Wir t scha f t
November 2020 Ausgabe Nr. 26
Im Fokus:
Unternehmen in der Region
Stresstest mit offenem Ausgang Freiburger Bankbosse über die Folgen der Corona-Krise Kommunen
„Wurschtelei“
Kapitalmarkt
Heitersheim im Kreuzfeuer der Kritik
IKH kritisiert Bund wegen fehlender Strategie
Geldanlage in Zeiten von Corona und Krisen
Editorial
Ein Ende der Wurschtelei Von Insolvenzen, Arglist und frustrierten Handwerkern
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aber damit, dass die Pandemie-Wellen auch zu einer Insolvenzenflut im kommenden Jahr führen werden. Nach einer bundesweiten Commerzbank-Umfrage sehen sich jetzt schon 18 Prozent der Betriebe in Freiburg in ihrer Existenz bedroht. Wir haben mit Vorstandschefs von großen Banken im Großraum Freiburg gesprochen. Und dabei gesehen: die Kreditwirtschaft läuft auf Hochtouren.
Einen erhöhten Pulsschlag gibt es auch im Heitersheimer Rathaus zu beobachten. Nachdem wir exklusiv berichtet hatten, dass das Rathaus noch unter dem Bürgermeister Martin Löffler private Käufer beim Kauf von Grundstücken über die Altlastenbelastung „arglistig“ getäuscht hatte, laufen hinter den Kulissen Verhandlungen über die Entschädigungen. Eine renommierte Strafrechtskanzlei sieht in einem Gutachten nun sogar die Straftatbestände Betrug und Untreue als gegeben. Der amtierende Bürgermeister Christoph Zachow schweigt zu den Vorgängen. Der Mann ist nicht zu beneiden. Das gilt auch für die Handwerker, die in der Freiburger Innenstadt Aufträge annehmen. Auf der einen Seite wird weiter mächtig für den Fuß- und Radentscheid getrommelt, sollen die Autos immer mehr aus der Innenstadt und den angrenzenden Quartieren verbannt werden, Parkplätze
umgenutzt werden, auf der anderen Seite kassiert der Maler schon fast zwangsläufig Knöllchen, wenn er seinen Dienstwagen auch nur in der Nähe seines Einsatzortes abstellen will. Freiburger Stadträte waren bei einer Führung mit Handwerksvertretern einsichtig. Nun kommt es darauf an, was daraus folgt. Was folgt auf die zweite Welle? Wenn es nach dem Willen von IHK-Präsident Steffen Auer geht, dann mindesten mal eine branchenspezifische Strategie, wie mit der dritten konstruktiv umgegangen werden soll: „Wir können nicht weiter von Pandemie zu Pandemie wurschteln.“ Wir wünschen anregende Lektüre. Bleiben Sie gesund. Und zuversichtlich. Foto: © ns
er zweite Lockdown, dem Gastronomen und Hoteliers sicher nicht das Prädikat „light“ anheften würden, hat seine Hände um die Wirtschaft in Südbaden gelegt und würgt einigen Betrieben nun endgültig die Luft ab. Die Zahl der Insolvenzen ist zwar bislang in diesem denkwürdigen Jahr im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht zurückgegangen, so gut wie alle Experten rechnen
Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2020 | 3
Inhalt Gesundheitswesen
Mit der Artemed-Gruppe hat ein finanzstarker Träger das St. Josefsund das Lorettokrankenhaus übernommen – und kündigt 20 Millionen Euro Investitionen an 18-19
Start-ups
Titel Fast jeder fünfte Betrieb lebt in Existenznot: Wie Freiburgs Bankbosse das CoronaKrisenjahr erleben
Die Achterbahnfahrt der Internet-Rebellen von Gardion 6 -7
Verbände
Die IHK-Spitze fordert nach dem zweiten Lockdown eine ordentliche Strategie von der Regierung 8-9 Handwerker fordern vom Freiburger Rathaus Stellplätze zum Arbeiten 12
Kommunen
Die Stadt Heitersheim hat bei Grundstücksverkäufen getäuscht. Ein Gutachten sieht Betrug und Untreue 10-11
Stadtentwicklung
Unmüßig kauft CommerzbankTurm am Bahnhof und findet neues Branding für Green Tower
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Stadtbau und Rathaus küren Sieger bei Wettbewerb in Haslach
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20-21
Menschen & Meldungen
Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.) Chefredaktion: Lars Bargmann
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Neue Kooperation von Trumpf und Sick im Milliardenmarkt Quantensensorik
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Der Stellenmarkt war Ende Oktober fast schon wieder auf Vorkrisenniveau 36
Wie die mehrpunkt GmbH sich mitten in der Corona-Krise neu erfindet 28
Kein Tariflohn: Warum Amazon in Hochdorf Gehälter frei aushandelt
Acht Millionen Euro investierte Schmolck in ein neues Autohaus – ein lohnendes Engagement
Fakten bitte
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Redaktion: Philip Thomas, Liliane Herzberg, Dr. Stefan Pawellek, Stella Schewe
chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 | 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 | fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de
Logistiker Streck managt 25-Millionen-Auftrag für Zahoransky
Unternehmen in der Region
IMPRESSUM business im Breisgau
Herausgeber:
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Finanzwelt
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Das business im Breisgau-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli
Freyler Industriebau baut für BBS Motorsport innovatives Gebäude
SC Freiburg bilanziert trotz Corona mit leichtem Plus / Im Windpark Biederbach sind die leistungsstärksten Windräder in Baden-Württemberg ans Netz gegangen / Otto Graf investiert 19 Millionen Euro in neues Werk / Familie Link verkauft ihre Autohäuser / Neue Oldtimermesse in Freiburg / Corona kappt Ausbildungsbereitschaft / HWK fordert weiter offene Grenzen 22-27
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Themenheft 11-2020
Zukunftsthema: Mall Umweltsysteme zeigt an der Lokhalle Freiburg, wie nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung geht 30
Titelcollage: © iStock.com/Nuthawut Somsuk, AdobeStock/design gourmets, AdobeStock/Naturestock, freepik.com
Fotos: freepik, iStock Grafik: kombinat79/Sven Weis Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Christoph Winter (Leitung), Malika Amar, Giuliano Siegel
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Wirtschaftsprüfer Mathias Hecht über neue Gesetze und aktuelle Corona-Hilfen
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Kapitalmarktstratege Thomas Lehr über Geldanlagen in Krisenzeiten
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Arbeitsmarkt
Die Herbstbelebung drückt die Arbeitslosenzahlen – ob das nach dem zweiten Lockdown so bleibt?
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Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 38 36
Druck: Freiburger Druck GmbH & Co. KG Ein Unternehmen der
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Titel
Stresstest mit offenem Ausgang
Freiburger Banker über die Auswirkungen der Corona-Krise
Illustration: © iStock.com/Ledi Nuge
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napp die Hälfte der Freiburger Unternehmen sind von der CoronaKrise stark getroffen. 18 Prozent sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Bundesweit sind es fast 25 Prozent. Das geht aus einer Studie der Commerzbank hervor. Es gibt aber nicht nur Verlierer. Die Zahl der Insolvenzen ist im Vergleich zum Vorjahr sogar rückläufig. Die der Kredite und Kundeneinlagen indes ungebremst steigend.
Für die Studie hat die Commerzbank bundesweit 3500 Selbstständige, Freiberufler und Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro befragt. Darunter auch 50 in Freiburg. Gut die Hälfte der Unternehmer hat staatliche Förderprogramme genutzt, vor allem bei der Landesförderbank Baden-Württemberg. In vier von fünf Fällen ging es dabei um Beträge unterhalb von 10.000 Euro. „Das bedeutet, dass insbesondere viele kleine Unternehmen betroffen sind“, so Anton Gereitzig,
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Niederlassungsleiter der Commerzbank-Filiale in Freiburg.
Insolvenzen Eine Insolvenzflut haben die Pandemiewellen bislang nicht ausgelöst. Das könnte eine trügerische Momentaufnahme sein, denn die Bundesregierung hat die Insolvenza ntragspflicht seit März ausgesetzt. „Die Zahl der Insolvenzen ist bei uns bisher sehr gering“, sagt der Freiburger Volksbank-Vorstand Uwe Barth. Da aber nicht wenige Unternehmen durch massive Umsatz-
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rückgänge aufgrund der Corona-Krise doch stark betroffen sind, rechnet er mit einer Zunahme der Insolvenzen im kommenden Jahr. Auch SparkassenVorstandschef Marcel Thimm rechnet erst „in den kommenden Monaten“ mit einer Zunahme. Bisher hätten die Corona-Hilfsgelder die beabsichtigte Wirkung gezeigt, „leider laufen wir ja nun in einen zweiten Lockdown“. Schwieriger werde es für einige Unternehmen dann, wenn die Rückzahlung der Hilfen ansteht. Ganz besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen: „Was die nächsten Monate noch bringen, kann derzeit niemand vorhersagen.“
auch Firmen, die medizinische Produkte herstellen oder mit solchen handeln. Gewinner im eigentlichen Sinn sind Thimm indes nicht bekannt: „Die Krise hält ja immer noch an und der Konsum ist auch betroffen.“ Vereinzelt gebe es aber auch positive Geschäftsentwicklungen, etwa bei Fahrradhändlern oder Lieferdiensten. „Insgesamt muss man leider auch sagen, dass es deutlich mehr Verlierer als Profiteure gibt“, kommentiert Barth.
Gewinner und Verlierer Zu den Verlierern zählen für die Banker die Tourismus- und Freizeitbranche, Messen und Events, Luftfahrt, Automotive, Reisebüros, Restaurants und Caterer, Kunst und Kultur, der stationäre Einzelhandel, auslandsaktive Unternehmen und die Hotellerie. Dort sind, so Barth, die Auswirkungen je nach Geschäftsmodell sehr unterschiedlich: Hotels mit dem Fokus auf Businesskunden sind stärker betroffen als die touristische Hotellerie. Hier konnte der gestiegene Inlandstourismus die ausbleibenden ausländischen Gäste ausgleichen. Thimm weist darauf hin, dass bestimmte Branchen, etwa die Automobilindustrie und Zulieferer, schon vor der Corona-Krise Probleme hatten, „die sich nun noch verschärft haben“. Wer bisher bei den Hilfsprogrammen oft durchs Raster gefallen ist, so Lukas Feldmann aus der Pressestelle der GLS Bank, sei die Kulturbranche. Viele Solo-Selbstständige, freischaffende Künstler, konnten durch die Staatshilfen nicht erreicht werden. Die GLS Bank hat deshalb einen „Kunstnothilfe-Fonds“ gegründet und in dem bereits knapp 300.000 Euro gesammelt. Auf der Gewinnerseite stehen Software-Unternehmen, die Lebensmittelbranche, der Online-Einzelhandel, Labore, Drogerien, Apotheken, aber
lerweile rund eine Milliarde Euro bei der EZB geparkt – und muss dafür hohe Negativzinsen bezahlen.
