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Buchensterben im Kanton Jura

Seit drei Jahren sehen die Buchenwälder im Kanton Jura ganz anders aus. Die Folgen des Klimawandels sind früher als erwartet sichtbar geworden.

N. Schaffter

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Ein unerwartetes Phänomen

Im Frühjahr 2019 haben in der Ajoie, im nördlichen Teil des Kantons Jura, während des Austriebs der Bäume, zahlreiche Buchen ihre Blätter nicht ausgetrieben und einige wiesen eine braune und trockene Krone auf. Das Auftreten dieses Buchensterbens war ein weiterer schwerer Schlag für die Waldbesitzer, die bereits mit der Borkenkäferproblematik bei Nadelbäumen, dem Verschwinden der Eschen und dem Verlust der Rentabilität der Forstwirtschaft konfrontiert sind. Dieses Phänomen, das von zahlreichen wissenschaftlichen Studien vorhergesagt wurde, war im Kanton erst in einigen Jahrzehnten zu erwarten. Die Schäden, die in dem Jahr an zahlreichen Buchen beobachtet wurden, waren nicht auf die in Ajoie beschränkt. Vielmehr waren auch die Wälder in den tieferen Lagen der Nordwestschweizer Kantone betroffen. Dieser erneute Umbruch ist zu einem guten Teil auf die extremen Wetterereignisse der letzten Jahre zurückzuführen, welche die Wälder auf eine harte Probe gestellt haben. Die wiederholten Stressereignisse durch Dürren, Stürme oder auch Spätfrost in den letzten Jahren, gefolgt von der aussergewöhnlichen Trockenheit im Sommer 2018, haben in der Tat die Widerstandskraft vieler Buchen in den tiefer gelegenen Regionen gebrochen. Dies verweist auf die Klimaentwicklungsmodelle für den Schweizer Wald, die voraussagen, dass die Buche in den tieferen Lagen relativ schnell an ihre Grenzen stossen könnte, wenn sich die globale Erwärmung fortsetzt. Von den betroffenen Bäumen hatten einige eine völlig ausgetrocknete Krone und waren bereits abgestorben. Andere wiesen in der unteren Hälfte der Krone noch lebende Äste mit Blättern auf, während der obere Teil trocken war. Angesichts dieser Situation wurde vom Umweltamt des Kantons Jura eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese setzte sich aus den Förstern der hauptsächlich betroffenen Region, Vertretern der Holzbranche, Mitarbeitern des Umweltamts und des kantonalen Infrastrukturdienstes zusammen und ermöglichte es, erste Schätzungen des Schadensausmasses vorzunehmen, Überlegungen zu den kurz-/mittelfristigen Folgen anzustellen und insbesondere die betroffenen Gebiete zu inventarisieren. Im Jahr 2019 bestätigten die Felduntersuchungen das Volumen von mehr als 200 000 m³ trockener oder absterbender Buchen in den Wäldern der Ajoie (gegenüber einer durchschnittlichen jährlichen Nutzung im Kanton von 180 000 m³). Darüber hinaus trockneten Hunderte von Hektar Buchenwald stehend aus (Abb. 1).

Waldkatastrophenzustand

Angesichts der weitreichenden Folgen dieser Situation für die Funktionen dieser Wälder, für die Bevölkerung und für die betroffenen Eigentümer hat die jurassische Regierung im Juli 2019 beschlossen, Artikel 45 des kantonalen Waldgesetzes in Kraft zu setzen. Mit anderen Worten: Es wurde der Waldkatastrophenzustand ausgerufen. Der Staat ergreift somit die Massnahmen zur Sanierung der Situation und engagiert sich entschlossen an der Seite der lokalen Akteure und der Eigentümer. Diese Entscheidung ermöglichte verschiedene Massnahmen in den Monaten nach der Entdeckung des Phänomens. Sie bedeutete nicht automatisch eine

Abb.1: Luftaufnahme eines Teils der festgestellten Schäden.

(Bild: V. Queloz, WSL)

Erhöhung der finanziellen Mittel oder einen Aktivismus im Wald, um die betroffenen Bäume zu fällen. Abgesehen von der Frage der Infrastruktur und der Sicherheit bestand nämlich keine Dringlichkeit, mit umfangreichen forstwirtschaftlichen Massnahmen einzugreifen. Generell hätte der Holzmarkt nicht all diese Holzmengen aufnehmen können (wobei ein Grossteil des Handelswerts aufgrund der Qualität des Holzes verloren ging). Darüber hinaus war es ziemlich klar, dass es nicht möglich sein würde, das gesamte geschädigte Volumen zu nutzen.

