Bauen & Wohnen

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Themenheft

BAUEN &

April 2021 Ausgabe Nr. 28

Wohnen

Keine Attacke gegen den VGH

Stadt und SC akzeptieren vorerst Abendspielverbot in der neuen Arena Konfliktiv

Kreativ

Kooperativ

Bauträger verklagen Freiburger Rathaus

Wo bitte geht’s zum Büro der Zukunft

Solidarische Wohnprojekte in der Region



Editorial

Politik in der Kritik

Klagen gegen Rathäuser in Freiburg und Heitersheim

R

athäuser in der Kritik: In Freiburg operiert die Verwaltung zunehmend mit Besteck aus dem Instrumentenkoffer der Juristik. Erhaltungssatzungen, Zweckentfremdungsverbote, Vorkaufsrechte – das sorgt längst nicht bei allen Betroffenen für tiefes Verständnis. In Tiengen schüttelten neulich sogar

Ortschaftsräte den Kopf darüber, dass das InnenstadtRathaus in Kaufverträge der Stuckert-Wohnbau reingrätschen will. Stuckert wird nun demnächst Klage einreichen. Uwe Kleiner, Chef der BauUnion-Gruppe, hat das schon getan. Das Verhältnis zwischen Bauträgern und Bürgermeisterbank ist derzeit nicht das beste.

Auch das Heitersheimer Rathaus muss sich demnächst vor Gericht verantworten, weil Bürgermeister Christoph Zachow und Gemeinderat den Streit mit privaten Käufern von belasteten städtischen Grundstücken (wir berichteten exklusiv) nicht gütlich beenden können. Gegen Zachows Vorgänger Martin Löffler ermittelt derweil wegen der Sache schon die Staatsanwaltschaft. Mit harten Bandagen wird auch hinter den Kulissen um die Abrechnung der Baustelle SC-Stadion gekämpft. Nach massiven Verzögerungen wird die neue Arena nun wohl bald fertig. Spiele mit Anpfiff nach 20 Uhr oder auch am Sonntagmittag wird es darin erst einmal nicht geben: Das hatte der VGH verkündet – mit einer zumindest eigenwilligen Auslegung der Frage, was seltene Ereignisse sind und was nicht. Hatten sich die Verantwortlichen im Rathaus, beim Regierungspräsidium und beim SC nach Verkündung noch direkt zum Kontern aufgemacht, akzeptieren sie nun ohne eine Attacke den Richterspruch. Und hoffen stattdessen, irgendwann das Hauptverfahren zu gewinnen und damit auch das rund 80 Millionen Euro teure Stadion dauerhaft mal so nutzen zu können, wie sie es wollten. Wie es bei einer solchen Investition selbstverständlich sein sollte. Ausgang offen.

Offen ist auch, wie der neue Stadtteil Dietenbach mit rund 6800 Wohnungen und einem vielstimmigen Wunschkonzert auch wirtschaftlich rund auf die Beine zu stellen ist – und wie er überhaupt angenommen wird. Um dafür einen ersten Eindruck zu bekommen, hat die Sparkassen-Tochter EMD nun die Website freiburg-dietenbach.de freigeschaltet. Publikumswirksam im Beisein von Journalisten. EMD-Chef Ingmar Roth erhofft sich, dass sich am besten Tausende dort schon mal registrieren lassen. Als Mieter, als Käufer, als Bauherr, als Gewerbetreibender. Am Ende werden diese Erkenntnisse auch bei den Verhandlungen mit dem Rathaus über jene wirtschaftlichen Eckdaten einer Vereinbarung zwischen Bank und Politik eine Rolle spielen. Bei diesen Verhandlungen werden Journalisten dann eher nicht eingeladen. Auch diese Ausgabe des Bauen & Wohnen ist übrigens klimaneutral gedruckt. Wir gleichen die Emissionen wieder aus, indem wir ein Meeresschutzprojekt der ClimatePartner fördern. Wir wünschen ebenso informative wie anregende Lektüre. Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur Anzeige

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Inhalt Makler

Extra: Neue SC-Arena

Rathaus und Sport-Club kontern nicht: Nach dem vom VGH verhängten Abendspielverbot warten die Verantwortlichen nun auf ein Urteil im Hauptverfahren 8-14

Politik

Freiburg kämpft mit vielen Schwertern um Gebäude und Grundstücke – und erntet erste Klagen 6-7

Baurecht

Warum Grundstückskäufer das Heitersheimer Rathaus vors Gericht ziehen

Dietenbach

Sparkassen-Tochter testet Interesse am neuen Stadtteil

18

Radverkehr

Garten- und Tiefbauamt mit Kompromiss am Friedhof

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Bauträger

Die Stuckert Wohnbau AG entwickelt derzeit mehr als elf Fußballfelder 20 Kirschner Wohnbau und die hübsche Ingeborg 28 Siedlungswerk kürt Wettbewerbssieger an der Wippertstraße 32

Themenheft 04-2021

Warum die Dürrschnabel Industriebau mehr ist, als der Name aussagt 22

Fachplaner

Solidarische Wohnprojekte in der Region

Müller + Klein beweisen statische Flexibilität

24-25

26

Ganter Property und die Sonnenhöhe in Breitnau

52

Einrichten

So geht moderne Küche

Energieversorger Badenova startet Raustauschwochen 28

Architektur 30-31

Warum Feng Shui in Zeiten von Homeoffice gefragt ist

Redaktion: Philip Thomas, Till Neumann, Tanja Senn, Kristina Uhl, Liliane Herzberg

Herausgeber:

Fotos: freepik, iStock Grafik: Sven Weis (kombinat79) Lektorat: Beate Vogt

Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)

Anzeigen: Christoph Winter (Leitung),

Chefredaktion: Lars Bargmann

Giuliano Siegel, Jennifer Leval, Maria Schuchardt

46-47 50

Baumärkte

Krisengewinner, die nicht so heißen wollen

Kommentar

Die Deutung von Statistiken

24-25

Titel: © HPP Architekten/WillMore

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Arbeitswelt

Wo geht’s zum Büro der Zukunft: Erkenntnisse einer hochkarätig besetzten Webkonferenz 44-45

Unmüssig-Gruppe bietet Rathaus Eisstadion an

Die Klimahäuser in Schallstadt

38

Wie Mohnke Höss die Spezialaufgabe beim RIZ in Offenburg gelöst haben 40

Projektentwicklungen

Das Bauen & Wohnen-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 | 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 | fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de

Infrastruktur

Camping in Corona-Zeiten: Zu Besuch bei Familie Tigges und Nöltge 36-37

19

IMPRESSUM Bauen & Wohnen

34

Christian Müller über die Auswirkungen von Corona auf Gewerbeimmobilien 42

Generalunternehmer

Genossenschaften 16-17

Umsatzdelle bei der S-Immo – auch durch Corona

48-49

54

40

Druck: Hofmann Druck, Emmendingen Ein Unternehmen der

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Kommunen

Überschwappende Regelungsflut Der prall gefüllte Instrumentenkoffer städtischer Einflussnahme auf Bauprojekte

Z

Foto: © XXXXXXX

weckentfremdungsverbotsgesetz – ein Kettenwort, wie es deutscher nicht sein könnte: Ewig lang, viele aneinandergereihte Genitive und vor zäher Bürokratie tropfend. Hinzu kommen die soziale Erhaltungssatzung, auch Milieuschutz genannt, die städtebauliche Erhaltungssatzung und das Ziehen von Vorkaufsrechten. All diese Instrumente sollen dazu beitragen, dass bestehender Wohnraum in Freiburg erhalten bleibt oder Entwicklungen gesteuert werden. Die ersten Klagen gegen das Rathaus sind dabei schon eingereicht. So ist es auch im Fall von Uwe K ­ leiner, Chef der BauUnion-Gruppe in Freiburg. Er klagt derzeit am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH), weil die Stadtverwaltung per sozialer Erhaltungssatzung den Um- und Ausbau eines Mehrfamilienhauses an der Eschholzstraße blockiert. Es liegt in einem Gebiet, in dem der Milieuschutz greift. Eigentlich will er mit seiner Normenkontrollklage sogar die Satzung für den kompletten Stühlinger kippen. Sein Argument: „Die Stadt macht das, was sie privaten Wohnungsbauern verbietet.“ Gemeint ist damit, dass die Stadt, nach Auffassung des 59-Jährigen, die Grenze der von der Satzung betroffenen Grundstücke so gezogen habe, dass private Bauträger in die Röhre guckten, während die städtische Tochter Freiburger Stadtbau (FSB) im direkt angrenzenden Metzgergrün 250 Bestandswohnungen abreißen kann, um 550 neue zu bauen. Diese würden dann zu anderen Preisen vermietet,

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als es momentan der Fall sei. „Völlige Willkür“, sagt Kleiner. „Dieser Vorwurf ist falsch“, kontert Robert Staible, Leiter des städtischen Amts für Projektentwicklung und Stadterneuerung (APS). Unter die Satzung fielen auch Gebäude der FSB. Außerdem sei der Gedanke, das Metzgergrün zu überplanen, älter als die Erhaltungssatzung. Darüber hinaus habe die FSB klare Vorgaben im Baugebiet. Die Mieter·innen und Eigentümer·innen

„Wir haben ein sehr wachsames Auge“ seien sehr eng eingebunden in den Prozess. „Wir haben ein sehr waches Auge und achten darauf, dass es nicht zur Verdrängung kommt und die sonstigen Ziele einer sozialen Erhaltungssatzung gewahrt werden“, so der 52-Jährige. Auf Anfrage gab die FSB an, dass in dem entsprechenden Gebiet 50 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen entstehen sollen, die deutlich unter dem derzeitigen Mietspiegel angeboten werden. Die durchschnittliche Miete solle auf ähnlichem Niveau liegen wie die in den Bestandswohnungen. Weitere 25 Prozent der Wohnungen sollen zur Mietspiegelmiete vermietet werden. Darüber hinaus sei man dem Wunsch der Bewohnerschaft nach kleinen Wohnungen nachgekommen, ähnlich der Größe im jetzigen Bestand. Kleiner hat Verständnis dafür, dass die Stadt bestimmte Gruppen nicht verdrängen will. Allerdings habe das Rat-

haus in der Vergangenheit auch einige Fehler gemacht. Er sieht gute Chancen, gewinnen zu können. Der Antrag ist bereits begründet worden, bestätigt der VGH. Bis Ende April muss das Rathaus schriftlich erwidern. Bis ein Urteil gesprochen wird, kann schnell ein Jahr vergehen. Dass die Instrumente der Stadtverwaltung zu Konflikten führen können, war klar, so Staible: „Wir versuchen für jeden Fall, Lösungen zu finden, am Ende ist es aber immer ein Kompromiss.“ So seien „sehr aufwendige energetische Sanierungen in Gebieten mit sozialer Erhaltungssatzung ab einem gewissen Niveau mit hohen Mietaufschlägen nicht möglich“. Es gehe vor allem darum, Verdrängung zu vermeiden, sagt Sabine Recker, Leiterin des Referats für bezahlbares Wohnen im Rathaus. Und: „Neubau ist in der Regel teuer, deshalb ist es wichtig, dass günstiger Wohnraum erhalten bleibt.“ Im Instrumentenkoffer der Stadtverwaltung finden sich viele verschiedene Werkzeuge, um bestehende Wohnungen zu erhalten. Die soziale Erhaltungssatzung soll verhindern, dass Bewohner·innen eines bestimmten Milieus verdrängt werden. Besonders dann, wenn Bestandsgebäude saniert oder modernisiert werden und die Kosten durch Mieterhöhungen auf die Mieter·innen umgelegt oder die Mietwohnungen danach in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Bei der städtebaulichen Erhaltungssatzung sollen charakteristische Häuser vor Abriss, Umbau oder Nutzungsänderung geschützt werden.


Kommunen

Hinzu kommen das Vorkaufsrecht der Stadt und das Zweckentfremdungsverbot. Das soll die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen, Praxen oder Büros ausbremsen. Seit Mitte Februar sind die Strafen bei Verstößen auf 100.000 Euro verdoppelt worden. Zusätzlich dazu sind im Internet auffindbare Anbieter von Ferienwohnungen nun verpflichtet, Auskunft über das bestehende Angebot zu geben. Alle fünf Jahre lässt die Stadtverwaltung das Stadtgebiet analysieren und überprüfen, ob bestehende Satzungen verlängert werden, auslaufen oder neue Gebiete mit Satzungen belegt werden sollen. In St. Georgen etwa wird derzeit eine bestehende Satzung überprüft. Letztlich entscheidet der Gemeinderat. Zwischen 20 und 30 Indikatoren würden für diese Analysen herangezogen. Dazu zählen auch die Einkommen der Bewohner·innen, der Ausstattungsstand und der bauliche Zustand der Gebäude. Als Beispiel nennt Rebecca Tömke vom APS „ein Gebiet, das überwiegend von Familien bewohnt wird. Werden diese durch steigende Mieten verdrängt, werden vielleicht nicht nur geschaffene Kindergartenplätze in

„Das wirkt sich städtebaulich negativ aus“ diesem Gebiet nicht mehr benötigt. Das wirkt sich städtebaulich negativ aus, da die Infrastruktur dann an anderer Stelle fehlt.“ Derzeit stehen fünf Gebiete in Freiburg unter Erhaltungsschutz, drei davon unter Milieuschutz: Neben dem Stühlinger sind das eine Fläche an der Haslacher Uferstraße und eine am Imberyweg in St. Georgen. Zwei weitere (Waldsee und die südöstliche Altstadt) sind durch städtebauliche Erhaltungssatzungen geschützt. Im Kernbereich Haslach östlich der Güterbahnlinie, in der westlichen Unterwiehre und an der Quäkerstraße sind soziale Erhaltungssatzungen aktuell in der Prüfung. Ein Blick über den Tellerrand offenbart, dass das Heidelberger Rathaus Ende 2016 auch ein Zweckentfremdungsverbot eingeführt hat, zudem werde derzeit eine Milieuschutzsatzung geprüft. Klagen habe es bisher nicht gegeben. In Konstanz gilt das Zweckentfremdungsverbot seit März 2015. Seitdem konnten nach Rathaus-Angaben rund 100 Räumlichkeiten wieder zu Wohnungen umgewandelt werden. Auch hier habe es bisher keine Klagen gegeben. In Freiburg bereitet indes jetzt auch die Stuckert Wohnbau AG eine Klage gegen das Rathaus vor, was das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Im geplanten Neubaugebiet Hinter den Gärten im Stadtteil Tiengen hatte Stuckert drei Grundstücke von Privaten erworben. Die Stadt zog das Vorkaufsrecht. Und muss dafür 1,94 Millionen Euro berappen. Sogar der Tiengener Ortschaftsrat sprach sich mehrheitlich dagegen aus.

Kristina Uhl/bar


Stadion Freiburg

Keine Attacke gegen den VGH

Stadt und SC akzeptieren vorerst Abendspielverbot

Bald fertig: Die neue Arena des SC Freiburg wird am Ende mehr als 76,5 Millionen Euro kosten.

Foto: © Julia Rumbach

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as Freiburger Rathaus und der SC Freiburg werden vorerst keinen Nachtrag zum Bauantrag für die neue Arena am Flugplatz stellen. Damit gilt bis auf Weiteres das vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH) ausgesprochene Abend- und Sonntagmittag-Spielverbot im fast fertigen Stadion. „Wir sind nach eingehender Prüfung zu dem Schluss gekommen, erst einmal den Fortgang des Gerichtsverfahrens abzuwarten“, sagt Baubürgermeister Martin Haag auf Anfrage. Einen Änderungsantrag könne man zu einem späteren Zeitpunkt einspielen, „sofern es aus unserer Sicht zielführend erscheint“. Der VGH hatte im vergangenen September in einem Eilverfahren einen Be-

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schluss veröffentlicht, nach dem in der nagelneuen, „schön engen Hütte“ (SCCoach Christian Streich) keine Bundesliga-Spiele nach 20 Uhr und am Sonntag zwischen 13 und 15 Uhr angepfiffen werden dürfen. Denn Bundesliga-Spiele seien in der Baugenehmigung „wahrscheinlich zu Unrecht als seltene Ereignisse im Sinne der Sportanlagenlärmschutzverordnung eingestuft worden“. Damit hatte der 3. Senat den sechs wegen Lärmbelastungen klagenden Anwohnern teilweise Recht gegeben. Pokal- und Europa-League-Spiele sind indes nicht betroffen, weil diese zweifelsohne seltene Ereignisse sind. Das Freiburger Regierungspräsidium (RP), das Rathaus und auch der SC hatten sich – nach diplomatischen Dehnübungen – öffentlich „überrascht“ vom Urteil gezeigt. Nicht zu-

letzt, weil der VGH damit von oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in anderen Bundesländern abweicht. Seinerzeit hatte das RP dem Freiburger Stadtmagazin chilli mitgeteilt, es würde nun juristisch geprüft, ob durch eine Änderung der Baugenehmigung auch eine Änderung des Beschlusses erreichbar sei. Diesen Konter haben die Verantwortlichen nun schon in der eigenen Hälfte abgebrochen und warten stattdessen auf die Entscheidung im Hauptverfahren, das immer noch beim Verwaltungsgericht in Freiburg anhängig ist und – nach einem personellen Wechsel auf dem Spielfeld – auch erst im zweiten Halbjahr wieder auf die Tagesordnung kommt. Wenn dieses Verfahren bis in die letzte Instanz ausgefochten wird, kann die


Stadion Freiburg

2017

2016

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2014

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Das Sadion, der Zeitstrahl 11. Dezember 2012: Der Freiburger Gemeinderat beschließt, dass drei Neubaustandorte für ein neues SC-Stadion geprüft werden sollen: Hettlinger, Hirschmatten und Flugplatz. 18. November 2014: Nach jahrelangen Debatten fällt der Freiburger Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss für ein neues Fußballstadion am Flugplatz. Dezember 2014: Der Gemeinderat berät über die Drucksache G-14/ 183. In der Anlage 3 ist das Finanzierungskonzept erklärt. Nach einer Kostenschätzung des Instituts für Sportstättenberatung (IFS) kostet das Stadion mit 35.000 Plätzen und zwei Nebenplätzen „maximal“ 70 Millionen Euro netto. 1. Februar 2015: Beim fünften Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt stimmen 45.629 Wähler oder 58,2 Prozent für, 32.790 gegen ein neues Stadion für den SC. Die Wahlbeteiligung liegt bei 46,5 Prozent. Beim Bürgerentscheid gegen den hoch umstrittenen Verkauf der Freiburger Stadtbau GmbH waren es nicht einmal 40 Prozent. Der SC will das neue Rund 2019 einweihen. Januar 2016: Der Gemeinderat entscheidet über die Gründung einer „Stadion Freiburg Objektträger GmbH & Co. KG“. Die SFG wird das Stadion bauen und ist nach dessen Fertigstellung Eigentümerin und Verpächterin der Fußballarena. April 2016: Der Aufsichtsrat der SFG konstituiert sich, die neue Gesellschaft nimmt ihre Arbeit auf und bereitet die europaweite Ausschreibung für das Bieterverfahren mit Planung und Bau des Stadionprojekts aus einer Hand vor. April 2017: Das Stadion wird drei Millionen Euro teurer. Der SC erklärt, die Mehrkosten selbst zu tragen.