Die Strafzinsen Die Commerzbank reduzierte am 1. Oktober den Freibetrag für die Kundschaft auf 100.000 Euro. Bei der Volksbank liegt er für Privatkunden bei 225.000 Euro, für Firmenkunden bei 250.000 Euro. „Fast alle Marktteilnehmer geben aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase diese Kosten an den Kunden weiter, in der Tendenz wird sich das noch verschärfen“, so Barth. Die Sparkasse gewährt Privatkunden „noch“ (Thimm) 250.000 Euro Freibetrag. Mit Firmenkunden seien individuelle Vereinbarungen geschlossen worden. 98 Prozent der Privatkunden seien nicht von Verwahrentgelten oder Negativzinsen betroffen. Die Volksbank BreisgauMarkgräflerland hat derzeit einen Freibetrag von 250.000 Euro.
Die Stimmungslage
Kreditlandschaft Bundesweit stellte die Commerzbank etwa zehn Milliarden an Überbrückungskrediten bereit, rund 80 Millionen Euro davon allein in Freiburg. „Die Kredite an Unternehmen und Selbstständige stiegen in diesem Jahr um zehn Prozent“, sagt Gereitzig. Barth berichtet von einem „soliden Kreditgeschäft“. Er geht davon aus, dass die Volksbank das geplante Wachstum von über vier Prozent für 2020 erreichen wird. Bei der Sparkasse bewegen sich die seit Jahresbeginn neu zugesagten Kredite und Darlehen „erstaunlicherweise auf Rekordniveau, weit über dem Vorjahr“, erzählt Thimm. Die Kundeneinlagen klettern weiter nach oben, die Sparkasse hat mitt-
Einige Firmen können durchaus positiv in die Zukunft schauen. „Viele unserer Kunden haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet und deswegen eine gute und gesunde Substanz“, sagt Barth. Ein Großteil hält die Liquidität hoch, um jederzeit handlungsfähig zu bleiben. Ein wichtiger Punkt, auch aus psychologischer Sicht, sei die unmittelbare Bereitstellung von Liquidität zu Beginn der Krise gewesen.
Der Arbeitsmarkt Eine Kernbotschaft der CommerzbankStudie ist, dass zwei Drittel der Befragten bislang ohne Kündigungen durch die Krise gegangen sind. 28 Prozent der Betriebe nutzen die Kurzarbeit. 14 Prozent haben Einstellungsstopps verfügt. 40 Prozent der Unternehmer erklärten, dass Home-Office in ihrer Firma nicht umsetzbar sei – bundesweit sind es 45. 14 Prozent hatten vor der Krise keine Home-Office-Lösungen, diese aber zwischenzeitlich geschaffen. Die Zahl ist doppelt so hoch wie im Bundesschnitt. Stefan Pawellek,Lars Bargmann
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Verbände
Restaurant Shop
ES ALUSLS RAUS! M
Bäckerei
E SAL
GESCHLO
SSEN
GO! NUR TO
IHK fordert bessere Strategie von Regierung „Nicht weiter von Pandemie zu Pandemie wurschteln“
Illustration: © Freepik.com
A
m 29. Oktober legte die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK) ihren Konjunkturbericht für den Herbst 2020 vor. Darin waren deutlich positive Entwicklungen zu konstatieren. Nur einen Tag zuvor aber hatten Kanzlerin Angela M erkel und die Länderchefs einen Lockdown light beschlossen. Die Ergebnisse der Umfrage sind somit nur sehr beschränkt tauglich, um die aktuelle Stimmungslage zu spiegeln. IHKPräsident Steffen Auer forderte die Politik auf, eine „branchendifferenzierte Strategie für die Zukunft“ zu erarbeiten.
„Wir können nicht weiter von Pandemie zu Pandemie wurschteln“, sagte Auer. Die verordnete Schließung der Gastronomie und das erneute Beherbergungsverbot für mindestens vier Wochen hätten die Kammer „überrascht“. Der Gastronom Olaf Drubba, bei der Pressekonferenz ebenso wie Messebauer Ralf Brotte zugegen, sagte: „Uns hat das kalt erwischt.“ Am Mittwoch kam die Nachricht, nur vier Tage später musste Drubba seine Lokale schließen. Für den Gastronomen und Hotelier mit 240 Beschäftigten hat die vierwöchige Zwangsschließung „mindestens sechs Monate lang“ Auswirkungen. Und diese würden „deutlich drastischer“ als die aus dem ersten Lockdown
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sein. Weil Weihnachten vor der Tür steht und heute keiner Hotels oder Weihnachtsfeiern bucht, wenn er nicht weiß, ob er die Buchung dann auch leben kann. Noch drastischer drückte es Brotte, Geschäftsführer der Firma Externe Messeabteilung, aus: „Für uns ändert der zweite Lockdown gar nichts, wir haben schon seit acht Monaten nichts zu tun. Ich stehe seit acht Monaten im Wald und weiß nicht, wohin ich gehen soll.“ Wie viele Kf W-Kredite er für welche Zukunft noch aufnehmen soll. Die Regierung in Berlin müsse zwingend verbindlich sagen, was 2021 geht und was nicht. Allein, auch Brotta weiß, dass die Berliner damit überfordert sind.
Foto: © IHK Südlicher Oberrhein
Verbände
Auer und IHK-Geschäftsführer Dieter Salomon kritisieren den zweiten Lockdown nicht. Sie wissen, wie schwer es ist, die richtige Balance zu finden. „Man kriegt so oder so einen drauf“, sagte Auer. „Wir müssen jetzt die Welle brechen“, so Salomon. Aber sie kritisieren das Pauschale, das nun die Freizeitbranche trifft. Die Gastronomen haben sich über den Sommer mit den Corona-Regeln arrangiert, für die kalte Jahreszeit nun Zelte und Heizpilze gekauft und würden nun so behandelt, als wären sie Superspreader. „Für uns war klar, dass die Gastronomie irgendwie geöffnet bleibt", sagte Auer. 98 Prozent der Gastronomen hatten in der Umfrage angegeben, mit Umsatzeinbußen leben zu müssen, im Baugewerbe waren es 31 Prozent. Jedes vierte Unternehmen meldete, dass in spätestens zwei Jahren das Eigenkapital für die Krisenbewältigung aufgebraucht sei. Bei den Dehoga-Betrieben befindet sich heute schon ein Drittel in Liquiditätsengpässen. Auf der anderen Seite hatten 23 Prozent angegeben, dass ihre Firmen bereits wieder auf oder über der Vorkrisenauslastung operieren. Auch das aber war eine Zahl, die vor dem zweiten Lockdown galt. „Ein Lockdown light wird Leben retten, aber auch viele Arbeitsplätze kosten und Existenzen zerstören. Der wirtschaftliche Aufschwung, den wir bis eben erlebt haben, ist wieder weg, weil die Zuversicht schwindet“, teilte C hristoph
Zwingen sich trotzdem zum Lächeln: Ralf Brotte, Dieter Salomon, Steffen Auer und Olaf Drubba (v.l.). Münzer mit, Hauptgeschäftsführer der wvib Schwarzwald AG. Das Damoklesschwert wird weiter über der Wirtschaft schweben. Die zweite Welle der Pandemie rollt über den Erdball, die Frage ist, wann die dritte kommt. Und ob der Gesetzgeber bis dahin (Februar, März?) eine bessere Strategie erarbeitet hat, wie das eine (funktionierendes Gesundheitssystem) zu sichern ist ohne das andere (irreparable Schäden in der Wirtschaft) dafür einzahlen zu müssen.
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Kommunen
Weiter Zoff im Heitersheimer Rathaus Neues Gutachten: Betrug und Untreue gegeben
Bebauungsplan Staaden III: Belastete Böden, belastete Stimmung
Montage: business im Breisgau; Map: © DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies, 2020; Bebauungsplan: Stadt Heitersheim
Bebauungsplan „Staaden III“
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er Streit um rechtlich fragwürdige Grundstückskaufverträge zwischen der Stadt Heitersheim und privaten Käufern (wir berichteten exklusiv) schwelt immer weiter. Das Rathaus hat die Kanzlei Fridrich Bannasch & Partner Rechtsanwälte eingeschaltet, die Käufer lassen sich von der Kanzlei Steiger, Schill & Kollegen vertreten. „Bisher gab es noch keinen akzeptablen Vorschlag aus dem Rathaus“, sagt Nicolas Schill, der mittlerweile acht Käufer vertritt.
Ein dem Wirtschaftsmagazin business im Breisgau vorliegendes strafrechtliches Gutachten der Kanzlei Gillmeister Rode Schmedding resümiert: „Der Abschluss der Kaufverträge erfüllt sowohl die Voraussetzungen eines Betruges als auch 10 | chilli | business im Breisgau | 11.2020
einer Untreue.“ Der Heitersheimer Bürgermeister Christoph Zachow, der die Angelegenheit von seinem Vorgänger Martin Löffler quasi geerbt hat, teilt auf Anfrage mit, dass er „auf Grund der noch laufenden Verhandlungen zu den von Ihnen gestellten Fragen aktuell keine Auskunft geben kann“. Die Fraktion „Zusammen für Heitersheim“ (ZfH) zitiert in der Amtsblattausgabe der Malteserstadt vom 2. Oktober aus unserem Artikel „Rechtsstreit im Rathaus“. „Dieses rechtswidrige Vorgehen ist unserer Stadt unwürdig. ZfH fordert Aufklärung und die Benennung der Verantwortlichen. Regressforderungen gegen diese müssen nun juristisch eingeleitet werden“, so Fraktionssprecher Bernhard Walz. Wenn es zu einer strafrechtlichen Anklage käme, würde sich diese gegen Alt-Bürgermeister Löffler richten, da die Gemeinde durch den jeweiligen Bürgermeister als natürliche Person vertreten ist.
Kommunen
„Der Veräußerer erklärt, dass ihm nicht erkennbare Mängel, insbesondere auch schädliche Bodenveränderungen und Altlasten des Grundstücks, nicht bekannt sind.“ So steht es in den umstrittenen Kaufverträgen für Baugrundstücke im Neubaugebiet Staaden III. Unterzeichnet wurden sie 2019. Drei Jahre zuvor schon hatte das Freiburger Büro HPC fürs Heitersheimer Rathaus ein Bodengutachten erstellt. „Aufgrund eines starken Bleigehalts in der Probe MP1 sind die Auffüllungen abfalltechnisch in eine Qualitätsstufe höher als Z2 einzuordnen“, heißt es darin etwa. Z2 ist die höchst belastete Kategorie. Der Bodenaushub könne keinesfalls ohne weitere Prüfungen entsorgt werden. Pikantes Detail: Im Oktober 2019 hatte ein Käufer versucht, seinen Aushub für die Baugrube bei der Deponie in Bollschweil loszuwerden. Das zuständige Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald hatte die Eheleute DemirelAkgün mit dem Hinweis abgewiesen, dass die Ergebnisse für den Parameter Blei „leider weit oberhalb des zulässigen Grenzwerts für Bollschweil“ liegen. Der daraufhin angeschriebene Bürgermeister Löffler schrieb per Mail zurück: „Das ist in der Tat auch für uns völlig überraschend. Wir nehmen uns der Sache unverzüglich an.“ Im auch Löffler bekannten HPC-Gutachten heißt es sodann weiter, dass
neben „den Bleigehalten zudem die Gehalte an Arsen, Cadmium, Kupfer und Zink erhöht“ seien. Ein Kreditinstitut hat einem Käufer schon mitgeteilt, dass der Wert des Grundstücks aus Sicht der finanzierenden Bank gemindert sei. Die hoch belasteten Böden sind wirtschaftlich, aber auch psychisch ein Problem für die Käufer. Schill geht es nun vor allem um einen „wirtschaftlichen Ausgleich für den Minderwert des Kaufgegenstands“. Die bisherigen Versuche, sich auf eine Entschädigung mit dem Rathaus-Anwalt Tobias Lieber zu verständigen und auch nach einer Behandlung des Themas in einer Gemeinderatssitzung blieben bislang ohne Erfolg. „Wir warten nun auf einen Gesprächstermin im Rathaus und werden dort vorschlagen, einen prozentualen Abschlag auf den Kaufpreis als Ausgleich zu regeln.“ Genauer wollte sich Schill nicht in die Karten schauen lassen. Aber fünfstellig werde der Ausgleich sein müssen. Lars Bargmann
Das Ringen um die Höhe des Schadensersatzes
Info
Die Geschichte „Rechtsstreit im Rathaus – Heitersheim verschweigt Altlasten in Kaufverträgen“ finden Sie hier: bit.ly/3eBLM4m Anzeige
chilli | business im Breisgau | 11.2020 | 11
Handwerk
Handwerker senden Notsignal
Betriebe fordern Stellplätze in der Innenstadt oder sich diese noch erheblich verteuern, wurde Rauber deutlich. Es fehlten einfach immer mehr Parkflächen. Die Kammervertreter beobachten „deutliche Widersprüche in der Stadtpolitik“: Einerseits solle gebaut und saniert werden und damit auch ein Beitrag zur Klimawende geleistet werden, andererseits fehlten dafür – trotz Handwerker- oder Notdienstplaketten – die Grundlagen: „Das Freiburger Handwerksorganisationen Handwerk stellt sich nicht gegen die zeigen Stadträten, mit welchen Schwierigkeiten Zielsetzung einer fahrradfreundlichen die Betriebe zu kämpfen haben. und autofreien Stadt. Die Kreishandwerkerschaft fordert jedoch eine differenzierte Herangehensweise mit Ausroßes Bohei um den geladen, sich bei einem Rundgang ein nahmeregelungen für die wichtigen Fuß- und Radentscheid persönliches Bild zu machen. Eine rich- Versorgungsdienstleister“, so Bernhard in Freiburg, viele Ini- tige Idee. Denn für Südbadens Hand- Ritter, Geschäftsführer der Kreistiativen und auch Politiker werkerbetriebe sind Aufträge in der handwerkerschaft Freiburg. haben dem Autoverkehr den Freiburger Innenstadt etwa so attraktiv Es müssten „privilegierte AbstellKampf angesagt, Parkplätze wie Fahrstühle für an Klaustrophobie flächen in der Kernstadt“, aber auch sollen für andere Nutzungen Leidende. Handwerker brauchen ihre in anderen betroffenen Stadtteilen umgewidmet werden, es gibt ein Autos am Einsatzort. Doch die können ausgewiesen werden. Und: Die stark Meer an Parkzonen mit unter- sie in Freiburg City nahezu nirgendwo eingeschränkten Lieferverkehrszeiten schiedlichsten Regelungen, die so parken, dass es ein knöllchenfreier in der erweiterten Fußgängerzone im Innenstadtkern sowie die fürs erlaubParkgebühren steigen weiter – Arbeitstag wird. autofreundlich ist Freiburg ab- „Mehrere Betriebe sehen sich schon te Be- und Entladen gehörten auf den jetzt aufgrund fehlender Abstellmög- Prüfstand. Das Abstellen eines Fahrsichtlich nicht. lichkeiten ihres Werkstattfahrzeuges zeugs während eines solchen Vorgangs „Ein schönes Stadtbild ist wün- am Einsatzort nicht mehr in der Lage, in einer Tiefgarage sei realitätsfern schenswert, aber die Nahversorgung Aufträge in innerstädtischen Bereichen und aufgrund der Fahrzeugmaße in der Anwohner muss sichergestellt anzunehmen“, erzählte der Freiburger vielen Fällen gar nicht möglich. sein. Das heißt, das Handwerk muss Kreishandwerksmeister Michael Rauber. Die anwesenden Stadträte nickten in der Lage sein, seine Arbeit auch in Auf der anderen Seite verteuerten sich oft. Die Frage wird sein, welche Taten der Innenstadt effektiv und effizient die Aufträge selbst für kleinste Repara- nun folgen. Und dabei wird nicht zumachen zu können“, fordert Handirk turarbeiten erheblich, wenn die Fahr- letzt das Garten- und Tiefbauamt von Ungern-Sternberg, Mitglied der zeuge nach dem Entladen entfernt von Frank Uekermann eine SchlüsGeschäftsleitung der Handwerkskam- abgestellt oder zwangsläufig anfallende selrolle spielen. Wenn bei der Plamer Freiburg (HWK). Und das sei ak- Bußgelder bei unvermeidlichen Verstö- nung neuer Stadtteile keine Stellplätze tuell nicht gegeben. ßen schon eingepreist werden müssen. für Handwerker eingeplant werden, HWK und Kreishandwerkerschaft Ein „weiter so“ werde dazu führen, würde das indes indirekt auch das haben deswegen unlängst mal Ent- dass sich für handwerkliche Dienstleis- Maß der Wertschätzung des Handscheidungsträger aus dem Rathaus ein- tungen keine Handwerker mehr finden werks zeigen. bar
Foto: © HWK FR
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Immobilien
Unmüßig kauft Hochhaus 22,5 Millionen für altes Commerzbank-Gebäude – Neues Branding am Smart Green Tower
Städtebauliche Tristesse: An der Ecke Bismarckallee und Friedrichring scheitern seit Jahren alle Versuche, eine Attraktivitätssteigerung zu erreichen. Auch in den nächsten Jahren wird sich nichts verändern.
Foto: © bar, Visualisierungen: © Frey Architekten, Unmüssig
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So sah die Fassade ursprünglich aus (li.), dann so (re.) und Ende November wird die neue präsentiert.
er Freiburger Projektentwickler Peter Unmüßig hat das Bürohochhaus an der Bismarckallee 18–20 für 22,5 Millionen Euro von der in London ansässigen CLS Holdings gekauft. Die Immobilien Zeitung hatte als erste darüber berichtet. Damit liegt nun ein städtebaulich markanter Hochpunkt wieder in Freiburger Händen. Am Nordende der Bahnhofsmeile gehört Unmüßig auch der benachbarte Turm, in dem die Uniklinik eingemietet ist. Zunächst sollen beide Gebäude im Bestand bleiben.
teressant, die nicht mehrwertsteuerpflichtig sind (etwa Kommunen, Anstalten öffentlichen Rechts, K rankenkassen). Die Corona-Pandemie habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt, so Peter Unmüßig: „Nur wenn wir es schnell entwickeln wollten, dann wäre das ein Thema gewesen.“ Dass sie aber die Ecke Bismarckallee und Friedrichstraße entwickeln wollen, gehört zur DNA der Gruppe.
Derzeit belegt die Freiburger Volksbank rund 6000 der insgesamt 7300 Quadratmeter, die der Neungeschosser fasst. Die CLS Holdings, die das Gebäude 2013 gekauft hatte, wollte ursprünglich selber entwickeln, hat aber offenbar nach jahrelangem Hickhack um eine Neukonzeption des sogenannten Europaviertels auch die Lust verloren. Am 30. Juni zieht die Volksbank in ihren Neubau an der Ecke zur Eisenbahnstraße, danach wollen Peter und Maximilian Unmüßig die Flächen für mindestens fünf Jahre vermieten. „Das ist ein ideales Ausweichquartier für viele Behörden und Institutionen, die ihre Stammsitze revitalisieren“, sagt der Senior im Gespräch mit der Redaktion. Unmüßig kann die Flächen ohne die sonst übliche Mehrwertsteuer vermieten – sozusagen brutto für netto –, weil steuerlich gesehen der Berichtigungszeitraum abgelaufen ist – mithin in den vergangenen zehn Jahren nicht nennenswert investiert wurde. Das macht die Flächen für Nutzer in-
Ein aktuelles Thema ist das neue Branding des Smart Green Towers auf dem Güterbahnhof. Dem Vernehmen nach wird es Ende November vor Ort einen Pressetermin mit Oberbürgermeister Martin Horn und Baubürgermeister Martin Haag geben. Die Unmüßigs wollen sich vorher nicht in die Karten schauen lassen, dementieren aber die chilli-Informationen auch nicht, wonach der Turm eine über 15 Geschosse reichende intensiv begrünte Fassade bekommen soll. Womöglich eine der größten in Deutschland. Das wäre ein Paradigmenwechsel von einem eher technisch innovativen Gebäude, wie es ursprünglich der Architekt Wolfgang Frey geplant hatte (wir berichteten), hin zu einem biologisch innovativen. Begrünte Fassaden schaffen vor allem im urbanen Raum kühlere Klimainseln, verringern den Energiebedarf von Klimaanlagen und können damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Lars Bargmann
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Aus Smart Green Tower wird Green City Tower
Stadtentwicklung
Was auf die Kette gekriegt
Freiburger Stadtbau kürt Siegerentwurf für Bau von 225 Wohnungen
Prämierter Entwurf : Wo Häuser sich wie eine Gesellschaft an einen Tisch setzen
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Visualisierung: © luxfeld digital art – AB florian krieger
ie Freiburger Stadtbau GmbH reißt in Haslach 143 Wohnungen ab. Das ist deswegen keine Schlagzeile, weil sie auf diesem Grundstück 225 neue Wohnungen baut. Weil sie aus heute 6000 Quadratmetern Wohnfläche 13.200 macht. Und weil sie fünf Architektenbüros beauftragt hatte, sich gute Gedanken um die zukünftige Bebauung zu machen. Dabei gab es einen klaren Sieger: Und der heißt Florian Krieger und kommt aus Darmstadt. „Sehr überzeugend“ sei der Sieger entwurf, sagte der Freiburger Stadt planungsamtschef Roland Jerusalem. Weil er ein Kettengebäude zur Uffhauser Straße ausbilde, weil er einen starken Innenhof und mehrere kleine ausbilde, weil die vier Gebäude an der Drei- Ähren-Straße den östlich angrenzenden Freiraum optimal in die Neubaukonzeption hineinfließen lasse. Der Preisgerichtsvorsitzende, der Frankfurter Architekt Zvonko Turkali,
fand die griffige Formulierung, dass sich die insgesamt sechs Häuser rund um den „identitätsstiftenden“ Hof „wie eine Gesellschaft an einen Tisch“ setzen. Das zur Straße immer wieder vor- und zurückspringende Kettengebäude, das nach innen wie ein Kamm ausgebildet ist, vertrage an den Enden durchaus sechs Etagen – heute stehen dort vier dreigeschossige Gebäude – und wirke wie ein Schallschutzvorhang. Vor dem Haus verläuft übrigens noch ein nicht überplanter Streifen – die Vorhaltetrasse für eine Straßenbahnanbindung von St. Georgen. Auf der gegenüberliegenden Seite sind die Gebäude drei- bis viergeschossig. Das gilt auch für die geplante Kita, die indes genau deswegen kritisiert wurde: Hier soll Krieger nacharbeiten, am besten eingeschossig inszenieren, weil drei Geschosse schlecht zu betreiben wären. Dass die Tiefgarage mit 160 KFZStellplätzen nur unter die Hälfte des 22.000 Quadratmeter großen Gebiets unweit des Friedhofs geplant wurde,
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ermöglicht einen ernstzunehmenden Baumbestand, weil auf der freien Fläche tiefer gewurzelt werden kann. Stadtbau-Geschäftsführerin Magdalena Szablewska berichtete, dass von den 225 Einheiten etwa die Hälfte als öffentlich geförderte Mietwohnungen gebaut werden, je ein Viertel frei finanziert oder für Käufer. Die geförderten würden 40 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese liege bei etwa zehn Euro. Ergo kostet der Quadratmeter in den Kf W55-Effizienzhäusern wenig mehr als sechs Euro Miete. Insolvenzgefährdend sei das für die FSB nicht. Heute zahlen die Mieter in den bis zu 70 Jahre alten Gemäuern etwa die gleiche Miete. Damit sie im Quartier bleiben können, wird die FSB, voraussichtlich aber erst ab 2023, in mehreren Bauabschnitten bauen. Jerusalem hofft, dass die BIMA (Bundesanstalt für Immobilienauf gaben), die im direkten Umfeld des Stadtbau-Grundstücks ebenfalls entwickeln will, sich an der Qualität vom Sieger Krieger orientiert. bar
Gesundheit
Zwei Häuser auf einer Fotomontage: links das Loretto, rechts das Josefshaus
Finanzkräftiger KlinikBetreiber neu in Freiburg Frischer Wind im Loretto- und St. Josefskrankenhaus
S
Fotos: © RKK Klinikum, Hoffotografen AS
eit dem 1. Oktober ist die bayrische ArtemedGruppe der neue Träger des Freiburger RKK-Klinikums. Rund 20 Millionen Euro sollen nun ins St. Josefs- und das Loretto-Krankenhaus fließen. Geplant sind der Ausbau der Profile und die Modernisierung des Klinikbetriebes. Der neue Eigner hält außerdem weiter an christlichen Werten fest.
Beide Häuser bleiben erhalten, ebenso alle 2000 Arbeitsplätze. „Die Krankenhäuser haben ihren Platz in Freiburg und wir werden ihr Profil noch schärfen“, erklärt der neue Geschäftsführer des RKK-Klinikums und der ArtemedGruppe Benjamin Behar. Im Loretto-Krankenhaus stehe die differenzierte Beschäftigung mit dem Thema der Erkrankung des Bewegungsapparates an. „Wir wollen ein Konzept für eine Schmerztherapie erarbeiten, das verschiedene Stufen bein-
haltet, im besten Falle von ambulant bis multimodal-stationär“, erläutert der 41-Jährige. Dort könnten dann ganzheitlich und interdisziplinär Entscheidungen bei Schmerzpatienten getroffen werden. Die Loretto-Notfallambulanz bleibe bestehen, außerdem werde die Urologie weiter ausgebaut und „wir werden uns bemühen, dass wir dort ein MRT (Magnetresonanztomographiegerät, d. Red.) ins Haus bekommen.“ Auch im St. Josefskrankenhaus wird es Veränderungen geben. „Wir würden gerne den Bereich der Thoraxmedizin stärken. Außerdem das Thema Viszeralmedizin, also alles rund um den Magen-Darm-Trakt, sowie die Kooperation mit der Uniklinik im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin kräftigen.“ Die Notfallambulanz werde neu organisiert und baulich modernisiert, die Gastroenterologie gestärkt, die Radiologie erweitert. Eine neues MRT ist bereits bestellt. Die Freiburger Häuser wurden bisher von vier Ordensgemeinschaften verant-
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wortet. Aufgrund der Altersstruktur sowie fehlender finanzieller Möglichkeiten sahen sich die Gesellschafterinnen des Regionalverbunds kirchlicher Krankenhäuser gGmbH (RKK) zuletzt gezwungen, die Häuser an einen neuen Träger zu übergeben. Nachdem im Mai der vereinbarte Deal mit der kirchlichen Gruppe die Barmherzigen Brüder von Trier (BBT) geplatzt war, hatte der RKK nach einer neuen Trägerschaft gesucht und wurde in der privaten Artemed Gruppe fündig. Den schnellen Beschluss erklärt Behar: „Wir wurden angesprochen und wollten das eigentlich von Anfang an, weil das zwei toll gelegene und selektiert geführte Häuser sind, wo es durchaus Weiterentwicklungspotenzial für uns gibt.“ Die Investitionssumme von rund 20 Millionen Euro sei grob geschätzt, so der Geschäftsführer. Es könne ebenso sein, dass es mehr werde. „Wir wussten schon vor der Übernahme, dass dort investiv einige Themen anstehen. Aber es ist sicher eine Größenordnung,
Gesundheit
die realistisch ist.“ Bisher stehen 500 Betten in beiden Häusern zur Verfügung. Neben der Uniklinik ist das RKK Klinikum die zweitgrößte Versorgungsstruktur in Freiburg und Umgebung „und damit relevant“. Die Ordensschwestern bleiben weiterhin wichtiger Bestandteil des 1886 gegründeten St. Josefs- und seit 1921 bestehenden Loretto-Krankenhauses und mit ihnen die christlichen Werte, betont der Geschäftsführer. „Man muss die Tradition weiterführen. Wir glauben fest, dass das Thema Zuwendung ein relevanter Bestandteil der Genesung ist. Das können christliche Häuser besonders gut. Und das möchten wir gerne konservieren und weiterführen.“ Für die nähere Zukunft hoffe er, dass der Corona-Rettungsschirm bald wieder aufgespannt werde. Die f inanzielle Unterstützung lief Ende September aus. „Der Rettungsschirm wird definitiv relevant. Natürlich infiziert sich auch das Personal und es entstehen dadurch Engpässe“, erklärt Behar. Aber es gebe bei ihnen ein Konzept, wie CoronaPatienten isoliert behandelt und trotzdem noch die grund legende und dringende Versorgung weiter aufrechterhalten werden könne. „Aber wir brauchen dennoch einen unkomplizierten schnellen Weg.“ Zum RKK-Klinikum gehörte bis zum April 2019 auch das Bruder-Klaus-Krankenhaus in Waldkirch. Dies fand im BDH Bundesverband Rehabilitation einen neuen Träger.
Benjamin Behar: Zuwendung ist Bestandteil der Genesung.
Noch in diesem Jahr wird dort die renommierte Lungenfachklinik aus St. Blasien einziehen. Die Artemed-Gruppe beschäftigt rund 5000 Mitarbeiter, betreibt 16 Krankenhäuser, fünf Pflegezentren sowie medizinische Stiftungsprojekte in Myanmar, Tansania und Bolivien. Die Artemed SE, die Holdinggesellschaft der Gruppe, erwirtschaftete 2018 rund 365 Millionen Euro Umsatz – gut 36 Millionen mehr als 2017 – und wies nach Steuern einen Gewinn in Höhe von 12,74 Millionen Euro aus.
Liliane Herzberg
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Start-ups
»Das war eine Nahtoderfahrung«
Freiburger Start-up Gardion will das Internet sicher machen
Thomas Schlenkhoff: „Wir haben das einfach nicht dicht bekommen.“
Foto: © pt
P
otente Viren, preiswertes Viagra, personalisierte Werbung. Irgendwann wurde es Thomas Schlenkhoff im Netz zu bunt. Er gründete Gardion und tüftelte drei Jahre lang an einer App. Mehr als 750.000 Euro Fördergelder und ein Neustart stecken darin. Das kleine Programm soll Werbe-Wellen beim Surfen brechen und schädliche Software sieben.
Die erste Idee zu Gardion kam Schlenkhoff 2017. Der Familienvater suchte damals nach einer Möglichkeit, das Internet mit all seinen dunklen Ecken für seine Söhne sicherer zu machen. Damit die 11- und 13-Jährigen nicht stundenlang am Smartphone surfen, sollte die App außerdem die „Screen Time“ beschränken können. „Der Gedanke war sicheres und sauberes Internet für die ganze Familie“, erinnert sich der heute 46-Jährige im Co-WorkingSpace beim Freiburger Martinstor.
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Mit dem Konzept seien dem Gründer die Visitenkarten damals förmlich zugeflogen. Auch ein mit 120.000 Euro dotiertes Gründerstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erhielt der erklärte „Internetrebell“. Ohne diese Initialzündung würde Gardion heute vermutlich nicht existieren: „Das war entscheidend.“ Nach zwei Jahren und einer weiteren Förderung in Höhe von 250.000 Euro folgte dann aber Ernüchterung.
Start-ups
Es war zu einfach, Schlenkhoffs Sperren zu umgehen. „Wir haben das einfach nicht dicht bekommen“, sagt er. So konnte etwa der Screen Timer durch einfaches Entfernen der SIM-Karte zurückgesetzt werden. „Wir haben viel investiert und ein Jahr verplempert“, kommentiert der IT-Spezialist. Im November 2019 zogen Schlenkhoff und Mitgründer Benjamin Fröhlich dann die Notbremse. Gardion wurde umgebaut und bestand fortan aus einer Kombination aus VPN, also einer Art digitalem Tunnel, der anonymes Surfen ermöglicht, sowie einem Filter, der Werbung und Schädlinge im Netz siebt. „Die Kombination ist radikal“, so Schlenkhoff. Das sei auch nötig: Selbst seriöse Nachrichtenseiten haben heutzutage rund 50 Tracker. Der Computerspezialist betont: „Werbe-Profile vieler Nutzer sind komplex.“ Für den Artikel-Aufbau unbedingt notwendig seien bloß fünf. Schlenkhoff weiß um die Konkurrenz auf dem digitalen Sicherheitsmarkt. „VPNs werden oft damit beworben, illegale Aktivitäten im Netz zu ermöglichen.“ Die Briefkästen der entsprechenden Firmen stehen meist in Bananenrepu bliken. Was unter Palmen mit den Daten passiert, ist laut Schlenkhoff ebenso fadenscheinig. Gardion hingegen unterliegt deutschen Gesetzen: „Wir haben hier einen klaren Rechtsrahmen.“
Bald aber wurde für die Umsetzung des neuen Produkts das Geld knapp. Im Juni scheiterte eine Crowd fundingKampagne an 15.000 Euro. Mitten in der Corona-Krise seien junge Firmen und Start-ups auf Fördermittel aber dringend angewiesen: „Privatinvestoren musst du im Moment gar nicht fragen. Der Markt ist tot.“ Der Gründer habe sich verkalkuliert: „Das war eine Nahtoderfahrung.“
2000 Kunden für die schwarze Null Nach langer Zitterpartie dann die Rettung im Oktober: Satte 400.000 Euro stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für den Markteintritt von Gardion. Die letzte kostenlose Testphase mit 80 Nutzern ist gerade beendet. „Wenn davon zehn Prozent zahlen würden, wäre das gut“, sagt der Gründer. Für die schwarze Null brauche Gardion 2000 bis 3000 zahlende Kunden. „Noch sind wir nicht sicher“, sagt Schlenkhoff. Und seine Kinder? Die müssen ihre Handys abends ganz altmodisch wieder rausrücken.
Philip Thomas Anzeige
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Menschen und Meldungen
SC steht stabil trotz Krise Sportclub erwirtschaftet 95.000 Euro Gewinn
Link verkauft Autohäuser LAHR. Die Graf-Hardenberg-Gruppe aus Karlsruhe hat die Link-Autohäuser in Lahr und Gengenbach gekauft. Damit geht die 144-jährige Geschichte des Familienunternehmens zu Ende. Alle 147 Mitarbeiter werden laut einer Pressemitteilung übernommen und bis mindestens Ende 2021 weiter beschäftigt.
Oliver Leki: Fans und Sponsoren haben mitgeholfen, dass trotz Corona noch ein Plus unter der Bilanz stand.
D
er SC Freiburg hat im Geschäftsjahr 2019/20 rund 89,2 Millionen Euro umgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Umsätze um 6,9 Millionen Euro. Trotz der Corona-Krise hat der SC am Ende noch 95.000 Euro Überschuss erreicht. Auch wenn der Verein ursprünglich deutlich mehr geplant hatte, zeigt sich SC-Vorstand Oliver Leki angesichts der Rahmenbedingungen zufrieden: „Mit einer Vielzahl von Maßnahmen und gemeinsamen Anstrengungen konnten wir ein ausgeglichenes Jahresergebnis erzielen und den Verein bisher stabil durch diese schwierige Zeit führen.“ Der Verkauf von Eintrittskarten war von allen Positionen prozentual am stärksten von der Corona-Krise betroffen. Die Erträge brachen um 24 Prozent ein. Der Sportclub musste die letzten fünf Heimspiele der Saison 2019/2020
ohne Fans austragen. Hätten nicht viele Dauerkarteninhaber und Käufer von Einzeltickets auf eine anteilige Rückerstattung verzichtet, wäre der Rückgang noch kräftiger ausgefallen. Die Sponsoring-Erträge lagen nach Vereinsangaben hingegen auf Vorjahresniveau. Das sei vor allem der großen Mehrheit der Sponsoren und Partner zu verdanken, die das angebotene Kompensationskonzept während der Corona-Krise angenommen haben. In der Saison 2018/2019 hatte der SC aus dem Ticketing 10,9 Millionen und von Sponsoren 14,3 Millionen Euro erlöst. Fast die Hälfte des Umsatzes hatten mit 45,2 Millionen Euro die TV-Gelder ausgemacht. Stark gestiegen ist derweil die Zahl der Mitglieder: Zum Stichtag 30. Juni hatte der Club 24.422 Mitglieder, knapp 27 Prozent mehr als im Vorjahr (19.254). Aktuell hat der Verein die 25.000er Marke schon bib überschritten.
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FREIBURG. Der Freiburger JungWissenschaftler Andreas Büchler (33) ist einer von acht Nachwuchs wissenschaftlern aus Baden-Württemberg, die den mit 5000 Euro dotierten Förderpreis des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall gewonnen haben. Der 33-Jährige hat sich in seiner Dissertation mit der Verbesserung der Metallisierung von Solarzellen befasst. Das von ihm untersuchte Verfahren hat großes Potenzial, die Herstellungskosten von Siliziumsolarzellen weiter zu senken.
Doppeljob für Wehner FREIBURG. Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) hat zum 1. November die neue Abteilung „Regionale Arbeit“ geschaffen. Geleitet wird sie von Michael Wehner, der schon seit 1991 die Außenstelle Freiburg der LpB leitet. Wehner nimmt die neue Funktion zusätzlich zu seiner bisherigen Tätigkeit wahr.
Foto: © LpB BW
Foto: © Bilger SCF
Büchler erhält Förderpreis
Michael Wehner
Menschen und Meldungen
Schuster geht in Rente BREISACH. Peter Schuster, Vorstandsvorsitzender des Badischen Winzerkellers in Breisach, verabschiedet sich Ende des Jahres in den Ruhestand. Der Badische Winzerkeller ist der größte Weinerzeuger in Baden. „Ihr engagiertes und langjähriges Wirken hat den Badischen Winzerkeller in die Zukunft geführt,“ so Aufsichtsratsvorsitzender Rainer Zeller, „sie waren für uns Steuermann durch eine stets herausfordernde Zeit. Dafür sind wir Ihnen dankbar.“ Schuster war Anfang 2013 als Vorstand Oenologie und Produktion gekommen und hatte Anfang 2016 den Vorstandsvorsitz übernommen. Weiter im Amt bleibt Vorstandskollege Eckart Escher.
Aus für Messe FREIBURG. Die 16. Ausgabe von marktplatz: ARBEIT SÜDBADEN findet nicht statt. Die Messe hätte am 20. und 21. November in Freiburg über die Bühne gehen sollen. Grund ist der erneute Lockdown. „Natürlich ist es frustrierend, wenn der Hallenplan steht und das Hygienekonzept erarbeitet ist, dennoch eine Veranstaltung absagen zu müssen“, so Veranstalter Manfred Kross. „Aber natürlich stehen wir auch voll und ganz hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und hoffen nun vor allem, unsere Be-
sucher im kommenden Jahr gesund wiedersehen zu dürfen.“
Neue Messe FREIBURG. Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) platziert mitten in der Krise eine neue Messe. Die „REGIO MOTOR KLASSIK“ soll ihre Premiere vom 6. bis 8. August 2021 in den Freiburger Messehallen feiern – zeitgleich mit der ADAC Schauinsland Klassik und dem Street Food Market auf dem Freiburger Messegelände. „Die REGIO MOTOR KLASSIK spricht ein überregionales Publikum an, welches Freude und Interesse am Kulturgut Oldtimer hat. Für die zahlreichen Liebhaber der Schauinsland Klassik können wir hiermit einen Mehrwert und den zahlreichen Automobil-Vereinen aus der Region eine exklusive Plattform in entspannter Atmosphäre bieten“, sagt FWTM-Geschäftsführer Daniel Strowitzki.
wvib kritisiert Staat FREIBURG. Der erneute Lockdown wird laut Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer der wvib Schwarzwald AG, „Leben retten, aber auch viele Arbeitsplätze kosten und Existenzen zerstören, zunächst weniger in der Industrie, mehr in der Gastronomie- und Kulturwirtschaft“. Durch das Offenhalten von Kitas und Schulen könnten
immerhin viele Industrieunternehmen ihre Produktion in hohem Maße aufrechterhalten, mit weiter offenen Grenzen dürfen Pendler – anders als im März und April – den Weg zum
Christoph Münzer Arbeitsplatz im Nachbarland antreten. Und der wvib begrüßt zudem, dass der stationäre Einzelhandel geöffnet bleibt. Dennoch könne der Staat die Umsatzausfälle einer gesamten Volkswirtschaft „niemals vollständig kom pensieren“, vielmehr fehlten ihm schon jetzt selbst die Steuereinnahmen: „Die jüngste Tariferhöhung im öffentlichen Dienst zur Unzeit und der noch nicht gestoppte Monster-Ausbau des Kanzleramts zeigen, dass der Staat intern noch nicht auf Corona umgestellt hat.“ Anzeige
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Menschen und Meldungen
Foto: © Haufe Group
FREIBURG. Iris Bode hat am 1. November die Geschäftsbereichsleitung des Editorial Departments und Pub
Iris Bode lishings sowie den Vertrieb Buchhandel bei der Haufe Group übernommen und wird zudem zur Geschäftsführerin der Haufe-Lexware GmbH & Co. KG. Sie folgt damit auf Sandra Dittert. Bode verfügt über langjährige Management-Erfahrungen bei Axel Springer, der FAZ und dem Handelsblatt. „Wir freuen uns, dass wir mit Iris Bode eine umsetzungsstarke Führungspersönlichkeit aus dem Medienbereich gefunden haben“ so Birte Hackenjos, CEO der Haufe Group.
Sick AG für nachhaltiges Wachstum geehrt WALDKIRCH. Der Sensor-Spezialist Sick AG wurde von der Unternehmensberatung Accenture und der Zeitung DIE WELT für sein nachhaltiges Wachstum mit dem „Top-500-Award“ ausgezeichnet. Eine hochkarätig besetzte Jury wählte die Sick AG auf einen zweiten Platz unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland. „Als Unternehmen mit 75-jähriger Tradition ist eine nachhaltige Unternehmensführung mit Weitblick, hohen Qualitätsstandards und einer unverminderten Innovationskraft –
Foto: © Sick AG
Bode neue Geschäftsführerin
Mats Gökstorp
auch in herausfordernden Zeiten wie diesen – die Grundlage unseres Wirkens. Es ist mir eine Ehre, diesen Preis stellvertretend für das Unternehmen und alle Beschäftigten entgegenzunehmen“, sagte Mats Gökstorp, Vorstand Sales & Service der SICK AG, bei der Preisverleihung. Der Umsatz wuchs von 2013 bis 2019 um fast 75 Prozent auf 1,75 Milliarden Euro. Der Siebenjahreszeitraum ist bei der Verleihung der ausschlaggebende.
Belle AG feiert 25 Jahre WYHL. Die Belle AG wird 25 Jahre alt. Der Stahl- und Metallbauer vom Kaiserstuhl ist spezialisiert auf Treppen und Balkone sowie als Zulieferer im Bereich Metalltechnik. Gründer Benedikt Belle begann 1995 in einer kleinen Werkstatt in Jechtingen. Heute beschäftigt der Mittelständler knapp 60 Mitarbeiter, darunter zwölf Azubis. Mehr als 50 junge Menschen hat die Firma über die Jahre ausgebildet. Die Hälfte ist heute noch im Unternehmen, das in den vergangenen drei Jahren rund drei Millionen in seine Zukunft investiert hat.
Corona kappt Ausbildungsbereitschaft Die Bilanz des Ausbildungsjahres 2020
N
ach mehreren positiven Jahren ist die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse drastisch zurückgegangen. Mit 3874 Verträgen wurden bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) bis Ende Oktober 501 (11,5 Prozent) weniger neue Verträge registriert als 2019.
