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Von Glasvögten, Schürern und Köhlern: das Wald- & Glaszentrum Gersbach

Ob bunt oder aus Holz: Alle Mitfahrbänke in der REGIO ermöglichen umweltschonendes und unkompliziertes Reisen.

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erklärt Stefanie Fischer von der Bürger-Info und dem Melde- und Passamt der Gemeinde Schuttertal.

Wer als „Mitnehmender“ dabei sein will, muss sich bei der Gemeindeverwaltung registrieren und den zugesandten Aufkleber gut sichtbar in die Windschutzscheibe kleben. So soll mehr Sicherheit als etwa beim Trampen ermöglicht werden. 500 Automobilisten haben sich bis jetzt registriert. Wer eine Person auf dem Mitfahrbänkle sieht, kann – muss aber nicht – anhalten und bei passendem Zielort eine kurze Fahrgemeinschaft gründen. „Fahrer und Mitfahrer entscheiden frei, ob sie mit der Person mitfahren möchten oder ob sie die Person mitnehmen möchten“, sagt Fischer. Im Schadensfall haftet die gesetzlich vorgeschriebene Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrenden, alle Insassen des Autos sind darüber geschützt.

Auch in anderen Gegenden der REGIO wird das Konzept bereits umgesetzt, etwa auf der Strecke von Wolfach nach Bad Rippoldsau. Im Südschwarzwald machen „Nimmmich-mit-Häusle“ zwischen Hinterzarten, Alpersbach, Windeck und Rinken mobil. Egal in welchen Farben und Formen die Bänkle gebaut sind, der Gedanke dahinter bleibt gleich: Hier funktioniert Mobilität nach dem Prinzip teilen und einander helfen.

Zeitloses Konzept

Davon ist Anja Müllerleile aus dem Schuttertal begeistert. Sie selbst ist aktive Mitnehmerin, auch ihre vier Kinder nutzten die Bänke regelmäßig, um von der Schule in Lahr nach Hause zu kommen: „Das hat immer gut funktioniert, ich hatte auch gar keine Angst um meine Kinder.“ Die Wartezeit sei meist zwischen fünfzehn und zwanzig Minuten gelegen, es komme aber auch vor, dass direkt jemand anhalte.

Leider sei das mittlerweile nicht mehr möglich, so die Mutter. Denn wurden die Schuttertaler Bänkle anfangs viel genutzt, sei das Projekt seit Beginn der Pandemie weitgehend eingeschlafen. „Ich würde gerne noch jemanden mitnehmen, aber die Menschen trauen sich kaum noch.“ Sie hoffe aber sehr, dass sich das nach der Pandemie wieder ändert. Die Bänke sind ja glücklicherweise zeitlos.

Mundart von Stefan Pfl a u m

KOLUMNE

Foto: Till Neumann

KEI AHNUNG VUN NIX

Der Mundart-Autor aus Schallstadt hat wahre Weltversteher beim Bier belauscht.

„In des Durchänander bi de Mensche bringsch kei Ordnung meh nii. So sieht s jedefalls uss“, het de Haber Schorsch am Stammtisch gsiefzget. „In Äthiopie hört s nit uff, Millione sin uff de Flucht. In Nigeria sin ganzi Dörfer zerstört wore un Mensche verschleppt.“

„Jo, hesch bigoscht räächt“, het de Hübschle Frieder gjomeret. „An de Grenz zu de Ukraine rumorts au schu widder. In Kasachstan sin Unruhe ussbroche un im Jemen goht s als wittersch mit Schießereie zwische verfeindete Gruppe.“

„Do kannsch nix mache!“, sagt de Haber Schorsch. „Do muesch ebbs mache!“, meint de Hübschle Frieder.

Beidi schwadroniere rum un hen beidi kei Ahnung vun nix. D Hauptsach isch doch, s isch ebbis gschwätzt. Aber s Bier schmeckt ene un sie bschtelle sich jeder noch eins. Oder meh. Oder viel meh. Sie sin jo beidi nit ghiroote un keiner het ä Frau deheim, wo-n-em ä Lade macht, wenn r z schpot heimkummt, oder eini, wo heilfroh isch, wenn r mögligscht lang furt huckt.

Bücher

Das Archiv der Gefühle Unverschämt jüdisch Schopfloch

von Peter Stamm

Verlag: S. Fischer, 2021 192 Seiten, gebunden Preis: 22 Euro

von Barbara Honigmann

Verlag: Hanser, 2021 156 Seiten, gebunden Preis: 20 Euro

von Jürgen Glocker

Verlag: Morio, 2021 440 Seiten, gebunden Preis: 26 Euro

FABIENNE, FEMME FANTÔME „Aber Franziska liebte mich nicht.“, stellt der Ich-Erzähler irgendwann fest. Dabei ist nicht eindeutig klar, wann er zu dieser niederschmetternden Einsicht kommt – erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter oder bereits als von seinen Gefühlen völlig überwältigter Schüler.

Klar wird aber, dass er diese Jugendliebe nie überwunden hat, dass er noch immer an sie denkt, noch immer ihre Stimme im Ohr hat, sie ihn auf seinen nur in der Fantasie zurückgelegten Wegen begleitet, sein Leben, das er ihretwegen versäumt hat, mit ihm teilt. Dass er immer noch alles weiß über die Frau, die inzwischen eine bekannte Sängerin ist, die sich Fabienne nennt. Sie wird zu seiner Femme fantôme, zum einzigen Fixpunkt in seinem einsamen Leben.

Seine (Ersatz-)Frau Anita hat ihn mit der Begründung verlassen, dass „beide sich in den falschen Menschen verliebt“ hätten. Seine Arbeit als Archivar hat er verloren, setzt sie aber dennoch privat fort – im Keller des Hauses seiner Mutter, in das er nach deren Tod zurückgezogen ist – und in das er sich mehr und mehr zurückzieht. Hier archiviert er außer seinen Gefühlen für FranziskaFabienne auch ein ziemlich umfangreiches Dossier über sie. Eine höchst beklemmende Fiktion. ewei DES LEBENS WÜRDE UND BÜRDE

Unverschämt sind Barbara Honigmanns im Buch zusammengestellten Reden, Vorträge und Texte keineswegs. Auch nicht „unverschämt jüdisch“: Im Titel bezieht sich die in Straßburg lebende Autorin auf die 1963 erschienene deutsche Übersetzung von Jean-Paul Sartres „Betrachtungen zur Judenfrage“; darin wurde dessen „juif inauthentique“ ein „verschämter Jude“.

„Irgendein Freund“, schreibt sie im Vorwort, habe dieses Bändchen „für uns über die Grenze nach Ostberlin geschmuggelt“. Es gelangte in die Hände der damals 14-Jährigen, die seither damit ringt, „mein Judentum, in das ich hineingeboren wurde, unverschämt zu leben und schließlich, erwachsen geworden, auch so davon zu sprechen, zu erzählen, zu schreiben“.

Das tut sie – gerade in ihren Reden zu den verschiedenen Literaturpreisen, die sie erhielt. In ihnen setzt sie sich oft sehr kritisch mit dem Verhältnis der Namensgeber zum Nationalsozialismus oder zum Antisemitismus auseinander.

Unbestechlich ist sie dabei – getragen von der „Würde und Bürde“, Tochter von Überlebenden der Shoa zu sein. Und sie findet einige Antworten auf die Frage, was eigentlich jüdisch sei. ewei CHRONIK EINES SELBSTVERLUSTS

Konstantin Klingele hätte eine glänzende Karriere hinlegen können. Der unter Einfluss von reichlich Schwarzwälder Kirschwasser im Trubel eines Fasnetsmändig gezeugte Sohn der nicht eben einfühlsamen und sehr zielstrebigen Besitzer eines gutgehenden Hotels in der fiktiven Hochschwarzwälder Kleinstadt Schopfloch hat es leicht in der Schule. Zumindest, was die Aneignung von Wissen angeht – da fliegt ihm alles nur so zu. Auch später, bei seinem Studium der Literaturwissenschaft in Göttingen, das er mühelos mit Bestnote und Promotion abschließt.

Weniger leicht hat er es indessen, wenn soziale Kompetenz gefragt ist. Unfähig, auf anderen Bahnen als um sich selbst zu kreisen, kann er keine Freundschaften eingehen; die übliche Dorfbubenkonkurrenz, ein ihm angedichtetes körperliches Defizit und auch ein gewisser Neid besorgen den Rest: Er wird gemobbt, gequält und zum einsamen, arroganten Außenseiter.

Das bleibt er sein Leben lang, auch als er nach unvollendeter Uni-Laufbahn in den Heimatort zurückkehrt, sich selbst immer weiter degradiert und schließlich verbittert „im Kirschwasser ertrank“.

Unterhaltsames und exaktes Psychogramm eines Selbstverlierers. ewei

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