7 minute read

Laubholzborkenkäfer als Überträger und Profiteure von Pilzkrankheiten

Das Eschentriebsterben und die Ulmenwelke sind Beispiele für die verheerenden Folgen der Einschleppung gebietsfremder Krankheitserreger. Bei beiden Pilzkrankheiten profitieren rindenbrütende Laubholzborkenkäfer von der Schwächung der Wirtsbäume. Da die Käfer normalerweise nur vorgeschwächte Bäume besiedeln können, führt die flächige Verbreitung der beiden Krankheiten zu einem erhöhten Brutraumangebot. Dieses kann sich positiv auf die Entwicklung der Populationsgrösse auswirken und in der Folge den Befallsdruck der Käfer auf die verbleibenden Baumbestände weiter erhöhen. Bei der Ulmenwelke übernehmen die Ulmensplintkäfer zudem die Übertragung des Pilzes, indem die Jungkäfer bei ihrem Reifungsfrass gesunde Ulmen mit den Sporen des Erregers infizieren.

Dr. Simon Blaser

Advertisement

Eschenbastkäfer und Eschentriebsterben

Verursacht durch den aus Ostasien eingeschleppten Pilz Hymenoscyphus fraxineus, hat sich das Eschentriebsterben seit den 1990er-Jahren in Europa epidemisch ausgebreitet und einen Grossteil der Eschen geschwächt oder zum Absterben gebracht. In der Schweiz wurde die Baumkrankheit zum ersten Mal 2008 im Grossraum Basel festgestellt, sie erreichte 2013 das Bündner Rheintal und ab 2014 auch die restlichen Regionen des Kantons Graubünden. Der Erreger gilt in seinem Ursprungsgebiet als harmloser Blattpilz auf den dort heimischen Eschenarten. In Europa zählen die Gemeine und die Schmalblättrige Esche zu den Hauptwirtspflanzen, die beide durch diesen Pilz schwer erkranken. Die Verbreitung erfolgt im Sommer über Sporen der becherförmigen Pilzfruchtkörper, welche sich am Boden auf Blattspindeln infizierter Eschenblätter des Vorjahres entwickeln. Mit dem Wind können die Sporen Distanzen von bis zu 75 km überwinden und gesunde Eschenblätter befallen. Von den Blattspindeln ausgehend dringt der Pilz in die Triebe ein und zerstört dabei das Wachstums- und Transportgewebe. Als Folge sterben die Triebe oberhalb der Befallsstelle ab. Über die Triebinfektionen kann der Pilz grössere Äste oder bei jungen Bäumen auch den Stamm befallen. Neben der Infektion über die Blätter dringen die Pilzsporen teilweise auch direkt an der Stammbasis in die Rinde ein. Bei jungen Bäumen schreitet der Krankheitsverlauf rasch voran, da die Zerstörung des Wachstums- und Transportgewebes sehr schnell den Stamm umfasst und so die Eschen in wenigen Jahren zum Absterben bringt. Bei Alteschen ist der Krankheitsverlauf insgesamt langsamer aufgrund der grösseren Durchmesser von Stamm und Trieben. Zu den

Abb.1: Durch das Eschentriebsterben verursachte Kronenverlichtung. (Bild: V. Queloz, WSL)

Abb. 2: Adulter Kleiner Bunter Eschenbastkäfer.

(Bild: B. Wermelinger, WSL)

