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von Waldbränden

Graubünden rüstet sich gegen das erhöhte Risiko von Waldbränden

Der Kanton Graubünden legt mit dem Projekt «Waldbrandprävention 2030» die Weichen für die künftige Waldbrandbekämpfungsstrategie. Die Gefahr von Wald- und Flurbränden dürfte sich durch den Klimawandel mit höheren Temperaturen und vermehrten Trockenperioden in Zukunft verschärfen. Um sich darauf vorzubereiten, sollen bis 2030 für rund 19 Mio. Franken neue Wasserentnahmestellen insbesondere für wichtige Schutzwälder erstellt werden.

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Andrea Kaltenbrunner

Jedes Jahr gibt es im Kanton Graubünden zwischen zehn und zwanzig Waldbrände. Je nach klimatischen Gegebenheiten und abhängig von der Wetterentwicklung brennt es in den Wäldern Graubündens regional sehr unterschiedlich häufig und in unterschiedlichem Ausmass. Am häufigsten brennt es in den Bündner Südtälern. In der Vergangenheit wurden deshalb vor allem im Misox, Calancatal und Puschlav bereits grosse Investitionen für die Brandvorsorge getätigt. Die Statistik über alle seit 1980 in Graubünden erfassten Waldbrände weist für rund drei Viertel aller Brandausbrüche ein Fehlverhalten des Menschen aus. Insbesondere an schönen Tagen und damit bei regem Freizeitbetrieb in der freien Natur brechen häufig Brände entlang von Strassen, Wegen sowie an Grillplätzen aus. Viele Brände entstehen auch in waldnah gelegenen Siedlungen und greifen in den Wald über. Meist werden Brandausbrüche dank schneller Alarmierung und moderner Löschgeräte im Anfangsstadium gelöscht. Seltene, grosse Ereignisse können insbesondere in Schutzwäldern zu massiven Schäden führen.

Rückblick

Aus den Erkenntnissen von verschiedenen Waldbränden wurde bereits in den 1990er-Jahren ein Waldbrandbekämpfungskonzept mit 18 Stützpunkten (heute 12) aufgebaut. In der Folge wurde bei der Aufarbeitung der grossen Waldbrände Mesolcina/Calancatal und Brusio/Tirano von 1997 ein Mangel in Bezug auf grosse Wassertransporte festgestellt, die damals nur mit dem Einsatz von teuren Helikoptern ausgeführt werden konnten. Deshalb wurde das Stützpunktkonzept mit der Beschaffung von grossen Löschwasserpumpen erweitert. Drei Löschwasserteiche und -becken wurden um die Jahrtausendwende zum Schutz der umfangreichen Vivian-Wiederherstellungsflächen in der Oberen Surselva erstellt. Ab dem Jahr 2001 verfügte die Gemeinde Brusio über drei strategisch günstig gelegene Löschwassereinrichtungen, die sich in der Vergangenheit mehrmals im Einsatz bewährten. Brandausbrüche konnten mittels Helikopter oft im Keim erstickt werden. Bei Brandeskalationen erleichterten diese Becken das Löschen massgeblich. Aufgrund der sehr guten Erfahrungen mit künstlichen Löschwasserbauten arbeitete das Amt für Wald und Naturgefahren im Auftrag der Gemeinden des Misox und Calancatals das Projekt «Löschwasserbecken im Moesano» aus (Kaltenbrunner und Plozza 2016). In den Jahren 2007 bis 2014 sind fünf Wasserentnahmestellen an löschstrategisch optimalen Stellen gebaut worden. Drei davon sind undurchlässige Teiche, welche sich gut in die Landschaft integrieren. Zwei Becken wurden wegen gelände-technischen Einschränkungen aus Be

Abbildung 1: Das Löschwasserbecken oberhalb Soazza war entscheidend für das erfolgreiche Löschen des Waldbrands zum Jahreswechsel 2016/17. (Bild: AWN)

ton erstellt (Abbildung 1). Zwei bereits bestehende Becken sind saniert und verstärkt worden. Zusätzlich wurden drei grosse, mobile Löschwasserbecken angeschafft und an sieben Standorten das Terrain dafür entsprechend vorbereitet. Dank der Umsetzung dieses Projekts konnten in der Folge vor allem Brandausbrüche mit einem optimierten Heli-Einsatz erfolgreicher und effizienter gelöscht werden. Der Waldbrand zum Jahreswechsel 2016/17 hätte ohne das Löschwasserbecken oberhalb Soazza nicht innerhalb von drei Tagen unter Kontrolle gebracht werden können. Trotz des Löscherfolgs wird in der Gemeinde Mesocco mit dem Bau eines zusätzlichen Beckens im Jahr 2020 die Löschwasserbereitschaft im oberen Misox weiter verbessert.

