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Management
Online Simulation als Hilfestellung für das Borkenkäfer-Management
Zur Unterstützung der Forstpraxis hinsichtlich Planung von Überwachung und Bekämpfung des Buchdruckers gibt es ein hilfreiches Werkzeug: die Buchdrucker Simulation Online (BSO). Kostenlos kann auf www.borkenkaefer.ch die aktuelle Entwicklung der regionalen Buchdruckerpopulationen inklusive der Zeitpunkte der Schwärmflüge abgerufen werden.
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Dr. Sophie Stroheker / Dr. Simon Blaser
Als einer der bedeutendsten einheimischen Schadorganismen an der Fichte (Picea abies) ist der Buchdrucker (Ips typographus) schweizweit wohlbekannt. Nach Störungen wie zum Beispiel Trockenheit, Sturmschäden oder Schneebruch kann es zu Massenvermehrungen dieses Käfers kommen, in dessen Verläufen nicht nur geschwächte, sondern auch vitale Bäume befallen werden können, und dann in der Regel absterben. Beobachtungen zeigen, dass überdurchschnittlich warme Frühjahrs und Sommertemperaturen in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden sind und gemäss Prognosen auch in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden. Von diesen Klimaveränderungen betroffen ist auch der Kanton Graubünden, dessen Jahresmitteltemperatur sich seit 1856 bereits um ca. 1,8°C erhöht hat (NCSS, 2021). Es wird zudem erwartet, dass das Klima in Zukunft vermehrt von trockeneren Sommern, intensiveren Niederschlägen, Hitzewellen und schneeärmeren Wintern geprägt sein wird (NCSS, 2021). In der Regel legt der Buchdrucker in der Schweiz, je nach Witterung, Exposition und Höhenlage, 1–2 Generationen pro Jahr an. Durch überdurchschnittlich hohe Frühlings und Sommertemperaturen, wie sie gemäss Prognosen häufiger erwartet werden, kann in tieferen Lagen jedoch vermehrt eine dritte Generation, in höheren Gebieten eine zweite Generation dazukommen. Dies unter anderem, da die Käfer früher im Jahr ausfliegen und sich die Entwicklungszeit der einzelnen Generationen verkürzt. Während der Buchdrucker von den neuen Klimatrends profitiert, machen sie seiner Wirtsbaumart, der Fichte, zunehmend zu schaffen. Diese wenig trockenheitsresistente Baumart macht laut dem schweizerischen Landesforstinventar (LFI4) 64,5 % des Vorrates im Kanton Graubünden aus (Abegg et al. 2020). Vermehrter Trockenstress wird die Widerstandsfähigkeit der Fichte gegenüber Buchdruckerbefällen in Zukunft weiter senken. Dies ist insbesondere problematisch für Fichtenbestände, welche wichtige Schutzfunktion sicherstellen. Um Käferschäden einzudämmen, müssen Befallsherde rechtzeitig erkannt und befallene Bäume vor dem Ausflug der neuen Käfergeneration aus den Beständen entfernt werden. Als Hilfestellung für die Ermittlung der Flugzeiten stellt die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) das Modell «Borkenkäfer Simulation Online» (BSO) zur Verfügung (Zugang via www.borkenkaefer.ch, Jakoby et al. 2019). Das BSOModell modelliert auf einem Raster von 2 x 2 km die Entwicklung der lokalen Borkenkäferpopulationen inklusive deren Schwärmflüge anhand der täglich von MeteoSchweiz erhobenen Temperaturdaten. Die Lufttemperaturen werden zur Präzisierung auf Rindentemperaturen umgerechnet. Dabei kann der Fokus, wie in Abbildung 1 gezeigt, auf verschiedene Regionen der Schweiz gelegt werden. Sobald laut BSO 10 % der Käfer einer Generation ausgeflogen sind, wird deren Flug auf der Schweizerkarte dargestellt. Ebenfalls
Abb.1: Käferflug in der Region Alpen Südost a) 2018 und b) 2021.
(Grafiken: WSL)
angezeigt wird der Zweitflug von adulten Käfern, welche bereits gebrütet haben und nach einem Regenerationsfrass erneut ausschwärmen, um eine sogenannte Geschwisterbrut anzulegen. Die Abbildung 1 zeigt den Stand der Käferpopulationen für die Region Alpen-Südost am Ende der Käfersaison der Jahre 2018 (Abb. 1 a) und 2021 (Abb. 1 b). Im Vergleich zum moderaten 2021 war 2018 geprägt von überdurchschnittlich warmen Temperaturen und extremer Trockenheit. Das widerspiegelt sich auch in der Käferentwicklung: Während in den Tieflagen des Kantons (Region Landquart/Chur, Bündner Rheintal) bis Ende 2021 lediglich ein Zweitflug der ersten Generation modelliert wurde und die zweite Generation im Brutbaum überwinterte, waren die Bedingungen 2018 für die Käfer so günstig, dass auch die zweite Generation ausfliegen konnte. Ein aktueller Blick (Stand 28.4.2022) in das BSOModell zeigt, dass in den tieferen Lagen des Kantons Graubünden der Ausflug der überwinterten Borkenkäfer (dunkelblau in der Karte) bereits begonnen hat (Abb. 2). Interessant für die Planung phytosanitärer Massnahmen ist die Möglichkeit, Prognosen über die weitere Entwicklung der Käferpopulationen für den Rest des laufenden Jahres anzuzeigen. Diese berechnet das BSO-Modell mittels der durchschnittlichen Temperaturen der letzten 10 Jahre. Da die Käferentwicklung vor allem in höheren Lagen von der topographischen Lage stark beeinflusst wird, simuliert das Modell den Verlauf der Käferpopulationen jeweils für Nord- und Südexposition sowie für verschiedene Höhenlagen zwischen 400 und 1500 m ü. M.
