MORAL Startgebühren
So gleich und doch etwas anders Im Ultratrail-Sport machen sich soziale Unterschiede eben doch bemerkbar, denn Startgebühren um 150 Euro, Anfahrt und Unterkunft, können sich nur Leute mit hohem Einkommen, Sponsoren oder Erbe leisten. Ein Sport für eine elitäre Gruppe?
Liebe Redaktion, mich plagt ein wenig das Gewissen. Ich laufe seit vielen Jahren auf Trails und sehr gerne Wettkämpfe über die Ultradistanz. Dabei bin ich in den letzten 15 Jahren um die halbe Welt gekommen. Bei einem guten Einkommen kann ich mir die Reisen und teils hohen Teilnahmegebühren leisten. Ein lokaler Händler unterstützt mich sogar noch mit Ausrüstung und bei Flug- und Benzinkosten. Obwohl ich bei den Rennen nie weit vorne lande und eher mit den Cut-Offs ringe denn mit Top10-Plätzen bin ich stolz auf meine Leistungen, weiss aber wohl, dass es in meiner Trainingsgruppe Leute gibt, die viel schneller sind, von solchen Rennteilnahmen träumen, es sich aber nicht leisten können. Ich fühle mich als ein offensichtlicher Teil einer elitären Gruppe zunehmend unwohl. Wie kann ich damit weiter umgehen? Rainer U. aus Darmstadt
Lieber Rainer, zunächst einmal darf ich Dir zu den vielen Erlebnissen gratulieren - ob als Sieger oder Finisher ist völlig egal. Es zählt das Abenteuer und das Überqueren der Ziellinie. Deine Feststellung, dass der Wettkampfsport exklusiver und elitärer wird, ist richtig. Wer heute beim UTMB teilnehmen möchte, kann sich künftig nur noch über Running Stones qualifizieren, die es wiederrum nur bei Rennen der UTMB-Serie gibt. Dies erfordert mehr als zuvor weite Anreisen und hohe Startgebühren. Ein Freund von mir flog für Qualifikationspunkte letztlich bis in den Oman - eine durchweg irrationale Aktion. Er wusste das natürlich selbst. Ich kann Dir letztlich nicht sagen, wann genau die Linie überquert wird, die den ganz "normalen" Ultratrailrunner vom "elitären" Trailrunner trennt. Mit einem Flug? Mit einer langen Autofahrt von Hamburg ins Val di Fiemme zum Lavaredo Trail. Keine Ahnung. Klar hingegen ist, daß Du in der Situation bist den Sport so auszuleben, wie du es eben gerne magst und es andere gerne hätten. Das stellst du gerade selbst so fest und spürst ein gewisses Unwohlsein. Meine Idee mag etwas unkonkret sein, könnte aber ein Lösungsansatz mit
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6/2022
sich bringen: Gründet in Eurer Laufgruppe eine Art Spendenkasse, die es der oder dem einen anderen künftig ermöglicht, bei einem Event teilzunehmen, den er sich sonst nie leisten könnte. Dein Händler, der Dich supportet, könnte sich ja auch an solch einem "Talent fonds" beteiligen. Ich denke niemand erwartet, daß Du Deine Aktivitäten aufgibst, aber es fühlt sich vermutlich besser an zu wissen, dass man etwas dafür tut es anderen auch zu ermöglichen. Am Ende ist es ganz grundsätzlich eine persönliche Herangehensweise wie man diesen Sport auslebt und betreibt. Wer wie Du, mehrmals im Jahr zu internationalen Events reist, dort im Hotel eincheckt, im Restaurant seine Pastaparty feiert, darf sich ganz sicher einer eher elitären und begnadeten Gruppe zugehörig fühlen. Es gilt wohl künftig, mehr denn je, Maß zu halten, auf andere zu achten und das was man hat als Privileg zu schätzen.