Hauptsymptomen des Eschentriebsterbens zählen Blattflecken, welkende Blätter an Haupt- und Seitentrieben, eingesunkene und verfärbte Rindennekrosen und Kronenverlichtungen (Abb. 1). Bis heute ist keine praxistaugliche Bekämpfung des Eschentriebsterbens bekannt. Allerdings gibt es auch in der Schweiz vereinzelt Eschen, welche keine oder nur sehr schwache Symptome zeigen und so die Grundlage für Konservations- und Züchtungsprogramme von toleranten Eschen bilden könnten. Durch das verbreitete Eschentriebsterben können die Eschenbastkäfer stark von der eingeschleppten Pilzkrankheit profitieren. In der Schweiz kennt man den Kleinen Bunten Eschenbastkäfer (Hylesinus varius), den Kleinen Schwarzen Eschenbastkäfer (Hylesinus toranio) sowie den Grossen Schwarzen Eschenbastkäfer (Hylesinus crenatus). Als häufigster gilt der Erstgenannte, welcher auch im Kanton Graubünden regelmässig beobachtet werden kann. Der Kleine Bunte Eschenbastkäfer erreicht eine Länge von 2,5 bis 3,5 mm und ist rotbraun bis dunkelbraun beschuppt mit marmorierten Zeichnungen auf den Flügeldecken (Abb. 2). Neben Esche zählen gelegentlich auch Ahorn, Birne, Eiche, Hasel, Hagebuche oder Nussbaum zu den Wirtsbäumen. Der Käfer befällt einerseits geschlagene Stämme und Scheitholz, kann aber auch lebende, vorgeschwächte Bäume angehen. Altbäume werden dabei bevorzugt im Kronenbereich besiedelt, von wo sich der Befall stammabwärts ausbreitet. Jungbäume mit einem Durchmesser von weniger als 3 bis 5 cm werden nicht angegangen. Der Kleine Eschenbastkäfer ist ein Frühschwärmer und fliegt zwischen März und Mai. Pro Jahr wird nur eine Generation angelegt, zusätzlich können noch Geschwisterbruten erzeugt werden, welche die Besiedlungsdichte in den Brutbäumen weiter erhöhen. Die Eiablage der begatteten Weibchen erfolgt in 6 bis 10 cm langen, rechtwinklig zur Stammachse verlaufenden Klammergängen (Abb. 3). Die daraus geschlüpften Larven fressen bis zu 4 cm lange, in Faserrichtung verlaufende Larvengänge, bevor sie sich in Puppenwiegen im Splintholz verpuppen (Abb. 3). Ab Anfang Juli vollziehen die geschlüpften Jungkäfer einen Reifungsfrass in der grünen Rinde von Ästen und Stämmchen jüngerer Bäume, wo sie auch überwintern. Durch die Anlage der Muttergänge sowie dem anschliessenden Larvenfrass werden Kambium und Bastgewebe zerstört. Umfasst das Brutbild den ganzen Stamm- oder Triebumfang noch lebender Bäume, so führt dies zum Absterben der betroffenen Organe. Bei wiederholtem Reifungsfrass der Jungkäfer oder Regenerationsfrass der Altkäfer an denselben Stellen können zudem Rindenwucherungen ausgelöst werden, welche zur Schwächung der

Abb. 3: Brutbild des Kleinen Bunten Eschenbastkäfers.

(Bild: S. Blaser, WSL)

Abb. 4: Rindenwucherungen nach Reifungs- oder Regenerationsfrass des Kleinen Bunten Eschenbastkäfers.

(Bild: Waldschutz Schweiz, WSL)

Bäume beitragen (Abb. 4). Als frühes Befallsmerkmal gilt der Ausstoss von hellem Bohrmehl, später kommen auch Rindenrisse sowie Spechtabschläge dazu. Da der Bunte Eschenbastkäfer grundsätzlich nur geschwächte Bäume befällt, sind normalerweise keine Bekämpfungsmassnahmen nötig. Um den Befallsdruck zu senken, können befallenen Bäume zwischen Mai und Juni vor dem Ausflug der Jungkäfer entfernt und abtransportiert werden. Es wird zudem empfohlen, Eschenbrennholz nicht in der Nähe von Eschenbeständen zu lagern.

Ulmensplintkäfer und Ulmenwelke

Bei der durch die zwei nahe verwandten Schlauchpilzarten Ophiostoma ulmi und Ophiostoma novo ulmi hervorgerufenen Ulmenwelke ist das Ursprungsgebiet nicht abschliessend geklärt. Allerdings deutet die hohe Resistenz vieler asiatischer Ulmen darauf hin, dass die Pilze ursprünglich wahrscheinlich aus Asien stammen. Nach der Einschleppung von O. ulmi kam es in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer ersten Ausbreitungswelle. Mit dem Auftreten von O. novoulmi zu Beginn der 1970er-Jahre hat sich die Ulmenwelke erneut epidemisch in Europa ausgebreitet und richtet seit ca. 1975 auch in der Schweiz grosse Schäden an. Da die betroffenen Bäume normalerweise relativ rasch absterben, sind die meisten Ulmen-Altbäume in der Schweiz bereits verschwunden, davon betroffen sind auch zahlreiche Ulmenbestände im Kanton Graubünden. Die lange als natürliche Barriere für die Ausbreitung der Ulmenwelke geltende Viamala-Schlucht wurde in den letzten Jahren ebenfalls überwunden, die Pilzkrankheit ist heute auch im Schams vorhanden. Betroffen von der Welkekrankheit sind alle drei heimischen Ulmenarten (Berg-, Feld- sowie Flatterulme). An den infizierten Bäumen verursachen die Pilzerreger eine Verstopfung der wasserleitenden Gefässe. Als Folge welken und verfärben sich die Blätter (Abb. 5), die betroffenen Triebe sterben anschliessend ab. Häufig kommt es am Hauptstamm von teilweise abgestorbenen Ulmen zur Bildung von Wasserreisern. Die befallenen Ulmen können bereits innerhalb einer Vegetationsperiode ganz absterben, der Verlauf kann sich aber auch über mehrere Jahre hinziehen. Wie auch beim Eschentriebsterben liegt für die Ulmenwelke keine direkte Bekämpfungsmethode vor. Neben der Weitergabe über Wurzelverwachsungen erfolgt die Übertragung der Ulmenwelke-Erreger durch verschiedene Borkenkäferarten, in der Schweiz vorwiegend durch den Kleinen und Grossen Ulmensplintkäfer (Scolytus multistriatus und

