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Digitale Transformation, Flascheninspektion und alkoholfreie Biere im Fokus

Die 107. brau- und maschinentechnische Arbeitstagung fand vom 6. bis 8. März 2023 im Störtebeker Brauquartier in Stralsund statt. Der letzte Tag des gelungenen VLB-Branchentreffs im hohen Nordosten Deutschlands stand im Zeichen der Vollflascheninspektion, der digitalen Transformation im Brauprozess und des alkoholfreien Biers. Und auf ein alkoholfreies Bier dürfte im Laufe des Tages so manch ein Teilnehmer zurückgegriffen haben, denn das Get-together am Vorabend im Stralsunder Ozeaneum war gesellig und ausgelassen.

(ew) Den Auftakt am Mittwochmorgen, 8. März, machte ein bewährtes Duo der VLB Berlin. Dr. Georg Wenk und Jan Fischer eröffneten die erste Session „Inspektion von Leer- und Vollflaschen: Übersicht, Praxiserfahrung und Zukunft“ unter der Leitung von Thomas Lauer (Bitburger Braugruppe) mit ihrem gemeinsamen Vortrag 12 Jahre VLB-Leistungsnachweis für Leerflaschen-Inspektionsmaschinen – eine Bilanz! bzw. Grundlagen der Vollflascheninspektion Wenk präsentierte die Erkenntnisse aus über 250 Untersuchungen im „VLB-Vergleichsindex für LeerflaschenInspektionsmaschinen“. Die Daten zeigen die sprunghafte und immer noch andauernde Entwicklung von Leerfla schen-Inspektionsmaschinen (EBIs).

Gleichzeitig machen diese Daten deutlich, welche Voraussetzungen für eine möglichst optimale Erkennungsperformance eines EBIs erfüllt sein müssen und wie das individuelle Optimierungspotenzial bestimmt werden kann. Die vielseitigen Kontaminationsmöglichkeiten von Flaschen nach der Kontrolle durch den EBI und vor der Verschließmaschine hat Jan Fischer im 2. Teil des Vortrags thematisiert. Außerdem sprach Fischer über mögliche Schutzmaßnahmen und Vorkehrungsmechanismen.

Vollflascheninspektion in der Brauindustrie – Stand der Technik, Herausforderungen und Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit war das Thema von Michael Seip (Flensburger Brauerei). „Obwohl wir noch nie eine Reklamation wegen einer Glasscherbe in einer Vollgutflasche hatten, müssen wir uns über- legen, ob wir uns eine Reklamation leisten könnten“, führte der Referent aus. Reklamationen gebe es hingegen häufig bei Altlinien bezüglich auslaufender Flaschen. Die Frage war also: Schafft es der Vollflascheninspektor, die bestehende Problematik bei annehmbarer Fehlausleitung zu reduzieren? Und darüber hinaus zu verhindern, dass jemals eine Flasche mit einer Scherbe darin das Unternehmen verlässt? Die automatische Erkennung ist insbesondere bei der Bügelverschlussflasche eine Herausforderung. „Abplatzer sind das große Problem für Flensburger. Außerdem sind der inhomogene Flaschenpool und Wassertropfen auf den Flaschen ärgerlich. Scherben hingegen werden keine gefunden“, so Seip. Einer von zwei Investitionsgründen – nämlich Scherben in der Flasche –war unberechtigt. Der zweite Grund gehört eigentlich in den Bereich der Leergutinspektion, lautete das Fazit des Referenten. Ob man sich daher eine zweite Abfülllinie anschaffe, sei noch nicht entschieden. Beim Neubau einer Anlage würde man allerdings wieder auf einen Vollflascheninspektor setzen.

Über die Vorzüge neuester technischer Errungenschaften sprach Anton Diehl (Heuft Systemtechnik) in seinem Vortrag Farbtechnologie, gepulstes Röntgen und Künstliche Intelligenz für die Qualitätskontrolle im Abfüll- und Verpackungsprozess Unter anderem griff Diehl die vom Vorredner erläuterte Problematik der Beschädigungen auf der Flaschen-Außenseite auf und skizzierte Lösungsansätze. „Abplatzer und Ausbrüche lassen sich mit einer Kombination aus Optikund Röntgen-Erkennungsmodulen gut sichtbar machen“, erklärte der Referent. Das bisherige Bewertungsspektrum aus Kontrast und Graustufen wird durch die patentierte Regenbogenoptik zur besseren Erkennung von Abplatzungen und muschelförmigen Brüchen am äußeren Rand der Mündung ergänzt.

Auch bei der Röntgenbodeninspektion habe sich einiges getan. Mit einem maschinell erlernten Algorithmus seien Inspektoren von Heuft bereits in der Lage, das elektronische Rauschen zu reduzieren. Dadurch werden die Bilder homogener und von Artefakten befreit. Die KI erkennt auch Wassertropfen und entfernt selbige vom Inspektionsbild.

