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Natürliche Feinde von Borkenkäfern
Gegen 300 verschiedene Arten, vor allem räuberische Käfer und parasitische Wespen, sind als natürliche Feinde des Buchdruckers bekannt. Die meisten leben – wie ihre Beute – unauffällig unter der Baumrinde und ernähren sich dort von Borkenkäferbrut. Sie spielen bei der Regulation von Borkenkäfern eine wichtige Rolle.
Dr. Beat Wermelinger
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Räuberische Insekten und Milben
Räuberische Insekten werden durch Duftstoffe, die von Bäumen und Borkenkäfern produziert werden, an frisch von Borkenkäfern befallene Bäume gelockt. Die Räuber gelangen deshalb etwa gleichzeitig wie die Borkenkäfer dorthin, und somit stehen den räuberischen Larven schon von Anfang an Eier und junge Larven von Borkenkäfern als Nahrung zur Verfügung. Die wichtigsten Räuber in den Borkenkäfer-Brutbildern finden sich bei den Käfern und Fliegen sowie den Milben. Die auffälligste der fast 70 räuberischen Käferarten ist zweifellos der charakteristisch gefärbte Ameisenbuntkäfer (Thanasimus formicarius; Abb. 1). Er ernährt sich sowohl als adulter Käfer als auch als Larve von verschiedenen Borkenkäferarten, vorwiegend auf Nadelbäumen. Der erwachsene Käfer überwältigt adulte Borkenkäfer auf der Rindenoberfläche, wo er auch seine Eier ablegt. Die geschlüpften Larven dringen in die Borkenkäfergänge ein und fressen dort je nach ihrer Grösse Eier, Larven oder Puppen der Beutetiere. Eine Ameisenbuntkäferlarve verzehrt während ihrer Entwicklung etwa 50 Beutetiere, ein adulter Käfer bis zu fünf Borkenkäfer pro Tag. Die Käfer können über ein halbes Jahr alt werden. Der kleine (4–6 mm), sehr lang gestreckte Jagdkäfer Nemozoma elongatum ist als Gegenspieler von 16 Borkenkäferarten in Nadel- und Laubbäumen bekannt und gelegentlich auch in Borkenkäfer-Pheromonfallen zu finden. Besonders wichtig ist er als Antagonist des Kleinen Buchenborkenkäfers (Taphrorychus bicolor) sowie des Kupferstechers (Pityogenes chalcographus). Der Räuber
Abb. 1: Adulte Ameisenbuntkäfer erbeuten Borkenkäfer auf der Rindenoberfläche, während ihre rosaroten Larven die
Borkenkäferbrut unter der Rinde fressen. (Bilder: Beat Wermelinger)
frisst in den Käfergängen die eingebohrten Borkenkäfer, während seine Larven ins Brutsystem eindringen und dort während ihrer Entwicklung 30–50 Larven, Puppen oder Jungkäfer fressen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Käferarten, die sich von Borkenkäfern ernähren. Sehr häufig sind die Rindenglanzkäfer der Gattung Rhizophagus, rund 4 mm grosse, unscheinbar braun gefärbte Käfer. Sie ernähren sich von Eiern oder Larven von Borkenkäfern und anderen Insekten unter der Rinde. Auch einige Kurzflüglerarten wie Nudobius lentus sind häufige Borkenkäferräuber. Unter den Fliegen gibt es über 30 Arten, deren Larven sich räuberisch von Borkenkäferbrut ernähren. In erster Linie sind es Langbeinfliegen der Gattung Medetera. Sie gehören zu den ersten Antagonisten, die bei einem frisch befallenen Käferbaum eintreffen. Die unscheinbaren Fliegen paaren sich auf der Rindenoberfläche und jedes Weibchen legt anschliessend bis zu 120 Eier in Rindenritzen und unter Rindenschuppen in der Nähe der Einbohrlöcher der Borkenkäfer, vorzugsweise an stehenden Bäumen. Die Larven verzehren während ihrer Entwicklung je nach Grösse der Beuteart 5 bis 20 Larven (Abb. 2). Die ökologische Bedeutung der Langbeinfliegen wird sehr hoch eingestuft. Sie sind sowohl in Laub- als auch Nadelwäldern oftmals die häufigsten Gegenspieler und können bis zu 90 % der Borkenkäferlarven abtöten. Weniger auffällig sind die zu den Spinnentieren gehörenden Raubmilben. Die Mehrzahl der in den Käferbrutbildern lebenden Milben ernährt sich allerdings von Pilzen oder Nematoden. Einige wenige Arten leben aber räuberisch von Borkenkäfern und saugen deren Eier, Larven und Puppen aus. Die Bedeutung von Milben bei der Regulation von Borkenkäfern wird wohl stark unterschätzt. Bei Borkenkäfereiern wurden schon Absterberaten von bis zu 90 % beobachtet.
Abb. 2: Räuberische Fliegenlarve (links) und Borkenkäferlarve in einem Brutbild des Buchdruckers. Parasitische Wespen
Über 150 Schlupfwespenarten (auch Parasitoide genannt) sind als Borkenkäferfeinde bekannt. Die meisten leben ektoparasitisch (nicht im, sondern am Wirt) an Larven oder Puppen von Borkenkäfern und töten während ihrer Entwicklung den Wirt ab. Die Mehrzahl dieser kleinen Wespen stechen für die Parasitierung ihren Ablagestachel durch die Rinde, sie bevorzugen deshalb die dünnere Rinde im oberen Stammbereich. Einige wenige Arten schlüpfen aber auch durch die Einbohrlöcher der Borkenkäfer und parasitieren die Larven von den Muttergängen aus. Die parasitischen Wespenlarven fressen den Körperinhalt ihrer Wirte auf und lassen nur Haut und Kopfkapsel zurück. Ganz wenige Schlupfwespen parasitieren die ausgewachsenen Borkenkäfer auf der Rindenoberfläche, indem sie durch den Käferpanzer hindurch ein Ei ins Innere ablegen. Die Wespenlarve höhlt anschliessend den ganzen Körper aus und verlässt ihn durch ein selbst genagtes Loch am Körperende des Käfers. Parasitische Wespen reagieren bei ihrer Suche nach geeigneten Wirten auf flüchtige Substanzen, die in den Borkenkäfergängen von Pilzen und Mikroorganismen produziert werden. Auf diese Weise treffen die Parasitoiden erst dann am Käferbaum ein, wenn ihre Wirte im richtigen Stadium, also vor allem als ältere Larven oder Puppen vor-
Abb. 3: Die gut erkenntliche Brackwespe Coeloides bostrichorum kommt vor allem in tieferen Lagen vor. Typisch sind auch ihre Puppenkokons in den Puppenwiegen der abgetöteten Borkenkäfer.
handen sind. Mit ihrem Legestachel lokalisieren sie anhand von kleinsten Unterschieden in der Duftstoffkonzentration die darunterliegenden Larven und belegen sie mit einem Ei. Wichtige Schlupfwespen sind die Brackwespen mit rund 60 Borkenkäfer-Gegenspielern. Eine der häufigsten Arten, die 3–5 mm grosse Coeloides bostrichorum, befällt Borkenkäfer auf verschiedenen Nadelhölzern, bevorzugt in tieferen Lagen. Ihr Eiablagestachel ist mit fünf Millimetern einer der längsten aller Borkenkäfer-Parasitoiden. Sie ist leicht an ihrem orange gefärbten Hinterleib und dem orange-schwarzen Kopf zu erkennen, ihre Larven verpuppen sich in typischen Kokons in den Käfer-Puppenwiegen am Ende der Larvengänge (Abb. 3). Eine andere wichtige Familie von Schlupfwespen sind die Pteromaliden (ohne deutschen Namen). Rund 35 Arten davon parasitieren Borkenkäfer, meist im Larvenstadium. Eine der häufigsten Arten (Roptrocerus xylophagorum) parasitiert die Wirtslarven, indem die Wespe durch die Einbohrlöcher der Borkenkäfer schlüpft und von den Muttergängen aus die Larven parasitiert.
Pilze
Borkenkäfer werden auch häufig von pathogenen Pilzen befallen. Die Pilzsporen keimen auf der Körperhülle des Käfers und das Pilzgeflecht wächst durch den Insektenpanzer ins Innere und breitet sich im ganzen Körper aus. Am Ende dringt es wieder nach aussen und überwuchert den ganzen Körper (Abb. 4). Die Infektionsraten können vor allem gegen Ende einer Massenvermehrung bis zu 90 % betragen.
