3 minute read

Intelligente Ladungssicherheit – in der Praxis ein Segen

Ladeeinheiten mit Getränken, die formschlüssig auf für Getränke zertifizierten Lkws transportiert werden, dürfen bei Kurvenfahrten die Seiten von dem Auflieger als Stütze benutzen und sollen sich nach Ende der Belastung wieder in den Ursprungszustand zurückstellen. Unter ungünstigen Umständen erfolgt die Rückstellung nicht und es kommt zu einem Ladungsversatz, der eine Gefahr für Mensch und Verkehr bedeuten kann.

Das Forschungsinstitut für Management und Getränkelogistik (FIM) der VLB Berlin hat sich in einem Forschungsprojekt mit der Ladungssicherung während des LkwTransports beschäftigt. Das Thema: „Intelligente Ladungssicherheit durch Fahrerwarnung (ILaF)“. Ziel des Projekts war es, ein System zu entwickeln und zu erproben, das die Möglichkeit bietet, Getränkeladungen mithilfe einer Distanzmessung zu überwachen und kritischen Ladungsversatz zu signalisieren. Das Sensorsystem soll dabei fest mit dem Auflieger verbunden sein und kann von Getränkeherstellern unabhängig eingesetzt werden, da eine separate Technik an den Ladeeinheiten selbst nicht notwendig ist.

Ein Auszug der Grafik zeigt oben DoF- und unten ToF-Messwerte (l.)

Aufbau der Messung an der Dachkonstruktion (M.)

Die Vorversuche fanden mit der VLB-Bewegungsplattform statt (r.)

Das System besteht aus mehreren Distanzsensoren, die das Prinzip „Time of Flight“ (ToF) verwenden, und einem Beschleunigungssensor mit sechs Freiheitsgraden (Degree of Freedom = DoF) zur Erfassung von Kräften. Alle Sensoren sind zentral mit einem Raspberry-PiRechner (Gateway) verbunden, der die Daten für die Weiterleitung zu einer Datenbank aufbereitet. Ein Algorithmus soll später mit den Daten aus der Datenbank den Zustand auf der Ladefläche auswerten und bei kritischem Ladungsversatz eine Meldung an den Fahrer senden. Erste Versuche fanden auf der VLBeigenen Bewegungsplattform statt. Durch simulierte Kurvenfahrten mit verschiedenen Ladeeinheiten bestehend aus Bierkästen und -fässern sollte der Datenoutput von den Distanzmessern analysiert werden. Verschiedene Varianten von ToF-Sensoren kamen dabei zum Einsatz, wie zum Beispiel ein Einzel-ToF, eine ToF-Kette, eine ToF-Kamera und eine ToF-Matrix. Neben der unterschiedlichen Bauweise hatten die ToF-Sensoren auch verschiedene Messraten zwischen 1 Hz und 50 Hz. Als bes te Lösung erwies sich schließlich ein Datenlogger-Bauelement mit einem integrierten neun DoF-Sensor, der mit einem Bus-System mit bis zu acht ToF-Sensoren bei einer Datenrate von

10 Hz verbunden werden konnte. Eine Herausforderung stellte u.a. der Datenfluss zwischen dem Raspberry-Pi-Rechner und der Datenbank dar. Hier war am Anfang eine drahtlose Datenübertragung geplant, diese musste aber verworfen werden, da es mit Bluetooth und WLAN zu Übertragungsabbrüchen kam und das System als zu unzuverlässig eingestuft wurde. Als Lösung wurde daher zunächst die Übertragung per Ethernet gewählt.

Praxistest bestanden Nach weiteren Vorversuchen an der VLB Berlin, bei denen unterschiedliche Positionen der ToF-Sensoren, eine stabile Datenübertragung und der Aufbau des gesamten Systems überprüft wurden, ging es schließlich in den fahrdynamischen Praxistest auf einer Lkw-Ladefläche. Hierzu wurde ein Auflieger mit Seitenplane verwendet (Testtrailer mit Code XL), in dem vier Europaletten mit Testware und Sensorsystem platziert wurden. An der Dachkonstruktion des Aufliegers wurde über jeder Ladeeinheit, mit einem geringen Abstand zur Schiebe-Plane, ein ToF-Sensor befestigt sowie zusätzlich in der Mitte ein BeschleunigungsSensor. Mit unterschiedlichen Ladeeinheiten, bestehend aus Getränkekästen und Kegs, wurden diverse Testfahrten wie Kreisfahrten, S-Schläge und Vollbremsungen auf einem dafür geeigneten Testgelände durchgeführt. Bei den Testfahrten sollten sich die Ladeeinheiten bei Belas tung in die Plane legen und nach Ende der Belastung wieder in die Ausgangsposition zurückstellen. Beim seitlichen Beschleunigungsprozess ändern sich die Distanzen zwischen den ToF-Sensoren und dem Ladegut und sollten nach der Rückstellung vom Ladegut wieder den Ursprungswert erreichen.

Die Ergebnisse der Testfahrten waren erfreulich. Im Detail ergaben sich folgende Erkenntnisse bei Kas tenware: Kurze Belastungen wie bei einem S-Schlag oder längeren Kreisfahrten werden von den Dis- tanzsensoren erkannt. Bei ordnungsgemäßer Rückstellung des Ladeguts gingen die Distanzwerte, wie zu erwarten, auf die ursprünglichen Werte zurück. Bei einer Vollbremsung kippte ein Teil der Ladung nach hinten – dieser sog. „Rebound-Effekt“ war auch in den Distanzwerten zu erkennen. Bei der Fassware war das Ergebnis identisch, auch hier konnte das Ankippen anhand der Messwerte nachgewiesen werden. Bei einem weiteren Fahrversuch sind Kegs von der Palette gerutscht, was ebenfalls an den Messwerten der Abstandssensoren gut zu erkennen war.

Auch die detaillierte Auswertung der DoF- und ToF-Sensoren ist erfreulich. So wurden z.B. Kurvenfahrten vom DoFSensor erkannt, bei denen die ToF-Sensoren deutliche Distanzänderungen vom TrailerDach zu den Ladeeinheiten aufzeigten. Nach Ende von Beschleunigungen sprangen DoF- und ToF-Sensoren zurück auf die Ursprungwerte. Ist dies nicht geschehen, lag eventuell Lagenversatz vor.

Die erzielten Messwerte der Sensoren-Prototypen übertrafen die Erwartungen und zeigen, dass das Messprinzip unter realen Bedingungen funktioniert und Lagenversatzänderungen durch die Sensorik erkannt werden. Weitere Versuche und Praxistests sind notwendig, um mehr Erfahrungen zu sammeln und das System noch zu verbessern.

This article is from: