akkuraten und schnellen Befund zu ermöglichen. Sobald ein/e Patient/in den Raum betritt, bin ich - über meinen Beruf und die damit verbundenen technischen und analytischen Anforderungen hinaus - in erster Linie und vor allem seine/ihre Ansprechpartnerin. Ab diesem Moment wird es unmöglich, PatientInnen lediglich als Laborzuweisungen zu betrachten – ich nehme sie als Menschen wahr und begegne ihnen auf gleicher Augenhöhe. Biomedizinische AnalytikerInnen können jedoch in genau solchen Situationen emotional überfordert sein - was wenig verwunderlich ist, wenn man sich vor Augen führt, dass sich fast die gesamte Ausbildung im Labor abspielt und direkter PatientInnenkontakt die Ausnahme bleibt. In meinem jetzigen Tätigkeitsbereich gibt es ebenfalls ein kleines Labor. Hier werden Blutgasanalysen sowie Akutuntersuchungen von Kreatinin, Urease und Glucose durchgeführt. Während der Analysen warten die PatientInnen meist und erhalten ihre Laborergebnisse direkt nach der Untersuchung. Eine Trennung zwischen Mensch und Untersuchungsmaterial wird somit zu einem unmöglichen biomed austria WINTER 2014
Unterfangen, weil für mich unmittelbar sichtbar wird, welche Auswirkungen meine Leistung für jede/n einzelne/n Patienten/Patientin hat. Kann eine Analyse in unserem kleinen Labor nicht korrekt oder nicht rasch genug abgearbeitet werden, hat dies unmittelbare Konsequenzen, beispielsweise dass ein/e Patient/in eine geplante CT-Untersuchung nicht wahrnehmen kann.
EKG - Eigenverantwortlichkeit, Konzentration und Geduld Ähnlich sieht es in meinem zweiten Tätigkeitsbereich, dem Ruhe-EKG aus. Nach der Absolvierung der Vorlesung „elektrophysiologische Grundlagen“ wusste ich zwar, wie ein EKG grundsätzlich angelegt wird und welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten dieser Untersuchung zugrunde liegen – trotzdem unterscheidet sich der Berufsalltag doch sehr stark von den in einer Vorlesung vermittelten Inhalten. Im EKG-Bereich warten oft bis zu 50 PatientInnen pro Halbtag auf ihre Untersuchung - das ist eine große Herausforderung, der ich als Biomedizinische Analytikerin oftmals allein gegenüberstehe und für deren korrekte Durchführung ich zu sorgen habe. Die PatientInnen benötigen ihr EKG als Grundlage für die weitere Befundbesprechung mit ÄrztInnen aus unterschiedlichen Spezialambulanzen, welche sich mit kardiologischen Fragestellungen befassen. Hier arbeiteten Biomedizinische AnalytikerInnen eng mit ÄrztInnen zusammen, eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit ist daher Voraussetzung für die optimale Versorgung der PatientInnen. Die Teilvorgänge der Erregungsausbreitung und Erregungsrückbildung im Herzen werden in einem Elektrokardiogramm dargestellt. Diese elektrischen Potenziale werden mittels Elektroden von der Körperoberfläche abgeleitet. Es ist daher essenziell darauf 33
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Biomedizinische AnalytikerInnen sollten ein EKG interpretieren und Auffälligkeiten erkennen können.
zu achten, dass die Elektroden genügend Kontakt mit der Haut der PatientInnen haben, dies muss während der gesamten Untersuchung ermöglicht werden, um ordnungsgemäße Ableitungen zu erhalten und den Zustand des/der Patienten/Patientin korrekt zu dokumentieren. Biomedizinische AnalytikerInnen müssen in der Lage sein, kardiale Auffälligkeiten von technischen Störungen zu unterscheiden und diesen gegebenen„In der falls entgegenzuwirken. Dabei ist es wichFunktionsdiagnostik tig, stets die Aufmerksamkeit auf PatientIn arbeiteten und EKG-Gerät zu lenken, um etwaige FehBiomedizinische lerquellen, wie beispielsweise sehr dichten AnalytikerInnen eng Haarwuchs oder eine defekte Elektrode, somit ÄrztInnen und anderen Berufsgruppen fort zu erkennen und zu beheben. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass zusammen. Eine der/die PatientIn während der gesamten gute interdisziplinäre Untersuchung still liegt, da jede Bewegung Zusammenarbeit ist daher Voraussetzung für das EKG beeinflusst. Dies muss gleich zu die optimale Versorgung Beginn deutlich kommuniziert werden und der PatientInnen.“ bedarf manchmal auch etwas Geduld. Auch hier zeigt sich wieder, dass nicht nur das Schreiben eines EKGs und seine ordnungsgemäße technische Abwicklung, sondern auch die Schnittstellenfunktion Biomedizinischer AnalytikerInnen als AnsprechpartnerInnen, VermittlerInnen und „ReiseführerInnen“ für PatientInnen durch den „Untersuchungsdschungel“ von großer Bedeutung ist.