Spechte
Auch Spechte spielen eine gewisse Rolle als Antagonisten von Borkenkäfern. Sie hacken Larven, Puppen und Jungkäfer aus der Baumrinde heraus. Zudem fallen Rindenplatten mit der darunterliegenden Borkenkäferbrut zu Boden, wo die Borkenkäferbrut entweder vertrocknet, von Vögeln aufgepickt oder von räuberischen Insekten und Kleinsäugern gefressen wird. Die unter der von Spechten durchlöcherten Rinde am Baum verbleibende Brut trocknet zudem schneller aus oder stirbt wegen extremen Temperaturwechseln eher ab. In europäischen Fichtenwäldern ist der Dreizehenspecht ein wichtiger natürlicher Feind (Abb. 5). Er löst befallene Rindenstücke vom Stamm und achtet darauf, dass diese nicht hinunterfallen und die Larven verschütten. Dann pickt er die nun freiliegenden Larven heraus. Magenuntersuchungen haben gezeigt, dass ein Dreizehenspecht pro Wintertag über 3000 Käferlarven vertilgt. Ein über
Abb.4: Oft finden sich in den Brutbildern des Buchdruckers vom Pilz Beauveria bassiana befallene Käfer.
längere Zeit anhaltender, grossflächiger Befall kann zu einer Zunahme der Spechtpopulation führen. Entsprechend können Spechte einen erheblichen Einfluss auf die Borkenkäferpopulationen haben, vor allem in hohen Lagen mit nur einer Käfergeneration.
Bedeutung von natürlichen Feinden
Obwohl Spechte die auffälligsten Gegenspieler von Borkenkäfern sind und viele Käfer vertilgen, wird ihnen im Allgemeinen keine entscheidende Rolle bei der Regulation von Borkenkäfer-Massenvermehrungen zugeschrieben. Dazu ist die Vermehrungsrate der Spechte zu gering und kann auch bei üppigem Beuteangebot kaum gesteigert werden. Zudem sind die Brut- und Schlafplätze der Spechte in einem Wald infolge Territorialität begrenzt. Die grösste Bedeutung entfalten Spechte bei tiefer Käferpopulationsdichte, indem sie den Beginn von Borkenkäferausbrüchen verzögern. Die Wirkung räuberischer Insekten und Milben ist bedeutend und wird höher als diejenige von Parasitoiden eingeschätzt. Räuber können sich auch von alternativer Beute ernähren, weshalb immer eine gewisse Grunddichte von räuberischen Insekten vorhanden ist, die im Falle einer Borkenkäfer-Massenvermehrung schnell reagieren können. Die Wirkung von Parasitoiden kann aber lokal ebenfalls extrem hoch sein. Die Gesamtwirkung aller antagonistischen Organismen hängt von zahlreichen Faktoren ab: Witterung, Zeitpunkt innerhalb einer Massenvermehrung, Wechselwirkungen innerhalb von Antagonisten (Spechte und räuberische Insekten fressen auch andere räuberische oder parasitische Arten), Jahreszeit, lokale Besonderheiten und nicht zuletzt die Bekämpfungsmassnahmen des Menschen. Der wichtigste Effekt natürlicher Feinde ist, dass sie in «normalen» Phasen verhindern, dass die Borkenkäferpopulationen eine Grösse erreichen können, die es ihnen erlaubt, auch vitale Bäume zu befallen. Erst ein Sturm oder eine grossflächige Schwächung von Bäumen führen dazu, dass sich die Borkenkäfer so stark vermehren können, dass genügend Käfer dem Tod durch natürliche Feinde entgehen, um vitale Fichten besiedeln zu können.
Abb. 5: Der Dreizehenspecht (hier ein Männchen) ernährt sich zu einem grossen Teil von Borkenkäfern.
Dieser Artikel ist eine Kurzfassung des WSL-Merkblatts für die Praxis Nr. 67, das unter www.wsl.ch/merkblatt heruntergeladen oder bestellt werden kann. Im Merkblatt sind auch die wichtigsten Antagonisten als Larven und Adulttiere abgebildet.