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Erfolgsstory im hohen Nordosten

Nach der Wende wurde die 1827 gegründete Stralsunder Vereinsbrauerei behutsam wieder aufgebaut. Umfangreiche Investitionen am Standort und die Umstrukturierung zur Störtebeker Braumanufaktur im Jahre 2010 unter Inhaber Jürgen Nordmann sichern bis heute die Arbeitsplätze in der Hansestadt. Die VLB Berlin freut sich, ihre 107. maschinentechnische Arbeitstagung vom 6. bis 8. März 2023 an einem solch geschichtsträchtigen Ort abhalten zu dürfen.

Die StörtebekerBrauspezialitäten wurden national wie international mehrfach ausgezeichnet

(F.) Im 13. Jahrhundert erfuhr Deutschland in den Hansestädten im Norden einen regelrechten Bierboom. In dieser Zeit entstanden viele Brauereien entlang der Ostseeküste. Allein in Stralsund gab es mehr als 220 Braugerechtigkeiten, also die an ein bestimmtes Grundstück gebundene Erlaubnis, Bier zu brauen oder brauen zu lassen. Bierbrauen war zunächst eine vorwiegend private Tätigkeit. Allerdings entwickelte sich Bier schnell zu einem begehrten Handelsprodukt – auch in den deutschen Hansestädten.

Es war einmal…

Die Störtebeker Braumanufaktur fühlt sich der 800-jährigen Brautradition der Hansestadt Stralsund verpflichtet. Die Ursprünge gehen zurück auf die 1827 gegründete Stralsunder Brauerei. 1890 zog das Unternehmen an den heutigen Standort in der Greifswalder Chaussee. Schnell erarbeitete sich die Brauerei einen guten Ruf und wurde zur Kaiserzeit sogar Hoflieferant der Ostseebäder. Während der DDR-Zeit gehörte die Brauerei zum VEB Getränkekombinat Rostock. Produziert wurden in der Spitze rund 150 000 hl jährlich. Zum Ende der DDR genoss das dort hergestellte Bier in der Region allerdings einen eher zwiespältigen Ruf, der Betrieb war marode. Nach der Wende erwarb die aus Niedersachsen stammende und im Getränkehandel tätige Familie Nordmann 1991 die Brauerei von der Treuhand. Nach schwieriger Anfangsphase wurde ein grundlegender Neuaufbau beschlossen. Umfangreiche Investitionen und eine Neuausrichtung Ende der 1990er-Jahre legten schließlich die Basis für den erfolgreichen Neuaufbau des Unternehmens unter dem neuen Namen „Störtebeker Braumanufaktur“.

Von der Tradition zur Moderne Handwerkliches Brauen, Charakter und Vielfalt zeichnen die Störtebeker Brauspezialitäten aus. Aus besten Rohstoffen entstehen neben traditionellen Braustilen auch Eigenkreationen und Jahrgangsbiere. Das Produktportfolio umfasst mehr als 20 Standardsorten und verschiedene saisonale Biere. Diese mit Liebe und Sorgfalt gebrauten Spezialitäten finden breite Anerkennung. Dies spiegelt sich auch im Absatz der vergangenen Jahre wieder: Seit 2010 wachsen die Absatzzahlen zweistellig. 2014 begann dann die Erweiterung der Braumanufaktur. Im Sudhaus werden mit zwei Läuter- bottichen und zwei Würzepfannen bis zu 16 Sude täglich mit je 120 hl ausgeschlagen. Außerdem wurden 12 neue Gär- und Lagertanks sowie eine neue Kälte- und Reinigungsanlage installiert. Zweidrittel der Biere werden nur separiert, nicht aber filtriert. Zusätzlich verfügt die Brauerei über kleinere Tanks, in denen neue Rezepte ausprobiert und Spezialitäten abseits des Massengeschmacks produziert werden. Insgesamt zeugen vier verschiedene Hefestämme, 18 Malz- und 20 Hopfensorten von der Komplexität der Brauerei.

