Magazin «die umwelt» 3/2020 - Schön vielfältig

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360° RENDEZ-VOUS

International Mandela und das Pariser Abkommen Der Schweizer Umweltbotschafter Franz Perrez über die Kunst der Kompromisse, Verhandlungstricks und eine geschichtsträchtige Kaffeepause. Interview: Peter Bader es gebe Momente, da müsse man sagen, was die Menschen bräuchten, und nicht, was man als Nächstes realisieren könne. Danach schickte uns Valli Moosa in die Kaffeepause. Diese Geschichte hat uns berührt und tief beeindruckt. Und uns wurde klar: In historischen Momenten muss man an Visionen glauben, um Unmögliches zu erreichen.

Was braucht es grundsätzlich, damit Kompromisse zustande kommen?

Bild: BAFU

Herr Perrez, welches war Ihr bisher eindrücklichstes Erlebnis an internationalen Verhandlungen? Franz Perrez: Da gab es einige. Eines ereignete sich im Vorfeld zum Pariser Klimaabkommen. Eine Gruppe von 15 Ländern traf sich regelmässig zu Vorgesprächen. Geleitet wurden diese von Valli Moosa, einem ehemaligen ANC-Aktivisten und Umweltminister Südafrikas. Als wir an einem Punkt angelangt waren, an dem keine Lösung möglich schien, erzählte er eine Geschichte: Als er 1990 Nelson Mandela aus dem Gefängnis in Robben Island abholte, besprach er mit ihm den Inhalt seiner ersten Reden. Er habe ihm geraten, den Menschen pragmatisch die nächsten konkreten politischen Schritte zu skizzieren. Mandela habe aber anders entschieden und von seinen Visionen für ein neues Südafrika gesprochen. Mandela habe ihm, Valli Moosa, erklärt,

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Man muss die Thematik bis ins kleinste Detail verstehen. Und man muss vor allem die Positionen und wirklichen Interessen der anderen Länder genau kennen: Welche Zugeständnisse können sie machen? Was ist für sie tatsächlich nicht möglich? Was brauchen sie unbedingt? Im Vorfeld des Pariser Klimaabkommens haben wir von einem renommierten US-Rechtsprofessor ein Gutachten erstellen lassen, um genau zu verstehen, welche Regeln die USRegierung selber akzeptieren kann und ab wann sie das Parlament einbeziehen muss. So wussten wir genau, wie weit wir die USA drängen konnten und wo zu strenge Regeln ein Abkommen ohne die USA bedeuten würden.

oder sie sagt, hat Bestand. Das beinhaltet auch, keine falschen Interessen vorzutäuschen, also die Umweltanliegen nicht als Deckmantel für Wirtschaftsinteressen zu benutzen.

Gibt es Verhandlungstricks? Nein. Aber es braucht eine klare Strategie. Dazu kann auch gehören, dass man präsent ist, sich pointiert äussert und Verhandlungen auch mal scheitern lässt. Dann weiss die Gegenseite, dass man es ernst meint.

Kann die «neutrale» Schweiz in Verhandlungen eine besondere Rolle spielen? In Umweltfragen ist die Schweiz nicht vermittelnd neutral. Als kleines Land können wir die globalen Klima-, Biodiversitäts-, Chemikalien- oder Abfallprobleme nicht alleine lösen. Darum sind robuste internationale Regeln in unserem eigenen Interesse.

Welche Rolle spielen persönliche Beziehungen? Sie sind sehr wichtig. Aber es geht nicht um ein möglichst harmonisches Verhältnis, sondern darum, dass man sich gegenseitig ernst nimmt und einander vertraut. Man weiss: Die oder der andere ist kompetent und beharrlich, was er

Franz Perrez | Abteilungschef International | BAFU franz.perrez@bafu.admin.ch


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