Analyse

Der Waldbrand bei Soazza konnte wegen der im Moesano bereits ausgebauten Löschinfrastruktur sowie den gut ausgebildeten und branderprobten Akteuren nach wenigen Tagen unter Kontrolle gebracht werden. In der Folge stellte sich das Amt für Wald und Naturgefahren die Fragen, ob Graubünden gegen Waldbrände bestmöglich vorbereitet ist und ob diese im Ereignisfall im ganzen Kanton erfolgreich bekämpft werden können. Zusätzlich stellte man sich die Frage: Können im Kanton mehrere gleichzeitig auftretende Waldbrände bekämpft werden? Die Erkenntnisse vieler Waldbrände, die Erfahrungen aus der verbesserten Löschwasser infrastruktur

und die Tatsache, dass Trockenperioden infolge Klimaänderung häufiger werden, bestätigen das Vorgehen von Amt für Wald und Naturgefahren und der Abteilung Feuerwehr der Gebäudeversicherung Graubünden, die bisherige Waldbrandbekämpfungsstrategie kritisch zu durchleuchten. Gerade der extrem trockene Sommer 2018 zeigte eindrücklich, mit welcher Waldbrandgefährdung in Zukunft zu rechnen ist. Mit dem erarbeiteten Konzept «Waldbrandprävention 2030» will sich der Kanton Graubünden mit einem umfassenden Paket von baulichen, organisatorischen und informativen Massnahmen gegen das erhöhte Risiko von Waldbränden rüsten.

66 neue Wasserentnahmestellen

Heute verfügen die Feuerwehren und der Forstdienst über 2163 Wasserentnahmestellen. Die meisten davon sind natürlicher Art, also Seen, Teiche, Flüsse und Bäche. Damit sind rund 50 Prozent der Bündner Waldfläche mit dem Helikopter im optimalen Radius von rund zwei Kilometern (Drei-Minuten-Regel) von einem Gewässer aus erreichbar. Im Rahmen des Waldbrandpräventionskonzepts wurde festgelegt, dass in Graubünden ein lückenloses Netz an Wasserentnahmestellen für Helikoptereinsätze aufgebaut werden soll, welches im Brandfall gewährleistet, Waldflächen mit hoher Priorität innerhalb der Drei-Minuten-Regel mit Löschwasser zu versorgen (Kaltenbrunner 2009). Auf Basis der flächendeckend vorhandenen Wasserentnahmestellenkarten wurden die Lücken des Löschwassernetzes ermittelt. Mit dem regionalen Forstdienst wurden in der Folge die Prioritäten festgelegt. Für ein umfassendes Löschwassernetz wurde das Augenmerk auf die Schutzwälder, welche Siedlungen und Verkehrswege schützen sowie die durch den Wald verlaufenden Hochspannungsfreileitungen und Bergbahnen gelegt. Der Unterbruch einer Hochspannungsfreileitung infolge eines Wald

Abbildung 2: Ganzjährige Wasserverfügbarkeit für rasche und effiziente Löscheinsätze für Helikopter und Bodentruppen am Beispiel des gut erschlossenen Löschwasserteichs in der Gemeinde San Vittore. (Bild: AWN)

Abbildung 3: Mobile Wasserentnahmestelle mit Motorpumpe für den Einsatz der Bodentruppen.

(Bild: AWN)