Der Rückgang ist im Landkreis Emmendingen mit 16,2 Prozent fast doppelt so hoch wie im Landkreis BreisgauHochschwarzwald (8,4 Prozent). „Die Coronapandemie macht sich deutlich bemerkbar. Viele Unternehmen stehen vor existenziellen Herausforderungen, sind gezwungen, auf Sicht zu fahren und reduzieren deshalb ihr Ausbildungsangebot,“ so Simon Kaiser, Leiter des IHKGeschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung. Zudem seien offenbar in der aktuellen Lage vollzeitschulische Bildungsangebote als vermeintlich sicherer Hafen bei 24 | chilli | business im Breisgau | 11.2020
Schulabgängern besonders beliebt. Und auch der Strukturwandel in der Automobilindustrie habe Spuren hinterlassen. „Ein rein negatives Bild zu zeichnen, wäre aber falsch. Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist ungebrochen hoch“, so IHK-Präsident Steffen Auer. Bei der Arbeitsagentur Freiburg gab es im Ausbildungsmarkt 2019/2020 gut 3900 Bewerber, 89 blieben unversorgt. Von 3147 gemeldeten Azubistellen (minus 22 Prozent) sind 489 unbesetzt. „Die Chancen für Jugendliche, hier einen Ausbildungsplatz zu finden, sind trotz der Krise weiter gut. Für die Betriebe bleibt es schwierig, Plätze zu besetzen“, so der Vorsitzende der Geschäftsführung Andreas Finke. Dass trotz Bewerberüberhangs erneut viele Stellen unbesetzt blieben, schwäche auf Dauer Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Finke ist aber überzeugt, dass die Zurückhaltung in „erster Linie der Pandemie geschuldet“ ist. bar
Menschen und Meldungen
TENINGEN. Der Teninger Behälterspezialist Otto Graf GmbH hat das Richtfest für das neue Werk in Neuried bei Offenburg gefeiert und will dort bis zu 60 neue Arbeitsplätze schaffen. Graf hatte erst Anfang des Jahres eine neue Kunststoff-Recyclinganlage in Herbolzheim in Betrieb genommen. In Neuried will Otto Graf Großtanks zur Regenwassernutzung, -rückhaltung oder als Löschwasserspeicher produzieren. Auf dem 10 Hektar großen Gelände im interkommunalen Gewerbegebiet BA-SIC entstehen Gebäude mit einer Grundfläche von rund 26.000 Quadratmetern. Graf will im dritten Quartal 2021 die Produktion aufnehmen. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 19 Millionen Euro. Der Umsatz kletterte im vergangenen Geschäftsjahr um zehn Prozent auf rund 120 Millionen Euro. Fürs laufende Jahr rechnet die
Welle ziehen und die Hygienemaßnahmen strikt umsetzen. Wir dürfen aber auch die Identität des grenzüberschreitenden Wirtschaftsraumes nicht aufgeben“, heißt es in dem Brief weiter.
Horn neuer Vizepräsident FREIBURG. Auf der jüngsten Sitzung des Eurodistricts Region Freiburg – Centre et Sud Alsace kamen erstmals die neu gewählten Vertreter für die Versammlung zusammen. Foto: © Eurodistrict Region Freiburg – Centre et Sud Alsace, Patrick Seeger, Stadt Freiburg
Otto Graf voll auf Expansionskurs
Foto: © XXXXX XXXXXX
Foto: ©Graf
Breisachs Bürgermeister Oliver Rein, Martin Horn, Gérard Hug und Hanno Hurth (v.l.).
26.000 Quadratmeter: Viel Platz für Wachstum Geschäftsleitung ebenfalls mit einem Plus von rund zehn Prozent. „Für uns läuft es immer gut, wenn es trocken ist“, sagt Otto P. Graf. Während der Corona-Pandemie hätten viele Menschen Hand an ihren Garten gelegt. Es habe eine starke Nachfrage nach Regentonnen gegeben. Weltweit beschäftigt die Graf-Gruppe mehr als 600 Mitarbeiter, davon 400 in Südbaden.
Handwerk fordert weiter offene Grenzen
Nach dreijähriger Präsidentschaft übergab der Emmendinger Landrat Hanno Hurth die Präsidentschaft an seinen bisherigen Stellvertreter, Bürgermeister Gérard Hug aus dem elsässischen Biesheim. Neu gewählter Vizepräsident ist der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn. Laut Kooperationsvertrag werden Präsident und Vizepräsident alle drei Jahre gewählt, dabei wechselt die Präsidentschaft jeweils über die Rheinseite. Horn sagte: „Gerade jetzt, in diesen angespannten Pandemie-Zeiten, ist eine verlässliche und intensive Zusammenarbeit in unserer Region über die Grenzen hinweg besonders wichtig. Ich freue mich, dass wir mit der neuen Geschäftsstelle gemeinsam neue Projekte anschieben können und die deutsch-französische Zusammenarbeit weiter verfestigen.“ Anzeige
FREIBURG. Die erneuten massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens lassen im südbadischen Handwerk die Erinnerungen an die geschlossenen Grenzen zu Frankreich und der Schweiz im Frühjahr wiederaufleben. In einem offenen Brief an die Parlamentarier aus dem Kammerbezirk Freiburg fordern die Handwerksorganisationen, „dass sich eine Situation wie im Frühjahr nicht wiederholen darf“, so der Freiburger Handwerkskammerpräsident Johannes Ullrich und die Kreishandwerksmeister. Die Grenzschließung habe deutlich gemacht, wie stark die Wirtschaftsräume auch über die Landesgrenzen hinweg verflochten sind und wie wichtig dies für die Menschen vor Ort sei: „Wir müssen Lehren aus der ersten chilli | business im Breisgau | 11.2020 | 25
Menschen und Meldungen
Windpark Biederbach am Netz
Foto: © Philipp Zentgraf
Neues Projekt der Ökostromgruppe
Knopfdruck in Corona-Zeiten: Hinrich Ohlenroth, Andreas Markowsky, Bärbel Schäfer, Helmfried Meinel und Rafael Mathis (v.l.) bei der besonders symbolischen Inbetriebnahme des Windparks. den mit dem Bau beauftragten Unternehmen. Ministerialdirektor Helmfried Meinel, Amtschef des Umweltministeriums Baden-Württemberg, betonte: „Wir können den Klimaschutz im Land nur voranbringen, wenn konkrete Projekte wie hier in Biederbach erfolgreich umgesetzt werden. Der Ausbau von Windenergie hat hierbei einen besonderen Stellenwert. Die Landesregierung bekennt sich zu ihrer Verantwortung, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit wir den Weg der Energiewende weiter energisch beschreiten können.“ Das Land hinkt indes seinen eigenen Windenergiezielen
meilenweit hinterher. Die Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer sagte: „Naturschutz und Klimaschutz schließen sich nicht aus, sondern müssen Hand in Hand gehen. Gerade die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Genehmigungs- und Fachbehörden, Regierungspräsidium und Umwelt ministerium zur Überwindung der verschiedenen anspruchsvollen Hürden, zeichnet dieses Vorhaben und seine erfolgreiche Realisierung aus.“ Gegen den Windpark hatten Bürger eine Petition angestrengt. Der Landtag hatte trotzdem grünes Licht gegeben. bib
Foto: © Enercon
FREIBURG. Der jüngste Windpark Baden-Württembergs mit der derzeit modernsten, leistungsstärksten Anlage im Land ist am 29. Oktober 2020 in Biederbach ans Netz gegangen. Die Rekordmühle vom Typ E-138 hat eine Leistung von 4,2 Megawatt (MW), der gesamte Windpark mit drei Anlagen kommt auf 8,9 MW und wird, je nach Windjahr, 15 bis 20 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom erzeugen. Damit produzieren sie ein Vielfaches des Gesamtstromverbrauchs der Gemeinde Biederbach und dies klimagerecht. Diese stand und steht, wie Bürgermeister Rafael Mathis bei der Inbetriebnahme hervorhob, geschlossen hinter dem Projekt. Die Investitionskosten von elf Millionen Euro wurden von Bürgern vor Ort, sechs badischen Bürgerenergiegenossenschaften und der regionalen Sparkasse in Zusammenarbeit mit der Landeskreditbank aufgebracht. Die Ökostromgruppe Freiburg hat den Windpark projektiert und die Geschäftsführung übernommen. Geschäftsführer A ndreas Markowsky dankte insbesondere den an der Realisierung des Parks und der gemeinsamen Kabeltrasse beteiligten Gemeinden, den vielen Verpächtern und
Kommt ein Flügel gefahren: Rotorblatt auf dem Weg zum Berg.
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Menschen und Meldungen
Neues Smart-City-Reallabor für Südbaden FREIBURG/MÜNCHEN. Thüga AG und Badenova AG haben das Reallabor „Smart Region Südbaden“ gestartet. Gemeinsam mit fünf Kommunen wollen sie Smart-CityAnwendungen in die Praxis umsetzen. Die Testphase läuft Anfang 2021 an. Im Reallabor, das von der BadenovaTochter bnNETZE umgesetzt wird, beteiligen sich die fünf Kommunen Freiburg, Breisach, Kirchzarten, Lahr und Gundelfingen. Sie alle planen derzeit verschiedene intelligente Anwendungen in den Bereichen Mobilität, Gebäude, Umweltschutz und Technische Betriebe – wie Smart Parking, Verkehrszählung, Messung der (Raum-) Luftqualität sowie Gewässer- und Füllstandsmonitoring. Beispielsweise sollen in Lahr die stets aktuelle Belegung eines Wohnmobil-Stellplatzes sowie die Besucher eines Schwimmbades erfasst werden. „Von den Erkenntnissen aus dem Reallabor sollen künftig vor allem kleinere und mittlere Kommunen profitieren“, so Matthias Cord, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Thüga. „Durch unser Reallabor erhält die Digitalisierung in den Kommunen einen weiteren Schub. Und dass wir Smart City anhand konkreter Anwendungen für die Bürger greifbar machen und ihren Nutzen belegen, ist wichtig für den Erfolg“, so Robin Grey, Geschäftsführer bnNETZE.
10.000 Euro für Nicolas Höfler
Foto: © Wir helfen Kindern
FREIBURG. Der Verein „Wir helfen Kindern“ – eine Initiative der Alexander Bürkle GmbH – hat einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro an Nicolas Höfler für die gemeinsame Kampagne mit dem Verein Wendepunkt gegen Gewalt und Missbrauch an Kindern übergeben. SC-Profi Höfler und seine Frau Caroline Chrobok freuten sich sehr über das Geld für die Plakatkampagne „Keiner darf Dich anfassen, wenn Du es nicht willst!".
Der Wir-helfen-Kindern-Vorstandsvorsitzende Frank Schweizer (hinten rechts) und Geschäftsstellenleiterin Christine Schmidt-Brauch (hinten links) übergaben den Scheck an Nicolas Höfler und Caroline Chrobok.
