Reportage
Libanon: Die Menschen, die nirgends bleiben können erhalten Bargeldhilfe zwischen 200 und 300 Dollar pro Monat für 3 bis 6 Monate. So können sie vorübergehend über die Runden kommen. «Geldzahlungen sind deshalb so wichtig, weil sie kurzfristig und individuell helfen», sagt Mirna Sabbak von der libanesischen Caritas. Wo nötig, übernimmt die Caritas auch Krankenhaus- oder Arztkosten. Mariam besucht zurzeit einen Nähkurs bei Caritas Libanon und erhält Unterstützung bei der Jobsuche von einer anderen Organisation.
Mariam Khalaf (25) und ihre drei Kinder kennen seit Langem nur noch das Leben im Flüchtlingslager.
Der Himmel hängt tief in der BekaaEbene und wechselt seine Farbe im Stundentakt. Dicht aneinander drängen sich in dieser grossen Weite zwischen zwei Gebirgsketten die Siedlungen aus Zelten und Bretterverschlägen. Mehr als ein Drittel der etwa 915 000 registrierten und schätzungsweise 650 000 nicht erfassten syrischen Flüchtlinge im Libanon leben in der Bekaa-Ebene. Sie kommen in Zeltlagern, in verlassenen Bauern höfen oder Garagen unter – überall, wo sie ein wenig Schutz und einen Vermieter finden, der sie toleriert oder ein Geschäft machen möchte. In einem Lager nahe der Stadt Zahle sitzen Mariam Khalaf und ihre Kinder Sidra, Shiro und Jalal um den Ofen, Mittelpunkt und einziges Möbel ihres Zelts. Die Temperaturen fallen jetzt im Winter auf unter null. Ein Hagelschauer fegt über das Lager. Es tropft durch die Decke. Wer auf die Toilette muss, nimmt einen schlammigen Fussweg zu einem Blechhäuschen im Freien in Angriff. Die extreme Armut der Menschen hier ist erdrückend. Arbeitsplätze sind rar, besonders im Winter. Im Frühling gibt es wieder mehr Tagelohn- und Saison
Bild: Alexandra Wey
arbeitsplätze in der Landwirtschaft. Fast alle Menschen sind verschuldet. Ständig begleitet sie die Angst vor dem Rauswurf, wenn sie die Miete nicht bezahlen
Die Kräfte und Ressourcen sind aufgebraucht Die meisten Geflüchteten in der BekaaEbene harren seit fünf, sechs, sieben Jahren hier aus. Sidra, Shiro und Jalal kennen nichts anderes: Sie wurden hier geboren. Die Menschen können nicht mehr. «Ich möchte einfach ein menschenwürdiges Zelt an einem Ort, an
« Ich wünsche mir einfach ein menschenwürdiges Zelt. » können. Das hat Mariam bereits mehrmals erlebt. «Wir ziehen von Lager zu Lager», erzählt sie. «Nirgends können wir länger bleiben». Bargeld verhindert das Schlimmste In dieser Situation wird jede Erkrankung, jeder Todesfall, jede Trennung und jeder Diebstahl zu einer akuten Bedrohung. Mariams Mann starb vor einigen Monaten an einem Herzleiden. Die Medikamentenkosten verschlangen alles, was sie hatte. Um die Beerdigung bezahlen zu können, musste sie sich verschulden. Mariam ist hochschwanger und hat keine Ausbildung. In solchen Fällen ist die Caritas da. Menschen wie Mariam, die einen sozioökonomischen Schock erlitten haben,
dem wir bleiben können», sagt Mariam. Von einer richtigen Wohnung wagt sie nicht mehr zu träumen. Auch die Libanesinnen und Libanesen sind müde. Wirtschaft und Infrastruktur ächzen unter der Last der zusätzlichen 1,5 Millionen Menschen. Die lokale libanesische Bevölkerung verarmt zusehends. Auch libanesische Bedürftige unterstützt die Caritas mit ihrer Bargeldhilfe – während immer weniger Gelder der internationalen Gebergemeinschaft zur Verfügung stehen, um der humanitä ren Katastrophe Herr zu werden. (ah)
Mehr zu Mariams Geschichte mit Video: caritas.ch/mariam
9