Magazin «die umwelt» 4/2020 - Wird in der Schweiz das Wasser knapp?

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DOSSIER  WASSER UND KLIMAWANDEL

Ethik

Wem soll geholfen werden? Der Klimawandel bedeutet für die Menschheit eine enorme Herausforderung. Damit stellen sich in der Schweiz noch nie da gewesene Fragen. Etwa: Wer hat künftig Anrecht auf wie viel Wasser? Oder: Welche Wasserlebewesen retten wir, welche nicht? Text: Christian Schmidt

Mit über tausend Seen gilt die Schweiz als das Wasserschloss Europas, doch auch bei uns ist in Zeiten des Klimawandels genügend Wasser nicht mehr immer selbstverständlich. Anfang August 2018 mussten Helikopter mehrere Millionen Liter Wasser auf Alpen im ganzen Land fliegen. Grund: Das Wasser für die Kühe wurde knapp. 2019 hat Enges (NE) als erste Gemeinde aufgrund der zunehmenden Wasserknappheit ein Bauverbot für Neubauten erlassen. Und im selben Sommer fiel so wenig Regen, dass zahlreiche Flüsse zu Rinnsalen wurden. Gleichzeitig erreichten die Wassertemperaturen bis zu 27 Grad, was im Rhein zu einem grossen Fischsterben führte. Das sind Phänomene, die sich laut dem Projekt Hydro-CH2018 weiter verschärfen werden. Wie mit dieser Situation umgehen? Die BAFUExperten Thomas Kuske und Bänz LundsgaardHansen sowie Dominic Roser, Klimaethiker an der Universität Freiburg, suchen nach Antworten auf beispielhafte Fragen.

Zielkonflikte in den Bergen Wenn keine Klimaschutzmassnahmen getroffen werden, könnten die Sommerniederschläge als Folge des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten um bis zu 20 Prozent abnehmen. Dies wird in den Tourismusregionen der Alpen zu Konflikten führen. Auf der einen Seite steht der Bedarf der Alpwirtschaft – eine Kuh trinkt pro Tag rund 100 Liter Wasser –, auf der anderen Seite der Tourismus, der nach immer mehr Wasser verlangt: Hotels mit Wellness- und Spa-Angeboten dringen immer weiter in die Höhe vor, etwa auf der Riffelalp (VS) bis auf

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2200 Meter über Meer. Die Konkurrenz um das Lebenselixier Wasser ist damit absehbar.

«Kommt es zum Streit bezüglich Wasserverteilung, wird man abwägen müssen, wer eher dem öffentlichen Interesse dient: die Landwirtschaft oder der Tourismus» Thomas Kuske | BAFU

Thomas Kuske von der Sektion Landschaftsmanagement beim BAFU sieht am Horizont entsprechende Konflikte auftauchen. Komme es zu einem Streit bezüglich Wasserverteilung, werde man – unter anderem – abwägen müssen, wer mit dem Anspruch auf Wasser eher dem «öffentlichen Interesse» diene. Der Wellnessdirektor kurble mit seinem Geschäft zwar die regionale Wirtschaft stärker an als der Bergbauer, doch er verfolge ein privates Interesse. «Die Arbeit des Bergbauern dagegen dient zu einem grossen Teil der Öffentlichkeit, wenn die Nutzung an den Standort angepasst ist.» Mit seiner Arbeit verhindere er die Verbuschung der Alpen und erhalte damit die Kulturlandschaft. Auf dieser Idee beruhe ja auch das System der ökologischen Direktzahlungen an die Landwirte. Die Kulturlandschaft mit ihren Wiesen, Weiden, Bächen und Flüssen ist zudem


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