Abb. 2: Käferflug in der Region Alpen Südost (Stand 28.4.2022).
Abb. 3: Aktuelle Flugaktivität in der Region Alpen Südost für die verschiedenen Höhenstufen und Expositionen sowie die Prognose (graue Box) für das laufende Jahr Stand: 28.4.2022).
Abb. 4: Käferentwicklung in der Region Alpen-Südost auf 500mü.M. an südexponierter Lage: a) Aktueller Stand (28.4.22) und Prognose (graue Box) bis Ende Jahr, b) Aktueller Stand (28.4.22) inklusive Managementempfehlungen.
Der Stand der Flugaktivität sowie deren Prognose für 2022 (graue Box) ist in Abbildung 3 zu erkennen. Bis 500 m ü. M. wird für nord- und südexponierte Bestände mindestens ein Zweitflug der ersten Generation prognostiziert, dies gilt ebenfalls für südexponierte Bestände bis 1000 m ü. M. Abbildung 4 a zeigt detaillierte Informationen der aktuellen Käferentwicklung sowie deren Prognosen bis Ende Jahr für die Region Alpen-Südost auf 500 m ü. M. bei Südexposition. Der obere Teil der Grafik zeigt jeweils die Situation unter der Rinde, der untere Teil die Flugaktivität. Beginnt der Flug der überwinterten Käfer (dunkelblau, unten), nimmt deren Anzahl ab (oben) und die nachfolgende 1. Generation beginnt sich zuerst als «weisse Stadien» (Ei – Larve – Puppe; rot gestrichelte Linie) zu entwickeln. Nach dem Reifungsfrass der Jungkäfer (rote durchgezogene Linie) fliegen die adulten Käfer schliesslich aus (unten), um eine 2. Generation anzulegen. Analog dazu erfolgen ebenfalls Entwicklung und Ausflug möglicher weiterer Generationen. Interessant für die Forstpraxis sind ebenfalls die Vorschläge verschiedener Managementempfehlungen:
die auf der Monatsachse eingeblendete Borkenkäferfalle (bedeutet «Borkenkäferfallen aufstellen») kurz vor Ausflug der Käfer sowie ein Auge («Befallskontrolle beginnen»), sobald der Ausflug der Käfer beginnt (Abb. 4 b). Da das Modell anzeigt, ob sich die Käfer im Winter noch unter der Rinde befinden oder bereits im Herbst ausgeflogen waren, ist das BSO-Modell ebenfalls eine Unterstützung zur Abschätzung der Effektivität von Zwangsnutzungen im Winter. So werden die Planung und Umsetzung von Überwachungs- und Bekämpfungsmassnahmen durch das BSO-Modell bestmöglich unterstützt. Nichtsdestotrotz bleiben lokale Kontrolltätigkeiten vor Ort in den Waldbeständen ein unersetzlicher Teil des Borkenkäfermanagements.
Dr. Sophie Stroheker ist Forstpathologin und Datenbankmanagerin bei Waldschutz Schweiz. Dr. Simon Blaser ist Entomologe bei Waldschutz Schweiz. Referenzen
Abegg, M.; Brändli, U.-B.; Cioldi, F.; Fischer, C.; Herold, A.; Meile, R.; Rösler, E.; Speich, S.; Traub, B., 2020: Schweizerisches Landesforstinventar LFI. Ergebnistabellen und Karten der LFI-Erhebungen 1983–2017 (LFI1, LFI2, LFI3, LFI4) im Internet. [Published online 10.6.2020] Available from World Wide Web http://www.lfi.ch/resultate/ Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL Jakoby, O., Lischke, H., & Wermelinger, B. (2019). Climate change alters elevational phenology patterns of the European spruce bark beetle (Ips typographus). Global Change Biology, 25(12), 40484063. https://doi.org/10.1111/gcb.14766 NCCS (Hrsg.) 2021: Klimawandel im Kanton Graubünden – Was geschah bisher und was erwartet uns in Zukunft? (Version 1.0) National Centre for Climate Services, Zürich, 15 S.