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MUNTERE KLETTERER

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EIN STÜCK HEIMAT

EIN STÜCK HEIMAT

Wer schon immer wissen wollte, was ein „Bilch“ ist, kann sich in diesem Jahr ausgiebig über diese kleinen Nagetiere informieren, die auch Schlafmäuse genannt werden. Denn ein Mitglied der Familie ist Wildtier des Jahres 2023: der Gartenschläfer – mit Zorro-Maske um die Augen und langem Schwanz, der in einer Quaste endet.

Jetzt ist der Mai gekommen, da bleibt den Gartenschläferinnen und -schläfern nicht viel Zeit für all das Überlebensnotwendige, das sie bis zum nächsten Winterschlaf noch zu erledigen haben. Dabei sind sie doch gerade erst aus diesem Ruhezustand, bei dem sie bis zu einem Minusgrad abkühlen können, aufgewacht: Mehr als sechs Monate, von Mitte Oktober bis Ende April, hat der Schlaf gedauert – wie jedes Jahr.

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Und nun müssen die kleinen Wesen mit den großen Ohren, dem rötlich-braunen Rückenfell und dem weißen Bauch sofort topfit sein und schnellstens aktiv werden: Jagdgründe mit Futtertieren und -pflanzen finden, fressen, auf Partnersuche gehen, sich paaren, Nistplätze bauen, die Jungen nach drei Wochen Tragezeit zur Welt bringen, sie fünf Wochen lang nähren und großziehen – und dabei stets darauf achten, selbst genügend Gewicht zuzulegen, um die kommende Wintersaison zu überstehen, für die zudem ein gut geschütztes Quartier gefunden werden muss.

Das ist ein ordentliches Halbjahresprogramm für die putzigen Allesfresser, die überdies noch den ganzen Tag verschlafen und erst in der Dämmerung munter werden –und bis zum Morgengrauen eilig unterwegs sind. Da die Nächte im Sommer aber sehr kurz sind, bleibt nur wenig Zeit für die Suche nach Insekten, Würmern oder Schnecken, die neben Wildfrüchten, Samen und Kernen zu ihren Lieblingsspeisen gehören. Und die sie brauchen, um sich bis Oktober eine Fettschicht anzufressen und ihr Gewicht von etwa 50 auf 130 Gramm zu erhöhen.

Um dies zu gewährleisten, haben die Gartenschläfer mancherorts sogar ihre eigentlichen Lebensräume in gebirgigen, strukturreichen Nadel- und Mischwäldern verlassen: Insbesondere hier in Südwestdeutschland haben sich die Gartenschläfer stattdessen in Weinbergen oder Obstwiesen, aber auch in Gärten im Siedlungsbereich niedergelassen, sofern ihnen dichte, beerentragende Hecken, begrünte Fassaden oder die Nischen alter Gebäude Schutz bieten.

Doch auch hier ist das Überleben der einzeln lebenden Wildtiere nicht gesichert. Sie können sich zwar an den reichlich vorhandenen Gartenfrüchten samt dem durch sie angezogenen Getier und gelegentlich sogar auch an Vogelfutter oder -eiern bedienen. Doch es lauern viele Gefahren: von Vogelschutznetzen an Obstbäumen, in denen sich die mühelosen Kletterer verfangen können, über die für Ratten und Mäuse ausgelegten Giftköder bis zu den Hauskatzen, für die die nicht einmal handtellergroßen Bilche ein gefundenes Fressen sind.

Die Gartenschläfer, wegen ihrer Lebensweise ohnehin selten anzutreffen, drohen deshalb nach und nach ganz zu verschwinden. Um auf sie und ihre Gefährdung aufmerksam zu machen, erklärte die Deutsche Wildtier-Stiftung sie für 2023 zum Wildtier des Jahres.

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