Die neue Arena in Zahlen Kapazität: 34.700 Zuschauer Sitzplätze: 22.300 Hospitality-Plätze: 2000 davon 200 in 20 Logen Stehplätze (36 %): 12.400 Stehplätze Südtribüne: 8000 Rollstuhlplätze: 144 Parkplätze Pkw/Bus: 2100 Fahrradstellplätze: 3700

Offizielle Kosten Stadion: 76,5 Mio. Euro Offizielle Kosten Infrastruktur: 50 Mio. Euro Baubeginn: November 2018 Eigentümer/in: Stadion Freiburg Objektträger GmbH & Co. KG (SFG) Betreiber: SC Freiburg Anzeigen

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Stadion Freiburg

Juli 2017: Die Arena wird noch einmal 3,5 Millionen Euro teurer. Die Preissteigerung gegenüber dem ersten Ansatz von 61 Millionen Euro (ohne die 9 Millionen teure Innenausstattung), liegt jetzt bei über zehn Prozent. Erneut übernimmt der SC die Kosten – muss er auch, schließlich hatten die Bürger beim Entscheid auch über den Finanzplan abgestimmt. Der SC glaubt weiterhin an eine Eröffnung zur Saison 2019/2020. Das Magazin Bauen & Wohnen hatte dies in einem Kommentar bereits im August 2016 als „sehr sportlich“ bezeichnet. August 2017: Vertreter des SC und der Stadtverwaltung stellen den Siegerentwurf für das neue Stadion vor. Es gewinnt der Totalunternehmer Köster GmbH aus Osnabrück, der den Entwurf von HPP Architekten GmbH aus Düsseldorf umsetzt. 23. Oktober 2017: Das Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart bestätigt die Einschätzung der Gesellschaft für Luftverkehrsforschung (GFL), dass ein sicheres Nebeneinander von Stadion und Flugbetrieb am Wolfsbuck möglich ist. Dies war von mehreren Seiten, auch von einem Mitarbeiter des Referats für Luftverkehr und Luftsicherheit im Regierungspräsidium, angezweifelt worden. Ende Juli 2018: Der Gemeinderat beschließt mit vier Gegenstimmen den Bebauungsplan. September 2018: Der Gemeinderat verabschiedet die nötige Änderung des Flächennutzungsplans. November 2018: Der Bebauungsplan tritt in Kraft, das Regierungspräsidium erteilt am 16. November die Baugenehmigung. Fünf Anwohnerinnen und ein Anwohner reichen gegen die Baugenehmigung beim VG Freiburg und gegen den Bebauungsplan beim VGH Mannheim Eilanträge ein. März 2019: Die Segelflieger ziehen ihre Klagen gegen das SC-Stadion auf dem Flugplatz zurück. Rathaus und Flieger hatten sich auf eine neue Start- und Landebahn geeinigt, die die bisherige ersetzt. Das RP Stuttgart hatte die Verlegung genehmigt. Das Verwaltungsgericht Freiburg lehnt im Eilverfahren einen Baustopp ab. 29. März 2019: Die Grundsteinlegung mit mehr als 500 Gästen war vermutlich die größte in der Geschichte der Stadt Freiburg. Mai 2019: Das Verwaltungsgericht Freiburg lehnt in einem Eilverfahren die Anträge von fünf Anwohnerinnen und einem Anwohner gegen die Baugenehmigung ab. Die Arbeiten dürfen wie geplant weiterlaufen, aber auch das Hauptverfahren läuft weiter. 23. Oktober 2019 morgens: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim untersagt im anderen Eilverfahren, angestrengt von sechs Anwohnern, Fußballspiele 10 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

Verlängerung auch zwei, drei Jahre dauern. So lange „werden wir die rechtlichen Rahmenbedingungen selbstverständlich einhalten“, sagt Haag. Wie lange es noch dauert, bis die Arena endgültig fertig ist, ist derweil noch ungewiss. Der SC wird die aktuelle Runde im Schwarzwald-Stadion zu Ende spielen und hält nun ein Eröffnungsspiel im neuen zu Beginn der neuen Saison für „realistisch“. Aktuell wird im Hauptgebäude mit der neuen Geschäftsstelle, den Business-Bereichen, dem Fanshop und sportlichen Funktionsbereichen noch gewerkelt, etwa an der Elektrik oder der Haustechnik. Peu à peu übergibt der Totalunternehmer Köster aus Osnabrück aber auch einzelne Räume an den Verein, zuletzt etwa die des Ordnungsdienstes, die Polizeiwache, die Mannschaftskabinen oder auch die Ruheräume für die Profis. Ursprünglich wollte der SC schon zum Saisonbeginn 2019/2020 am Wolfsbuck spielen, dann ein Jahr später, sodann zur aktuellen Rückrunde, nun wird es wohl der August 2021. Die Verzögerungen nach dem Baustart hat

Es werden harte Kämpfe um Nachträge ausgefochten hauptsächlich Köster zu verantworten, der es durch die Pandemie aber auch besonders schwer hatte, den Bauzeitenplan umzusetzen. Aber es gibt auch Sonderwünsche des Vereins, die Zeit kosten. Nach chilli-Informationen gab und gibt es hinter den Kulissen ein intensives Ringen um Nachträge, die zwar auf jeder Baustelle an der Tagesordnung sind, beim Stadionneubau aber längst siebenstellig sind. Allein ein Gewerk hat nach chilli-Informationen rund eine halbe Million Euro angemeldet. Auch planerisch soll nicht jede Leitung bis zu Ende gedacht worden sein. Wenn in der Ausschreibung eines Kiosks eine Frischwasserleitung nur bis zur Außenwand geführt wird, dann hört der Haustechniker auch dort genau auf. Dort aber braucht man das Wasser nicht. Es wird sicher bis in eine dritte oder vierte Halbzeit gehen, bis nach einem harten Kampf alle mehr oder weniger zufrieden nach Hause gehen. Der SC möchte sich weder zu den finanziellen Details äußern noch zur Zusammenarbeit mit Köster. Die Mehrkosten dürfen jedenfalls nicht im Rathaus auflaufen, denn sonst würde das ganze Verfahren mit Bürgerentscheid und gemeinderätlich verabschiedeten Finanzierungskonzepten infrage gestellt. Auf der Habenseite kann der Sport-Club verbuchen, dass er mehr als 100 neue Sponsoren gewonnen hat und auch kräftige Mehrerlöse aus der Vermarktung der größeren Anzahl an Business-Seats. Einen Namenssponsor für die neue Arena gibt es indes auch heute noch nicht.

Lars Bargmann



2020

2019

Stadion Freiburg

am Abend nach 22 Uhr und Sonntagmittag zwischen 13 und 15 Uhr wegen des Lärmschutzes. Die Pressemitteilung verursacht national und international Aufsehen. 23. Oktober 2019 nachmittags. Der VGH muss nach Zurufen aus Freiburg zurückrudern: Es bestehe die Möglichkeit eines Fehlers. Der dritte Senat hatte sich bei seiner Entscheidung nicht auf die aktuelle Verordnung zum Lärmschutz für Sportanlagen bezogen. Eine Blamage für den Senat. Dezember 2019: Die 34 Meter lange und 21 Tonnen schwere Brücke über die Suwonallee wird freigegeben. Februar 2020: Der Rohbau ist fertig. Noch immer glauben die Verantwortlichen, dass das Bauvorhaben bis zum August fertig sein wird. Baubürgermeister Martin Haag spricht am 12. Februar aber von einem, „extrem ambitionierten Zeitplan“. Der SC beantragt bei der DFL auch eine erneute Lizenz fürs Schwarzwaldstadion. 5. März 2020: Das Richtfest wird gefeiert. 20. Mai 2020: Der VGH gibt der Anhörungsrüge des Landes Baden-Württemberg zur Zulassung von Spielen im neuen SC-Stadion in vollem Umfang statt. Damit ist die Entscheidung vom 23. Oktober 2019 nichtig. Es wird neu entschieden. Anzeige

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Nachhaltigkeit am Hochreck Der SC will ein „klimaneutrales“ Stadion bauen Die Stadion Freiburg Objektträger GmbH & Co. KG (SFG) hat sich mit einem „klimaneutralen“ Stadion ein hohes Ziel gesetzt. Im Betrieb wohlgemerkt. Der Bau der neuen Arena am Flugplatz hat einen mächtigen CO2Fußabdruck hinterlassen. Doch auch ein klimaneutraler Betrieb ist Nachhaltigkeit am Hochreck. Der regionale Energieversorger Badenova hat für ein innovatives Konzept 250.000 Euro aus seinem Innovationsfonds zur Verfügung gestellt. Wie der Stand der Planungen ist, dazu wollte sich Badenova-Sprecher Roland Weis auf Anfrage nicht äußern: Es gebe eine Vereinbarung mit dem SC, der das Thema mit der Badenova und Oberbürgermeister Martin Horn voraussichtlich im Mai auf einer gemeinsamen Presseveranstaltung gesamthaft vorstellen will. Vorher, so Weis, könne er keine Details nennen. Geplant war, das Stadion nebst allen Gebäuden ins Wärmenetz aus dem benachbarten Industriegebiet Nord – manche nennen es auch „Green Industry Park“ – einzubinden. Dann würde die ohnehin entstehende Abwär-

me aus den Produktionsanlagen der Cerdia GmbH, bis April 2019 Rhodia Acetow GmbH, genutzt werden können. Laut Gutachtern würde das jährlich 550 Tonnen CO2 im Vergleich zu einer regulären Heizung einsparen. Um den Stromhunger umweltfreundlicher stillen zu können, sind große Solaranlagen geplant. Auf den Dächern, am eineinhalb Kilometer langen Trennzaun zum Flugplatz, über den Parkplätzen von Rädern und Autos. So stand es jedenfalls im Entwurf des Bebauungsplans. Erstmals sprach Horn bei der Grundsteinlegung im März 2017 von der womöglich weltweit größten Stadion-Solaranlage. Die taktische Herausforderung ist, an winterlichen Spieltagen, wenn Flutlicht und Rasenheizung gleichzeitig laufen müssen, diese Energie „klimaneutral“ einzuspeisen. Das wäre championsleague-verdächtig. An einem Spieltag braucht die neue Arena rund fünf Mal so viel Energie wie im Alltagsbetrieb. Ein nur rechnerisch klimaneutrales Stadion zu betreiben, dürfte hingegen eher einem Freundschaftsspiel gleichen. bar



2021

15. September 2020: Der VGH veröffentlicht einen Beschluss vom 20. August, nachdem im neuen Stadion trotzdem keine Bundesliga-Spiele ab 20 Uhr und am Sonntag zwischen 13 und 15 Uhr angepfiffen werden dürfen. Dieses Mal aber mit einer anderen Begründung: Bundesliga-Spiele seien „wahrscheinlich zu Unrecht als seltene Ereignisse im Sinne der Sportanlagenlärmschutzverordnung eingestuft worden“, so der VGH jetzt. Er erklärt den Beschluss statutengemäß erneut als unanfechtbar. Aus dem Freiburger RP heißt es diplomatisch, dass der VGH damit „überraschend von oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in anderen Bundesländern abweicht“. Die Juristen arbeiten weiter an dem Fall. Gegebenenfalls ist das Multi-Millionen-Dilemma durch einen Nachtrag zum Bauantrag zu heilen. Wenn BundesligaSpiele seltene Ereignisse sind, dürfen sie mehr Lärm machen. Das Hauptsachverfahren ist weiter am Verwaltungsgericht in Freiburg anhängig. Dort heißt es, die Sache werde im zweiten Quartal verhandelt. Landet der Rechtsstreit anschließend final beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, gehen schnell zwei, drei Jahre ins Land. Bis dahin aber gilt das Verbot. Darauf will das RP nicht warten. 2. Oktober 2020: Die Suwonallee wird nach 18 Monaten Bauzeit für den Verkehr freigegeben. 25. November 2020: Der Rollrasen wird verlegt. 7. April 2021: Baubürgermeister Martin Haag erklärt, dass Rathaus und SC vorerst keinen Nachtrag zum Bauantrag stellen: „Wir sind nach eingehender Prüfung zu dem Schluss gekommen, erst einmal den Fortgang des Gerichtsverfahrens abzuwarten.“ Damit gilt bis auf Weiteres das vom VGH ausgesprochene Abend- und Sonntagmittag-Spielverbot in der nagelneuen Arena. Fast 80 Millionen Euro an Investitionen für eine eingeschränkte Nutzbarkeit. bar Anzeige

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Foto: © Knopf Haustechnik

2020

Stadion Freiburg

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40 Kilometer Rohre Knopf Haustechnik beweist Sportsgeist beim SC-Neubau

A

ls Alfred Kraus 1948 die heutige Firma Knopf Haustechnik gründete, spielte der SC Freiburg noch in der Zonenliga Süd. Heute spielen die Freiburger erstklassig und das Unternehmen Knopf aus dem Bühlertal spielt beim Neubau der Arena auch in der ersten Reihe mit. Denn Knopf Haustechnik zeichnet in der 76,5 Millionen Euro teuren Arena für alles verantwortlich, was mit der Heizung, den sanitären Anlagen und der Kühlung zu tun hat. „Man freut sich natürlich schon, wenn man so einen Auftrag bekommt“, so Firmeninhaber Jürgen Knopf, das Stadion sei „in jeder Hinsicht eine ganz besondere Baustelle“. Insgesamt verbaute die Firma mehr als 40 Kilometer Rohre. Die Arena ist mit einer Fernwärmestation direkt ans Heiznetz der Badenova angeschlossen und wird von dort mit einer Grundtemperatur von 45 Grad Celsius gewärmt. Um die Heizlast abzudecken, sind vor allem Flächenheizungen installiert worden. Um die hygienischen Anforderungen für Trinkwasser und auch Heißwasser zu erfüllen, verbaute die Firma eine Sole/Wasser-Wärmepumpe mit dem neuen Kältemittel R1234ze für Temperaturen bis zu 90 Grad. „Durch die intervallmäßige Nutzung des Stadions haben wir speziell auf die Hygienespülung Rücksicht genommen und auf Stichleitungen komplett verzichtet“, erzählt Knopf. Alle Trinkwasseranschlüsse seien in Edelstahlrohren ausgeführt worden: „Für uns als verantwortungsbewusstes Unternehmen, war es wichtig, den Sportlern, Betreuern und Funktionären beim Trinkwasser, vor allem bei den Duschen optimale hygienische Voraussetzungen zu schaffen.“ Knopf stand beim Bau schon selber in der Kabine von SCCoach Christian Streich, und auch die Profis spielen auf seinen Installationen, denn Knopf installierte auch die hydraulisch gesteuerte Rasenheizung. Aktuell arbeitet das Unternehmen noch ein paar Sonderwünsche des Bauherren ab. Wenn aber bald das erste Spiel vor Fans in der neuen Arena angepfiffen wird, wird auch Jürgen Knopf da sein. Der Mann ist SC-Fan und Dauerkartenbesitzer.