Unternehmen in der Region
Bleiben optimistisch:
die mehrpunkt-Geschäftsführer Petra Reutlinger und Nicolas Häbel.
Gerüstet für das neue »Normal« Die Eventagentur mehrpunkt mit corona-konformen Geschäftsideen
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Fotos: © Johannes Meger, mehrpunkt
ochzeiten, Geburtstage, Kochabende, Firmenjubiläen oder Tagungen – das Spektrum der Freiburger Eventagentur mehrpunkt war breit, die Nachfrage groß. Bis in diesem Frühjahr Corona kam und das kleine Unternehmen von hundert auf null ausbremste. Doch den Kopf in den Sand stecken, war für das Team keine Option. Kreative Lösungen mussten her. „Küchenpartys sind ja bekanntlich die besten“, sagt Petra Reutlinger mit Wehmut in der Stimme, denn: Küchenpartys sind in der Lokhalle schon eine ganze Weile nicht mehr möglich. Bis Ende Februar lief noch alles gut. Die von ihr und Nicolas Häbel 2011 gegründete Agentur verzeichnete 2019 mit einem Umsatz von 1,8 Millionen Euro ihr bislang bestes Geschäftsergebnis. Zum Kundenkreis gehören neben regionalen Akteuren wie dem Endinger Stuhlhersteller Girsberger oder der IHK Südlicher Oberrhein inzwischen auch die Frankfurter Volksbank, für deren 1200 Mitarbeiter das Team einen Ausflug nach Freiburg organisierte. „Das war ein grandioses Jahr mit rund 250 Veranstaltungen“, erinnert sich Reutlinger. „Auch 2020 startete gut.“ Doch dann kam der März, es hagelte eine Stornierung nach der anderen, und den beiden Geschäftsführern blieb nichts anderes übrig, als ihre sieben Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken. Da sie ihr Team nicht nur mit Video-Konferenzen zusammenhalten wollten, entwarfen die beiden Hoodies mit dem Firmenlogo und dazu passende MundNasen-Schutze, packten Snacks und eine Karte dazu und verschickten das Ganze in einer Box. 28 | chilli | business im Breisgau | 11.2020
Die Freude im Team sei riesig gewesen, erinnert sich die 37-Jährige, und auch die Reaktionen auf Instagram und Facebook, wo sie die Aktion posteten, waren positiv. Schon bald hätten die ersten Kunden gefragt: „Könnt ihr das nicht auch für uns machen?“ Und so war eine neue Geschäftsidee geboren: die „Mehrbox“, gefüllt mit nachhaltigen Produkten. Aktuell gibt es eine Weihnachtsbox mit Honig, Schokolade, Tee, Thermoskanne, Socken und mehr. Unternehmen können sie an ihre Mitarbeiter schicken lassen, sich damit „bedanken und ihre Wertschätzung ausdrücken“. Dann müsse Weihnachten im Betrieb nicht komplett ausfallen, so Reutlinger. Stück für Stück holten sie und Häbel ihre Mitarbeiter zurück und entwarfen neue Online-Formate: etwa den virtuellen Jailbreak, der das Erlebnis im Escaperoom im Keller der Lokhalle ersetzt, oder einen virtuellen Kochabend, für den eigens eine Kochbox nach Hause geliefert wird, samt Piccolo für den Sektempfang, zu dem sich alle per ZoomLink zusammenschalten. Auch eine digitale Messe hat das mehrpunkt-Team an den Start gebracht: eine virtuelle Welt mit Ausstellern und Messeständen. „Wir haben ein komplett neues Dienstleistungs-Portfolio aufgebaut“, fasst die Geschäftsfrau zusammen. Ob sich indes der geplante exklusive Weihnachtsmarkt für Unternehmen realisieren lässt, steht aufgrund des Teil-Lockdowns noch in den Sternen. Die Ideen gehen ihnen jedenfalls nicht aus, und so bleibt Reutlinger trotz des befürchteten Umsatzrückgangs von 70 bis 80 Prozent verglichen mit 2019 optimistisch: „Corona ist jetzt das neue Normal, und dafür sind wir gerüstet“, sagt sie. „Ich gehe davon aus: Es wird besser und nicht schlimmer.“ Stella Schewe
Unternehmen in der Region
Vollgas trotz Corona
Schmolck zieht Bilanz: Škoda-Neubau hat sich gelohnt Abgefahren: Autohaus Schmolck verkaufte 20 Prozent mehr Škoda-Fahrzeuge als im Vorjahr.
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itten ins Corona-Jahr hinein hat das Autohaus Schmolck in Emmendingen seinen Skoda-Neubau fertiggestellt (wir berichteten). Das 16 Meter hohe Gebäude thront direkt am Ortseingang. Der Bau ist von der Pandemie scheinbar unbeeindruckt: Die Verkaufszahlen im September liegen deutlich über den Erwartungen. Eine neue Ausstellungshalle, ein neues Räderlager, eine neue Werkstatt: Der acht Millionen Euro schwere Bau hat es in sich. Seit rund fünf Jahren ist
Škoda im Programm bei Schmolck, der Neubau soll auch den Umsatz des Unternehmens steigern. 2019 waren rund 800 der insgesamt 2000 verkauften Neu- und Gebrauchtwagen aus Tschechien. Stand September sind es in diesem Jahr bereits etwa 650, „das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr, und wir werden die 800 knacken“, ist sich Geschäftsführer Bernhard Schmolck sicher. Die Entwicklung zeichnete sich bereits im Juni kurz nach Eröffnung ab – mit 40 verkauften Fahrzeugen mehr als im Vorjahresmonat. Bisher spüre das Autohaus noch keine Auswirkungen der Pandemie, im Som-
mer hätten sie die verlorenen Umsätze des Frühjahrs wieder reingeholt, so der Geschäftsführer. „Aber die Ketten reaktionen sind im Gang, und ich gehe davon aus, dass sich die Auswirkungen später zeigen werden.“ Auch Nachhaltigkeit ist dem Unternehmen wichtig: „Wir haben gerade 200.000 Euro in die Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos an unseren Standorten Emmendingen und Müllheim investiert“, berichtet Schmolck. Immerhin soll der Verkauf von Elek tro fahrzeugen 2021 um 20 Prozent gesteigert werden.
Liliane Herzberg
Lernen, um zu bleiben
Fotos: © Schmolck GmbH & Co. KG
Im Autohaus Schmolck können Azubis Eigeninitiative ergreifen Kfz-Mechatroniker, Kaufmann im Groß- und Außenhandel oder Wirtschaftsinformatiker: 13 verschiedene Berufe lernen über 80 Azubis und Studierende im Autohaus Schmolck. Damit ist das Unternehmen einer der größten Ausbilder der Region. Wissen aneignen, Initiative ergreifen und eigene Fähigkeiten zeigen. Das sei die Schmolck-Philosophie, erzählt Geschäftsführer Bernhard Schmolck.
Nach der Ausbildung oder dem dualen Studium gebe es gute Aufstiegs- oder Weiterbildungschancen – rund 90 Prozent übernimmt Schmolck nach der Ausbildung. „Unsere Historie zeigt, dass wir immer wieder neue Bereiche erschlossen und mit eigenen Spezialisten besetzt haben. Das können auch Azubis sein“, betont Schmolck. Fabricio Volk ist einer von ihnen. Mit dem Škoda Neubau ent-
standen neue Positionen, etwa der Teileund Zubehörberater. Volk wurde die Chance gegeben, sich in die neue Stelle einzuarbeiten. „Das war anfangs nicht so einfach, aber es macht Spaß, weil ich Eigenverantwortung erhalte.“ Jeder, der bei ihnen anfange, sei geschätztes Mitglied ab dem ersten Tag, betont Schmolck. „Wer zeigt, dass er Lust hat, sich zu engagieren, der kriegt auch die Möglichkeit.“ herz
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Unternehmen in der Region
Hoch gehandelte Niederschläge Neue Regenwasserbewirtschaftung am Beispiel Lokhalle Freiburg
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Foto: © privat
limawandel, Starkregenereignisse, Dürreperioden: Jahrzehntelang war Regenwasser hierzulande einfach da, wurde in g roßen Kanälen – meist noch in Mischwassertrassen – zu den Klärwerken transportiert. Beseitigt. Einen Wert hatte es nicht. Das ändert sich. Eine besonders große Anlage zu einer nachhaltigen Versickerung ohne Kanalanschluss gibt es nun an der Lokhalle Freiburg. Zum Pressetermin kamen rund 30 Journalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Firma Mall Umweltsysteme aus Donaueschingen hatte zwei dezentrale Anlagen geliefert. Das Ingenieurbüro Aqua Technik Freiburg hatte geplant, die Denkmalschutz und Bauservice Baden GmbH eingebaut. Die Anlagen entwässern nun das rund 14.000 Quadratmeter große Grundstück durch Filterschächte und geben nahezu schadstofffreies Wasser ins Grundwasser ab. Mall-Technik-Chef Martin Lienhard erklärte, wie das in den Filtern liegende Sorptionsmaterial ViaSorp belastete Stoffe vom Reifenabrieb, von Bremsen oder Oberflächen herausfiltert: „Wir geben gute Ionen hinzu und die tauschen damit die bösen Jungs aus.“ Bei Dürreperioden kann das aufgefangene Wasser auch noch zur Bewässerung der Grünanlagen beitragen. „Wir haben uns für das Mall-System entschieden, weil es nachhaltig ist, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat und wir die Anlagen jederzeit zu Wartungszwecken begehen können“, kommentierte Lokhallen-Eigentümer Frank Böttinger. Die Versickerungsanlage hört auf den Namen CaviLine und besteht aus zum Erdreich hin offenen Stahlbetonhalbschalen, die hinter Verteiler- und Filterschächten liegen und unterirdisch eingebaut werden, damit die Fläche oberhalb für andere Nutzungen frei ist: An der Lokhalle etwa für Artenschutz- oder Parkplatzflächen. Regenwasser zu speichern, ist eine Zukunftsaufgabe. Nach einer Marktbefragung von Mall, an der im vergangenen Sommer mehr als 5000 Architekten, Ingenieure, Baustoffhändler, Behörden und Hochschulen beteiligt waren, glauben 98 Prozent, dass Lösungen zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung künftig mindestens so kräftig oder noch kräftiger nachgefragt werden als heute schon. 30 | chilli | business im Breisgau | 11.2020
Die Sickertunnel an der Lokhalle hören auf den Namen CaviLine.