brands ist volkswirtschaftlich kaum zu beziffern. Ebenfalls bedeutet der Ausfall touristischer Anlagen ein grosser Schaden für die ganze Tourismuskette einer Region. Die berücksichtigten Schutzwälder A und B umfassen 80000ha Waldfläche. Für den Schutz von Freileitungen und Bahnen werden weitere 14 000ha Waldfläche als prioritär eingestuft. Für diese für die Waldbrandprävention priorisierten Waldflächen soll es in Zukunft keine Lücken in der Wasserverfügbarkeit für die Brandbekämpfung mehr geben. Bis ins Jahr 2030 sollen daher für rund 19 Millionen Franken 66 neue Löschwasserbecken oder -teiche erstellt sowie 8 bestehende Wasserentnahmestellen ausgebaut werden. Die genaue Standortbestimmung und die Ausgestaltung jeder Wasserentnahmestelle erfolgen im Rahmen der Detailprojektierung und unterliegen dem ordentlichen Bewilligungsverfahren. Bei der Erstellung der Wasserentnahmestellen wird grosser Wert auf eine möglichst naturnahe und landschaftsverträgliche Umsetzung gelegt. Wenn es das Terrain erlaubt, werden Löschwasserteiche gebaut, eine günstigere wie auch ökologischere Lösung. Alle künstlich angelegten Wasserentnahmestellen müssen einen schnellen Löscheinsatz mit Helikoptern sicherstellen. Sie bieten aber auch eine unverzichtbare Hilfe bei der terrestrischen Brandbekämpfung als Unterstützung aus der Luft. Aus den Erkenntnissen des Projekts «Löschwasserbe

cken Moesano» (Kaltenbrunner und Plozza 2016) sind Baustandards für neue Löschwasserbecken und -teiche festgelegt worden. So sind diese im Hinblick auf einen Grossbrand immer auf die Wasserentnahme mit Grosshelikoptern beziehungsweise auf eine Brandeskalation auszurichten. Die Mindestausmasse für ein neues Löschwasserbecken (Abbildung 1) betragen 10 Meter Länge sowie je 5 Meter Breite und Tiefe. Der Mindestdurchmesser für einen Löschwasserteich (Abbildung 2) beträgt 16 Meter bei einer anzustrebenden Tiefe von 3,50 Meter. In beiden Fällen beträgt die Wasserverfügbarkeit für einen Ersteinsatz mindestens 150 m 3 Wasser. Für lange dauernde Löscheinsätze soll ein Wassernachschub von 200 l/min gewährleistet sein. Eine Pendenz, die noch gelöst werden muss, ist die Betriebssicherheit im Winter für höher gelegene Wasserentnahmestellen.

Organisation der Einsätze optimieren

Schon seit über dreissig Jahren werden für die Waldbrandbekämpfung geeignete Einsatzmaterialien beschafft (Abbildung 3). Es handelt sich dabei um mobile Wasserbecken mit Fassungsvermögen von 3000 bis 10 000 Liter, Hochdrucklöschanlagen, Motorpumpen, Schlauchmaterial, Rückenspritzen, Wassertransportsäcke, Motorsägen, Feuerpatschen, Spezialbekleidung und weitere Werkzeuge. Das Material ist in Containern gelagert und kann per Helikopter oder Fahrzeug an den Einsatzort transportiert werden. Die vorhandenen Mittel sind für Grossbrände knapp bemessen, insbesondere wenn es gleichzeitig an mehreren Orten brennt. So hat es im Brandfall zum Jahreswechsel 2016/17 in Mesocco/Soazza gleichzeitig auch in Braggio und Rossa gebrannt. Deshalb wird das Einsatzmaterial an den zwölf Einsatzstützpunkten in den nächsten vier Jahren ein weiteres Mal nach 2010 bis 2013 modernisiert und aufgestockt. Die vier in die Jahre gekommenen, grossen Löschwasserpumpen werden ersetzt, die Anzahl der mobilen Wasserbecken verdoppelt und mit 14 000-Liter-Becken ergänzt. Jeder Stützpunkt soll neu auf zwei Hochdrucklöschanlagen zurückgreifen können. Neu werden spezielle Schlauchverleger angeschafft. Die Gesamtinvestitionen für die Materialbeschaffung betragen rund eine Million Franken. Ein wichtiges Element einer erfolgreichen Waldbrandbekämpfung ist die Ausbildung der Einsatzkräfte. Schon in den Jahren 2013 und 2014 hat die Abteilung «Feuerwehr» der Gebäudeversicherung auf Anregung des Amts für Wald und Naturgefahren die Waldbrandbekämpfung in den Fokus ihrer Ausbildung gestellt. Im Brandfall ist es entscheidend, dass die Zusammenarbeit der Partner reibungslos funktioniert. In Zukunft werden zwischen Feuerwehr und Forstdienst regelmässig weitere Ausbildungstage durchgeführt. Damit ist gewährleistet, dass die Forst- und Feuerwehrleute den Ereignisfall Waldbrand kompetent und effizient bewältigen können. So bleiben auch alle Akteure des Forstdienstes mit der Thematik Waldbrand vertraut, kennen die Arbeitsinstrumente, die Wasserentnahmestellen, die Abläufe im Ereignisfall und die jeweiligen Partner der Feuerwehr, der Polizei und des Zivilschutzes. Schon im Oktober 2019 wurden an zwei Samstagen der Stabsarbeitsprozess bei einem Waldbrand unter den Feuerwehroffizieren und Regionalforstingenieuren geschult. Ein weiterer Kurstag ist im 2020 eingeplant.

Information

Rund drei Viertel aller Waldbrände in Graubünden sind von Menschen verursacht. Daher hat die Information über die Waldbrandgefahr und das richtige Verhalten bei Trockenheit einen nachweislich präventiven Charakter. Für die Einschätzung, Erfassung, Publikation und Kommunikation der Waldbrandgefahr besteht für die Verantwortlichen des Amts für Wald und Naturgefahren ein geregeltes Vorgehen. Mit dem Waldbrandbeurteilungs-System INCENDI werden die Waldbrandgefahr und deren Entwicklung permanent über das ganze Kantonsgebiet überwacht, beurteilt und

dokumentiert (Kaltenbrunner 2010). INCENDI ist ein Beurteilungs- und Entscheidungsinstrument, basierend auf täglichen Wetterwerten. Publiziert wird die Waldbrandgefahr auf der eigenen Webseite (www.waldbrandgefahr.gr.ch), ergänzt mit weiteren Publikationen, die auf den richtigen Umgang bei erhöhter Waldbrandgefahr aufmerksam machen. Regionale und klimatische Unterschiede können mit INCENDI gut erfasst und dargestellt werden. Es ersetzt jedoch die Beurteilung der Waldbrandgefahr durch Experten vor Ort nicht. Der regionale und lokale Forstdienst wird in die Entscheidungsfindung für eine Waldbrandwarnung oder ein Feuerverbot mit einbezogen. Unterstützend wurde dafür vor zwei Jahren ein Netz mit Standorten eingerichtet, wo die Trockenheit bei Bedarf im Gelände beurteilt wird. Die ersten Erkenntnisse dieser Ansprache im Gelände sind vielversprechend. Die Auswertung der gewählten Methodik und ein Entscheid, ob das Beobachtungsnetz allenfalls verdichtet werden soll, stehen noch aus. Die Anforderungen der Öffentlichkeit an eine flächendeckende Information bezüglich Waldbrandgefahr nehmen zu. Auch müssen regionalen Besonderheiten vermehrt Beachtung geschenkt werden. Eine einheitlich publizierte Waldbrandgefahrkarte für die Schweiz ist dafür Voraussetzung. Innerhalb der Bundesverwaltung und auf den Informationskanälen privater Anbieter ist dies leider noch nicht gewährleistet.

Ausblick

Das Thema Waldbrand und insbesondere die Waldbrandprävention sind in Zukunft integraler Bestandteil sämtlicher Aufgaben des Amts für Wald und Naturgefahren. So werden neue Erschliessungsvorhaben auch bezüglich Verbesserung der Waldbrandbekämpfung bei deren Priorisierung bewertet. Das Thema Waldbrand wird in den forstlichen Betriebsplänen thematisiert und in der Planung berücksichtigt. In Zukunft sind vielleicht auch mit einem waldbrandpräventiven Totholzmanagement neue Wege zu beschreiten. Wie soll etwa in Zukunft mit Wäldern mit reichlich Totholz und gleichzeitig hoher Branddisposition umgegangen werden? Alle Massnahmen sollen schlussendlich zum Ziel führen, die Anzahl der Waldbrände möglichst tief zu halten. Wenn immer möglich müssen Grossbrände verhindert werden.

Literatur

Kaltenbrunner A, Plozza L (2016) Das schutzwaldprämierte Projekt «Löschwasserbecken Moesano». Bündner Wald 69 (4): 45–48. Kaltenbrunner A, (2009) Schutzbauten gegen Wald brände. Bündner Wald 62 (6): 74–77. Kaltenbrunner A, (2010) Waldbrandprävention im Kanton Graubünden. Schweiz Z Forstw 161: 460–464. doi: 10.3188/szf.2010.0460

Projektbegleitung und Projektverfasser «Schlussbericht Waldbrandprävention 2030»: Romano Costa, Abenis AG (CH), Quaderstrasse 7, 7000 Chur

Andrea Kaltenbrunner ist zuständig für Waldaufsicht und Waldbrand beim Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden.

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