Kommunen

Käufer ziehen vor den Kadi

Klage gegean Heitersheimer Rathaus

Bebauungsplan Staaden III: Belastete Böden, belastete Stimmung

Montage: business im Breisgau; Map: © DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies, 2020; Bebauungsplan: Stadt Heitersheim

Bebauungsplan „Staaden III“

N

achdem alle Schlichtungsversuche gescheitert sind, landet der Streit um rechtlich fragwürdige Grundstückskaufverträge zwischen der Stadt Heitersheim und privaten Käufern (wir berichteten exklusiv) nun vor dem Gericht. Die Staufener Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill & Kollegen vertritt dabei neun Parteien. Es geht um Schadensersatz in sechsstelliger Höhe. Parallel ermittelt derweil die Freiburger Staatsanwaltschaft gegen den früheren Bürgermeister Martin Löffler. Das Rathaus hatte in 19 Kaufverträgen mit privaten Käufern erklärt, dass

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ihm „schädliche Bodenveränderungen und Altlasten des Grundstücks nicht bekannt sind“. Unterzeichnet wurden sie 2019. Schon drei Jahre zuvor aber hatte das Freiburger Büro HPC fürs Rathaus ein Bodengutachten erstellt. „Aufgrund eines starken Bleigehalts in der Probe MP1 sind die Auffüllungen abfalltechnisch in eine Qualitätsstufe höher als Z2 einzuordnen“, heißt es darin etwa. Z2 ist die höchst belastete Kategorie. Der Bodenaushub könne keinesfalls ohne weitere Prüfungen entsorgt werden. Das bestätigte sich: Einige Käufer wollten den Aushub in der Region entsorgen, wurden aber wieder nach Hause geschickt: zu hoch belastet. Sodann wandten sie sich an Steiger,

Schill & Kollegen. Durch einen Bericht im Magazin „Bauen & Wohnen“ wurde die Angelegenheit öffentlich. Die Fraktion „Zusammen für Heitersheim“ (ZfH) zitierte in der Amtsblattausgabe vom 2. Oktober aus dem Artikel „Rechtsstreit im Rathaus“. „Dieses rechtswidrige Vorgehen ist unserer Stadt unwürdig. ZfH fordert Aufklärung und die Benennung der Verantwortlichen. Regressforderungen gegen diese müssen nun juristisch eingeleitet werden“, so Fraktionssprecher Bernhard Walz. Am 8. Dezember machte Schill dem Anwalt des Rathauses, Tobias Lieber von der Kanzlei Fridrich Bannasch & Partner, den ersten Vergleichsvorschlag:


Kommunen

Das Rathaus gibt 30 Prozent Nachlass auf den Kaufpreis und übernimmt die Anwaltskosten der Käufer und diese zahlen für die Entsorgung des belasteten Materials 30 Euro pro Kubikmeter an die Stadt. Diesen Preis hatte das Rathaus nach der ersten Veröffentlichung angeboten. Allerdings ohne eine Reduzierung des Kaufpreises. Oder: Das Rathaus gibt 20 Prozent auf den Kaufpreis und übernimmt die Entsorgung selbst. Am 21. Januar schrieb Lieber zurück, dass der Gemeinderat das Angebot ablehne, aber ein Gegenangebot mache: Zehn Prozent Nachlass auf den Kaufpreis, verrechnet mit den 30 Euro pro Kubikmeter Aushub. Ausgenommen seien jene Käufer, die das Bodengutachten zum Zeitpunkt des Notartermins nachweislich gekannt haben – was nebenbei bemerkt die umstrittenen Kaufverträge aber auch nicht besser machen würde. Am 3. Februar antwortete Schill, dass seine Mandanten das Gegenangebot ablehnen. Bevor sie nun die Klage anstrengten, schlagen sie als finalen Vergleichsversuch vor: 15 Prozent auf den Kaufpreis, die Gemeinde kommt für die Entsorgung und die Anwaltskosten auf. Drei Wochen später meldete Lieber, dass der Gemeinderat auch das abgelehnt habe. „Wir werden nun nach Ostern eine Feststellungsklage

einreichen“, sagt Schill. Das Gericht möge darin den Grund und auch die Höhe des Schadens feststellen. Parallel ermittelt in der Sache auch die Freiburger Staatsanwaltschaft, wie die Erste Staatsanwältin Martina Wilke auf Anfrage bestätigt. Und zwar gegen den früheren Heitersheimer Bürgermeister Martin Löffler, unter dessen Amtszeit die Kaufverträge seinerzeit protokolliert worden waren. Anlass ist ein der Redaktion vorliegendes strafrechtliches Gutachten der Kanzlei Gillmeister Rode Schmedding. Darin heißt es: „Der Abschluss der Kaufverträge erfüllt sowohl die Voraussetzungen eines Betruges als auch einer Untreue.“ Löffler ist seit Januar 2020 Bürgermeister der Stadt Müllheim. Sein Nachfolger Christoph Zachow hat das Gutachten von sich aus zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft geschickt. „Die Ermittlungen dauern an“, so Wilke. Ob sich dabei ein „hinreichender Tatverdacht für strafbares Verhalten ergibt“, sei noch offen.

Voraussetzungen für Betrug und Untreue

Lars Bargmann

Mehr zum Thema Die Geschichte „Weiter Zoff im Heitersheimer Rathaus“ finden Sie hier: https://bit.ly/3dLv6az

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chilli | bauen & wohnen | 04.2021 | 17


Stadtentwicklung

EMD testet Interesse an Dietenbach Neue Homepage dient auch als Verhandlungsmasse

Ingmar Roth (l.) und Martin Haag vor der während der Pressekonferenz live geschalteten Website.

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Foto: © bar

ie Freiburger SparkassenTochter Entwicklungsmaßnahme Dietenbach GmbH & Co. KG (EMD) hat am 9. April eine Informations- und Vermarktungsplattform für den neuen Stadtteil Dietenbach freigeschaltet. „Es geht uns darum, gezielt mit den Interessenten in Interaktion zu treten, die dort künftig wohnen, bauen oder investieren wollen“, so EMDGeschäftsführer Ingmar Roth. Die Seite dietenbach-freiburg.de bündelt Informationen für alle, die im Dietenbach aktiv werden wollen. Das eigentliche Ziel aber ist, herauszufinden, wie groß überhaupt das Interesse der Bevölkerung und auch der Bauherren am Stadtteil ist. Um letztlich damit eine neue Basis für die bevorstehenden, sicher nicht nur harmonisch verlaufenden Verhandlungen mit dem Rathaus zu haben (wir berichteten), wenn es um den Preis der Grundstücke geht – und die Bedingungen, nach denen auf diesen gebaut werden kann. Die EMD habe mittlerweile alle Grundstücke von Privaten optioniert – bis auf zwei von komplexen Erbengemeinschaften. „Diese Phase ist nun abgeschlossen“, sagte Roth unlängst vor 18 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

Journalisten. Der Sparkassen-Tochter gehe es nun darum, die wirtschaftlichen Eckdaten zu konkretisieren. Dabei spielt auch die neue Homepage eine Rolle. Bis Ende des Jahres will die EMD mit dem Rathaus „wesentliche Eckpunkte“ für die Ende 2022 abzuschließende Abwendungsvereinbarung erarbeitet haben. In dieser werden etwa die Regeln zur Vermarktung zwischen EMD und Rathaus abgestimmt. Die Grundstücke dürfen dabei nur entsprechend der 2018 durch den Gemeinderat beschlossenen Ziele und Zwecke der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme bebaut werden. Im Kern aber geht es ums Geld. Baubürgermeister Martin Haag macht sich um die Vermarktung des neuen Stadtteils insgesamt keine großen Sorgen: „Ich schlafe ruhig, aber man kann natürlich auch anderer Auffassung sein.“ Durch die neue Plattform werde man „sicherlich nicht dümmer“, auch wenn die dort eingesammelten Informationen noch unverbindlich blieben. Das Rathaus ziehe mit der EMD nicht nur am gleichen Strang, sondern auch noch in die gleiche Richtung. Die „Markterkundung“ gebe auch der Stadtverwaltung wertvolle Hinweise über die Bedarfslage

und ergänze die Erkenntnisse aus der gutachterlichen Wohnungsmarktanalyse, den laufenden Beteiligungsprozessen mit den Dialogbürger·innen und der Freiburg-Umfrage von 2020 zum Thema Wohnraumversorgung. Roth erhofft sich von der – durchaus elaborierten – Seite, dass aus den gesammelten Daten Vorhersagemodelle entwickelt und in die weitere Planung implementiert werden. Auf konkrete Grundstücke können sich sowohl Bauträger, Baugruppen, Genossenschaften, Mietshäusersyndikate oder Projektentwickler noch nicht bewerben. Ebenso wenig wie Käufer oder Mietinteressenten von Wohnungen oder auch gewerblichen Flächen. Haag rechnet damit, dass die Vermarktung des ersten von sechs Bauabschnitten auf 58 Hektar Bauland Ende 2022 startet. Die ersten Wohnungen könnten Ende 2025 bezogen werden. Der Preis für einen Qua­ dratmeter Bauland liegt mittlerweile bei 1080 Euro. Lars Bargmann

Mehr zu Dietenbach Unsere beiden jüngsten Geschichten zum Dietenbach lesen Sie hier: www.bit.ly/3s01ifu www.bit.ly/2OBHYYd


Radverkehr

Im Fokus: Der Rad- und Fußweg am Hauptfriedhof

Ärger um Radweg Debatte um Ausbau des FR3 am Hauptfriedhof

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Foto: © Till Neumann

üssen die Autoparkplätze weg oder nicht? Darum wird beim Bau der dritten Freiburger Radvorrangroute FR3 am Hauptfriedhof gestritten. Das Garten- und Tiefbauamt (GuT) schlägt Kritikern nun einen Kompromiss vor. Mit viel Tempo durch Freiburg radeln – das sollen die Radvorrangrouten ermöglichen. FR1 (entlang der Dreisam) und FR2 (entlang der Bahnstrecke) machen das vor. Jetzt baut das Garten- und Tiefbauamt die dritte Strecke, den FR3. Er soll über 5,5 Kilometer von Zähringen durch den Stühlinger ins Vaubanviertel führen. Die Planungen zum Streckenabschnitt an der Friedhofstraße vor dem Hauptfriedhof erhitzen die Gemüter. Der Grund: Das Rathaus wollte dort von selbst gesetzten Standards abweichen. Statt 2 Meter Radweg- und 2,5 Meter Fußweg-Breite sollten es in Nord-Süd-Richtung entlang der Friedhofsmauer nur je 1,50 Meter werden. Greenpeace Freiburg und der Regionalverband in Südbaden des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) kritisierten: Das ist zu eng. Sie fordern wie auch die Gemeinderatsfraktion „Eine Stadt für alle“ und Stadtrat WolfDieter Winkler von Freiburg Lebenswert, den Radweg auf den parallel verlaufenden Kfz-Parkstreifen zu verlegen. Das sei einfach umsetzbar und kostengünstig. Das GuT möchte das jedoch nicht. Die Parkplätze würden für Friedhofsbesucher gebraucht: „Wir halten eine Beerdigung nicht für den geeigneten Moment, den Besucher·innen vorzugeben, mit welchem Verkehrsmittel sie anreisen sollen.“ Bei einer Ortsbegehung mit Gemeinderät·innen hat das GuT Mitte April einen Kompromiss unterbreitet: Er sieht vor, den Radweg entlang des Hauptfriedhofs um einen Meter zu verbreitern. So könne ein zwei Meter breiter Radweg entstehen – neben einem zwei Meter breiten Fußweg. Einzelne Bäume müssten hierfür gefällt werden. Ersatzpflanzungen vor Ort könnten das kompensieren. Auch den Vorwurf, der Radweg-Bau würde hier 5700 Euro pro Meter kosten, wehrt das Amt ab: Die Kosten von fünf Millionen Euro für den Abschnitt verteilten sich auf 1800

Meter Strecke (je 900 Meter in beide Richtungen). Das ergibt 4440 Euro pro Meter. Doch die Rechnung sei zu kurz gegriffen. Denn im Zuge der Arbeiten sollen unter anderem auch Stadtbahngleise verlegt und die Haltestelle Hauptfriedhof barrierefrei werden. Das GuT verweist zudem darauf, keineswegs generell auf Autoparkplätz zu bestehen: Für den FR2 auf der anderen Seite des Friedhofs seien 90 Autoparkplätze ersatzlos gestrichen worden. Till Neumann Anzeige

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Bauträger

Zwei Großprojekte: In Achern baut Stuckert nicht nur Häuser, sondern auch einen attraktiven Quartiersplatz. Auf dem Burda-Areal in Offenburg feilen die Gundelfinger noch am Siegerentwurf.

Ein Glücksfall am Fluss

Stuckert Wohnbau entwickelt derzeit mehr als elf Fußballfelder

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Visualisierungen: © Stuckert Wohnbau, Mo Re Architekten

n Freiburg ist der Ruf nach neuen Bauflächen seit Jahren laut, verhallt aber zumeist mangels freier Flächen oder baurechtlichen Problemen. Die Stuckert Wohnbau AG baut zwar derzeit auf dem Güterbahnhof das Projekt My Urban Living und hat auch noch ein weiteres Grundstück in der Hinterhand, richtig groß aber wird es im Umland, wo das Gundelfinger Unternehmen derzeit gut acht Hektar in der Planung oder bereits im Bau hat. Das sind elf Fußballfelder. Das größte Bauvorhaben liegt in Achern direkt am gleichnamigen Fluss. Hier setzt Stuckert zum Auftakt auf die eigenkreierte und preisbewusste Linie Avantum. Die Erschließung des 3,5 Hektar großen Areals ist so gut wie fertig, ein durchschnittlicher Quadratmeter Neubau kostet hier rund 4000 Euro. Im ersten Bauabschnitt gibt es drei Häuser mit 30 Eigentumswohnungen, drei Viertel sind bereits verkauft. Einziehen können die neuen Eigentümer voraussichtlich Ende des Jahres. Im zweiten Baufeld gibt es aktuell 20 Reihenhäuser, im dritten 43 Wohnungen

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in vier Gebäuden. Insgesamt baut Stuckert im Quartier Glashütte 350 Wohnungen, 55 Reihenhäuser und einen großen Quartiersplatz mit Brunnen. Der Platz sollte nach dem Willen des Achener Oberbürgermeisters Klaus Muttach eigentlich Champagnerplatz heißen, weil die einstige Glashütte an dieser Stelle Champagnerflaschen hergestellt hatte. Es gab aber einen kurzen Hinweis aus Frankreich, dass die Bezeichnung geschützt ist. Nun braucht es eine neue. Stuckert hatte das Areal von der bayrischen Karl-Gruppe erworben. „Ein Glücksfall“, so Stuckert-Prokurist Aribert Frece. Nur 20 Kilometer Luftlinie entfernt liegt der zweite große Entwicklungsplatz auf dem Burda-Areal. Dort hatte das Freiburger Büro MoRe Architekten einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb für eine 4,7 Hektar große Fläche gewonnen. Gebaut werden dabei von Stuckert 24 Reihenhäuser und 165 Eigentumswohnungen, wobei mehr als 30 öffentlich gefördert werden und sodann zu besonders günstigen Konditionen an Berechtigte verkauft werden. Hier, so der kaufmännische Leiter Marc Stuckert, sei es noch zu früh, um seriöse Aussagen zu den er-

wartbaren Preisen zu machen. Mit dem Baubeginn rechnet er frühestens 2023. Gut 40 Kilometer weiter südlich, am Papiergässle in Waldkirch, wachsen derweil die ersten von zehn als KfW-Effizienzhaus 55 klassifizierten Gebäuden mit 92 Eigentumswohnungen schon aus dem Keller heraus. Zwar sind erst etwa zehn Prozent des Bauvolumens erstellt, aber bereits mehr als 50 Prozent der Wohnungen haben neue Besitzer. Und schließlich kann man auf dem Güterbahnhof die Qualität des ersten von zwei Gebäuden im Projekt My Urban Living schon sehen. Die Fenster in Holzoptik stechen heraus, städtebaulich zählen die Häuser mit ihren feinen Vor- und Rücksprüngen in der Fassade zu den vorzeigenswerten auf dem Güterbahnhof. 48 der 70 Wohnungen – hier kostet ein Quadratmeter im Schnitt 7200 Euro – sind verkauft, zudem gibt es an der Eugen-Martin-Straße vier kleine Büroflächen. Auch hier baut Stuckert im KfW-55-Standard, auch hier können die Käufer 120.000 Euro zinsgünstig finanzieren und bekommen von der KfW bis zu 18.000 Euro Tilgungszuschuss.

