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Blutbuchen Fagus Sylvatica Atropunicea

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Pilze und Buche

Pilze und Buche

Blutbuchen, die rotblättrige Mutation der Rotbuche, bereichern als Solitärpflanzen vor allem Pärke und grosse Gärten. Sie lösen Emotionen aus, wenn sie gefällt werden sollen.

O. Hugentobler

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Gelegentlich trifft man im Frühjahr in Gärten, Pärken oder selten in Buchenwäldern auf Buchen mit leuchtend roten Blättern. Man fragt sich, warum im Herbst kaum mehr ein Unterschied der Blattfarbe mit den übrigen Buchen festzustellen ist. Landschaftsarchitekt Alex Jost aus Chur stellte fest, dass vor allem Sämlinge von Blutbuchen, im Gegensatz zu gepfropften Exemplaren, im Herbst die Rotfärbung der Blätter weniger beibehalten. Im Park der Liegenschaft «Mulegn» von Andeer stockte bis vor wenigen Jahren eine grosse Blutbuche (Fagus sylvatica f. purpurea) (Abb. 1). Diese

Abb.1: Blutbuche und Säuleneiche im Park «Mulegn» in Andeer um 2006. Im Hintergrund auf der linken Bildseite ist die zweite grössere Blutbuche, welche nicht gefällt wurde, sichtbar. (Bild: G. Ragaz).

Abb.2: Blutbuche im Park «Mulegn» hinter dem Hauptgebäude am 5. Dezember 2021.

(Bild: O. Hugentobler)

wurde bei der Gestaltung des Parks vor rund 100 Jahren gepflanzt. Sie wurde vor einigen Jahren, um «Platz zu machen», leider gefällt. Das gleiche Schicksal erlitt auch die seltene, prächtige Säuleneiche direkt neben dem Eingangstor. Eine grössere Blutbuche hinter dem Hauptgebäude von Mulegn hat die Fäll-Aktionen überstanden. Es ist ausserdem tröstlich, dass sich im Mischwald auf der Westseite der Liegenschaft ein Sämling, der vermutlich von der Buche des Parks abstammt, sich zu einer Blutbuche entwickelt hat. Weil in den Schamser Wäldern vor 100 Jahren noch keine Buchen wuchsen und sich Blutbuchen sehr gut natürlich verjüngen, ist diese Annahme nahe liegend. Es scheint, dass die Blutbuchen im Gegensatz zu den Rotbuchen im Herbst die Blätter länger behalten (Abb. 2). Ob es sich dabei um Sämlinge oder um vegetativ vermehrte Exemplare handelt, wie zum Beispiel aus Stecklingen, ist nicht bekannt. Für die Stecklingsvermehrung werden im Frühjahr zweijährige 10–12 cm lange Zweige verwendet. Erst in den letzten Jahren wurden Blutbuchenzweige mit intensiv roten Blättern auch auf junge Rotbuchen aufgepfropft. Baumschulen bieten im Handel zu-

Abb.3: Blutbuche am 27. September 2008 im Fontanapark in Chur. (Bild: O. Hugentobler)

Abb.4: Absterbende und frisch gepflanzte Blutbuchen am 6. Dezember 2021 beim Karlihof in Chur.

(Bild: O. Hugentobler)

dem verschiedene Blutbuchensorten als Heckpflanzen an. Blutbuchen sind seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Die «Stammmutter» wuchs im Possenwald bei Sonderhausen (Thüringen). Sie wurde öfters auf Exkursionen besucht. Leider ist dieser Baum vor einigen Jahren eingegangen. Am gleichen Standort haben sich erfreulicherweise Sämlinge der Mutterpflanze gut entwickelt. Die rotblättrige, auffällige Mutation der Rotbuche wird immer noch weltweit in Pärken gepflanzt. Ein schönes Beispiel ist die prächtige Blutbuche im Fontana Park von Chur (Abb. 3). Im Park beim Karlihof in Chur steht eine weitere grosse Blutbuche (Abb. 4). Diese ist leider am Absterben. Es wurde mit Kunstgriffen versucht, den Sterbeprozess zu verlängern bis der im gleichen Park gepflanzte junge Baum eine gewisse Grösse hat. Der Name Blutbuche hat verschiedene Autoren von Kriminalgeschichten und Kriminalromanen dazu verleitet, einem ihrer Buchtitel einen zusätzlichen kriminellen Anstrich zu geben. So zum Beispiel: – Arthur Conan Doyle «Das Haus zu den Blutbuchen» (Sherlock Holmes löst ein kriminelles Problem im Haus zu den Blutbuchen) – Heike Schroll «Blutbuchen, ein Altmarkkrimi» – Ule Hansen «Blutbuche» (Dank dem Wissen um die speziellen Eigenschaften der Blutbuchen kann ein Kriminalfall gelöst werden). Die erwähnten Geschichten sind sicher interessant. Die Blutbuchen sind vor allem Kulissen und geben nur wenige Antworten auf botanische Fragen. Grosse Blutbuchen im Siedlungsraum gehören zu einigen Stadt- oder Dorfbildern. Sie lösen Emotionen aus, wenn bei Bauvorhaben deren Entfernung vorgesehen ist. Für den Bau der Limmattalbahn sollte in Schlieren eine grosse, etwa 80 Jahre alte Blutbuche weichen. Gegen das Fällen des Prachtbaumes opponierte die Schlieremer Bevölkerung. Die dabei gegründete «IG Blutbuche» reichte eine Petition mit 4600 Unterschriften zur Erhaltung des Baumes und zur Verschiebung des geplanten Bahntrassees ein. Der Petition wurde nicht im Sinne der Petitionäre stattgegeben. Der Baum wurde mithilfe von zwei Kranen und einer unter die Wurzel geschobenen Stahlplatte am 5. Februar 2018 an einen 150 m entfernen Ort versetzt. Das Versetzen soll 160 000 Franken gekostet haben (Abb. 5). Es ist erfreulich, dass sich viele Leute für markante Bäume

Abb.5: Versetzungsaktion der Schlieremer 100 Tonnen schweren Blutbuche am 5. Februar 2018. (Bild: S. Haberland, NZZ)

wie die Blutbuchen einsetzen, seien es solche im Wald, in Parkanlagen oder an Strassenrändern. Wie ich von der Stadtverwaltung in Schlieren erfahren habe, hat der Baum das Versetzen nach dem Trockensommer 2018 nicht überstanden und musste ein Jahr nach dem Verpflanzen gefällt werden. Damit hat sich der Spruch «alte Bäume versetzt man nicht» bewahrheitet.

Bemerkung

Die im Handel für die Blutbuche verwendeten lateinischen Namen sind unterschiedlich. Ausserdem kommen verschiedene Züchtungen mit speziellen Sortennamen, die vegetativ vermehrt werden, dazu. – Fagus sylvatica f. purpurea – Fagus sylvatica atropunicea (Blutbuche aus Aussaat) – Fagus sylvatica Swat Magret (veredelte Blutbuche) – Fagus sylvatica purpurea

Oskar Hugentobler ist pensionierter Forstingenieur aus Andeer.

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