Strategie zur Bewältigung der Krise

Der Kanton hat durch sein für die Umwelt zuständiges Departement im September 2019 eine Strategie zur Bewältigung dieser Waldkatastrophe verabschiedet. Diese gliedert sich in drei Teile, die kurz-, mittel- und langfristige Massnahmen umfassen: A. Schadenmanagement B. Sicherstellung der Wiederaufforstung der geschädigten Wälder C. Rahmenbedingungen überdenken und anpassen

Abb.2: Für die Besucher des Jurawaldes hat sich das Bild der Buchenwälder völlig verändert. (Bild: Office de l‘environnement)

Was die kurzfristigen Massnahmen betrifft, so ging es darum, die Überwachung der von der Öffentlichkeit frequentierten Bereiche und auch die Information der Bevölkerung über die aktuelle Gefahr im Wald zu verstärken. Da Buchenholz beim Austrocknen brüchig wird, bestand nämlich in der Nähe von trockenen Bäumen ein erhöhtes Risiko von Astbruch, insbesondere bei Wind. Das Umweltamt erliess zahlreiche Aufrufe zur Vorsicht an die verschiedenen Waldnutzer (Abb. 2). Parallel dazu wurden bei zahlreichen Infrastrukturen (Autobahnen, Kantons- und Gemeindestrassen) Sicherungsmassnahmen (Fällen von trockenen und gefährlichen Bäumen) ergriffen. Insgesamt wurden 2019 zu diesem Zweck mehr als 2000 Bäume gefällt. Eine bedeutende Anzahl von Waldwegen und Waldinfrastrukturen (Hütte, Picknickplatz) wurde ebenfalls von den Waldbesitzern gesichert. Da die Sicherungsarbeiten umfangreich waren, mussten die verschiedenen Einrichtungen vorübergehend geschlossen werden, bis die Fällarbeiten eingeleitet werden konnten. Um die Bevölkerung über diese verschiedenen Arbeiten zu informieren, wurden die gesperrten und zeitweise

unzugänglichen Bereiche auf dem kantonalen Geoportal verzeichnet. Während dieser Zeit initiierte der Kanton Jura zudem Kontakte mit dem Bund, um die Bundesinstanzen zu informieren und die Bewältigung dieser Krise mit ihnen zu koordinieren. Die wissenschaftliche Begleitung dieses Phänomens (Entwicklung der betroffenen Bäume, Auftreten von Schädlingen usw.) wurde ebenfalls mit dem Eidgenössischen Forschungsinstitut WSL koordiniert.

Erste Erkenntnisse und zukünftige Entwicklungen

Mehr als ein Jahr nach der Entdeckung des Buchensterbens hat sich der Gesundheitszustand der betroffenen Buchenwälder nicht verbessert. Das Ausmass der Schäden ist das gleiche wie zuvor, wenn auch gemildert durch die Wiederaufnahme der Vegetation im Frühjahr und die zahlreichen vorgenommenen Schnitte. Der Absterbeprozess ist noch nicht abgeschlossen und die betroffenen Bäume werden sich trotz eines wettermässig günstigeren Jahres 2021 nicht erholen können. Davon zeugen die Sicherheitsfällungen, die 2020 und 2021 in Bereichen durchgeführt wurden, die bereits 2019 saniert worden waren. Diese Waldkrise wird in der Tat langfristig sein, mit einer sehr unsicheren Entwicklung für die noch lebenden Bäume und starken und dauerhaften Auswirkungen auf das Aussehen der Waldmassive. Dieses Phänomen erinnert uns daran, dass sich das Gesicht des jurassischen Waldes unter dem Einfluss des Klimawandels tatsächlich verändert. Die Anpassung unserer Wälder an diese Veränderungen stellt eine echte Herausforderung für die gesamte Forstbranche dar. Die Arbeiten zur Wiederherstellung geschädigter Bestände und im weiteren Sinne zur Anpassung unserer Wälder (Teil B der kantonalen Strategie) werden bereits von den Förstern im Gelände umgesetzt. Die durchgeführten Massnahmen stützen sich auf die bekannten Anpassungsprinzipien (Baumartenvielfalt, Strukturvielfalt usw.) und auf die Grundsätze des naturnahen Waldbaus, um auch dem Ökosystem Zeit zu geben, von sich aus zu handeln. Es wäre nämlich falsch, nach diesem Phänomen den Wald um jeden Preis durch aktive und kostspielige Massnahmen reparieren zu wollen, die nicht umweltfreundlich sein können. Angesichts der zahlreichen Unwägbarkeiten gilt es, den Wald als Ganzes zu respektieren. Schliesslich hat die Buche vielleicht auch noch nicht das letzte Wort gesprochen, insbesondere bei den jungen Trieben, die unter extremeren Bedingungen wachsen als ihre Eltern. Eine grundlegende Reflexion über das gesamte System und die Rahmenbedingungen (Teil C der kantonalen Strategie) wird noch durchgeführt, um alle Lehren aus dieser Krise zu ziehen und die notwendigen langfristigen Anpassungen vorzuschlagen (Überarbeitung des Waldentwicklungsplans, der Betriebspläne usw.).

Noémie Schaffter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltamt des Kantons Jura.

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