Lars Bargmann


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Generalunternehmer

Baustoffpreise als Kalkulationsrisiko

Warum die Dürrschnabel Industriebau mehr ist, als der Name suggeriert

Bauantrag wird bald eingereicht: Geplantes Betriebsgebäude für die Firma Sexauer Sanitär und Heizung

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Visualisierung: © Dürrschnabel Industriebau

m Großen und Ganzen ist das Corona-Jahr 2020 gut gelaufen. Sagt Stefan Schäfer, Geschäftsführer der Dürrschnabel Industriebau GmbH mit Sitz in Emmendingen. Bislang gebe es auf dem Bau nur kleine Bremsspuren. Der Umsatz ging nach dem Ausreißerjahr 2019 mit 24 Millionen wieder auf das normale Niveau mit rund 13 Millionen Euro zurück. Das führt Schäfer aber nicht auf die Pandemie zurück. Der Großteil der Kunden des Generalunternehmers zählt zum Mittelstand. Hier aber, etwa im Bereich Maschinenbau, Präzisionstechnik oder auch Automobile, zeigen sich die Unternehmer mit Investitionen derzeit noch zurückhaltend. Doch die Industriebau ist schon lange mehr, als der Name suggeriert. Denn mehr und mehr gerät auch der Wohnungsbau in den Fokus. Das größte Bauvorhaben in diesem Segment steht auf dem Güterbahnhof in den Startlöchern: Für eine Projektgesellschaft aus der Kirschner Wohnbau GmbH und der Dürrschnabel Bauträger GmbH erstellen die Emmendinger demnächst ein großes Wohn- und Geschäftshaus mit 54 Eigentumswohnungen und

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rund 400 Quadratmetern Ladenflächen. Für Kirschner zudem noch ein reines Wohnhaus mit 59 Einheiten. Diese Baugenehmigung liegt nun frisch auf dem Tisch. Auf dem nördlichsten Grundstück des Areals bauen Schäfer und sein CoGeschäftsführer Markus Keune für den Reha-Verein zudem für knapp vier Millionen Euro ein Werkstattgebäude mit Wohnungen, und in der auch von der Kirschner Wohnbau GmbH erstellten Quadriga – der städtebaulich markanteste Neubau auf dem Güterbahnhof – zeichnen sie auch für den Innenausbau der beiden unteren Geschosse mit rund 3000 Quadratmetern verantwortlich. Insgesamt verbaut die Dürrschnabel allein in dem Quartier zwischen 40 und 45 Millionen Euro. In Achern ist derweil der Bau einer zehn Meter hohen und 2000 Quadratmeter großen Produktionshalle für die Betonwerk Müller GmbH & Co. KG gestartet, in der auch eine neue Mischanlage installiert wird. In Bötzingen übergibt Schäfer im Spätsommer eine neue Kfz-Werkstatt an den Eigentümer. Dort, direkt auf dem Nachbargrundstück, wird der Geschäftsführer demnächst auch noch einen Bauantrag für

ein neues, 1550 Quadratmeter großes Betriebsgebäude für die Firma Sexauer Sanitär und Heizung abgeben. Und bei Ford Ernst an der Freiburger Mooswaldallee steht demnächst schon der siebte Bauabschnitt an. Zudem sind Wohnungsprojekte in St. Georgen und an der Gehrenstraße in Haslach in der Pipeline. Neben „gewaltigen“ Genehmigungsphasen vor allem in Freiburg macht sich Schäfer aber vermehrt Sorgen um die Preisspirale bei den Baustoffen. Auf seinem Schreibtisch liegen die Ankündigungen mehrerer Händler. In der Spitze verteuern sich demnach bestimmte Produkte um 50 Prozent. Da rauchen nicht nur den Kalkulatoren – einen neuen hat Schäfer gerade eingestellt – die Köpfe. „Das ist schon prägnant. Wir müssen das in unseren Verträgen mit unseren Auftraggebern irgendwie, etwa mit Preisgleitklauseln beim Material, berücksichtigen“, sagt Schäfer. Denn anders könne man keine seriösen Pauschalangebote mehr abgeben. Aber auch er weiß, dass die Probleme in der Bauwirtschaft im Vergleich zu vielen anderen pandemiegepeinigten Branchen „Luxusprobleme“ sind. Aber auch solche wollen gelöst werden. bar



Genossenschaft

Jedes Projekt ein kleines Universum Solidarische Wohnprojekte in der Region

Für die Gemeinschaft: Die Bewohner·innen der Villa Nostra in Bad Krozingen teilen sich ihren Lebensraum.

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Fotos: © Lucia Perona

on der Idee bis zum gemeinschaftlichen Leben: Die alternativen Wohnkonzepte in der Region sind so vielfältig wie die Menschen, die sie gestalten. Drei Frauen, die in solidarischen Projekten leben oder an deren Aufbau beteiligt sind, geben Einblick in ihren Erfahrungsschatz. „Der Rückhalt unserer Gemeinschaft ist groß“, sagt Cornelia Grothe. Zusammen mit ihrem Partner und drei gemeinsamen Kindern lebt sie in der Villa Nostra in Bad Krozingen, einem bereits 1996 gegründeten Projekt des Mietshäuser Syndikats. 2015 hatte sich die kleine Familie auf die Suche

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nach einer größeren Wohnung gemacht und stieß auf die Villa. Aus Interesse wurde Begeisterung, es folgten die Bewerbung und erste KennenlernTreffen. „Geld ist beim Einzug kein Thema, es geht mehr um Vertrauen, um Sympathie, gemeinsame Lebensvorstellungen und die Zeit, die man bereit ist, in die Gemeinschaft zu investieren.“ Acht Erwachsene und sechs Kinder leben zusammen in den vier Wohnungen der Villa Nostra. Jeder hat seinen privaten Wohnungs- und Rückzugsort, gemeinschaftliche Räume wie der Garten oder die Werkstatt werden geteilt. „Wir haben aber eigentlich schon meist offene Türen, vor allem die Kin-

der halten sich viel in allen Wohnungen auf“, so die 39-Jährige. Wenn sich die Bedürfnisse – etwa durch das Alter oder den Auszug des Nachwuchses – verändern, seien die Wohnräume durch unterschiedliche Zuschnitte variierbar. „Gerade wohnen hier Menschen im Alter zwischen 2 und 42 Jahren. Aber bis vor Kurzem ging das Alter noch bis 60 Jahre.“ Das Projekt ist autonom und gehört denen, die darin wohnen. Die Mieter und Mieterinnen sind auch Gesellschafter der Villa Nostra GmbH – in Form eines Hausvereins. Sie bestimmen etwa die Höhe der Miete, wer einzieht, wie das Projekt finanziert, umgebaut oder renoviert werden soll. Ein anderer


Fotos: © Privat, Nadine Kreuz, Eva-Maria Kreis

Genossenschaft

Gesellschafter ist das Mietshäuser Syndikat, das eine Kontrollfunktion ausübt – und mittlerweile bundesweit Partner von mehr als 150 Projekten und Initiativen ist, zwei Dutzend allein in Südbaden. Wer Teil des Syndikats ist, steht ein gegen Privatisierung. Damit Bewohnende also nicht einfach beschließen, ihr Heim zu verkaufen, hat das Syndikat ein Vetorecht – dieses ist aber beschränkt auf wenige Grundsatzbeschlüsse. Bei Bedarf oder Neugründung unterstützen oder beraten sich die Mitglieder mit Erfahrung und Know-how, zusätzlich zahlen alle Beiträge in einen Solidarfonds, mit dem unter anderem neue Projekte unterstützt werden. Solidarisches Wohnen zieht an, auch die schon 1997 gegründete Wohngenossenschaft Vauban eG (Genova) ist so ein Magnet: Gründungsmotiv war seinerzeit ein selbstbestimmtes und -verwaltetes Wohnen im neuen Stadtteil. Von Anfang an war außerdem geplant, generationsübergreifend und barrierefrei zu bauen. Aus dem Traum wurde Wirklichkeit: Heute leben in den vier Wohnhäusern 113 Erwachsene und 63 Kinder, das jüngste ist zarte zwei Jahre alt, der älteste Bewohner neunzig. „Wir haben viele Anfragen, die wir gar nicht bedienen können“, bedauert Annette Brox, Gründungsmitglied und langjährige Bewohnerin der Genova-Häuser. Momentan gilt ein Aufnahmestopp. Einige Bewerbende haben deshalb die Wohngenossenschaft Esche eG gegründet, die 70 bezahlbare Wohnungen, davon mindestens 60 Prozent sozialer Wohnungsbau, im neuen Freiburger Stadtquartier Kleineschholz plant. „Derzeit wer-

Von oben nach unten: Annette Brox, Cornelia Grothe und Eva-Maria Kreis

den der Bebauungsplan und die Kriterien für die Grundstücksvergabe erarbeitet, nach Aussagen der Stadt wird die Ausschreibung Anfang bis Mitte des Jahres 2022 erfolgen“, so Hubert Hoffmann, Vorstandsmitglied der Esche eG. Dann wollen sich die Projektbeteiligten auch bewerben. Interessierte können dort aktuell noch Mitglieder werden und das Projekt unterstützen. Die Größenordnung einer eigenen Genossenschaftsgründung muss es aber gar nicht immer sein: „Jedes Projekt ist sein eigenes kleines Universum“, findet Eva-Maria Kreis vom Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen (Gewo-Netz) – eine Plattform mit Gesuchen und Angeboten von Freiburg bis Lörrach, im Schwarzwald und im Elsass. „Mir geht es auch viel um den Erfahrungsaustausch rund um Architekten, die passende Genossenschaft oder Fördermöglichkeiten.“ Eine Altersbeschränkung gebe es bei den einzelnen Projekten nicht, „alle Menschen von null bis unendlich können mitmachen“. Bei den meisten Projekten geht es um ein Miteinander, darum, kreativen und für alle Generationen gerechten Wohnraum gemeinsam zu gestalten. Die 71-Jährige selbst ist Teil des im Aufbau befindlichen Wohnhofs am Bächleweg in Ballrechten-Dottingen. Dort sollen 19 Wohnungen auf einem ehemaligen Winzerhof entstehen, offen für Familien und Alleinstehende, für Jung und Alt. Egal ob wohnen, gründen, teilhaben oder netzwerken: Es gehe darum, neue Dinge in die Welt zu bringen.

Liliane Herzberg

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Projektentwickler

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Arena über Wendeschleife? Im Umfeld der blau markierten Fläche wäre Platz.

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Abfallwirtschaft Freiburg

Unmüßig bietet Rathaus kostenloses Eisstadion an Firmengruppe würde sich auch beim Dietenbach einbringen – wenn der Bodenpreis stimmt

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Illustration: © Bauen & Wohnen

uf freiburg-dietenbach.de können sich seit 9. April auch Bauträger und Projektentwickler eintragen und hinterlegen, was sie im geplanten Stadtteil machen wollen. „Wir sind da grundsätzlich gerne dabei, aber der Preis muss stimmen“, sagt Peter Unmüßig. Auf dem Tisch liegt abseits eine Visualisierung eines neuen Eisstadions für Freiburg. Es ist zu spät, sie wegzuräumen. Oberbürgermeister Martin Horn hatte im chilli-Interview im Februar erklärt, es gebe zwei Angebote von Investoren für eine neue Eishalle. Das Rathaus kann den Bau aufgrund der klammen Kassen selber nicht stemmen. Unmüßig könnte es. Ja, er habe diversen politischen Vertretern sein Konzept vorgestellt. Die Stadt würde das reine Stadion übrigens null Euro kosten. Nur für den Betrieb müssten Stadt und Wölfe aufkommen. Aber die Multifunktionsarena bräuchte auch Flächen, die an Dritte zu vermieten sind. An einen Discounter, einen Edeka oder Rewe, an Gastronomie, Friseure, kleinere Läden. Vor allem aber brauche es rund 8000 Quadratmeter zentrenrelevanten Einzelhandel, um das Multi-Millionen-

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Projekt zu stemmen. Genau das ist der Knackpunkt: Den Verantwortlichen im Rathaus ist ihr Märkte- und Zentrenkonzept nahezu heilig – auch wenn es durchaus Stadträte gibt, die längst nicht alle Regelungen darin sinnvoll finden. „Man müsste eine partielle und temporäre Ausnahme zulassen, sonst geht es nicht“, sagt Unmüßig, der gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. Auch ein Grundstück fürs Eisstadion gebe es, an der Ecke Madisonallee und Hermann-Mitsch-Straße, dort, wo die Messetram ihre Wendeschleife fährt. Unmüßig würde es in Erbpacht übernehmen und überbauen, die Fans könnten also mit der Tram direkt unters Stadion fahren. Dazu nebendran ein oberirdisches Parkhaus mit 400 KfzStellplätzen auf einem Lebensmittel-Einzelhändler. Nun ist die Politik am Zug. Die treibt derweil die Planungen für den neuen Stadtteil Dietenbach voran. Wie die meisten anderen privaten Investoren sieht auch Unmüßig die beschlossene 50-Prozent-Quote für den sozialen Mietwohnungsbau kritisch: „Das ist zu viel, 30 Prozent gehen gerade noch, drüber wird’s ganz schnell unwirtschaftlich.“ Die Unmüssig-Gruppe, die heuer 75 Jahre alt wird, hat grundsätzlich keine Probleme mit dem Mietwohnungsbau, auch nicht mit dem geförderten:

Bei den Westarkaden waren fast 90 von 275 Wohneinheiten gefördert, bei einem aktuellen Projekt in Weinheim sind es fast 200 geförderte. Auch im Zentrum Landwasser, wo im Juni der Neubau startet, erstellt die Firma 300 Mietwohnungen, dort aber keine geförderten, weil sich das im Gesamtprojekt nicht gerechnet habe. „Wir bauen seit Jahrzehnten für Lebensversicherungen und Pensionskassen, die aus den Renditen ihre Klienten versorgen, da müssen die Randbedingungen stimmen“, sagt der Projektentwickler. Geförderter Mietwohnungsbau „in Maßen“ könne nur gelingen, wenn der Bodenpreis pro Quadratmeter Wohnfläche nicht deutlich über 500 Euro liege und auch andere Parameter stimmen. Wenn er höre, was der Stadtteil alles sein soll, klimaneutral, inklusiv, architektonisch ambitioniert, hochwertige Freiflächen und Infrastruktur, 50 Prozent sozial, preisgedämpft, dann kann sich der 70-Jährige „kaum vorstellen, dass er zur Senkung des Mietniveaus führen“ wird. Eher zum Gegenteil. Er hofft, dass sich das noch ändert. Derzeit hat die Gruppe ein Projektvolumen von zwei Milliarden Euro in der Bearbeitung. Tendenz auch eher steigend.

Lars Bargmann


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Bauträger

Ingeborg coming soon

Den Kessel nicht mehr flicken

Kirschner Wohnbau erhält Baugenehmigung

Raustauschwochen bei Badenova

Mal keine Putzfassade: Ingeborg 4.

Visualisierung: © Kirschner Wohnbau

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Foto: © Freepik/kues1

ie Kirschner Wohnbau GmbH hat die Baugenehmigung für das Bauvorhaben Ingeborg 4 auf dem Güterbahnhof erhalten. Das Kürzel steht für die Adresse IngeborgKrummer-Schroth-Straße 4. Gebaut werden 59 Wohnungen. In einem architektonisch durchaus ambitionierten Mehrfamilienhaus. Von der kleinen Zweizimmerwohnung mit 47 Qua­ dratmetern bis zur großen mit vier Zimmern und 135 Quadratmetern reicht das Portfolio. „Aktuell sind wir in der Projektvorbereitung und erwarten den Baubeginn spätestens im Herbst“, sagt Dennis Kirschner. Für die Architektur zeichnet das Freiburger Büro Rothweiler + Färber verantwortlich. Sie hebt sich von den meisten anderen Projekten auf dem Güterbahnhof schon dadurch ab, dass sie auf weiße Putzfassaden verzichtet. Der zweigeschossige, konisch zulaufende „Tunnel“ in den Innenhof öffnet den Blick auf die Gartenseite. Zum Vermarktungsstart kann Kirschner noch keine genauen Angaben machen. Auch für das Schwesterprojekt „IKS2“ direkt nebenan soll im Laufe des Jahres noch die Baugenehmigung kommen. In dem Gebäude werden 54 Wohnungen mit zwei, drei oder vier Zimmern Platz finden sowie zwei Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss. Dieses Projekt realisiert Kirschner gemeinsam mit der Dürrschnabel Bauträger GmbH. Weit hat es Dennis Kirschner übrigens nicht auf die künftigen Baustellen, denn sein Unternehmen ist unlängst selbst auf den Güterbahnhof gezogen, in die benachbarte Quadriga. bar 28 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

er regionale Energieversorger Badenova fördert den Umstieg auf umweltschonende GasHeiztechnologien. Bei der noch bis Ende Oktober laufenden Aktion „Raustauschwochen“ profitieren Modernisierer, die auf moderne Technik umsteigen. „Die staatliche Förderkulisse belohnt die Kombination aus Gas-Heiztechnik mit erneuerbaren Energieträgern besonders stark“, so Hans-Jürgen Hamburger, Leiter Systemlösungen Wärme und Erzeugung. Mit fast zwölf Millionen veralteten Wärmeerzeugern habe der Gebäudebestand in Sachen Wärmewende nach wie vor großen Nachholbedarf. Die niedrige Modernisierungsrate belaste nicht nur das Klima mit vielen Tonnen Kohlendioxid, sondern auch den Geldbeutel der Verbraucher. Badenova berät Kunden individuell, um herauszufinden, welche Heizlösung für sie die beste ist. Möglich sind Miet- oder Kaufmodelle. Beim Kauf eines modernen Brennwertkessels über Badenova erhält der Kunde 300 Euro Bonus, bei einer Brennstoffzelle 499 Euro für den KraftWärme-Kopplungs-Service, Kunden, die Erdgas und Erneuerbare kombinieren 500 Euro. Auch für Mietwillige gibt es Förderungen (badenova.de/ raustauschwochen). Wer seinen Öl-Niedrigtemperaturkessel gegen eine moderne Gas-Brennwertheizung mit Solaranlage für die Trinkwassererwärmung tauscht, spart rund 40 Prozent der Kohlendioxidemissionen ein. Dank der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) lohne sich der Austausch des Wärmeerzeugers auch finanziell. Denn beim Wechsel von Öl zu Gas wird Modernisierern die Einbindung von Solarenergie dank der großzügigen staatlichen Förderung „praktisch geschenkt“. Die „Raustauschwochen“ wurden 2017 von der Initiative „Zukunft Gas“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Energieversorgern und Heizgeräteherstellern ist es seither gelungen, mehr als 160 Millionen Euro private Investitionen auszulösen und mehr als 19.000 veraltete Heizkessel auszutauschen. Über die gesamte Lebenszeit von 20 Jahren sparen die neuen Gasheizungen mehr als 1,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid ein, rechnet „Zukunft Gas“ vor. chilli


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500 Streitfälle bei der IG BAU Die Rechtsschutzexperten der IG BAU Südbaden waren im vergangenen Jahr stark gefragt. Insgesamt 500 Mal kamen die Berater der Gewerkschaft zum Einsatz. „Vom Verdienstausfall durch Kurzarbeit über fehlende Atemschutzmasken im Job bis hin zu Problemen bei der Kinderbetreuung, Corona hatte zahlreiche Rechtsstreitigkeiten auch in Freiburg zur Folge“, so die stellvertretende Bezirksvorsitzende Ilse Bruttel. Sie appelliert an Beschäftigte, sich auch in Pandemie-Zeiten um ihre Belange zu kümmern und die Hilfe der Gewerkschaft zu suchen. „Arbeitgeber dürfen die Krise nicht als Vorwand nutzen, um das Personal um seine Rechte zu bringen.“ Neues Baugebiet in Ringsheim Auf dem neuen, knapp drei Hektar großen Ringsheimer Baugebiet „Europa-Feld I“ wird es 42 Bauplätze geben. Es gibt 125 Bewerber. Zum Verkauf stehen 27 Bauplätze für Einfamilienhäuser und Doppelhäuser zum Preis von 250 und 225 Euro pro Quadratmeter. Fünf Bauplätze für Mehrfamilienhäuser werden für 300 Euro pro Quadratmeter vermarktet. Zehn Bauplätze gehen an Eigentümer der bisherigen Ackerflächen. Ende des Jahres kann voraussichtlich mit dem Bau der ersten Häuser begonnen werden. Der Gemeinderat hat einen Kriterienkatalog mit Punktvergabe erstellt, der Ortsbezug, ehrenamtliche Tätigkeiten, Behinderungsgrade oder längere Wartezeiten belohnt. Die Käufer müssen selbst bauen, ein Weiterverkauf ist vertraglich ausgeschlossen. Ferienwohnungen sind verboten. Neues Baugebiet in Ettenheim Die Stadt Ettenheim will weiter wachsen. Der Bauausschuss des Gemeinderats gab unlängst grünes Licht für die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das 2,5 Hektar große Areal südlich des Quartiers Supperten I, wo Wohnungen aller Kategorien geschaffen werden sollen. Laut Bürgermeister Bruno Metz liegen im Rathaus mehr als 100 Anfragen für Baugrundstücke vor. Neues Baugebiet in Niederrimsingen Der Spatenstich fürs Neubaugebiet „Gässle“ in Niederrimsingen ist erfolgt. Es umfasst 21.000 Quadratmeter für für Einzel- und Doppelhäuser sowie zwei Mehrfamilienwohnhäuser. Die Erschließung, sie soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden, kostet rund 2,9 Millionen Euro und wird von der Badenova Konzept im Auftrag der Stadt Breisach koordiniert. Die Vermarktung der Bauplätze wird voraussichtlich im Frühjahr 2021 beginnen. Geplant sind 18 Einzel-, 10 Doppel- und 2 Mehrfamilienhäuser. Mehr als 250 Interessenten haben bereits ihr Interesse bekundet.

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Klimahäuser in Schallstadt: „Will man bei den Menschen ein Umdenken erreichen, muss man es vormachen“, sagt Architekt und Bauträger Rolf Disch.

Neue Klimahäuser in Schallstadt

Solarpionier Rolf Disch denkt beim Bauen schon an übermorgen

W

enn der Solar-Architekt Rolf Disch zum Bauträger wird, kommt gleichsam zwangsläufig ein Klimahäuser-Projekt heraus. Aktuell im Bau in Schallstadt. Vier Häuser wachsen dort in die Höhe, im Rohbau sehen sie noch ganz normal aus. Wenn sie fertig sind, haben sie viele unnormale Eigenschaften. „Architekten und Bauträger treffen eine Wahl: Mit jedem Strich, den sie zeichnen, mit jedem Euro, den sie in die Hand nehmen, heizen sie am Ende entweder das Klima auf oder sie helfen bei der Eindämmung des Klimawandels“, sagt Disch. Der mehrfach ausge-

30 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

zeichnete Solarpionier ist einer, der beim Planen schon an den Klimawandel gedacht hat, als für andere der Begriff noch ein Fremdwort war. Warum tragen die Plusenergie-Klimahäuser ihren Titel zu Recht? Sie erreichen den ambitionierten Kf W-40plus-Standard – was ganz nebenbei für die Käufer direkt einen 30.000 Euro schweren Tilgungszuschuss bedeutet. Sie speisen zudem ihren eigenen Energiebedarf (Strom, Raumheizung, Warmwasser und Elektromobilität) komplett aus den Solaranlagen, die jedes Jahr 420.000 Kilowattstunden grünen Strom liefern sollen – tagsüber überschüssige Energie wird dabei gespeichert. Und sie sind an ein umwelt-

freundlicheres Nahwärmenetz angeschlossen, das hier als „Kaltes Nahwärmenetz“ wirkt. „Die üblichen heißen Netze ­lassen sich nur schwer wirtschaftlich betreiben, wenn der Dämmstandard der Gebäude hoch und der Wärmebedarf entsprechend niedrig ist, also nur wenige Kilowattstunden verkauft werden“, erklärt Disch. Denn das treibe die Anschluss- und Arbeitspreise für die Wärmelieferung in die Höhe. Die Energiedienst AG verbaut für das gesamte Neubaugebiet stattdessen eine kalte, ungedämmte Wasserleitung. Warum das Sinn macht? Das Neubaugebiet kreuzt ein großer Abwasserkanal, dem wird so viel Wärme entzogen, dass


Visualisierungen: © Rolf Disch SolarArchitektur / Renderings: Freidimension

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man durchgängig mit 15 bis 17 Grad in der Nahwärmeleitung rechnen kann – was eine effiziente und wirtschaftliche Ausgangstemperatur für die Wärmepumpen in den Gebäuden bedeutet: Der Stromverbrauch der Wärmepumpe bleibt gering, und im Sommer kann die Fußbodenheizung als Kühlung genutzt werden. Auch beim Warmwasser funktionieren die Häuser intelligent: LegionellenFilter machen das übliche Aufheizen der Warmwasserleitungen obsolet, das beim Duschen ablaufende Wasser wärmt das zulaufende kalte Wasser über Wärmetauscher-Duschrohre auf – laut Hersteller mit einer Effizienz von über 50 Prozent. Und schließlich kann die Heizwärme per Umlage einfach über die Quadratmeter berechnet werden, denn der Gesetzgeber hat bei KfW-40- oder Passivhausniveau die Messverpflichtung entfallen lassen, weil sonst zu den kleinen Heizkosten hohe Messkosten anfallen. In Schallstadt gibt es für die Raumheizung keine Messkosten, keine Ablesekosten, keinen regelmäßigen Austausch der geeichten Zähler.

Insgesamt taxiert Disch die Klimaschutzwirkung des Projekts auf mehr als 150 Tonnen CO2-Emissionen jährlich. Die überschüssige Stromernte von rund 200.000 kWh wird übrigens für die Elektromobilität genutzt. Auf die 36 Stellplätze in der Tiefgarage werden ausschließlich E-Autos fahren dürfen. Vier Stellplätze sind zudem für ElektroCarsharing vorgesehen, auch E-CargoBikes sind ins verpflichtende SharingSystem eingebunden. Dischs jüngstes Projekt ist eher nichts für Familien mit mehreren SUVs. Aber für Familien, die Flexibilität schätzen: Weil die Statik der Gebäude von einem Säulenraster getragen wird, gibt es bei der Aufteilung innen große Freiheiten – auch noch bei Umnutzungen zu einem späteren Zeitpunkt. Die Grundrisse sind sehr flexibel, Wohneinheiten lassen sich zusammenspannen und später wieder abtrennen. Man kann zum Beispiel nach der Elternphase einen Wohnungsteil ­abtrennen und verkaufen oder vermieten. Oder die Großmutter zieht dann ein. Oder später eine Pflegekraft. Disch, der mit dem Heliotrop 1994 das weltweit erste Plusenergiehaus gebaut hatte, versteht unter dem politisch so aufgeheizten Begriff des „bezahlbaren Wohnens“ keineswegs, billig zu bauen. Bei den heutigen Ansprüchen

Plusenergie-Klimahäuser: Grundstück: 4500 m² Wohn- und Nutzfläche: 7200 m² 4 Häuser mit 83 Wohnungen KfW-40-plus-Standard Gepl. Fertigstellung: Juni 2022 klimahaeuser-schallstadt.de und hohen baurechtlichen Auflagen sei das ohnehin „illusorisch“. M ­ ittelfristig werde billig bauen „ohnehin teuer, vor allem über die hohen Nebenkosten“. Dass dabei Photovoltaik und hohe Dämmstandards die Kostentreiber seien, „ist schlicht Unfug“. Der größte Kostentreiber sei die Haustypologie und eine lockere Bebauung. Die Gemeinde Schallstadt hat einen Teil des Neubaugebietes im Bebauungsplan als „urbanes Gebiet“ mit höherer Dichte ausgewiesen, auch das Grundstück der Klimahäuser. Das sei der richtige Ansatz, auch auf dem Land: „Nur so kann der immensen Flächenverschwendung gegengesteuert werden. Zum Konzept der Klimahäuser zählt auch, dass es in einem Haus ausschließlich Mietwohnungen gibt. Von den Eigentumswohnungen gibt es aktuell nur noch drei. Bei den Klimahäusern kostet ein durchschnittlicher Quadratmeter moderate 4400 Euro. An manchen Stellen in Freiburg gibt es dafür allenfalls einen halben. bar

Blick in die Gärten: Bei den Klimahäusern produzieren sogar die Balkonbrüstungen sauberen Strom. chilli | bauen & wohnen | 04.2021 | 31


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Schnell wachsendes Baugebiet in Ballrechten-Dottingen Das Neubaugebiet Holzweg IV in der Gemeinde Ballrechten-Dottingen ist mittlerweile von ursprünglich 5000 auf knapp 20.000 Quadratmeter gewachsen. Der Bebauungsplan geht demnächst erneut in die Offenlage. Geplant sind Geschosswohnungsbauten, Einfamilien- und Doppelhäuser mit insgesamt rund 60 Wohneinheiten.

Visualisierung: © Böwer Eith Murken + Vogelsang

Neuer Immo-Umsatz-Rekord Laut Angaben des IVD-Marktforschungsinstituts hat die Corona-Krise 2020 keine negativen Auswirkungen auf Käufe und Verkäufe von Wohnungen und Häusern in BadenWürttemberg gehabt. Sie stiegen vielmehr im Südwesten um acht Prozent auf 45,1 Milliarden Euro – was eine Rekordmarke ist. Im Vergleich zum Jahr 2000 (20,6 Milliarden Euro) haben sie sich mehr als verdoppelt. Die Steigerung sei in erster Linie auf steigende Preise und nicht auf steigende Verkaufszahlen zurückzuführen. Im Rest der Republik legten die Immobilienumsätze um 4,5 Prozent auf rund 310 Milliarden Euro zu. Bauplatz nur für gläserne Bewerber In Breisach müssen Bauplatzbewerber künftig ihr Einkommen prüfen lassen. Nur solche Bewerber sollen künftig noch einen Bauplatz bekommen, wenn sie nicht zu viel verdienen und soziale Punkte sammeln. Die Einkommensgrenze liegt bei 51.000 Euro, bei Paaren 102.000. Punkte gibt es etwa für den Wohnsitz, die Zahl der Kinder oder auch nachgewiesenes ehrenamtliches Engagement. Der Gemeinderat und die Ortschaftsräte billigten die Vergaberichtlinien. Im Neubaugebiet Vogesenstraße II hatten sich 368 Bewerber um 46 Bauplätze für Ein- und Zweifamilienhäuser beworben.

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Bauträger

Klare Kante Siedlungswerk kürt Gewinner des Architektenwettbewerbs So seh’n Sieger aus: Der gekürte Entwurf von Böwer Eith Murken + Vogelsang setzt einen ruhigen Gegenpol zur gegenüberliegenden Bebauung.

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ebenan wird in diesen Tagen eine Baugrube ausgehoben, doch an der städtebaulich wichtigeren Ecke Merzhauser und Wippertstraße wird es noch eine Weile dauern, bis das Stuttgarter Siedlungswerk mit dem Abriss des leerstehenden Technologiezentrums Freiburg beginnt. Den Wettbewerb für die Neubebauung hat jetzt das Freiburger Büro Böwer Eith Murken + Vogelsang gewonnen. Die Planung zeigt gegenüber der flatterhaften Bebauung auf dem V8-Areal klare Kanten. An der Ecke bilden sechs Geschosse den logischen Hochpunkt, zu den beiden Straßen fällt der Neubau dann auf fünf, weiter hinten an der Wippertstraße soll zudem noch ein Gebäude mit drei Geschossen entstehen. Im Mai 2019 hatte das Siedlungswerk mit dem Freiburger Niederlassungsleiter Heinz-Dieter Störck die Erbbaurechte auf dem Grundstück von der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH erworben. Erbbaugeber ist die Waisenhausstiftung. Mit dieser muss Störck nun noch Erbbaukonditionen finden, die am Ende preiswertes Wohnen auch ermöglichen. Baubeginn des 20-Millionen-EuroProjekts wird voraussichtlich Ende 2022 sein, dann werden im ersten Bauabschnitt 31 Wohnungen – darunter 16 öffentlich geförderte Mietwohnungen – sowie eine dreigruppige Kita erstellt. „Hier sind wir derzeit auf der Suche

nach einem guten Betreiber“, sagt Störck. Städtebaulich und auch vom Freiraumkonzept ist der Siegerentwurf überzeugend, an der Fassade gebe es durchaus „noch ein bisschen was“ zu arbeiten. Im zweiten Bauabschnitt sind es dann zwölf Wohnungen, je zur Hälfte geförderte zur Miete und frei finanzierte zum Kauf. Bald, so Störck, gebe es auch Neuigkeiten aus Opfingen und Waltershofen, wo das Siedlungswerk, eine Tochter des Bistums Rottenburg-Stuttgart und der Landesbank Baden-Württemberg, ebenfalls Zuschläge für die Projektentwicklung bekommen hat. In Opfingen sind auf Erbbaugrundstücken der St. NikolausKirche neben einer Tagespflegeeinrichtung 16 Eigentums-, 11 frei finanzierte und 8 geförderte Mietwohnungen geplant; in Waltershofen auf eigenem Geläuf 25 Eigentums- sowie 27 geförderte Mietwohnungen, ein Supermarkt und eine Bäckereifiliale. Dort hatten die Stuttgarter einen Architekten- und Investorenwettbewerb ausgelobt, den K9 Architekten gewonnen hatten. Erbbaugrundstücke sind vor allem dann problematisch, wenn auf ihnen Eigentumswohnungen gebaut werden, berichtet Störck. Sie erfordern viel Beratung und brauchen positive Randbedingungen (Zins, angesetzter Grundstückswert), damit auch die Banken bei der Finanzierung mitspielen. Mit einem hohen Anteil an sozialem Mietwohnungsbau hat das Siedlungswerk indes keine Probleme. Und damit nimmt es durchaus eine Sonderstellung ein. bar


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Makler

Oliver Kamisch: Auf den Wohnungsmarkt wirkt Corona noch nicht.

Corona bremst Bilanz aus Die Immobiliengesellschaft der Sparkasse Freiburg hofft auf ein großes Neubauprojekt im Umland

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Foto: © bar

räftige Preissteigerung bei gebrauchten Immobilien, eine Zweiklassengesellschaft bei der Käuferschaft und einen Einbruch bei den Kauffällen – das sind die Kernbotschaften in der Bilanz der Immobiliengesellschaft der Sparkasse Freiburg (S-Immo). Fast 170 Kaufverträge hatte das Team um Geschäftsführer Oliver Kamenisch im Jahr 2019 abgewickelt. Mit einem Objektumsatz von 58 Millionen Euro. Im Corona-Jahr 2020 gingen die Experten des größten Maklers in Südbaden nur 119-mal zum Notar. Immobilien im Wert von gut 48 Millionen Euro wechselten dabei den Eigentümer. „Corona ist dabei aber nur zur Hälfte der Grund“, sagt Kamenisch. Ein zweiter sei, dass in den Vorjahren immer auch der eine oder andere Großauftrag über eine hochpreisige Immobilie dabei war – einen solchen gab es im vergangenen Jahr nicht. Zudem würden Verkaufswillige in diesen Zeiten lieber ein bisschen abwarten, wie sich die Pandemie weiterentwickelt. Der 50-Jährige hatte den Umsatzrückgang schon im Herbst im Gespräch mit dem chilli vorhergesagt. In 2020 war die Entwicklung vor allem im Gebrauchtmarkt bei den Preisen indes durchaus dynamisch. Um 15 bis 18 Prozent hätten sich die Verkaufspreise von Eigentumswohnungen erhöht, die von der S-Immo vermittelt wurden. „Auf den Wohnungsmarkt übt die Corona-Krise noch keinen negativen Einfluss aus“, so Kamenisch. Das könnte sich aber ändern, denn insbesondere Kapitalanleger oder Eigentümer von Gewerbeimmobilien sollten künftig etwa das Leerstandsrisiko etwas höher bewerten als bisher. Wenn die Krise bei manchen am Ende auch in die Arbeitslosigkeit führe, könnten Mieterwechsel und damit gegebenenfalls auch Leermonate anstehen. Neben den gut betuchten Anlegern gibt es eine immer größer werdende Gruppe, die aufgrund der günstigen Zin34 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

sen Eigentümer werden wollen. „Wir führen viele Gespräche mit Kunden, die gerade so viel Eigenkapital haben, dass sie daraus die Kaufnebenkosten bedienen können“, sagt Dorothea Müller, Direktorin der Baufinanzierungsabteilung. Heutzutage würde so gut wie jeder denken, er könne sich auch eine Immobilie kaufen. „Wir merken eine stärkere Nachfrage nach Vollfinanzierungen.“ Viele würden aber vergessen, dass das mit einem Blick auf Zins und Tilgung noch lange nicht solide finanziert sei. Auf der anderen Seite gibt es Käufer, die brauchen gar keine Finanzierung oder bringen von dem Kaufpreis in Höhe von 800.000 Euro eine halbe Million selber mit. Kamenisch hat in seinem Portfolio aktuell nur etwa 20 aktive Immobilienangebote. „Oft ist es ja so, dass eine Wohnung reinkommt, und wenn wir die am Freitag ins Netz stellen, haben wir am Montag 50 Anfragen, dann nehmen wir das Angebot direkt wieder raus.“ Der Geschäftsführer hofft, dass er im laufenden oder im kommenden Jahr auch mal wieder ein großes Neubauprojekt vermarkten kann. Im Umland. Es geht um 140 bar Einheiten. Mehr möchte er noch nicht verraten.

Webinare der S-Immo Die S-Immo bietet als erstes Maklerunternehmen für Interessierte kostenlose Webinare an. Beim Starter „Die Immobilienpreisentwicklung in der Corona-Krise“ waren es schon 130 Teilnehmer. Die nächsten Vorträge gibt es am 22. April zum Thema „Angst vor Mietnomaden“, es referieren Experten der Immobilienkanzlei Bergerhoff & Zimmermann. Am 6. Mai referieren Oliver Kamenisch sowie Dorothea Müller, Direktorin der Baufinanzierungsabteilung, und ihr Vize Martin Kölblin über die Frage: „Was ist beim Immobilienkauf zu beachten?“


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Infrastruktur

Hoffen auf baldige Öffnung: Eckhard Tigges und Gerlinde Nöltge wollen in die Saison starten.

Ruckelnder Re-Start Am neuen Wohnmobilstellplatz kämpft das Gastgeberpaar auch mit Pöblern

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unter anderen Umständen bis zu 100 Wohnmobile stehen könnten. Und neben Corona-Ärger gibt es auch immer wieder Probleme mit Passanten

Seitdem dürfen nur noch Wohnmobilisten mit entsprechendem Berechtigungsschein kommen. Und das sind nicht viele. Derzeit stehen fünf Wohnmobile auf dem Platz, auf dem

Das Gelände des Stellplatzes an der Freiburger Suwonallee ist provisorisch eingezäunt. Alle Schranken sind heruntergelassen. Ein flatterndes Band markiert das Areal als Privatgelände. Grund für die Abgrenzung sind immer wiederkehrende Streitereien mit Passanten. „Ich bin Freiburger, ich darf hier tun und lassen, was ich will“ oder „Ich bin SC-Mitglied, ich habe

Foto: © Kristina Uhl

ckhard Tigges und Gerlinde Nöltge haben schon viel erlebt. Die beiden haben am 1. November des vergangenen Jahres ihren Wohnmobil-Stellplatz am neuen SC-Stadion eröffnet und wegen der Corona-Maßnahmen gleich am nächsten Tag wieder schließen müssen.

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das Recht, hier zu laufen“ sind nur zwei Aussagen, die Nöltge schon zu hören bekommen hat. Auch ein Autorennen hat Nöltge bereits auf dem Gelände gesehen. „Sonntags ist es besonders extrem“, sagt sie. Es habe schon Beschwerden bei der Stadtverwaltung gegeben, dass das Betreiberpaar unverschämt sei und Menschen des Geländes verwiesen habe, laut der 62-jährigen Betreiberin. Auch Kommentare wie „Suchst du Streit?“ seien an der Tagesordnung. Eigentlich will Eckhard Tigges seinen Stellplatz noch mit einer Hecke


Infrastruktur

einfrieden, die das unerlaubte Passieren erschwert und den Mietern auf dem Platz ein bisschen mehr Privatsphäre erlaubt. Doch seit der Eröffnung ist der Platz geschlossen und „wenn kein Geld reinkommt, kann man auch keins ausgeben“. Zurzeit darf er nur ganz wenige Wohnmobile auf den Platz lassen, bei unserem Besuch stehen dort auch Fahrzeuge aus Stuttgart oder Karlsruhe. Menschen, die in der nahe gelegenen Messe einen Impftermin ergattern konnten und die Reise aus der weiteren Umgebung auf sich genommen haben. Zudem haben sich Monteure oder Patienten der Uniklinik, die sich etwa ambulant behandeln lassen, einquartiert. Kundschaft wäre genug da, wenn nicht die bekannten Einschränkungen gelten würden. Für Ostern gab es schon Reservierungen, doch mit den neuen Beschlüssen musste die Familie allen wieder absagen. Auch spontan versuchen immer wieder Wohnmobilisten, auf das Gelände zu gelangen, gleich drei hat das Paar an einem Tag abgewiesen. Viele Stammkunden aus der näheren Umgebung warten schon ungeduldig darauf, für 13 Euro pro Tag wieder ein Wochenende in Freiburg verbringen zu können. Wann das wieder möglich ist, weiß derzeit niemand. Durch die Pandemie, die auch im vergangenen Sommer schon wenige Einnahmen brachte, hat das Paar 80 bis 90 Prozent Umsatz verloren. Bevor sie ihren ersten Stellplatz im Metzgergrün im Stadtteil Stühlinger eröffnet hatten, war das Paar etwa 200 Tage im Jahr mit dem Wohnmobil von Messe zu Messe gefahren. Irgendwann merkten sie, dass der „Verdienst nicht mehr in Relation zum Aufwand“ stand. Sie beschlossen: „Ab sofort soll das Geld zu uns kommen.“ Der Traum des Paares war eigentlich ein Campingplatz. Dieser Plan zerschlug sich in Emmendingen recht schnell: zu viele Vorgaben. Daraufhin wurden sie auf den Wohnmobil-Stellplatz an der Bissierstraße im Metzgergrün aufmerksam, den die Stadtverwaltung schaffen wollte. Nach anfänglichen Anwohnerbeschwerden säuberten und erschlossen die Betreiber den Platz und hätten über die Jahre internationale Bekanntheit erlangt, sagt Nöltge. 15 Jahre später, 2019, kam die Kündigung, da die Stadt das Metzgergrün in Innenstadtnähe bebauen will. Es kam zum Neustart, nicht Umzug, wie Eckhard Tigges betont. Für den neuen Stellplatz musste das Paar 50.000 Euro zahlen, zusätzliche 20.000 Euro flossen in die Räumung an der Bissierstraße. „Das Einzige, was man mitnehmen kann, sind ein guter Ruf und Stammkunden“, so der 61-Jährige.

Kristina Uhl

Der Stellplatz ... am Stadion umfasst 1,7 Hektar Fläche und bietet Platz für 80 Wohnmobile. Der Pachtvertrag läuft zunächst zehn Jahre, mit Aussicht auf Verlängerung. Er ist Teil des Stadionparkplatzes und muss nach dessen Fertigstellung für die Heimspiel-Wochenenden geräumt werden. chilli | bauen & wohnen | 04.2021 | 37


Fachplaner

Foto: © Michael Babo

Mal rechteckig, mal schräg: Der Neubau an der Oltmannstraße (oben) und das statische Gerüst eines gemischt genutzten Gebäudes an der Breisacher Straße.

»Operation am offenen Herzen« Müller + Kleins tragende Werke

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Visualisierungen: © Müller + Klein

ohnungsbau, Rettungszentren, Pflegeheime, Schulerweiterungen, Einkaufszentren oder auch gemischt genutzte Gebäude: Das Freiburger Ingenieurbüro für Bauwesen Müller + Klein bearbeitet derzeit ein sehr breites Spektrum an unterschiedlichen Bauvorhaben. In Freiburg, aber auch andernorts. Das volumenreichste Projekt, das die Statiker Michael Müller und Christian Klein mit ihrem Team aktuell auf dem Schirm haben, ist der mehr als 100 Millionen Euro schwere Neubau des Zentrums in Landwasser, wo knapp 30.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche gebaut werden, ein zwölfstöckiger Turm sowie weitere sechsgeschossige Gebäude auf einer gemeinsamen Tiefgarage stehen. „Wir müssen in der Planung viel Wert auf Flexibilität legen, statisch kompatible Lösungen für die unterschiedlichsten Nutzer finden, weil die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle feststehen“, sagt Klein. Ebenfalls für die Unmüßig-Gruppe planen Müller und Klein auch das Tragwerk für das benachbarte Gebäude 38 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

mit Tiefgarage, einem Discounter und Wohnungen an der Breisacher Straße. An der Oltmannstraße zeichnet das Littenweilemer Büro für die Statik eines neuen Bürogebäudes verantwortlich, auf dem Güterbahnhof in Freiburg für zwei größere Neubauten für die Kirschner Wohnbau GmbH und die Dürrschnabel Bauträger GmbH. Kniffliger war die Aufgabe an der Hermannstraße, wo das Evangelische Stift zwei alte Gebäude abgerissen hat und für gut 11 Millionen Euro ein neues Pflegeheim mit 71 Plätzen und fünf betreuten Wohnungen baut. „Wir mussten vor dem Abriss erst die Standsicherheit des Bestandes gewährleisten, dann den Neubau unterirdisch an den Bestand anschließen und das bei laufendem Betrieb, sozusagen eine Operation am offenen Herzen mitten in der Stadt“, so Klein. Außerhalb der Stadt sind die Statiker derzeit etwa mit dem Neubau eines Rettungszentrums in Gutach samt Fahrzeughalle und Schulungsräumen in Holz-Hybrid-Bauweise befasst, in Waldkirch liefern sie die Tragwerksplanung für den Eigenbetrieb Wohnungswirtschaft der Stadt, der in zwei miteinander durch eine Brücke vom

ersten Ober- bis zum Dachgeschoss verbundenen Gebäuden 22 öffentlich geförderte Mietwohnungen erstellt. Speziell ist auch die Aufgabe in Mundingen, wo nicht nur die denkmalgeschützte Grundschule saniert werden muss, sondern auch ein Neubau direkt ans Bestandsgebäude gebaut werden soll. Neben den Ingenieursleistungen für zwei Pflegeheime in Kuppenheim und Bad Schönborn arbeitet das Team zudem aktuell an zwei Bauvorhaben des Stuttgarter Siedlungswerks. Das steht in Opfingen nun nach jahrelangem Hin und Her bei der Bebauung rund um die St. Nikolaus-Kirche kurz vorm Startschuss für vier Gebäude mit Wohnungen und einer Tagespflegegruppe. Wegen des schlechten Baugrunds waren Müller und Klein hier vor allem bei der Gründung gefragt. Auch in Waltershofen auf dem alten Sportplatz braucht es eine Spezialgründung mit Mikrobohrpfählen, zudem gelte es hier, mit einem relativ hohen Grundwasserstand klarzukommen. Dort baut das Siedlungswerk 52 Wohnungen und einen Supermarkt. Auch hier braucht es die tragenden Werke des Büros. bar


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Fachplaner

Kein Stahl: Bau-Buche trägt das Hallendach, das statisch eine Decke ist.

Der doppelt doppelte Hybrid Mohnke Höss Bauingenieure und das spannende Tragwerk vom RIZ

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Foto: © Bernhard Stauss, Freiburg

s war durchaus ein besonderes Bauvorhaben, für das die Freiburger Tragwerksplaner Mohnke Höss Bauingenieure die Statik gerechnet hatten und das im vergangenen August fertiggestellt wurde: Das neue RIZ (Regionales Innovationszentrum) in Offenburg ist ein Stahlbeton-Holz-Hybridbau, in dem ein zehn Meter hohes Technikum aus Holz elastisch an ein viergeschossiges Bürogebäude aus Stahlbeton grenzt. Der Bau ist als „Building of the Year 2021“ nominiert. Das 8,5 Millionen Euro teure, von der EU, dem Stifterkreis und der Hochschule Offenburg sowie dem Land Baden-Württemberg geförderte RIZ steht auf dem Gelände der Hochschule Offenburg und bietet Platz für rund 60 Beschäftigte, die rund um die Themen Ressourcen- und Energieeffizienz forschen. Nicht ganz ohne Kopfzerbrechen war auch die Statik des Neubaus mit rund 2600 Quadratmetern Bruttogeschossfläche zu erstellen. Unter dem Dach des Technikums sucht man die erwartbaren Stahlträger vergeblich – und das, obwohl auf dem Dach nicht nur ein 40 Zentimeter hoher Warmdachaufbau lastet, sondern auch noch ein Freiluft-Labor mit Großgeräten, wofür 400 Kilogramm Last pro Qua­ dratmeter errechnet wurden. So wurde aus dem Dach gleichsam eine Decke.

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Die liegt auf den gut 2,50 Meter hohen Fachwerkträgern aus Bau-Buchenholz und Nebenträgern aus Brettschichtholz. Die leistungsstarke Buche wurde dort verbaut, wo sie ihre statische Stärke ausspielen kann. „Bau-Buche hat eine besonders hohe Zug- und Druckfestigkeit“, sagt die Tragwerksplanerin Sabine Ott vom Büro Mohnke Höss. Deswegen habe man für die große Spannweite relativ schlanke Querschnitte hinbekommen. Auf Durchbiegung aber liefert Brettschichtholz aus Nadelbäumen ähnliche Werte wie Buche, ist aber preiswerter. So kam es auch allein beim Thema Holz schon zu einem doppelten Hybridtragwerk. In der stützenfreien, 900 Quadratmeter großen Halle überspannt die Kons­ truktion bis zu 18 Meter. Das Dach fußt auf in Außenwände integrierte Holzstützen, die 60 mal 26 Zentimeter mächtig sind und zur Aussteifung auch große Diagonal- oder V-Stützen haben. Zu drei Seiten. Zur vierten grenzt das Technikum an den Bürotrakt. Und gerade an diesem Treffpunkt wurde die Spannweite noch einmal spannend: Wie sichert man statisch die Stelle, wo die Fachwerkträger der Decke an die Betonwand des Bürotrakts anschließen? Die Queraussteifung muss zwar verbunden, aber auch elastisch sein. Das Büro Mohnke und Höss plante einen verschieblichen Anschluss mit Knaggen. Dabei sind die Obergurte der

Konstruktion nicht an die Wand angedübelt, sondern können sich in der Horizontale bewegen. Dass der Brandschutzgutachter auch noch einen möglichen Teil-Abbrand des Holztragwerks in die Pläne führte und die Träger diesen auch noch abfedern mussten, ist hingegen Alltag für Tragwerksplaner. So wurde die Holzkonstruktion mächtiger, als sie es statisch hätte sein müssen. Auch war zu berücksichtigen, dass die Decken und Wände im Bürotrakt bauteilaktiviert sind – die Nutzer mit ihnen also kühlen oder heizen können. Damit liegen in den Decken Wasserrohre, die zwar belastbar Wärme und Kühlung bringen können, statisch aber eine Null sind. Auch die Bodenplatte des Technikums ist aktiviert. Zum Gebäude- und Energiekonzept zählen zudem eine Gebäudehülle in Passivhausstandard mit sommerlichem und winterlichem Wärmeschutz, Solaranlage (30kWp), Grundwasser-Wärmepumpe, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine Smart Grid-Einbindung von Büro und Technikum, sozusagen ein cleveres Stromnetz. „Bauen mit Holz liegt derzeit ja im Trend“, sagt Büroinhaber Martin Mohnke, „hier aber war das Besondere, dass bei einem dem Industriebau ähnlichen Gebäude Bau-Buche zum Einsatz kam, das hat durchaus innovativen Charakter“. Lars Bargmann


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Das frisch ausgezeichnete Team mit Kapitän Christian Müller

Handel am meisten getroffen Christian Müller über die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Gewerbeimmobilienmarkt

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Foto: © CMI

iele hätten Sorgen gehabt, erzählt Christian Müller, Inhaber des gleichnamigen Immobilienbüros, beim Redaktionsbesuch, dass die Krise den Gewerbeimmobilienmarkt mit voller Wucht treffen würde, dass die Preise in den Keller purzeln, Leerstände hingegen nach oben schnellen, dass umzugswillige Unternehmen ihre künftigen Firmensitze kleiner kreieren würden, weil Homeoffice dem festen Arbeitsplatz mehr und mehr den Rang ablaufen würde. Aber die Auswirkungen seien beim Büroflächenmarkt so gut wie gar nicht sichtbar. Anders sehe es indes beim Handel aus. Müller hat gerade für die Freiburger Siemens-Niederlassung auf dem Güterbahnhof 2000 Quadratmeter vermittelt, an den Projektentwickler BPD. Auch für Siemens seien dabei Gemeinschaftsflächen für die Belegschaft wichtig gewesen, es brauche Platz für Begegnungen, Wohlfühloasen auf der Fläche. Es sei vielleicht schon so, dass eine Firma mit 200 Mitarbeitern künftig nur noch 150 Arbeitsplätze einrichtet, weil ein Viertel der Belegschaft Homeoffice macht oder aus anderen Gründen nicht im Büro ist. Dadurch aber werde der Flächenbedarf nicht geringer: Recreation Areas, kleine Inseln in der Bürolandschaft würden das wieder ausgleichen. Den Trend zu immer mehr Open Space sieht Müller, seit gut 25 Jahren im Geschäft, an einem Hochpunkt. „Es muss, das ist vielleicht auf Corona zurückzuführen, auch wieder kleinere Einzel- oder Doppelbüros geben.“ Nach monatelangem Stillstand gibt es bei CMI seit einem halben Jahr wieder vermehrt Anfragen nach neuen Büroflächen, von 500 bis weit über 1500 Quadratmeter. Darunter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Anwaltskanzleien, aber auch Unternehmen aus dem Bildungsbereich. Auf die Büroflächen habe Corona insgesamt kaum Auswirkungen, so Müller. Anders sehe es aber im Einzelhandel aus. Dort, so hört er sowohl von Vermietern als auch von Mietern, sinken die Preise um bis zu 20 Prozent. „Da gibt es Filialisten, 42 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

die dem Vermieter sagen, sie würden den Mietvertrag durchaus verlängern, aber eben nur, wenn die Miete deutlich runtergeht. Sonst werde es unwirtschaftlich.“ Zudem seien das dritte und vierte Obergeschoss für die meisten Einzelhändler heute nicht mehr interessant: „Die Zeit ist vorbei.“ Und das gelte nicht nur für die Kajo. Müller ist überzeugt, dass die finalen Auswirkungen der Krise „erst noch kommen“, etwa wenn die Zahl der Insolvenzen nach oben geht. Freiburg sei im Vergleich zu anderen Großstädten sehr lange sehr gut für die Vermieter von Handelsflächen gewesen, andernorts habe man mit viel mehr Leerständen zu tun gehabt, dort habe man aber deswegen auch schon früher neue Konzepte erarbeitet. Da sieht er in Freiburg noch erheblichen Bedarf. Dem neu gestalteten Rotteckring etwa fehle „ganz klar die Aufenthaltsqualität, da fehlt ja nicht nur ein gastronomisches Angebot. Warum steht da kein Aperol-Wagen oder eine Kaffee-Ape?“ Es brauche für die Innenstadt „dingend mehr Flair“. Wenn es dann mal Plätze mit viel Flair gebe, Müller zählt den Freisitz vor der Trotte in der Fischerau dazu, dann sorgen Anwohnerproteste für Restriktionen. Gleiches trifft auch auf den bar Späti im Stühlinger zu, der nun schließen muss.

Zur Person: Christian Müller, 59, war zwölf Jahre lang bei der Strabag Real Estate, bevor er 2007 sein eigenes Unternehmen gründete. Unlängst wurde sein Büro CMI von der Bellevue, Europas größtem Immobilien-Magazin, mit dem Bellevue Best Property Agents Qualitätssiegel ausgezeichnet. „Das ist schon eine Ehre“, sagt Müller. Sein Team ist nicht nur auf dem Gewerbe-, sondern auch auf dem Wohnungsmarkt aktiv. Für den Projektentwickler BPD verkauften sie 140 Wohnungen auf dem Güterbahnhof, für Ganter Property sind sie Exklusivpartner in Südbaden. Aktuell vermarkten sie das Sonnenhöhe-Projekt in Breitnau und die Klima­ häuser von Rolf Disch in Schallstadt.



Office

Wo Arbeiten und Wohlfühlen verschmelzen: Branchenkenner fordern neue Bürowelten.

Großes Potenzial, große Risiken

Hochkarätige Experten sprechen über das Büro der Zukunft

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Foto: © iStock.com/alvarez

omeoffice – neben Lockdown, Inzidenzwert oder Zoommeeting ist das einer der Begriffe, der noch lange mit der Corona-Krise verbunden sein wird. Die Entscheidung zur Arbeit von zu Hause verändert den Arbeitsalltag massiv. Doch was spricht fürs klassische Büro? Was wird nach Corona vom Homeoffice bleiben? Und wie steht es um die rechtliche Lage? Diese und weitere Fragen diskutierten fünf Fachleute in einer Web-Konferenz unter dem Titel „Home-Office als Konkurrenz – Büroflächen der Zukunft“. Das Bauen & Wohnen war dabei.

Der Baudienstleister Aydin Karaduman stellt plakativ die Frage, die so manchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer umtreiben dürfte. Lebt das Büro noch? Seine Antwort: „Ja, es lebt und es hat auch eine Zu44 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

kunft.“ Doch das Überleben sei an dessen Bereitschaft zum Wandel gebunden. Sein Fazit: „Das Büro bleibt Erlebnis- und Gemeinschaftsort. Es spiegelt die Unternehmenskultur wider.“ Um das zu untermauern, stellt er eine vom Baudienstleister ISG weltweit unter 4000 Büronutzern ausgeführte Umfrage vor, die einmal vor und einmal während Corona gemacht wurde. Demnach plädieren deutsche Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Schnitt für eine wöchentliche Bürozeit von etwa drei Tagen – der Wert bei Arbeitnehmern lag sogar bei 3,5 Tagen. Je zufriedener die Befragten mit ihrem Beruf seien, desto höher sei die Sehnsucht nach dem Büro. Aber warum wollen Mitarbeiter zurück ins Büro? 54 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen der Austausch fehle. Auch bei Mitarbeiterbindung und -gewinnung spiele das Büro eine große Rolle.

Zudem gebe es aktuell einen Trend weg vom Großraumbüro, bei Neubauprojekten seien inzwischen auch Aspekte wie berührungslose Türen gefragt. Eine große Nachfrage nach Büroflächen komme derweil aus dem Tech-Bereich, hier sieht Karaduman interessante Arbeitsplatzkonzepte. Hier würde nicht die Fläche reduziert, sehr wohl aber die Anzahl an festen Arbeitsplätzen. Dafür würden etwa Kommunikationszonen geschaffen. Auch das Co-Working erlebe seiner Ansicht nach eine kleine Renaissance. Zur Person: Aydin Karaduman ist seit Ende 2019 Managing Director Europe von ISG, das Unternehmen setzte 2018 weltweit 2,4 Milliarden Euro um.

Der Investmentmanager Hans-Joachim Lehmann beschreibt die Zustände vor der Pandemie. Hierbei zeichnet der Investmentmanager ein positives Bild. Insgesamt habe Corona


Office

den Office-Bereich in einer recht komfortablen Situation getroffen. Die Leerstandsraten etwa seien 2019 in fast ganz Europa niedrig gewesen, der Investmentmarkt sei stabil gewesen. Auch für die nähere Zukunft erwarte er keine signifikante Zunahme von Leerstandsflächen. Lehmanns Einsichten in die Homeoffice-Regelungen anderer europäischer Länder helfen, die deutschen Gegebenheiten einzuordnen. Dabei verweist er im Besonderen auf die großen Unterschiede zwischen den europäischen Staaten. „Das geht von einer sehr flexiblen Regelung in Holland bis zu einer sehr stringenten Regelung beispielsweise in Schottland.“ Was würde nach Lehmanns Meinung von Homeoffice bleiben, wenn Corona bis Ende des Jahres bewältigt sei? Der Investmentmanager glaubt, dass sich die Lage wieder normalisieren werde. Doch auch er spricht notwendige Veränderungen in der Bürolandschaft an.

ten, viele Unternehmen haben ihre Mietvertragsentscheidung geschoben.“ Dennoch ist der Banker optimistisch: „Ich kann Ihnen aus unserer Perspektive sagen, dass einiges an Momentum zurückgekommen ist.“ Insgesamt sei das Bild viel positiver, als man das vielleicht meinen könnte. Klaus zitiert auch Umfragen und verweist auf Gründe, die Befragte für eine Rückkehr ins Büro aufführten: Über 60 Prozent vermissen den Austausch mit Kollegen, über 50 Prozent sei die Trennung von Arbeit und Privatleben wichtig, über 40 Prozent schätzten am Büro die bessere Ausstattung und Räumlichkeiten, fast 40 Prozent fehlt die Teamarbeit. Auch er selbst glaubt, dass ohne das Büro etwas fehle: „Die Kreativität und die Geschwindigkeit leiden.“ Zudem komme hinzu, dass man von zu Hause aus nicht ausbilden könne. Sein Fazit: Die Nachfrage nach hochwertigen Büros in zentralen Lagen werde unverändert bleiben.

Zur Person: Hans-Joachim Lehmann ist Geschäftsführer der Warburg-HIH Invest Real Estate und verantwortete zuletzt ein jährliches Transaktionsvolumen von rund einer Milliarde Euro.

Zur Person: Sascha Klaus ist seit 2016 Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp AG und Vorstandsmitglied der LBB Holding AG.

Die Wirtschaftsanwältin

Der Wissenschaftler

Sabine Wieduwilt nähert sich dem Komplex des Homeoffice von der juristischen Seite. Dafür gibt sie einen komplexen Überblick über den Wandel von deutschen Büromietverträgen im Kontext von Corona. Wieduwilt macht zudem deutlich, dass es beim Umgang mit Homeoffice noch viele Fragezeichen gebe. Wenn ein Mitarbeiter nach Corona ins Homeoffice geschickt würde, gebe es einiges zu prüfen. Ein Beispiel: Ein Angestellter hat beim Einzug in seine Wohnstätte einen Wohnraummietvertrag abgeschlossen. Darin geht es ums Wohnen, nicht ums Arbeiten. Ferner gibt Wieduwilt zu bedenken, dass sich nach Angaben der Europol seit der Pandemie die Cyberkriminalität erhöht habe. Daraus ergeben sich für Unternehmen wichtige Fragen. Inwieweit ist es möglich, dass ein Mitarbeiter von zu Hause arbeitet und dort mit Akten hantiert, zu denen potentiell auch andere Bewohner Zugriff haben? Damit macht Wieduwilt deutlich, dass die Regelungen in diesem Bereich alles andere als abgeschlossen sind und noch viele Fragen zu beantworten sind.

Andreas Pfnür stellt die Studie „Homeoffice im Interessenkonflikt“ vor. In der interdisziplinären Arbeit wurde das Homeoffice wissenschaftlich untersucht und dessen Erfolg gemessen. Parameter für den Erfolg waren etwa Zufriedenheit, Arbeitseinsatz, Ergebnisse und Kreativität. Befragt wurden nach repräsentativen Kriterien 2000 Personen aus Deutschland und den USA. Dabei sollte Corona in die Ergebnisse nach Möglichkeit nicht einfließen. Für Pfnür das zentrale Ergebnis: „Noch nie war der physische Arbeitsplatz so wichtig wie heute“, resümiert der Wissenschaftler. „Vom CEO eines DAX-Unternehmens bis zum letzten Sachbearbeiter haben wir uns alle Gedanken über unseren Arbeitsplatz gemacht.“ Man hätte sich überlegt, was denn nun zu Hause besser oder schlechter sei als in der Firma. Pfnür glaubt, dass dies auch so bleiben werde. Die Studie zeige, dass der durchschnittliche Mitarbeiter schon vor der Pandemie anderthalb bis zwei Tage von zu Hause gearbeitet hat. Die Unternehmen planten auch für die Zeit nach der Pandemie mit 20 bis 30 Prozent Homeoffice. Letztlich stelle das in der Zukunft zwar eine Chance dar, gleichwohl sei es riskant, Personen nach Hause zu schicken, die aus verschiedenen Gründen dort weniger erfolgreich arbeiten könnten. „Wir sehen ein großes Erfolgspotential bei großem Risiko“, so Pfnür. Zudem wirbt er für die Verbesserungen bestehender Büros: „Niemand kehrt gerne in schlechte Büros zurück.“

Zur Person: Sabine Wieduwilt ist Partnerin im Frankfurter Büro der Wirtschaftskanzlei Dentons und dort spezialisiert auf Asset Managements von gewerblich genutzten Grundstücken.

Der Banker Sascha Klaus konstatiert, dass das vergangene Jahr im Immobilienmarkt stärker gewesen sei, als man dies vielleicht während des ersten Lockdowns gedacht hätte. Zwar habe der Büromarkt zwischenzeitlich etwas geschwächelt. „Viele Transaktionen sind verschoben worden, es gab Unsicherhei-

Zur Person: Andreas Pfnür ist seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Darmstadt.

Pascal Lienhard

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Küchentrends

Modernes Kochen Zeitgeist in der Küchengestaltung

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Foto: © Andreas Schaps

unkle Farben, Eiche, Naturstein – das sind die Küchentrends des Jahres. Doch woher kommen sie eigentlich? Wer gibt sie vor? Und welche Bedürfnisse stecken hinter solchen kollektiven Wünschen? Ein Einblick in die Philosophie der Küche. Das mit den Trends ist so eine Sache, weiß Guido Hille. „Bei uns ist es nicht wie in der Mode, wo es jedes Jahr etwas Neues gibt“, erklärt der langjährige Studioleiter des Freiburger Küchenstudios „Die Küche – Marc Boehlkau“. „Im Möbelbau sind Trends langsamer und kontinuierlicher.“ Trotzdem gibt es sie natürlich. Seine letzte Landhausküche hat Hille vor knapp 15 Jahren geplant. Heute wollen die Menschen klare Linien, dunkle Farben, Holz und Naturstein. Die fast reinweißen Küchen von vor ein paar Jahren werden von Schwarz und Anthrazit abgelöst. „Viele bewundern die schwarzen 46 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

Küchenfronten, trauen sich aber nicht ran“, weiß Hille, „die entscheiden sich dann für anthrazit.“ Damit die dunklen Farben auch wirklich edel wirken, haben die Hersteller Anti-Fingerprint-Versiegelungen entwickelt, sodass keine Fingerspuren und Fettspritzer haften bleiben. „Trend ist, was viele Leute wollen“, so Hille. Und dieses kollektive Begehren speist sich aus diversen Quellen. Natürlich spielen die Werbung, Wohnzeitschriften und Foto-Plattformen wie Pinterest eine große Rolle. Der Verkäufer beobachtet, dass immer mehr seiner Kunden gezielt mit Bildern zu ihm kommen, wie ihre Traumküche auszusehen hat. Beeinflusst wird der Zeitgeist aber auch von Faktoren, auf die man auf den ersten Blick nicht kommen würde. „Die Formensprache der Küchen kennen wir aus dem Automobilbau, aus dem Formenbau oder aus der Außenarchitektur“, sagt Hille und nennt ein Beispiel. Ein typischer Neubau hat anthrazitfarbene Fensterrah-

men, ist innen großzügig geschnitten, die Wände sind in Weiß gehalten und die Raumhöhe liegt bei 2,45 Meter – das bedingt klare, ruhige Formen und Farben, die sich dort harmonisch einfügen. Wer dann doch noch einen Farbtupfer möchte, erreicht das etwa über farbige Glasplatten, die als Spritzschutz dienen. Mit ihnen kann man Akzente setzen. Ein optischer Hingucker sind auch Kücheninseln, allerdings mehr noch ein Ort der Begegnung. „Durch sie ist man in Augenhöhe, kann ins Gespräch kommen oder mithelfen“, sagt Hille. Sie können als Koch- oder Spülbereich

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Küchentrends

gestaltet werden. Oder man wählt einen Tresen, ein perfekter Platz für ein schnelles Frühstück, der zudem als Blickschutz für offene Küchen dient. Diese sind übrigens nach wie vor ein Trend, der wohl auch nicht so schnell abreißen wird. „Abgeschlossene Küchen gibt es im Neubau fast gar nicht mehr“, weiß Hille, der seit 30 Jahren Küchen plant. „Man möchte heute große Räume schaffen.“ Wenn jeder in die Küche blicken kann, ist Ordnung natürlich besonders wichtig. Auch sie kann durch kluge Konzepte unterstützt werden. Was heute als Trend bezeichnet wird, ist eigentlich ein uraltes Konzept. Schon die alten Römer brutzelten und buken in offenen Küchen. Vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert waren sie allerdings verpönt – Gerüche und Bratendunst sollten in einem abgeschlossenen Raum bleiben. Heute, wo diese Überlegung dank innovativer Abzugssysteme keine so große Rolle mehr spielt, wird die Küche wieder zu einem Ort des Zusammenkommens. Bereits jeder fünfte Deutsche hat eine offene Wohnküche – Tendenz steigend. Was dabei hineinspielt, nennt sich neudeutsch „Cocooning“. Das bedeutet so viel wie „sich verpuppen“. Die Küche soll gemütlich und wohnlich werden, ein Ort, an dem nicht einfach gearbeitet und gekocht wird, sondern ein Ort zum Wohlfühlen. Gerade in Zeiten des Lockdowns, wenn die Menschen mehr zu Hause sind und kochen, bekommt die Kü-

che einen neuen Stellenwert. Deswegen haben Hille und seine Kollegen gerade alle Hände voll zu tun. Zwar kann das Studio momentan nur nach Voranmeldung besucht werden, doch das nutzen die Menschen fleißig. Viele wünschen sich eine schöne, neue Küche. Und wenn das Geld auf der Bank immer weniger wert wird, legen sich die Leute dafür lieber etwas zu. Einige Hersteller haben auf die Auswirkungen der Corona-Krise reagiert, indem sie einen Arbeitsplatz in ihre Küchen integriert haben – für alle Menschen im Homeoffice, die keinen Schreib- oder Esstisch zur Verfügung haben. Überhaupt betrachtet er so manche Neuerungen kritisch. Stichwort: Smart Home. Das hat natürlich auch in den Küchen Einzug gehalten. Ein Kühlschrank, der eine Nachricht schickt, wenn die Milch fast leer ist, oder ein Backofen, der sich meldet, wenn das Essen droht anzubrennen – klingt im ersten Moment ganz praktisch. „Mich hat noch nicht ein einziger Kunde nach einem intelligenten Kühlschrank gefragt“, winkt der Küchenexperte ab. Andere technische Möglichkeiten finde er „ganz interessant“, trotzdem erlebe er meist, dass die smarten Funktionen gar nicht oder nur am Anfang genutzt werden. „Die Technologie kann das Kochen unterstützen und erleichtern“, findet der 57-Jährige, „aber das Kochen bleibt ein sinnliches Handwerk, das hoffentlich niemals durch Technik ersetzt wird.“

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Baumärkte

Offen dank Click & Collect: Hornbach konnte seinen Umsatz um fast 16 Prozent steigern.

»Auf lange Sicht vermutlich nicht zu schlagen« Baumärkte boomen in der Krise

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Foto: © HORNBACH

au- und Gartenmärkte zählen zu den Profiteuren der Corona-Krise. In zahlreichen Bundesländern dürfen die DIYTempel unabhängig von Inzidenzwerten Click & Collect anbieten und verbuchen gestiegene Umsätze. Als „Krisengewinner“ möchten die Ketten trotzdem nicht gelten. Die drittgrößte deutsche Baumarktkette spricht von einem „denkwürdigen Geschäftsjahr“. Vom März 2020 bis März 2021 verzeichnete Hornbach 48 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

ein Umsatzplus von 15,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Insgesamt setzte die Gruppe mit deutschlandweit 96 Märkten 5,1 Milliarden Euro um. „Die Corona-Pandemie hat den seit gut zehn Jahren in Europa anhaltenden Homing- und Cocooning-Trend nochmals verstärkt“, erklärt Sprecher Florian Preuß. Viele Menschen seien darum bemüht, die Zeit in den eigenen vier Wänden so angenehm wie möglich zu gestalten. In der Pandemie schwangen auch viele DIY-Muffel den Hammer. „Wer

zu Hause werkelt, dem fällt die Decke eher nicht auf den Kopf“, so Preuß. Hornbach zählte zahlreiche Neukunden, die erstmals Projekte in Haus, Wohnung oder Garten umgesetzt hätten: „Ein Indiz dafür sind die drastisch gestiegenen Zugriffszahlen auf unsere Anleitungen und Tutorials.“ Der Kundenservice habe in diese Richtung umgebaut werden müssen. Auch Trends ließen sich erkennen: Zu Beginn des vergangenen Frühjahrs habe Hornbach eine auffällig hohe Nachfrage nach Material für Innenprojekte wie


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Farben, Bodenbeläge oder Tapeten registriert. „Das kam dann wieder zurück, als es im November erneut kühler wurde und sich ein weiterer Lockdown abzeichnete. Das war schon ungewöhnlich“, erläutert Preuß. In den ersten Lockdown-Monaten hätten viele Menschen zielgerichtet und schnell eingekauft. „Beratungsgespräche wurden gemieden“, sagt er. Das Frühjahr sei erwartungsgemäß der Höhepunkt gewesen, „aber auch in den Folgemonaten konnten wir deutlich gestiegene Umsätze verzeichnen“, so Preuß. Als Krisengewinner will die Kette trotzdem nicht gelten. Erich Harsch, Vorstandsvorsitzender der Hornbach Baumarkt AG, im Dezember dazu: „Im Branchenvergleich ist Hornbach im laufenden Jahr überdurchschnittlich stark gewachsen.“

„Alles Relevante aus dem kompletten Spektrum von Werkstatt, Haus und Garten wird gekauft“ Andere Ketten halten sich mit Zahlen bislang noch zurück. Hornbach dürfte aber nicht der einzige Bewerber mit Umsatzplus sein. Laut dem Handelsverband BHB setzten die 480.000 Angestellten in Deutschlands Bau- und Gartenfachmärkten von Januar bis September 2020 insgesamt 17,32 Milliarden Euro um. Das entspricht einer Steigerung von 15 Prozent. Und auch die Handarbeitsbranche konnte ihren Umsatz 2020 um 17,4 Prozent auf 1,38 Milliarden Euro nach oben schrauben. Bauhaus, mit einer Filiale in Freiburg, spricht bisher nur von einem „Kundenzustrom“. „Dabei wurde und wird alles Relevante aus dem kompletten Spektrum von Werkstatt, Haus und Garten gekauft“, erklärt das Unternehmen. Bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen in den mehr als 150 Bauhaus-Filialen kommt den Märkten ihre Größe zugute: Mit einer durchschnittlichen Verkaufsfläche von fast 12.000 Quadratmetern sowie großzügiger Raumhöhe könnten Kunden auch bei höherer Frequenz in den saisonal starken Frühjahrsmonaten mit dem nötigen Abstand einkaufen. Als Gewinner der Krise möchte auch Bauhaus nicht gelten: „Das Wort finden wir in diesem Kontext unpassend.“ Und auch der deutsche Gartenmarkt sprießt: Laut dem Industrieverband Garten (IVG) haben die Betriebe 2020 mit einem Umsatzplus von mehr als neun Prozent „einen vermutlich auf lange Sicht nicht zu schlagenden Rekordumsatz“ von rund 20,7 Milliarden Euro erzielt. Philip Thomas

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Einrichten

»Feng Shui ist wie Quantenphysik« Carmen Kopfmann-Gerwig über Akupunktur und Möbelrücken

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Foto: © iStock.com/ExperienceInteriors, AlexJung_Christina Dage

armen Kopfmann-Gerwig führt einerseits zusammen mit Vater und Ehemann die Kopfmann Elektrotechnik GmbH. Andererseits verbindet die 34-Jährige in ihrem 2019 gegründeten Unternehmen Xanthara Coaching unterschiedliche Welten: klassische Businessberatung kombiniert mit Energiearbeit, spiritueller Beratung und Feng Shui. Im Interview mit chilli-Autorin Kristina Uhl erzählt sie von Störfeldern, Lebensenergie und Ordnung. chilli: Was verstehen Sie unter „Business Coaching meets Spiritual Consultancy“? Kopfmann-Gerwig: In der klassischen Businessberatung gibt es Zahlen, Daten, Fakten, die man beleuchtet. Durch die spirituelle Beratung kommen dann noch „weiche Faktoren“ dazu. Es geht genauso um Energie wie in der Elektrotechnik. Nur in anderer Form. Ich vergleiche das immer gerne mit Strom. Den kann man auch nicht sehen. Aber er ist da, und so verhält es sich mit der Energiearbeit auch. chilli: Und dieser Energie begegnen Sie mit Feng Shui? Kopfmann-Gerwig: Feng Shui soll den Energiefluss optimieren. Ein Beispiel: Wenn ein Haus an einem Ort steht, an dem ein Schlachtfeld war, kann es sein, dass dort noch negative Altlasten hängen. Die kann man auslei50 | chilli | bauen & wohnen | 04.2021

ten und stattdessen positive Energie einleiten. Es gibt auch Störfelder wie Wasseradern oder Funkmasten. „Möbelrücken“ ist beim energetischen Feng Shui eher die Seltenheit. Es geht tatsächlich um die Energiearbeit an sich, damit ein Nährboden geschaffen wird für eine gute Atmosphäre. chilli: Es geht darum, wie man sein Büro oder seine Wohnung am besten herrichtet …

Carmen Kopfmann-Gerwig: „Räume speichern Energie.“ Kopfmann-Gerwig: Genau. Es geht aber auch viel darum, dass Räume Energie speichern. Im Prinzip ist das nichts anderes als Quantenphysik. Die Energie, auch wenn man sie nicht sehen kann, ist immer da. Je verdichteter Energie wird, desto mehr wird sie zur Materie. Und das energetische Feng Shui kann man ein bisschen mit Akupunktur vergleichen. Dabei wird das Chi, die asiatische Bezeichnung für Lebensenergie, so angeregt, dass es optimal fließt und sich alle wohlfühlen.

chilli: Worauf achten Sie bei Feng Shui? Kopfmann-Gerwig: Optische Sortiertheit und damit einhergehend auch ein Ausmisten. Es muss nicht jeder sofort Minimalist werden. Ich finde immer, je mehr Dinge herumliegen, desto mehr Chaos verbreitet das im Kopf. Auch die Lage der Räume spielt eine wichtige Rolle. In einer Wohnung hat jedes Zimmer seine eigene Grundvoraussetzung. Wenn sich zum Beispiel in einem Raum mit wacher oder anregender Energie das Schlafzimmer befindet, ist mein Vorschlag, die Räume zu tauschen. chilli: Wie sieht ein Feng Shui Beratungstermin aus? Kopfmann-Gerwig: Ich hatte etwa einen Fall, da wollten die Hunde des Klienten partout nicht in einen Raum des Gebäudes hinein. Es stellte sich dann heraus, dass ein Technikraum unter diesem Zimmer lag. Nachdem die Wohnung mit Feng Shui entstört war, gab es keine Störquellen mehr, die die Tiere irritiert haben. chilli: Ist der Beratungsbedarf durch Corona und das vermehrte Homeoffice gestiegen? Kopfmann-Gerwig: Ja, tendenziell verschärft die momentane Situation die Lage der Menschen. Stress nimmt zu, soziale Kontakte nehmen ab. Die Menschen sind mehr zu Hause. Da ist natürlich der Bedarf entsprechend hoch.


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Neuer Gutachterausschuss Auch der Münstertaler Gemeinderat hat die Voraussetzungen für die Umsetzung der Grundsteuerreform geschaffen: Die Gemeinde tritt am 1. Juli dem neuen gemeinsamen GutachterausschussMarkgräflerlandBreisgau bei. Dieser Ausschuss mit 58 Vertretern aus 15 Kommunen wird künftig die Bodenrichtwerte festlegen und damit die Höhe der Grundsteuer beeinflussen. Sieger gekürt Das Konstanzer Büro Lanz Schwager Architekten BDA und die Landschaftsplaner 365 Grad Freiraum + Umwelt aus Überlingen haben den Wettbewerb für die Neubebauung links und rechts der Wirthstraße im Freiburger Stadtteil Landwasser gewonnen. Geplant sind dort 100 Wohnungen, ein Wohnheim für Azubis, eine Kita, ein Bolzplatz und eine Sporthalle nebst zusätzlicher Klassenräume für die benachbarte Freie Christliche Schule. Die Freiburger Stadtbau GmbH soll die Wohnungen (je 50 frei finanzierte zum Kaufen und öffentlich geförderte zum Mieten) und das Azubiheim bauen. Bis es losgeht, dauert es indes noch zwei Jahre. Der Sieger­ entwurf muss nun überarbeitet, das Bebauungsplanverfahren gestartet werden. Wittnau weist neues Baugebiet aus Die Gemeinde Wittnau plant auf einem Hektar Fläche das Neubaugebiet „In den Haseln Ost“. Die Aufstellung des gleichnamigen Bebauungsplans hatte der Gemeinderat bereits im Dezember 2019 beschlossen. Im Gebiet sollen Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser vor allem für Familien entstehen. Auch ein Mehrfamilienhaus und ein Mehrgenerationenhaus sind in Planung.

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Foto: © Ganter Property Development

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Im Alter auf der Höhe Wohnprojekt Sonnenhöhe in Breitnau geht in die zweite Bauphase

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n Breitnau entsteht derzeit ein Wohn-Ensemble mit anspruchsvollem Pflegekonzept. Der erste Bauabschnitt mit zwei Gebäuden wurde im September 2020 vollendet. Diesen Spätsommer soll der Spatenstich für vier weitere Bauwerke folgen. Die beiden Häuser der Sonnenhöhe gehören mittlerweile zur Silhouette des 1800-Seelen-Orts Breitnau im Hochschwarzwald. In drei Jahren werden es voraussichtlich sechs sein. Bis auf Tiefgarage und Kellergeschoss sollen auch die neuen Gebäude komplett in nachhaltiger Holzbauweise entstehen und den Energiestandard KfW 55 erfüllen. „Wir wollten mit regionalen Bauprodukten und Bauweisen arbeiten, die authentisch sind und zum Schwarzwald passen“, erklärt Mara Biehler von Ganter Property Development. Wichtig war dem Bauträger und Projektentwickler daher auch die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerksbetrieben: „Alle Beteiligten haben eine hohe regionale Verbundenheit.“ Das vier Wohnhäuser starke Ensemble mit je drei Etagen sowie Dachgeschoss bietet auf dem Papier Platz für je 14 bis 16 Eigentumswohnungen. Alle Zimmer verfügen über eine Fußbodenheizung, die durch Fernwärme aus Biogas und Hackschnitzel gespeist wird. Plat-

ziert werden die Gebäude mit lamellenförmigen Decken und raumhohen Fenstern so, dass seine Bewohner von Balkon oder Terrasse aus entweder den Ortskern oder die Schwarzwaldhöhen im Blick haben. Die Sonnenhöhe soll kein klassisches Seniorenheim sein – für einen Einzug gibt es keine Altersbeschränkung. Biehler sieht den Bezug vielmehr als langfristige Entscheidung: „Es hat sich bewährt, dass Menschen im Alter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben.“ Die 60 bis 140 Quadratmeter großen Apartments sollen daher bis ins hohe Alter alle Annehmlichkeiten bieten. Alle Wohnungen sind barrierefrei und verfügen über eine technische Sicherheitsausstattung mit Funkfinger und Lebenszeichenanlage. Damit ist Hilfe nur einen Knopfdruck entfernt. „Auf Wunsch stehen Service- und Pflegeleistungen durch das Team des Senioren­ zentrums St. Raphael zur Verfügung, die im zunehmenden Alter in der eigenen Wohnung individuell in Anspruch genommen werden können“, so Biehler. Im bereits bestehenden Komplex befindet sich neben einem Tagescafé auch eine Praxis für Allgemeinmedizin. Der Baubeginn für den zweiten Abschnitt soll noch im Spätsommer erfolgen. Im Herbst 2023 sollen die neuen Wohnungen im Luftkurort dann bezugsfertig sein.

Philip Thomas



Kommentar

Hickhack um Schwarmstadt

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Foto: © Neithard Schleier

n Freiburg waren am vergangenen 31. Dezember – knapp 2700 Zweitwohnsitze eingerechnet – 229.425 Einwohner gemeldet. 324 weniger als Ende 2019. Der Verein ECOtrinova, Teil der ausdauernden Widerstandsbewegung gegen den geplanten neuen Stadtteil Dietenbach, nahm dies zum Anlass, in einer Pressemitteilung von einem „beachtlichen Einwohnerrückgang“ zu sprechen. Der Rückgang liegt bei 1,4 Promille. Das ist beim Autofahren sicher beachtlich. Bei Einwohnerzahlen eher nicht. Für den Verein zeigt der Rückgang „Anzeichen eines Trendbruchs“, der von der Kommunalpolitik „nicht mehr länger übersehen werden“ dürfe. Kurzum: Dietenbach dürfe unter diesen statistischen Evidenzen gar nicht gebaut werden. Nach einer unlängst veröffentlichten Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) werden in Freiburg im Jahr 2040 etwa 253.700 Menschen leben. Gut zehn Prozent oder auch 24.000 mehr als heute. Nun ist das nur eine Prognose unter vielen. Das Freiburger Rathaus erstellt solche, das GEWOS-Institut, das Statistische Landesamt. Bei allen Deu-

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tungsversuchen, ob nun nicht-öffentlich oder auch in lokalen Medien, darf berücksichtigt werden, dass es zum Wachstum neue Wohnungen braucht. Wenn es keine Bauflächen gibt, wenn sich größere Pläne wie in ZähringenNord oder im Zinklern in Lehen jahreoder jahrzehntelang verzögern, wenn nur wenig genehmigt wird, kann Freiburg gar nicht wachsen. Das Presseamt des Rathauses hatte im März gemeldet, dass im vergangenen Jahr „trotz schwieriger Verhältnisse“ 668 Wohnungen genehmigt worden seien. Im städtischen Informationsportal „fritz“ hingen sind nur 581 dokumentiert. Die durchaus beträchtliche Abweichung könne mehrere Gründe haben, so Sören M. Werner vom städtischen Amt für Bürgerservice und Informationsmanagement. Die statistischen Erhebungsbögen, die Bauherren jedem Bauantrag beifügen müssen, träfen in der Statistik des Amts verspätet ein. Bei Umbaumaßnahmen zieht die Statistik die bereits bestehenden Wohnungen von der Zahl neuer ab – diese Differenz könne das Baurechtsamt jedoch nicht aus seinem Fachverfahren ermitteln. Zudem zählen die Statistiker keine Änderungsbaugenehmigungen hinzu, die im Wege von Nachträgen genehmigt werden.

Und schließlich lege die kommunale Statistikstelle den Fokus auf die Baufertigstellungen, da erst die Manifestation einer genehmigten Wohnung überhaupt „wirklichkeitsrelevant“ ist. Sagt Werner. Und das mit durchaus gutem Grunde. Am Ende ist es einerlei, ob es 668 oder 581 waren: Es sind zu wenig. Vermutlich kennt so gut wie jeder einen, der nach Freiburg ziehen will, wenn es geeigneten Wohnraum gäbe. Die BSSR-Studie sieht zwar bundesweit einen negativen Saldo, in BadenWürttemberg aber einen positiven (plus 3,7 Prozent), am südlichen Oberrhein einen noch positiveren (plus 5 Prozent) und in Freiburg mit einem Plus von 10,5 Prozent den positivsten. Das überrascht nicht. Das Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung sagt bis 2035 rund 240.000 Einwohner vorher, das Statistische Landesamt liegt mit 239.000 fast gleichauf, und nach der jüngsten Schätzung des Rathauses hat Freiburg 2030 schon 234.000 Einwohner. Dietenbach kann nach der aktuellsten Planung bis zu 16.000 Bewohner haben. Im Jahr 2040. Wer dagegen wettet, dass dann dort auch so viele Menschen leben werden, liebt das Risiko. Freiburg wird Schwarmstadt bleiben.

Lars Bargmann




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