Umgang mit PatientInnen – „Learning By Doing“ Im klinischen Alltag der Funktionsdiagnostik wird evident, dass der Begriff der interdisziplinären Zusammenarbeit keine Worthülse bleibt, sondern täglich gelebt und mit Bedeutung gefüllt wird. Biomedizinische Analytike-
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rInnen arbeiten eng mit PatientInnen, ÄrztInnen, Pflege, Verwaltung und anderen Berufsgruppen zusammen und müssen daher imstande sein, sich auf unterschiedliche Voraussetzungen und Situationen einzustellen. Ihre Rolle ist hier vermutlich vielfältiger als in jedem anderen Tätigkeitsbereich, jeder Arbeitstag gestaltet sich anders. Nicht nur der sichere und selbstbewusste Umgang mit PatientInnen, sondern auch die freundliche und professionelle Betreuung von Angehörigen und Begleitpersonen, wie Eltern, Kindern und Ehepartnern, stellt Berufsangehörige täglich vor neue Herausforderungen. Ein offenes und kommunikatives Arbeitsumfeld ist daher Voraussetzung, um den hohen Anforderungen in diesem Fachbereich gerecht zu werden. Diese kommunikationsintensive Arbeitsweise kommt vor allem dann zum Tragen, wenn PatientInnen unangenehme Informationen weitergegeben werden müssen, beispielsweise dass sie noch längere Zeit auf Ihr Gespräch mit dem/der Arzt/Ärztin oder weitere Untersuchungen warten müssen. Als unmittelbare AnsprechpartnerInnen werden wir schnell zum Ventil für gestresste, verunsicherte oder ängstliche PatientInnen - trotzdem müssen wir unsere Freundlichkeit bewahren und im Sinne der PatientInnen agieren. Auch die physische Belastung durch diese Tätigkeiten, beispielsweise bei der Umlagerung oder dem Transport von PatientInnen, darf nicht außer Acht gelassen werden. All diese Anforderungen und Skills können in keiner Vorlesung so adäquat vermittelt oder antizipiert werden, wie sie dann später in der beruflichen Praxis durch „learning by doing“ ganz natürlich erworben und gelebt werden. Genau dieses kontinuierliche Lernen, die tägliche Abwechslung in diesem Tätigkeitsbereich ist es, was die Funktionsdiagnostik so außergewöhnlich macht und für mich persönlich den besonderen Reiz darstellt. Das Tätigkeitsfeld der Funktionsdiagnostik mag bei der Wahl des zukünftigen Arbeitsplatzes nicht für jede/n in Frage kommen, trotzdem erreichte sie Platz 3 bei den gefragtesten Arbeitsbereichen für Biomedizinische AnalytikerInnen, was einerseits auf ihre steigende Beliebtheit bei unseren Berufsangehörigen und andererseits auf wachsende Bedarfe am biomedizinischen Arbeitsmarkt schließen lässt. ■
Carina Bum
Biomedizinische Analytikerin in der kardiologischen Funktionsdiagnostik am AKH Wien
Quellen
Pracher D, Waitz S, Maurer U. Ausbildung und berufliche Tätigkeitsfelder im Bereich der Funktionsdiagnostik. In: Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Graz, 26.-28.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. 460. Bundesgesetz: Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz)(NR: GP XVIII RV 202 AB 615 S. 78. BR: AB 4332 S. 557.) Broschüre zum Berufsprofil MTA Austria, Nr. 03/2003; P.b.b., Vertr. Nr. GZ 02Z030418M; Verlagspostamt 1120 Wien Kristin, H., Lenz, E.: Die Medizinische Fachangestellte. Hannover: Schlütersche 2008 Schuster, H.-P., Trappe, H.-J.: EKG-Kurs für Isabel. Stuttgart: Thieme V erlag 2005
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Das Klinikum der Universität München ist eines der größten und leistungsfähigsten Universitätsklinika in Deutschland und Europa. 46 Fachkliniken, Abteilungen und Institute mit einer exzellenten Forschung und Lehre ermöglichen eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. Hieran sind rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt. Das Institut für Laboratoriumsmedizin sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n
Medizinisch-technischen Laboratoriumsassistenten (MTLA) (m/w) Ihr Aufgabenbereich: Ihre Aufgabe wird es sein, das MTLA-Team im Zentrallabor des Instituts in der Innenstadt zu unterstützen. Dieses gewährleistet die labordiagnostische Rund-um-die-Uhr-Versorgung des Klinikums in den Bereichen Klinische Chemie, Hämatologie, Zytologie, Hämostaseologie, Drogenanalytik und Urindiagnostik. Unsere Anforderungen: • Abgeschlossene Ausbildung als MTLA (m/w) • Teilnahme am Drei-Schicht-System • Fähigkeit zum zuverlässigen, selbstständigen und verantwortungsvollen Arbeiten • Soziale Kompetenz und überdurchschnittliche Motivation Unser Angebot: • Tätigkeit an einem der renommiertesten Universitätsinstitute für Laboratoriumsmedizin in Deutschland • Fundierte und individuelle Einarbeitung in die verschiedenen diagnostischen Bereiche • Angebote zur Fort- und Weiterbildung • Sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten • Option einer Mitarbeiterwohnung zu günstigen Konditionen • Vergütung nach TV-L Schwerbehinderte Bewerber/innen werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt. Vorstellungskosten können leider nicht erstattet werden. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Herrn Dr. med. Mathias Brügel, Tel. 089/4400-73209. Bitte beachten Sie bei der Übersendung Ihrer Bewerbung per E-Mail, dass bei diesem Übermittlungsweg Ihre Daten unverschlüsselt sind und unter Umständen von Unbefugten zur Kenntnis genommen oder auch verfälscht werden könnten. Gerne können Sie uns Ihre Unterlagen per Post zukommen lassen. Ihre schriftlichen Bewerbungsunterlagen richten Sie bitte zeitnah unter Angabe der Referenz-Nr. 2014-K-0270 an: Klinikum der Universität München Prof. Dr. med. Daniel Teupser Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin Marchioninistr. 15, 81377 München