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Ausbreitung in der Schweiz
Der invasive Nordische Fichtenborkenkäfer (Ips duplicatus) und seine Ausbreitung in der Schweiz
Der Nordische Fichtenborkenkäfer (Ips duplicatus) ist eine invasive Borkenkäferart, die 2019 den Weg in die Schweiz gefunden hat und sich hier nun weiter ausbreitet. Wie dies erfolgt, ist Gegenstand eines Monitorings von Waldschutz Schweiz (WSL) zusammen mit neun Kantonen.
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Dr. Doris Hölling
Ursprünglich ist diese boreale (nördliche), bei uns invasive Borkenkäferart in den Fichtenwäldern Nordeuropas und Asiens (Fennoskandinavien, Sibirien, Ostasien) zu Hause und gilt dort als selten und wenig bedeutender sekundärer Schädling. Im Zuge des Fichtenanbaus über ihr natürliches Verbreitungsgebiet hinaus, breitet sich dieser Käfer seit einigen Jahrzehnten nach Süden und Westen aus und wird neben Fichten auch an Föhren oder Lärchen in Ost-, Südost- und Zentraleuropa beobachtet. Neben der natürlichen Ausbreitung ist offenbar auch der Transport von berindetem Fichtenholz für die Ausbreitung dieser rindenbrütenden Borkenkäferart verantwortlich. Dies lassen Hinweise aus Baden-Württemberg vermuten, wo die Art mehrfach in der Nähe von Sägewerken gefunden wurde, die berindete Hölzer aus Tschechien verarbeiteten. Auch aus Österreich sind ähnliche Beobachtungen dokumentiert. Neben Holz, Holzerzeugnissen mit Rinde und Rinde gilt auch Verpackungsmaterial wie Paletten als Überträger.
Zum Verwechseln ähnlich
Der Nordische Fichtenborkenkäfer lässt sich auf den ersten Blick nur schwer vom weitverbreiteten Buchdrucker (Ips typographus) unterscheiden, weil sich beide Arten relativ ähnlich sehen. Meistens ist der Nordische Fichtenborkenkäfer etwas kleiner (2,8–4,5 mm) als der Buchdrucker (4,2–5,5 mm). Beide Arten sind dunkelbraun und tragen jeweils vier Absturzzähne am Ende der Flügeldecken. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten ist eine eindeutige Bestimmung nur mittels mikroskopischer Untersuchung möglich. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal sind die Ausformungen und Anordnung der Absturzzähne. Beim Nordischen Fichtenborkenkäfer sind der 2. und 3. Zahn an der Basis verschmolzen (s. Pfeil in Abb. 1).
Abb.1: Beim Nordischen Fichtenborkenkäfer sind an den Flügeldecken der 2. und 3. Zahn an der Basis verschmolzen (s. Pfeil). (Bild: Doris Hölling/WSL)
Abb.2: Brutbild des Nordischen Fichtenborkenkäfers.
(Bild: Stanislaw Kinelski, Bugwood.org)
Auch die Brutbilder beider Arten ähneln sich. Wer die Ausfluglöcher des Buchdruckers gut kennt, bemerkt bei einem Befall durch den Nordischen Fichtenborkenkäfer, dass dessen Ausfluglöcher zumeist deutlich kleiner sind. Die Käfer befallen bevorzugt verstreut stehende Einzelbäume in Beständen, insbesondere wenn diese durch Trockenheit, Krankheitserreger oder andere Borkenkäfer bereits geschwächt sind, ganz selten auch gefällte oder geschnittene Stämme. Laut der Europäischen und mediterranen Pflanzenschutzorganisation (EPPO) wird der Nordische Fichtenborkenkäfer häufig in jüngeren, dünnrindigen Bäumen oder Stammteilen angetroffen, während der Buchdrucker eher ältere, dickrindige Bäume oder Stammteile bevorzugt. Beide Arten kommen auch oft gemeinsam im selben Wirtsbaum vor, der Buchdrucker in den unteren Stammpartien, während der Nordische Fichtenborkenkäfer eher im mittleren und oberen Stamm- sowie im Kronenbereich zu finden ist. Im oberen Kronenbereich kann darüber hinaus der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) und im dünnen Astholz der Furchenflügelige Fichtenborkenkäfer (Pityophthorus pityographus) angetroffen werden. Auch in der Entwicklung gleichen sich der Nordische Fichtenborkenkäfer und der Buchdrucker stark. Der Schwärmflug im Frühjahr beginnt etwa gleichzeitig mit dem des Buchdruckers, manchmal auch einige Tage früher, und die Käfer durchlaufen in Abhängigkeit von den jeweiligen Witterungsbedingungen – insbesondere der Temperatur – zwei (Mitteleuropa) oder sogar drei Generationen (südl. Verbreitungsgebiete) pro Jahr. Der Vermehrungserfolg der Art ist somit grösser als in ihrem ursprünglichen nördlichen Verbreitungsgebiet. In tieferen Lagen gibt es hierzulande normalerweise zwei Generationen. Die Käfer verlassen im Herbst den Wirtsbaum und überwintern dann in der Bodenstreu.
Abb.3: Ausfluglöcher des Nordischen Fichtenborkenkäfers mit einem Durchmesser von 1–1,2 mm. Optisch sind diese durch ihre etwas geringere Grösse von denen des Buch-
druckers zu unterscheiden. (Bild: Beat Wermelinger/WSL)
Abb. 4: Karte mit den jeweiligen Monitoring-Fallenstandorten in den beteiligten Kantonen und den Ips-duplicatus-Fängen von 2019–2021. Alle bisherigen Fundorte des Nordischen Fichtenborkenkäfers in der Schweiz und Liechtenstein liegen in Höhen zwischen 425 und 830 m ü.M. (Karte: Waldschutz Schweiz)
Aufgrund der grossen Verwechslungsgefahr der beiden Borkenkäferarten kann es sein, dass eine Bestimmung in der Vergangenheit nicht immer eindeutig war. Aber letztlich spielt es bei einem Befall geschwächter Fichten vielleicht keine Rolle, von welcher Borkenkäferart sie besiedelt und abgetötet werden.
Forstwirtschaftliche Bedeutung
Der Nordische Fichtenborkenkäfer befällt zwar lebende Bäume, hat aber in den Nachbarländern bisher noch eine geringere forstwirtschaftliche Bedeutung als der Buchdrucker. Der Nordische Fichtenborkenkäfer gilt momentan (laut EPPO) als weniger aggressiv als der weitverbreitete, einheimische Buchdrucker, er kann aber durchaus auch eine wirtschaftliche Bedeutung erlangen, wie eine im Jahr 2000 durchgeführte europaweite Umfrage zur wirtschaftlichen Bedeutung von Forstschadinsekten gezeigt hat. Dabei bezeichneten Forstentomologen aus Polen und der Slowakei die Art inzwischen als durchaus wirtschaftlich relevant. Auch in Tschechien wurden Massenvermehrungen dieser Borkenkäferart in Zusammenhang mit den extremen klimatischen Bedingungen verzeichnet.
Situation in der Schweiz
Seit 2019 ist diese invasive Borkenkäferart auch in der Schweiz zu finden. Damals konnte sie an drei
Fundorten im St. Galler Rheintal und an zwei Fallenstandorten in Liechtenstein nachgewiesen werden. Es ist möglich, dass die Art bereits vor mehreren Jahren aus den Nachbarländern eingewandert und bis 2019 unentdeckt geblieben war. 2020 startete Waldschutz Schweiz zusammen mit einigen Kantonen ein ausgeweitetes Monitoring, um festzustellen, wie sich die neue Borkenkäferart in der Schweiz weiter ausbreitet. Ausgehend von den ersten Fundorten liegen die 18 Monitoringstandorte in acht (2020) bzw. neun Kantonen (2021). Wichtig war, dass jeweils genügend leicht besonnte Fichten entlang von Transitwegen, an Waldrändern oder Lichtungen vorhanden waren und eventuell auch Buchdruckerbefall aufwiesen. Die mit einem speziell für den Nordischen Fichtenborkenkäfer entwickelten Lockstoff bestückten Borkenkäferfallen waren zwischen Anfang April und Ende Juli aufgestellt. Die jeweiligen kantonalen Waldschutzbeauftragten, Forstämter bzw. Forstreviere übernahmen die regelmässigen Leerungen. Die morphologische Bestimmung der gefangenen Käfer erfolgte anschliessend im Labor von Waldschutz Schweiz an der WSL und wurde durch genetische Analysen (Barcoding-Technik) bestätigt. Im Monitoring 2020 konnte der Nordische Fichtenborkenkäfer im Kanton St. Gallen an zwei weiteren Standorten in geringer Zahl nachgewiesen werden: Rorschacherberg (2 Ex.) und St. Gallen (1 Ex.). Für die Überwachung 2021 wurden diese beiden Standorte aus dem Monitoring genommen und stattdessen ein neuer Standort im Kanton St. Gallen und ein weiterer im Kanton Thurgau ausgewählt. Die Auswertungen ergaben, dass die Borkenkäferart wiederum an einem Fallenstandort im Kanton St. Gallen in Gams mit einem Individuum nachgewiesen werden konnte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Art sich zwar ausbreitet, aber offenbar sehr langsam und bisher nicht in grosser Anzahl. So wie es nach den Fallenfängen 2020 und 2021 ausschaut, dehnt sich der Nordische Fichtenborkenkäfer in der Schweiz ausgehend von den Funden 2019 geringfügig nach Norden und Westen aus (s. Abb. 4). An den südlich gelegenen Fallenstandorten, fünf davon in Graubünden, konnten in beiden Monitoringjahren keine Käfer festgestellt werden. Auch die Fallenstandorte weiter im Westen blieben bis jetzt jeweils ohne Nachweis. Waldschutz Schweiz führt dieses Monitoring mit leicht angepassten Standorten 2022 fort.
Gegenmassnahmen
Zur Vorbeugung und Bekämpfung sind für den Nordischen Fichtenborkenkäfer dieselben Massnahmen sinnvoll, wie sie auch gegen andere Borkenkäferarten ergriffen werden: Entfernen des bruttauglichen Materials, Zwangsnutzung und schneller Abtransport der befallenen Stämme sowie die Entrindung befallener Stämme. Insgesamt ist die Bekämpfung schwieriger als die des Buchdruckers, weil die wirkungsvolle Fällung im Winter, wie beim Buchdrucker, hier nicht wirkt, da die 2. Generation des Nordischen Fichtenborkenkäfers die Brutbäume im Herbst verlässt und in der Bodenstreu überwintert. Zudem ist ein Befall im Kronenbereich rechtzeitig zu entdecken schwieriger. Oft stirbt die Krone erst ab, wenn die Käfer den Baum bereits verlassen haben. Ausserdem sollte eine Einschleppung mit berindetem Fichtenholz aus anderen Befallsgebieten wie Deutschland, Österreich oder Tschechien vermieden werden.
Dr. Doris Hölling ist Entomologin bei Waldschutz Schweiz an der WSL mit speziellem Fokus auf invasive Arten.
Literatur
Hölling, D, Queloz, V (2021) Eine neue Borkenkäferart erobert die Schweiz. Waldschutz aktuell 2/21, 3 S. https://tinyurl.com/y72xbsty Hölling, D. (2021): Ips duplicatus – eine neue Borkenkäferart für die Schweiz. www.Waldwissen.net https://tinyurl.com/yaqjtg82 (laufende Aktualisierung)