Abb. 5: Durch die Ulmenwelke verursachtes Welken von

infizierten Trieben. (Bild: V. Queloz, WSL)

Abb. 6: Adulter Kleiner Ulmensplintkäfer.

(Bild: Waldentomologie, WSL)

S. scolytus). Für die Ulmensplintkäfer, welche hauptsächlich vorgeschwächte Ulmen befallen, stellen die durch die Ulmenwelke absterbenden Bäume eine ideale Brutstätte dar. Der Kleine Ulmensplintkäfer (Abb. 6) hat eine Grösse von 2 bis 3,8 mm und besiedelt vorwiegend dünnere Stämme sowie Äste, der Grosse Ulmensplintkäfer dagegen misst 3 bis 5 mm und brütet in eher dickrindigen Stämmen. Da es heute fast keine alten, dickrindigen Ulmen mehr gibt, ist der Grosse Ulmensplintkäfer in der Schweiz allerdings selten geworden. Beide Käferarten legen jährlich normalerweise zwei Generationen an, die Hauptflugzeiten liegen zwischen April und Juni sowie Juli und August. Das Brutbild besteht aus einem in Faserrichtung verlaufenden Muttergang und seitlich abgehenden, strahligen Larvengängen mit Puppenwiegen (Abb. 7). Bei dünner Rinde kann das Brutbild den Splint stark schürfen. Da in einem von der Ulmenwelke befallenen Baum sowohl die Larvengänge als auch die Puppenwiegen vom Pilzerreger besiedelt sind, werden die ausschwärmenden Jungkäfer mit klebrigen Sporen beladen. Beim anschliessenden Reifungsfrass an jungen Zweigen oder Blattachseln kann die Pilzkrankheit auf gesunde Ulmen übertragen werden. In seltenen Fällen brüten die Ulmensplintkäfer auch an anderen Wirtsbäumen als der Ulme. Kommt es dabei zur Übertragung von Pilzsporen, so verursacht der Pilz allerdings keine erkennbaren Schäden und stirbt ab. Um den Befallsdruck zu reduzieren und die Übertragung der Ulmenwelke auf weitere Bäume zu verhindern, sollen von Ulmensplintkäfer befallene Stämme oder Äste rechtzeitig vor Ausflug der neuen Generation aus dem Wald entfernt werden.

Abb. 7: Adulter Kleiner Ulmensplintkäfer im Brutbild.

(Bild: Waldschutz Schweiz, WSL)

Dr. Simon Blaser arbeitet als Entomologe an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in der Gruppe Waldschutz Schweiz und beschäftigt sich dabei insbesondere mit Fragestellungen zu Schadinsekten im Wald.

Literatur

Nierhaus-Wunderwald, D.; Engesser, R., 2003: Ulmenwelke. Biologie, Vorbeugung und Gegenmassnahmen. Merkblatt für die Praxis: Vol. 20, 2. überarbeitete Auflage. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL. Rigling, D.; Hilfiker, S.; Schöbel, C.; Meier, F.; Engesser, R.; Scheidegger, C.; Stofer, S.; Senn-Irlet, B.; Queloz, V., 2016: Das Eschentriebsterben. Biologie, Krankheitssymptome und Handlungsempfehlungen. Merkblatt für die Praxis: Vol. 57. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL. Schwenke, W., 1974: Die Forstschädlinge Europas: Käfer. Vol. 2. P. München: P. Parey.

This article is from: