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Silser Wasserzeichen-Konzerte
from Tourismus im Wald
Musikerlebnisse, die nachklingen: Inmitten des Lärchen- und Arvenwalds auf der Halbinsel Chastè in einer lauschigen Bucht, umgeben vom verspielten Wasser des Silsersees und der atemberaubenden Kulisse der Oberengadiner Berglandschaft, finden alljährlich drei Silser Wasserzeichen-Konzerte statt. Die Symbiose von Wald, Wasser und erstklassigen Klängen verleihen dieser harmonischen Veranstaltung ein einzigartiges Ambiente.
Colin Thalmann
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Wo Friedrich Nietzsche einst eine Hütte bauen wollte, auf der Halbinsel Chastè, kann man jedes Jahr im Juli ganz besondere Klänge hören. Die Wasserzeichen-Konzerte sind seit 23 Jahren fixer Bestandteil des Silser Kultursommers. Ein Wasserfloss namens Catherina und ein Holzdeck am Ufer, das 120 Konzertbesuchern Platz bietet, bilden den speziellen Konzertplatz. Die Bühne bietet aber
Die Konzertbühne auf der Halbinsel Chastè.
(Bild: Sils Tourismus, Fotograf Gian Giavonoli) auch anderen als nur den Konzertbesuchern Vorzüge. Gerne wird sie von Badebegeisterten als Sonnendeck, von Kindern als Spielplatz, von Wanderern als Picknickort und manchmal von Enten als Versteck für ihre Jungen genutzt. Sogar Yogakurse werden regelmässig auf der Bühne abgehalten. Zu den langjährigen Bühnengästen zählen «Ils Fränzlis da Tschlin». Die Gewinner des Schweizer Musikpreises 2019 verführen ihr Publikum mit virtuosen Neuinterpretationen alter Volksmusik: Italienische, wienerische, jenische und rätoromanische Melodien wirbeln dabei gekonnt durcheinander. Die Künstler hinter der Klarinette, dem Bass, dem Cello, der Geige und der Bratsche sind alle miteinander verwandt. Mittlerweile, könnte man meinen, gehört auch das Wasserfloss Catherina zur Familie. Catherinas Schaukeln, das Rauschen der Wellen und des Waldes gehören für Sie zum Erlebnis dazu. Dass auch die Fränzlis den «Anfahrtsweg» – ein rund 30-minütiger Fussmarsch – zum Wasserfloss nicht missen möchten, ist kein Geheimnis. Denn der Gang durch die geschützte Silser Ebene ist die optimale Einstimmung auf das Konzert. Ein Komitee von einheimischen Hoteliers, Naturund Heimatschützern hat sich zur Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs zusammengetan, um erfolgreich ein Stauseeprojekt in der Region zu ver
hindern. Ein Staudamm sollte damals die leeren Gemeindekassen füllen und mehr Unabhängigkeit von Nachbarländern beim Strombedarf sichern. Um den auf 300000 Franken bezifferten «Ertragsausfall» der Gemeinden zusammenzutreiben, musste die neu gegründete «Pro Lej da Segl» innovative Wege gehen. Denn zur gleichen Zeit wurden bereits fleissig Gelder für Kriegsopfer gesammelt. Dank guten Beziehungen zum Bundesrat konnte eine Ausnahmebewilligung für die damals rationierte Menge an Schokolade erwirkt werden. 20 Tonnen Schokolade (ausserhalb der Rationsmenge), die zu Talern geformt in goldene Alufolie verpackt und mit einem Bild des Silsersees geprägt wurden, konnten zu je 1 Franken verkauft werden und spielten nach Abzug der Kosten über eine halbe Million Schweizer Franken ein. Der heute in
Das Holzdeck bietet 120 Sitzplätze – ein exklusives Outdoor-Erlebnis.
(Bild: Sils Tourismus, Fotograf Gian Giavonoli)
Ils Fränzlis da Tschlin auf dem Weg zu ihrem Konzert auf der Halbinsel Chastè durch die geschützte Silser Ebene.
(Bild: Sils Tourismus, Fotograf Gian Giavonoli)
Schoggitaler.
(Bild: Creative Commons, User Parpan05) der Schweiz überall bekannte Schoggitaler ist eine Erfolgsgeschichte und rettete die Silser Ebene vor der Überbauung. Die Open-Air-Konzerte auf Chastè kommen, abgesehen vom Engadiner Abendlicht, ohne Verstärker und Showeffekte aus. Benötigt wird lediglich ein Materialtransport hin und zurück. Der Minitraktor der Werkgruppe Sils mit Anhänger passt knapp durch die Kurven des schmalen Wanderwegs. Die Werkgruppe sorgt auch abseits der Veranstaltung für den Unterhalt auf der Halbinsel. Nebst alltäglichen Aufgaben stellt sie für die diversen Feuerstellen auf der Halbinsel stets genügend Feuerholz bereit. Dies ist nicht nur eine geschätzte Dienstleistung für den Gast, sondern schützt gleichzeitig den Wald vor «unkontrollierter Abholzung». Obwohl der Wald selbst offiziell nicht als Naturreservat ausgeschieden ist, werden seitens des Forstamts
Die Farbenpracht des goldenen Herbstes ist auf Chastè besonders intensiv.
(Bild: Sils Tourismus, Fotograf Gian Giavonoli)
(Servezzan forestel, Revier da Segl e Silvaplauna) möglichst Eingriffe vermieden. Die letzte «Durchforstung» erfolgte vor rund 25 Jahren. Zukünftig geplant ist lediglich eine Entnahme der nicht standortgerechten Fichten, welche vor geraumer Zeit aufgeforstet wurden, und eine Jungwaldpflege der teilweise sehr eng stehenden Arven. Der Herbst im Engadin bietet ein besonderes Schauspiel der Natur. Die Lärchennadeln leuchten goldig und die Luft scheint noch klarer wie sonst. Auf der Halbinsel Chastè erlebt man diese Farbenpracht besonders intensiv. Sie ist auch ein beliebter Ort, um nach den legendären Silser Kugeln Ausschau zu halten. Wie es der Name schon sagt, sind diese nur am Silsersee zu finden. Was früher alltäglich war, ist heute schon fast eine Seltenheit geworden. Die Silser Kugeln entstehen dann im Herbst, wenn Lärchennadeln ins Wasser fallen und diese sich durch den Wellengang zusammenballen. Die Sage besagt, dass in der Hungersnot die Wildmännchen der Silser Bevölkerung die Lebensmittel, eingerollt in Silser Kugeln, von Maloja nach Sils über den See übermittelt haben. Die Kugeln legten sie ins Wasser und der Malojawind beförderte die Kugeln mit Inhalt zu den Häusern der Silser. Der Silsersee ist nicht nur im Herbst ein beliebtes Ausflugsziel. Wenn er im Winter gefriert und noch kein Schnee gefallen ist, dient das Schwarzeis als riesige Eisbahn. Sobald Schnee den gefrorenen See bedeckt, queren Langlaufloipen und Winterwanderwege den See. Der Engadin Skimarathon lockt jährlich etwa 12 000 Langläuferinnen und Langläufer aus aller Welt über die 42 Kilometer lange Langlaufstrecke von Maloja nach S -chanf, welche über die sonst meist einsamen Weiten des Silsersees führt. Im Sommer machen 16 Kilometer Wanderwege rund um den See das Wandern und Spazieren zum Highlight. Sie führen durch die Lärchenwälder und Wiesen und präsentieren den See mal türkis, mal smaragdgrün und mal tiefblau. Eine beliebte Wanderunterstützung bietet die Silser Schifffahrt. Seit über fünfzig Jahren steuert Kapitän Franco das höchstgelegene Kursschiff Europas von Mitte Juni bis Mitte Oktober täglich von Sils Maria nach Maloja und zurück. An den drei Mittwochen im Juli sieht man ihn öfters ein bisschen vom Kurs abweichen, um der Musik aus der Bucht bei Chastè zu horchen. PS: Die nächsten Silser Wasserzeichen -Konzerte finden am 15., 22. und 29. Juli 2020 statt. Hinkommen lohnt sich! www.sils.ch/wasserzeichenkonzert
Weitere Links:
www.sils.ch/silsersee www.sils.ch/herbst www.sils.ch
Colin Thalmann ist Marketing- und Contentmanager für Sils Tourismus.
Das höchstgelegene Kursschiff Europas auf dem Silsersee
(Bild: Sils Tourismus, Fotograf Gian Giavonoli)
Digitale Spurensuche im Wald: soziale Medien zeigen Erholungsnutzung
Ein Lichtstrahl, der durchs Blätterdach dringt. Oder ein auffällig knorriger Baumstamm mit einem «Gesicht». Schnell das Mobiltelefon gezückt und ein Foto geknipst. Immer mehr Menschen behalten ihre Fotos nicht mehr nur als persönliche Erinnerung, sondern teilen sie über soziale Medien wie Facebook, Twitter oder Instagram. Forschende nutzen nun diese digitalen Spuren, um die Nutzung der Schweizer Wälder zu Erholungszwecken zu untersuchen.
Dr.Flurina Wartmann
Wälder erfüllen eine wichtige Funktion als Erholungsgebiet für die Bevölkerung. Um zu erfassen, wie die Bevölkerung die Schweizer Wälder nutzt, brauchen wir deshalb Informationen zur Anzahl der Waldbesuche. Bisher setzte die Forschung auf Haushaltsumfragen, Besuchszählungen oder Schrittzähler. Solche Methoden liefern gute Resultate, sind aber aufwendig und kostenintensiv. Zudem vermögen sie oft nur ein relativ kleines Gebiet abzudecken. Mit dem Aufkommen von Plattformen, auf denen Menschen ihre Erlebnisse anhand von Fotos, Texten und teilweise auch Koordinaten
(Foto: Claudia Wartmann)
bärenhütte
fürstenwald
chur Graubünden
bündner wald nature
grison forest wald
Abbildung 1: Mit Koordinaten und «tags» versehenes Bild auf Flickr.
(Bild von Benutzer «Roman Schurte», öffentliche Domäne, Creative Commons Lizenz)
teilen, existieren nun Daten, die von Nutzerinnen und Nutzern selbst generiert werden, sowohl über längere Zeiträume als auch grosse Gebiete. Aber wie sehen solche Daten überhaupt aus, und wie kann mit ihnen die Nutzung der Wälder zu Erholungszwecken erforscht werden? Waldbesucher laden beispielsweise Fotos auf eine Plattform wie Instagram oder Flickr hoch. Die Fotos sind mit Kommentaren oder Schlüsselwörtern (sogenannte Tags, Abbildung1) versehen, damit andere Personen diese Fotos auch finden können. Bei vielen Plattformen besteht auch die Möglichkeit anzugeben, wo das Bild gemacht wurde. Da immer mehr Personen soziale Medien verwenden, stehen immer mehr solcher Daten zur Verfügung. Ziel dieser Forschungsarbeit im Auftrag des Bundesamts für Umwelt war es, das Potenzial von Daten aus sozialen Medien auszuloten, um die Nutzung der Schweizer Wälder zu Erholungszwecken zu erforschen. Dazu arbeitete die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft mit einer Forschungsgruppe am Geographischen Institut der Universität Zürich zusammen, welche sich mit der Analyse von Daten aus sozialen Medien beschäftigt. 1 Für diese Pilotstudie untersuchten die Forschenden, wie sich die Verteilung von Daten aus sozialen Medien als Indiz für die Häufigkeit von Waldbesuchen nutzen lässt. Dazu verglichen sie die Daten aus sozialen Medien mit einem etablierten Modell, das im Rahmen des Landesforstinventars (LFI) entwickelt worden war und mit dem sich das Erholungspotenzial von Wäldern abschätzen lässt (Brändli und Ultmer 2001). Da nicht alle Plattformen ihre Daten kostenlos für die Forschung zur Verfügung stellen, wählten die Forschenden für ihre Studie zwei Plattformen aus: Flickr, eine Plattform zum Teilen und Kommentieren von Fotos, mit einem besonderen Fokus auf Natur- und Landschaftsfotografie, sowie den Kurznachrichtendienst Twitter, bei dem kurze Texte (tweets) geteilt werden können. Anhand von Daten aus Flickr oder Twitter konnten wir die tatsächliche Erholungsnutzung abschätzen und diese mit dem bestehenden Modell aus dem LFI vergleichen. Der Vergleich der Modelle (siehe Kasten) zeigt: Je näher die nächstgelegenen Punkte aus sozialen Medien sind, desto grösser ist das geschätzte Erholungspotenzial. Dies deutet darauf hin, dass soziale Medien tatsächlich Hinweise auf die Häufigkeit von Waldbesuchen geben können. Interessant sind allerdings auch Gebiete, in denen die Modelle voneinander abweichen. Vor allem in Städten wie Zürich, Basel, Genf oder Lausanne und ihren angrenzenden Agglomerationsgebieten schätzten wir sowohl mit Flickr als auch mit Twitter die Nutzung tiefer ein als das Modell des Erholungspotenzials aus dem LFI. Im Gegensatz dazu schätzten wir
im Alpenraum mit sozialen Medien die Erholung höher ein als mit dem LFI-Modell. Dies betrifft vor allem touristisch attraktive Gebiete in den Alpen, wo die Bevölkerungsdichte tief ist, aber die tatsächliche touristische Nutzung hoch. Ein Beispiel hierfür ist der Schweizerische Nationalpark und das Engadin. In diesen Wäldern finden wir viele Daten in den sozialen Medien. Dies ist durch die zahlreichen Besucherinnen und Besucher zu begründen, die beispielsweise Fotos im Nationalpark aufnehmen und auf sozialen Medien teilen. Diese Nutzung lässt sich anhand des LFI-Modells nicht ab
Abschätzung der Nutzung von Wäldern aus sozialen Mediendaten
Um die Nutzung von Schweizer Wäldern abzuschätzen, überziehen wir die Waldflächen der Schweiz mit einem Rasternetz. Für jede Zelle in diesem Raster berechnen wir die durchschnittliche Distanz zu den jeweils zehn nächstgelegenen Datenpunkten in unserem Flickrbeziehungsweise Twitter-Datensatz. Dieser Wert gibt uns eine Schätzung, wie nahe eine solche Rasterzelle zu einem häufig fotografierten Ort liegt, und ist daher eine grobe Annäherung an die Anzahl Besucherinnen und Besucher. Für den Vergleich der beiden Modelle berechnen wir ein Regressionsmodell. Die Residuen des Modells sagen etwas aus über die Abweichung der beiden Schätzungen voneinander. In roten Zellen ist die Schätzung mit dem LFI höher als das Modell mit sozialen Mediendaten. In blauen Zellen hingegen schätzt das Modell mit den sozialen Mediendaten die Besucherzahl höher ein als das LFI-Modell.
Abbildung 2: Räumliche Verteilung der Modellabweichungen (Residuen) zwischen sozialen Mediendaten und
Erholungsmodell in Waldpolygonen. (Grafik: Manuel Bär)
schätzen. Durch eine Kombination der beiden Modelle liesse sich deshalb ein robusteres Modell entwickeln, welches sowohl das Potenzial für Erholung einschliesst (Landesforstinventar-Modell) wie auch die tatsächliche (touristische) Nutzung dieser Wälder anhand sozialer Medien. Diese Untersuchung zeigte, dass die Daten aus sozialen Medien sehr ungleich verteilt sind. In wenig besuchten Orten finden wir teilweise sehr wenig bis gar keine Daten. Deshalb raten die AutorInnen dieser Studie davon ab, ausschliesslich soziale Medien zu nutzen, um räumlich oder zeitlich stark eingegrenzte Studien durchzuführen. Zudem ist die Arbeit mit Daten aus sozialen Medien mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Nicht für alle Gebiete sind Daten auf sozialen Medien verfügbar. Besonders in eher abgelegenen, touristisch wenig genutzten Gebieten sind praktisch keine Daten auffindbar. Soziale Medien bilden wohl eher die touristische Nutzung ab, da beispielsweise nicht jeder Waldspaziergang mit dem Hund über soziale Medien geteilt wird. Untersuchungen mittels sozialer Medien sollten daher auf grössere Gebiete fokussieren und idealerweise mit herkömmlichen Erhebungsmethoden kombiniert werden. Bei Umfragen beteiligt sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, und nur ein Teil ist auf den sozialen Medien präsent. Personen, welche soziale Medien nutzen, nehmen nicht unbedingt an Umfragen teil und umgekehrt. Indem herkömmliche Erhebungsmethoden mit Daten aus sozialen Medien kombiniert werden, erhöht sich die Vielfalt der erfassten Erholungsnutzenden und es entsteht ein besseres Gesamtbild. Für die Zukunft der Forschung mit Daten aus sozialen Medien wird entscheidend sein, ob diese Daten weiterhin verfügbar sind, denn die kommerziellen Plattformen verkaufen diese Daten zunehmend zu einem für die Forschung oft unerschwinglichen Preis. Zukünftig sollte deshalb der Fokus darauf gelegt werden, Daten unter aktiver Beteiligung der Bevölkerung zu sammeln. Diese sogenannten Citizen-Science-Ansätze bieten eine Möglichkeit, Personen, welche den Wald besuchen, aktiv in die Forschung einzubeziehen.