Am Standort in der Greifswalder Chaussee werden neben den Störtebeker Brauspezialitäten noch weitere Produkte hergestellt. Die Strandräuber Natur Radler, gemischt aus besten Brauspezialitäten und Bio-Säften, gibt es in drei verschiedenen Sorten: Zitrone, Sanddorn und Zitrone alkoholfrei. Auch die Lokalmarke Stralsunder Bier mit vier Sorten wird hier produziert. Die Brauerei verfügt über eigene Brunnen im benachbarten Park, die auch als Mineralbrunnen qualifiziert sind. Aus diesen Brunnen wird der Rohstoff für die Störtebeker Brauspezialitäten und die eigene Regionalmarke Stralsunder Mineralbrunnen gefördert. Das Mineralwasser wird in Glasflaschen im näheren Umfeld verkauft. Prunkstück ist das neue, hochmoderne Abfüll- und Logistikzentrum, in dem aktuell eine Linie mit einem Durchsatz von 35 000 Flaschen pro Stunde ihre Arbeit verrichtet. Direkt angeschlossen ist ein vollautomatisches Hochregallager mit einer Lagerkapazität von etwa 40 000 hl palettiertem Bier. Die Störtebeker Brauspezialitäten wurden bereits mehrfach prämiert, sowohl national als auch international. Auszeichnungen gab es unter anderem beim World Beer Cup für das RoggenWeizen (2014) und das Keller-Bier 1402 (2010) sowie beim European Beer Star und dem Meininger Craft Beer Award.

Tourismus ist in der Welterbe- und Hansestadt Stralsund, die direkt am Übergang zur Insel Rügen gelegen ist, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Das Störtebeker Brauquartier steht daher täglich interessierten

Nachruf: Prof. Dr. Lutz-Günther Fleischer verstorben

Am 26. Januar 2023 verstarb nach schwerer Erkrankung Prof. Dr. Lutz-Günther Fleischer im Alter von 84 Jahren in Berlin. Zuletzt leitete er an der Technischen Universität Berlin das Fachgebiet Lebensmittelverfahrenstechnik und das Berliner Zuckerinstitut.

(oh) Geboren am 26. Juli 1938 in Gera, absolvierte Lutz-Günther Fleischer zunächst eine Ausbildung zum Feinoptiker beim VEB Carl Zeiss Jena. Anschließend studierte er physikalische Chemie an der Technischen Hochschule Leuna-Merseburg, wo er 1968 auch promoviert wurde. 1978 ging er als Hochschuldozent an die Sektion Nahrungsgüterwirtschaft und Lebensmitteltechnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort promovierte er zum Dr. sc. techn. (vergleichbar der Habilitation) über das The - ma „Prozessverfahrenstechnische Untersuchungen und physikalischmathematische Modelle der Trocknung schrumpfender Güter“.

Im Zuge der Neuordnung der Berliner Universitäten nach der Wende wurde Lutz-Günther Fleischer 1993 als Universitätsprofessor an den Fachbereich „Lebensmittelwissenschaften und Biotechnologie“ der TU Berlin berufen. Dort leitete er bis Oktober 2006 das Fachgebiet Lebensmittelverfahrenstechnik sowie ab 1998 das Berliner Institut für Zuckerindustrie in BerlinWedding. In der akademischen Selbstverwaltung der TU Berlin war er unter anderem Prodekan des Fachbereichs Lebensmittelwissenschaften und Biotechnologie und von 2003 bis 2005 Dekan der Fakultät für Prozesswissenschaften.

Besucherinnen und Besuchern offen. Auf den Brauereiführungen durch das historische Sudhaus samt Kühlschiff kann auch die moderne Produktion der Brauspezialitäten hautnah miterlebt werden. Höhepunkt jeder Führung ist eine kleine Bierverkostung, auf der einige der Brauspezialitäten entdeckt werden können. Insgesamt ist die Störtebeker Braumanufaktur ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein maroder Betrieb in ein erfolgreiches und nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen transformiert werden kann.

Das Produktportfolio der Stralsunder Brauerei umfasst mehr als 20 Standardsorten und weitere saisonale Bierspezialitäten (l.)

Die Störtebeker Braumanufaktur in Stralsund (r.)

Lutz-Günther Fleischer sah sich selbst als interdisziplinär arbeitenden Natur- und Technikwissenschaftler, der sich auch intensiv mit den Fragen der Technikfolgenabschätzung beschäftigte. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er in mehr als 100 wissenschaftlichen Publikationen, er war Autor und Herausgeber mehrerer Bücher und Editionen und betreute mehr als 30 Dissertationen und Habilitationen. Aufgrund der inhaltlichen und räumlichen Nähe war er über viele Jahre hinweg auch gern gesehener Gast auf verschiedenen Veranstaltungen der VLB Berlin.

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