Um Digitale Transformation in der Brauindustrie: Verfügbarkeit von Produktionsanlagen erhöhen durch zukünftige Kombination von digitalem Zwilling und dem Einsatz von Module-Type-Packages ging es im Vortrag von Wolfram Hänsel (Ziemann Holvrieka). In der Projektierungsphase findet zunächst eine virtuelle Anlagenbegehung und damit Bestandsaufnahme statt. Module und Produkte können ohne längere Produktionsausfälle und Anlagenstillstand erweitert, integriert oder ausgetauscht werden. All das wird gemeinsam mit dem Kunden besprochen und geplant. Der Zugang zu allen benötigten Anlagendaten erfolgt per Mausklick. Der Kunde hat die Möglichkeit, seine Systeme via API an Ziemanns Cloud-Lösung anzubinden. Doch welche Vorteile bietet der digitale Zwilling? „Die Inbetriebnahmezeiten von Maschinen und Anlagen verkürzen sich um bis zu 50 %“, betonte der Referent. Auf Daten könne remote zugegriffen werden, Dokumente seien schnell zur Hand. Der digitale Zwilling erlaube es dem Betreiber, Prozesse zu simulieren und Parameter anzupassen. Zudem habe der Kunde die Verbräuche jederzeit im Blick. Dass das die Nachhaltigkeit fördere, liege auf der Hand.

Thematisch schloss sich der Vortrag Chancen und Perspektiven einer offenen digitalen IT/OT Businessplattform – von der Standortbestimmung zur digitalen Roadmap an die vorangegangene Präsentation an. Nico Michels (Siemens) hob die Bedeutung der Digitalisierung für die strategische Ausrichtung eines Unternehmens hervor. Um das Potenzial auszuloten, bietet Siemens sog. Potenzialanalysen an. Mittels Reifegradbewertung der aktuellen IT-Systeme wird der Handlungsbedarf erarbeitet und ein IT-Bebauungsplan erstellt, der mit Management und Kernteam Stück für Stück umgesetzt wird.

Think digital: Neue Einblicke in die Brauerei oder: Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der Digitalisierung? Dr. Mark Schneeberger und Michael Braun (beide GEA) erläuterten anschaulich, dass Echtzeiteinblicke eine höhere Produktivität zur Folge haben. Ein Beispiel: Die GEASoftware InsightPartner Brewery überwacht die Leistung der Brauerei und liefert Informationen in Echtzeit. So kann im Bedarfsfall schnell reagiert werden. Entsprechend trägt die Software dazu bei, im Sudhaus effizienter zu arbeiten und gleichzeitig die Produktqualität sicherzustellen. Auf Rohstoffschwankungen kann man schnell reagieren, Rezepte können unproblematisch angepasst und Fehlentwicklungen sofort gegengesteuert werden. Musste man früher warten, bis ein Sud fertig ist, um Anpassungen vorzunehmen, kann man heutzutage noch während des laufenden Prozesses eingreifen.

Über mögliche Verfahren zur Herstellung alkoholfreier Biere: 0,0 % Alkohol und 0,0 g Zucker sprach Jan Biering (VLB Berlin) im vorletzten Vortrag der Veranstaltung. Alkoholfreies Bier erfreut sich zunehmender Beliebtheit, und das weltweit. Die Menschen werden zum einen gesundheitsbewusster. Zum anderen gibt es Situationen, bei denen Alkohol fehl am Platz ist, man aber trotzdem nicht auf den Geschmack eines erfrischenden Bieres verzichten möchte. Doch wie wird alkoholfreies Bier überhaupt hergestellt? Der Brauer kann entweder die Gärung unterdrücken und somit kaum Alko- hol durch die Hefe bilden lassen oder das fertige Bier entalkoholisieren. Bei der zuletzt genannten Methode wird der Alkohol mittels Vakuumdestillation oder über Membranen entfernt. Zeitgleich können bierspezifische Aromen gewonnen und dem Bier zurückgeführt werden. Entscheidet sich der Brauer für eine sog. biologische Methode, lässt er die Hefe bis zu einem Alkoholgehalt von maximal 0,5 Vol.-% arbeiten und entfernt sie dann, um die Gärung zu stoppen. Aus diesen Verfahren resultieren meist Biere mit eher süßlichen, würzeartigen Geschmacksnoten, da im Käl- te-Kontakt-Verfahren oder bei der sog. gestoppten Gärung mehr Restzucker übrig bleibt. Eine weitere, altbekannte Methode ist die Verwendung von Hefen mit geringerem Vergärungsgrad, sog. maltosenegative Hefen.

In seinem Vortrag Thermische Entalkoholisierung – bewährte Technologie flexibel gedacht schilderten Stefan Meyering (Corosys) und Jens Reineke-Lautenbacher (Störtebeker Braumanufaktur) die Sicht des Anlagenbauers und Endverbrauchers. Durch die Integration aller vor- und nachgeschalteten Prozesse liefert corosys nicht nur die Anlagen für die thermische Entalkoholisierung, sondern erarbeitet zusammen mit dem Kunden alle Schritte, die zur Herstellung alkoholfreier Biere und Biermischgetränke nötig sind. Dabei spielen die konstante Produktqualität und das Thema Nachhaltigkeit (Stichwort Wasserverbrauch oder Rückgewinnung des Ethanols zur weiteren Verwendung) eine genauso große Rolle wie die technische Umsetzung der gesetzlichen und behörd- lichen Auflagen. Produktschonende Entalkoholisierung, hygienisches Design und hohe Prozesssicherheit sind nur einige der Schlagworte, auf die beide Referenten ihr Augenmerk legten.

Nach dem Ende der äußerst gelungenen Frühjahrstagung haben sich die Teilnehmer aus einem winterlich-verschneiten Stralsund Richtung Heimat begeben. Die nächste VLB-Frühjahrstagung findet vom 13. bis 15. März 2024 im niederländischen Groningen statt.

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