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Monumentale Buchen in Graubünden
In den bewirtschafteten Wäldern Europas sind sehr alte, dicke Buchen eine Seltenheit. Es ist eine besondere Erfahrung, solche alten und dicken Bäume im Wald zu finden. Zwei besonders schöne Buchen kann man im Buchner Tobel in Luzein und in Maienfeld bewundern.
J. Jakob
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Kandelaber-Buche in Luzein
Umfang: 795 cm Brusthöhendurchmesser (BHD): 253 cm Ortsname: Grossrüti, Buchnertobel Gemeinde: Luzein Höhe über Meer: 1020 m Diese Buche wurde durch Ueli Bühler während Aufnahmen für den Weissrückenspecht im Februar 2018 entdeckt. Sie fiel ihm relativ spät auf, obwohl er das Gebiet bereits öfters begangen hatte und gut kannte. Ihre 17 Stämme erinnern an einen Leuchter und wird somit als Kandelaber-Buche bezeichnet.
Abb.1: Die Kandelaber-Buche in Buchner Tobel besitzt 17 Stämme. Sie steht an der Grenze eines Tobels, das den Wald-
boden wegspült und damit ihre Stabilität gefährdet. (Bild: Ueli Bühler)
Erstaunlich ist, dass die rund 27 m hohe Buche auf einer Meereshöhe von 1020 m und der grossen Niederschlagsmengen der Nordalpen so alt und dick werden konnte. Auf alten Luftbildern von 1939 lässt sich eine Beweidung erahnen. Die Kandelaber-Buche selbst lässt sich nicht eindeutig erkennen. Es kann sein, dass sie erst in den letzten 80 Jahren dicker geworden ist. Die offenen Flächen sind jedoch nach der Aufgabe der Beweidung und mit der Zeit eingewachsen. Heute werden die verbleibenden Blössen im Buchner Tobel von Jägern teilweise gemäht. Die Kandelaber-Buche könnte durch Niederwald-Bewirtschaftung entstanden sein, indem sie auf den Stock gesetzt wurde. Der dicke Stammfuss und die 17 dünnen Kandelaberstämme in circa zwei bis drei Meter Höhe erinnern jedoch auch ein wenig an Kastanien im Tessin und in den Südtälern Graubündens. Bei der Capitozzatura werden die oberen Äste abgeschnitten, dass der Baum immer wieder austreibt. Dies dient zum einen der Ertragssteigerung der Früchte und zum anderen der Gewinnung von Zaun- und Brennholz. Die Höhe der Capitozzatura wurde so durchgeführt, dass die frischen Äste für Ziegen nicht erreichbar waren. Buchen bilden am Hang stehend talseitig eine grössere Krone als bergseitig. Dadurch sind die Bäume instabiler und fallen mit zunehmender Grösse und Alter irgendwann um. Anders bei der Kandelaber-Buche. Sie könnte so gross geworden sein, weil sie ohne konkurrierende Nachbarn frei aufwuchs oder weil das stabile, dicke Stammstück sie vor dem Umfallen hinderte. Moosbewuchs, Vertiefungen, Saftfluss, Mikroboden sind nur ein Paar der unzähligen Mikrohabitate, welche man auf der Buche finden kann. Sogar eine Fichte wächst zwischen den Ästen der majestätischen Buche. Jedes Mikrohabitat ist eine Nische für eine Art oder Artengemeinschaft. Je mehr Mikrohabitate und damit Nischen ein Baum besitzt desto höher ist der ökologische Wert. Für die Biodiversität im Wald sind daher alte und dicke Bäume wie diese Kandelaber-Buche in Luzein wahre Schatztruhen.
Maienfelder Buche
Umfang: 650 cm Brusthöhendurchmesser (BHD): 207 cm Ortsname: Bovel Gemeinde: Stadt Maienfeld Höhe über Meer: 668 m
Im Eichenhain Bovel in der Nähe der Försterschule Maienfeld steht angeblich die dickste Buche der Schweiz. Sie befindet sich allerdings nicht im Wald, sondern im bekannten Eichenhain. Dieser wurde im Mittelalter während des Sommers beweidet und die Eicheln im Herbst an Schweine verfüttert. Diese Nutzung gestaltete das eigene Landschaftsbild mit mehreren Einzelbäumen. Etwas abseits davon steht die aussergewöhnliche Buche. Sie hat eindrückliche Wurzelanläufe, die – bedingt durch die Flachgründigkeit des Bodens – dem Baum die nötige Stabilität verleihen. Man könnte meinen, sie setze sich wie im Fantasie-Roman Herr der Ringe in Bewegung und laufe davon. Dicke Äste sind abgebrochen und doch treibt der Baum an der Abbruchstelle wieder aus. Die Maienfelder Buche ist ein markantes und wertvolles Landschaftselement. Sie löst bei Einheimischen wie auch Auswärtigen Bewunderung aus. Eine Bank in der Nähe des Baumes lädt zum Verweilen ein. Markante Einzelbäume wie die Maienfelder Buche waren und sind Treffpunkt für die Menschen, Orte für Versammlungen und Urteilsverkündigung und markieren Eigentumsgrenzen. Jene Bäume sind Zeugen der Geschichte. Stellen wir uns vor, was sie alles aus ihrem Baumleben erzählen könnten. Neben ihrem Umfang sind sie auch wegen ihres Alters von hohem emotionalen Wert. Das Alter des Baumes wird auf 350 Jahre geschätzt. Wer weiss, vielleicht verweilte auch Hortensia Gugelberg von Moos unter dieser Buche. In mehreren Internetquellen ist zu lesen, dass sie trotz ihres Alters sehr vital ist. Dem ist leider nicht
Abb.2: Die angeblich dickste Buche der Schweiz in Maienfeld.
(Bild: Jürg Hassler).
so. Am Stamm sind Pilzkonsolen und Saftausfluss zu sehen. Im Sommer fällt auf, dass die Kronenspitzen keine Blätter mehr tragen und abgestorben sind. Wir hoffen dennoch, dass sie noch solange wie möglich stehen bleibt und Schatten für Ruhesuchende auf der Bank spenden kann.