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Radeln unterm Blätterdach?
Der Bau neuer Radschnellwege ist ein zentraler Baustein der Klimapolitik. Er darf aber nicht zu Lasten der Natur gehen.
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er radelt nicht lieber durch einen Park als auf einer viel befahrenen Straße? Nicht jeder macht sich allerdings klar, dass ein Radweg, der über eine Grünfläche führt, in der Regel auch Versiegelung und Naturverbrauch bedeutet. Der vom Berliner Senat beschlossene Ausbau der Radschnellwege wird Radfahren zwar attraktiver machen und hoffentlich viele Pendler dazu bewegen, von vier auf zwei Räder umzusteigen. Er könnte jedoch auch negative Folgen für die Stadtnatur mit sich bringen. Aus Versehen 61 Bäume gefällt So wurden in den vergangenen Jahren immer wieder alte Straßenbäume gefällt, um Platz für Radwege zu schaffen. Naturfreunde empörten sich besonders über die Rodung von 61 Bäumen an der Heerstraße, die sich im Nachhinein als Planungsfehler herausstellte. In Steglitz-Zehlendorf wiederum soll ein Teilabschnitt des Fernradwegs Berlin-Leipzig auf etwa 100 Metern durch den Gemeindepark Lankwitz führen – ausgerechnet über eine naturbelassene Wiese, auf der seltene Wildbienen nisten. Einen Antrag der SPD, die Route
NATUR IN BERLIN 1/20
außen um den Park herumzuführen, lehnte die Bezirksversammlung Anfang Dezember 2019 aus Kostengründen ab. Beim Ausbau des Spreewegs hinter dem Charlottenburger Schlosspark soll der unbefestigte Uferweg verbreitert und asphaltiert werden, obwohl gleich zwei parallel verlaufende Radschnellwege in Planung sind. Dagegen hat der NABU im Rahmen der von mehreren Verbänden getragenen Kampagne „Entsiegelt Berlin!“ in einem Brief an Umweltsenatorin Regine Günther protestiert. Die neuen Radschnellwege, deren Bau 2023 beginnen soll, könnten das Problem weiter verschärfen. Zehn solche Strecken mit insgesamt mindestens 100 Kilometern Länge plant die landeseigene infraVelo GmbH. Mobilität ja, Versiegelung nein Mit dem begleitenden Fußweg werden diese Trassen 6,5 Meter breit, beleuchtet und asphaltiert sein. Derzeit laufen Beteiligungsverfahren zur Festlegung der Routen; bei einigen deutet sich bereits an, dass abschnittsweise Grünflächen betroffen sein werden. „Der NABU befürwortet den Ausbau von Radschnellverbindungen als Teil
einer nachhaltigen, zukunftsweisenden Mobilität“, mahnt die Berliner NABUGeschäftsführerin Jutta Sandkühler, „er darf aber nicht zur weiteren Versiegelung von Grünbereichen führen.“ Statt Grünflächen zu zerschneiden und weitere Flächen zu versiegeln, müsse man den Platz auf existierenden Straßen neu verteilen. Weniger Raum für Autos Den zunehmenden Radverkehr zusätzlich zum Autoverkehr auf den Berliner Straßen unterzubringen, mag zunächst illusorisch erscheinen. Doch nur so lässt sich wirklich eine Mobilitätswende herbeiführen. Wassergebundene Wege zu versiegeln und Gehölze zu roden, vernichtet hingegen Lebensräume und heizt das Stadtklima weiter auf. Folglich müssen sich Autofahrer in Zukunft mit weniger Platz auf der Straße zufriedengeben. Neue Radwege nicht in Parks, sondern auf Straßen einzurichten, heißt natürlich nicht, dass Radfahrer nicht im Grünen unterwegs sein sollten. Auch auf unbefestigten, naturnahen Wegen fährt es sich schließlich wunderbar. Ansgar Poloczek, Alexandra Rigos