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Bedeutung des Buchdruckers in Graubünden
Der Buchdrucker spielt in Graubünden aufgrund des hohen Fichten-Anteils seit jeher eine grosse Rolle. Die absolute Menge an Käferholz ist in den meisten Jahren vergleichsweise niedrig, es gibt jedoch viele direkte und indirekte Folgen, welche auch die Holznutzung im Allgemeinen beeinflussen.
Dr. Marco Vanoni
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Der Wald im Gebirgskanton Graubünden besteht mehrheitlich aus Nadelholz, davon macht die Fichte eine überwiegende Menge aus. Fast zwei Drittel des gesamten Holzvorrats besteht aus Fichtenholz. An vielen Standorten im Kanton ist die Fichte somit nicht unerwartet die dominante Baumart im Bestand. Insbesondere in der subalpinen Stufe ist sie oft auch fast die einzige Baumart, die dort bestandesbildend natürlicherweise vorkommt. Wenn der «Borkenkäfer» thematisiert wird, ist damit so gut wie immer der Buchdrucker (Ips typographus) gemeint, welcher fast ausschliesslich die Fichte befällt. Von Vorkommen dieses Buchdruckers ist also auf einem Grossteil der Waldfläche auszugehen. Aufgrund seiner Fähigkeit zu grossen und raschen Massenvermehrungen nimmt er eine bedeutende Rolle bei der Bewirtschaftung der Wälder in Graubünden ein. Durch eine laufende Überwachung der gesamten Waldfläche auf Schäden oder mögliches Brutmaterial versuchen die Forstbetriebe, solchen
Abb.1: Zwangsnutzungen in Graubünden aufgeteilt nach Hauptursache.
(Diagramm: AWN)
Abb.2: Käferholz-Mengen in Graubünden aufgeteilt nach Waldregionen. (Diagramm: AWN, Borkenkäferumfrage WSL)
Massenvermehrungen vorzubeugen und damit unkontrollierte Bestandeszusammenbrüche weitestgehend zu vermeiden. Die anteilmässig häufigsten Ursachen für geschädigte oder geschwächte Fichten mit potenziellen Folgeschäden durch den Buchdrucker sind Stürme, Nassschnee-Fälle, anhaltende Trockenheitsperioden sowie weitere Naturereignisse.
Die Gesamtmenge der Zwangsnutzungen
Wird die gesamte Menge der in Graubünden anfallenden Zwangsnutzungen betrachtet, sticht das Jahr 1990 ins Auge, in welchem Orkan Vivian in weiten Teilen von Nordbünden beträchtliche Schäden angerichtet hat (Abb. 1). Weitere markante Jahre mit hohen Schaden-Mengen sind die Jahre 1999 («Lawinenwinter»), 2009 (ergiebige Nassschneefälle) sowie ein erneuter deutlicher Anstieg an Zwangsnutzungen aufgrund der Stürme Burglind und Vaia in den Jahren 2018 und 2019. Gemessen an der Gesamtmenge der Zwangsnutzungen der vergangenen 35 Jahre von rund 3 650 000 m³ beträgt der Anteil an «reinem» Käferholz (767 000 m³) rund 21 %. Der jährliche Anteil von Käferholz an der Gesamtmenge ist aber starken Schwankungen unterworfen und kann beispielsweise innerhalb von nur gerade drei Jahren (2015 und 2017) deutlich auseinanderliegen (7 % und 78 %). Würde man die Zwangsnutzungen hinzurechnen, welche in erster Linie aufgrund Käferprävention getätigt werden, würde der Anteil deutlich ansteigen und dürfte in manchen Jahren die Gesamtmenge der Zwangsnutzungen ausmachen. Denn ein Grossteil der als Zwangsnutzungen geräumten Holzmenge nach Naturereignissen wird hauptsächlich aus dem Bestand genutzt (oder vor Ort entrindet), um eine Massenvermehrung des Borkenkäfers mit weiterem Folgebefall zu vermeiden oder mindestens zu reduzieren.
Die Käferholz-Mengen im Rückblick
Die Menge an angefallenem Käferholz in Graubünden wird seit den 1980er-Jahren bei den Re-
Nach Borkenkäferbefall abgestorbene Fichten, Val Sumvitg, aufgenommen am 17. Mai 2020.
(Bild: AWN)
vierförstern jährlich durch die WSL individuell erhoben und kann von Jahr zu Jahr sehr stark variieren (Abb. 2). Die Gesamtmenge an Fichten-Käferholz in Graubünden beträgt in den letzten 35 Jahren total 767 000 m³, was im jährlichen Mittel etwa 22 000 m³ entspricht. Deutlich an der Spitze liegt dabei das Jahr 1993, in welchem der Grossteil des Käferholzes in der Waldregion Surselva angefallen ist. Dies ist eindeutig eine zeitlich verzögerte Folge des Orkans Vivian von 1990. Im betreffenden Jahr und den Folgejahren wurde zwar ein grosser Wert auf eine rasche Räumung gelegt, es konnte aber bei Weitem nicht alles potenzielle Brutmaterial rechtzeitig entfernt werden. Bis ins Jahr 2018 lag die AWN-Region Surselva, welche einen überdurchschnittlich hohen Fichten-Anteil aufweist, meistens bei der Käferholzmenge an der Spitze. Auch die Region Mittelbünden-Moesano lag zwischenzeitlich vorne. Erst die Folgen von Sturm Burglind haben dafür gesorgt, dass sich die davon am stärksten betroffene AWN-Region Herrschaft/Prättigau/Davos an die Spitze geschoben hat. In den letzten sechs Jahren lag nun der Wert immer leicht über dem langjährigen Mittel zwischen 20 000 und 40 000 m³. Ein eindeutiger Trend einer Zu- oder Abnahme der Käferholzmenge ist aber über die letzten 35 Jahre nicht festzustellen. Immer wieder treten einzelne Jahre etwas stärker hervor, wobei eine Abnahme der Käferholzmenge oft in der gleichen Geschwindigkeit erfolgt wie die Zunahme.
Bedeutung für den Forstbetrieb
In Graubünden haben die Waldeigentümer nach gesetzlicher Verpflichtung bei den Kosten der Waldschäden sowie in der Schutzwaldpflege die
Restkosten von mindestens 20 % selber zu tragen. Nach grösseren Ereignissen wie etwa nach Sturm Vaia 2018 können diese Kosten schnell einmal mehrere 100 000 Franken. betragen. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für viele kleinere, aber auch grössere Waldeigentümer. Für die Verhütung und Behebung von Waldschäden wurden von 2001 bis 2020 Beiträge im langjährigen Durchschnitt von jährlich 5,4 Millionen Franken entrichtet. Die Beiträge für die Schutzwaldpflege in Graubünden betragen im gleichen Zeitraum rund 11,5 Millionen Franken. Von der Gesamtsumme an Beiträgen entfallen also knapp 30 % auf Waldschäden. Seit der NFA-Periode 2012–2015 gilt im Schutzwald ein Beitragssatz von 80 %, vorher lag er projektgebunden teilweise niedriger. Bei den Waldschäden liegt der Beitragssatz ebenfalls bei 80 %, war jedoch ebenfalls zeitweise tiefer oder auch höher. Was bedeutet es aber für einen Betrieb sonst noch, wenn er ständig Käfernestern nachgehen muss? Es gibt Jahre, in denen einzelne Reviere praktisch alle Ressourcen in die Behebung oder Verhinderung von Schäden einsetzen müssen. Geplante Eingriffe müssen zurückgestellt werden, und die Verzögerung kann sich über mehrere Jahre sogar weiter aufbauen oder verstärken. Auch wenn der vereinbarte Hiebsatz durch Schäden bereits teilweise oder vollständig erreicht wird, müssen geplante Eingriffe aus Gründen der Nachhaltigkeit zurückgestellt werden. Damit wird der waldbauliche Spielraum eingeschränkt, und in der Betriebsplanung festgelegte Prioritäten können nicht mehr überall eingehalten werden. Die mittlere genutzte Holzmenge in Graubünden liegt in den letzten rund 15 Jahren zwischen 300 000 und 400 000 m³. In den Jahren davor lag die Nutzungsmenge teilweise deutlich darunter, auch etwa nach den schweizweit betrachtet immensen Schäden nach Orkan Lothar 1999. Von dieser gesamten Nutzungsmenge stammen im Mittel etwas mehr als zwei Drittel aus geplanten waldbaulichen Eingriffen, ein beträchtlicher Anteil fällt langfristig betrachtet also «ungeplant» an. Relativiert wird dieser Anteil in bestimmten Jahren, in denen er auch deutlich unter 10 % fällt oder lokal auch einmal komplett ausbleibt. Nach Stürmen oder Käferschäden kann ein Preiszusammenbruch zusätzlich dafür sorgen, dass auch die geplanten Nutzungen reduziert werden, etwa um nicht zusätzlich einen weiteren Preiszerfall anzuheizen oder genutztes Holz gar nicht mehr absetzen zu können.
Ausblick
Während in den letzten Jahren die Käferholzmenge auf hohem Niveau schwankte, ist die weitere Entwicklung nicht ganz klar. Aufgrund der wärmeren Temperaturen und vermehrt zu erwartenden Trockenperioden ist aber eindeutig mit einem grösseren Anfall an nicht geplanten Nutzungen zu rechnen. Die heute im Kanton Graubünden verfolgte Strategie, welche den Entscheid über eine Räumung oder Nicht-Räumung von verschiedenen Faktoren abhängig macht, wird im Zusammenhang mit dem Klimawandel deshalb in den nächsten Jahren überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssen.