Magazin «die umwelt» 3/2020 - Schön vielfältig

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DOSSIER LANDSCHAFTEN

Biodiversität

«Wir wollen diese Freiräume unbedingt erhalten» Wertvolle Landschafts- und Naturelemente finden sich auch in Agglomerationen. Doch steigender Wohnraumbedarf und die Forderung nach Verdichtung setzen diese Werte unter Druck. Wie man die Grünräume trotzdem sichern und zu einem ökologischen Netz verknüpfen kann, zeigt die Genfer Gemeinde Meyrin. Text: Nicolas Gattlen

Kaum jemand macht sich nach Meyrin auf, um dort Landschaftsperlen oder Naturschätze zu entde­ cken. Die Agglomerationsgemeinde im Nordwesten Genfs lockt eher Physikbegeisterte und Architek­ turfans an. 1955 siedelte sich am Rande des dama­ ligen Bauerndorfs die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) an. Die Forschungsstät­ te bot bald Arbeit für Tausende von Fachkräften, die in einer eigenen Grosssiedlung untergebracht wurden: der Cité de Meyrin. In den 1960er-Jahren hochgezogen, gilt die Cité als erste «Satelliten­ stadt» der Schweiz – entworfen nach der von Le Corbusier initiierten Charta von Athen. Diese for­ derte, dass Wohnen, Industrie und Gewerbe aus­ serhalb der Stadtzentren angesiedelt und vonein­ ander getrennt werden. Die Cité de Meyrin umfasst mehrere Dutzend Wohnblöcke, die in grossen Ab­ ständen zueinander angeordnet wurden, um Platz für ausgedehnte Grünflächen und Begegnungsräu­ me für ihre 12 000 Bewohner zu schaffen. «Diese Freiräume verbessern unsere Lebensqua­ lität, und wir wollen sie unbedingt erhalten», er­ klärt Pierre-Alain Tschudi, Mitglied der Gemeinde­ exekutive. Er verweist auf «den Ansturm von Investoren und Eigentümern, die am liebsten auf jedes freie Plätzchen ein Haus stellen möch­ ten». Der Druck auf die Frei- und Grünräume in Meyrin ist hoch: Keine andere Agglomerations­ gemeinde der Schweiz verzeichnet ein derart starkes Bevölkerungswachstum (durchschnittlich

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4,5 Prozent pro Jahr). 1950 zählte Meyrin rund 2000 Einwohnerinnen und Einwohner; 2018 weist die Statistik bereits über 25 000 aus.

«Beim Aufbau einer ökologischen Infrastruktur zur Sicherung der Biodiversität kommt den AggloGemeinden eine wichtige Rolle zu.» Claudia Moll | BAFU

Biodiversität hat Priorität In den letzten Jahren haben sich die Gemeindebe­ hörden intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sie dem steigenden Wohnraumbedarf gerecht werden können, ohne Grünflächen aufzugeben. Zu diesen zählen die Behörden auch öffentliche Pärke, Baum­ alleen und historische Gartenanlagen wie den «Jardin botanique alpin» – eine grüne Oase inmitten der Stadt. Strassenbauprojekte hatten seinen Peri­ meter über die letzten Jahrzehnte verändert und bedrängt. 2012 beantragte die Gemeinde beim Kanton den Schutz der Anlage und machte sich daran, den etwas zugewachsenen Villengarten zu einem attraktiven Ort für die gesamte Bevölkerung umzugestalten.


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