Sponge-Cities, Schwammstädte, ist das neue Zauberwort. Sie nehmen Wasser auf, speichern es und nutzen es dann, wenn es gebraucht wird. Dabei geht es nicht nur um Versickerungsanlagen, sondern auch um begrünte Dächer oder Fassaden. Referent Heiko Sieker, Honorarprofessor für Urbane Hydrologie an der Technischen Universität Berlin, zählte die vielfältigen Vorteile von Schwammstädten auf: Vermeidung von Hitze-Inseln im zunehmend versiegelten urbanen Raum, Versorgung des Stadtgrüns in Trockenzeiten, besserer Hochwasserschutz, Verbesserung des Stadtklimas. Das Paradebeispiel ist die Rummelsburger Bucht in Berlin. Mall-Geschäftsführer Markus Grimm bezeichnete den Unternehmensbereich als einen der „Wachstumsfaktoren“ im Unternehmen, das im vergangenen Jahr mit 490 Mitarbeitern rund 84 Millionen Euro umgesetzt hat – 30 Prozent mit Systemen zur Regenwasserbewirtschaftung. Die Zeit, Niederschläge einfach zu beseitigen, geht vorbei. Regen wird zum Wertstoff. Ökologisch und ökonomisch. bib
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Maßgeschneiderte Manufaktur
Freyler plant und baut Immobilie für BBS Motorsport
Fährt auch architektonisch voraus: Visualisierung des Neubaus der BBS Motorsport GmbH in Haslach im Kinzigtal.
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Visualisierung: © Feyler
n fast allen Rennserien der Welt und bei vielen exklusiven High-End Serienfahrzeugen kommen BBS-Motorsport-Räder zum Einsatz. Gefertigt werden die Räder in Kleinserien in der hauseigenen Manufaktur im Kinzigtal. Um seine Kapazitäten zu erweitern, baut der Premiumhersteller nun unweit seiner bestehenden Räumlichkeiten ein neues Firmengebäude.
Produktion und Lager werden künftig rund 3650 Quadratmeter umfassen, das Verwaltungsgebäude gut 1300. Das Konzept für das neue Heim der BBS Motorsport hat die Freyler Industriebau GmbH maßgeschneidert. Die Prozessabläufe des Motorsportherstellers können optimal abgebildet werden, die komplexen brandschutztechnischen Vorgaben sind dynamisch in die Hightech-Manufaktur eingewoben. Als Baupartner setzt Freyler das Projekt bezugsfertig um und ist dabei
zentraler Ansprechpartner. Der Startschuss für den Bau ist trotz Corona noch für dieses Jahr geplant, die Fertigstellung soll im Frühjahr 2022 erfolgen. Die Pläne sind praktisch Pole-Position: Mit dem zurückversetzten Eingangsbereich, einem vollverglasten Dachgeschoss und der umlaufenden Terrasse soll der Gebäudekomplex ein echter Blickfang werden. Große, markante Rundfenster in der Front setzen weitere Akzente – und einen Bezug zum weltberühmten BBS Raddesign, eigens entworfen vom Bauherrn Roman Müller. Als Geschäftsführer der BBS Motorsport legt er besonderen Wert auf Teamgeist. Daher werden die Aufenthalts- und Pausenräume mittig zwischen Verwaltung und Produktion platziert,außerdemgibtesdirekteVerbindungen vom Bürotrakt zur Halle im Erd- und 1. Obergeschoss. „Mit zwei bodentiefen Fensterflächen integrieren wir zudem eine Art Schaufenster, das Einblick in die Hightech-Manufaktur gewährt. U-förmig umrandet werden diese in der Firmenfarbe Rot,
die unser Entwurf punktuell immer wieder aufgreift“, erklärt Freyler-Architekt Gerhard Kern. Laut Kern ergibt sich die dynamische Optik vor allem durch die langestreckten Fensterflächen und die horizontale Ausrichtung. „Im Vorfeld der Planung stand ein intensiver Austausch mit dem Bauherren. Darauf aufbauend konnten wir dann das individuelle Konzept entwickeln“, sagt er. Der gesamte Komplex werde nach KfW55-Standard gebaut. Dazu gehöre auch eine Solar-Anlage sowie eine extensive Begrünung auf den Dach flächen. In Kombination mit einer umweltverträglichen Produktionstechnik und diversen Filteranlagen strebt BBS Motorsport damit eine CO2 neutrale Produktionsstätte an – auch ökologisch ist der Bau ein Vorzeigeobjekt für die Region. bib
Info
www.bbs-motorsport-gmbh.com Zusätzliche Informationen zur FREYLER Industriebau GmbH auf www.freyler.de
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Unternehmen in der Region
Gemeinsam gegen das Virus
Fotos: © Streck Transportgesellschaft mbH, Sick AG
Trumpf & Sick entwickeln ersten industriellen Quantensensor Die hundertprozentige Trumpf-Tochtergesellschaft Q.ANT und der Sensorik-Spezialist Sick AG arbeiten künftig gemeinsam an der Entwicklung quantenoptischer Sensoren. Vertreter der beiden Hochtechnologieunternehmen haben am 5. November einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, um Quantentechnologie für Sensoren im industriellen Einsatz nutzbar zu machen. „Mit dem Einstieg in die Quantensensorik bauen wir unsere weltweite Technologieführerschaft in der Sensorik-Branche aus. Quantensensoren sind für die Zukunft der Industrie eine Schlüsseltechnologie“, sagte der SickVorstandsvorsitzende Robert Bauer. „Quantentechnologie ist für die deutsche und die europäische Industrie eine riesige Chance. Diese Partnerschaft überführt sie nun erstmals in ein serienfähiges Produkt. Der Quantensensor ermöglicht hochpräzise Messungen und Erkenntnisse, die zu völlig neuen Anwendungen in der Industrie führen“, sagt Peter Leibinger, Chief Technology Officer bei Trumpf. Q.ANT und Sick haben den weltweit ersten für eine Serienfertigung nutzbaren Quantensensor gebaut. Der kann Partikel messen, die 200-mal kleiner sind als ein menschliches Haar. Quantensensoren sollen zunächst zur Analyse von Inhaltsstoffen in der Luft zum Einsatz kommen. Experten der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften Acatech schätzen das Marktvolumen von industriellen Quantensensoren weltweit auf rund 1,1 Milliarden Euro allein in den kommenden drei Jahren. bib
Streck Transport organisiert Luftfracht-Export von Abfüllanlagen
B
ei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie spielen Transport und Logistik eine große Rolle. Die Freiburger Streck Transportgesellschaft mbH ist an vorderster Front mit dabei und organisiert aktuell für die Zahoransky AG die Beförderung von elf Automatisierungsanlagen und sechs Entnahmeeinheiten für Impfstoffcontainer (Vials) in die USA per Luftfracht. „Hidden Champion“ Zahoransky mit Stammsitz in Todtnau hatte im Sommer von einem US-amerikanischen Unternehmen einen 25 Millionen Euro schweren Großauftrag für die Auto matisierungslinien zur Herstellung von beschichteten Cyclo-Olefin-PolymerBehältern für Impfstoffe erhalten. Denn während weltweit nach einem Impfstoff gegen Covid-19 geforscht wird, laufen auch die Vorbereitungen zur Herstellung von Wirkstoffampullen auf Hoch touren. Das badische Familienunternehmen liefert dem Fabrikanten der Impfstoffcontainer jetzt die dazu notwendigen Automationsanlagen. Damit im Fertigungsprozess sowohl eine durchgängige Automatisierung wie auch Qualität gewährleistet ist, werden insgesamt 120 Kameras und 53 Roboter verbaut. Im Betrieb können die Anlagen 600.000 Injektionsfläschchen pro Tag verarbeiten. „Wir konnten mit unserer langjährigen Erfahrung bei der Integration unserer Anlagen in die Fertigung des Kunden sowie mit Qualität ‚Made in Germany‘ überzeugen“, so Michael Schmidt, Geschäftsführer bei Z ahoransky Automation & Molds GmbH.
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Transportiert werden die Anlagen von AirBridgeCargo Airlines (ABC), einer russischen Luftfrachtgesellschaft für Spezialfrachten. Gestartet wurde das Projekt bereits im August – gemeinsam mit den Streck-Experten, die
Startklar: Streck-Laster in Freiburg. schon seit Jahrzehnten Logistik-Partner von Zahoransky sind. Fünf Mitarbeiter sind derzeit damit betraut, kümmern sich nicht zuletzt um die inländische Zollabfertigung. Insgesamt sollen bis Ende des Jahres 840 Tonnen Ausrüstung an Bord einer Boeing 747-8F von Frankfurt nach Atlanta geliefert sein. Nicht nur Streck erwartet, dass mehr als die Hälfte der Covid-19Impfstoffe per Luftfracht befördert werden, die wichtigsten Herstellungsregionen liegen in Indien, China, Großbritannien, USA und Europa. ABC sowie andere Fluggesellschaften innerhalb der Volga-Dnepr-Gruppe haben ihre Kapazitäten für den Impfstofftransport durch Temperaturkartierung aller Frachter innerhalb der Flotte der Gruppe ausgebaut. bib
Expertenbeitrag
Vor & hinter den Kulissen Steuerrechtsänderungen ab 2021 und aktuelle Corona-Hilfen – ein Überblick
W
Illustration: © iStock.com/Santima Studio; Foto: © ns
eitgehend unbeachtet in der Öffentlichkeit nimmt das Gesetzgebungsverfahren für ein Jahressteuergesetz 2020 seinen Lauf, das ab 2021 einige Änderungen bringt. Zudem treten bereits beschlossene Regelungen in Kraft. Im Fokus der Öffentlichkeit steht aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie indes weiterhin die Verlängerung des CoronaHilfspakets.
Im Zuge der Corona-Überbrückungshilfen hat die Bundesregierung nach Ablauf des ersten Förderzeitraums eine Verlängerung für die Monate September bis Dezember beschlossen. Die Zugangsvoraussetzungen wurden teil weise abgemildert, um mehr Personen als bisher die Leistungen zu ermöglichen. Die Hilfen betreffen Soloselbstständige, Angehörige der Freien Berufe sowie kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen müssen. Sie beinhalten nicht rückzahlbare Zuschüsse zu den betrieblichen Fixkosten. Der Antrag kann seit dem 21. Oktober und nur von einem Steuerberater, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer gestellt werden. Darüber hinaus wurde der Schnellkredit der KfW erweitert und auch kleinen Unternehmen zugänglich gemacht. Für den aktuellen Teil-Lockdown im November können Soloselbstständige und Unternehmen mit bis zu 50 Be-
schäftigten eine einmalige Kostenpauschale in Höhe von bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes von November 2019 als außerordentliche Wirtschaftshilfe erhalten. Die Höhe errechnet sich aus dem durchschnittlichen wöchentlichen Umsatz des Vorjahresmonats. Für größere Unternehmen gelten abweichende Prozentanteile. Anderweitige Hilfen für den Zeitraum, etwa Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfe, werden vom Erstattungsbetrag abgezogen. Parallel arbeitet der Gesetzgeber am Jahressteuergesetz 2020. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. Oktober eine Stellungnahme mit vielen Änderungsvorschlägen abgegeben; unter anderem werden die Anhebung der Übungsleiterpauschale auf 3000 sowie der Ehrenamtspauschale auf 840 Euro pro Jahr, die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für das Home-Office, die Anhebung der GWG-Grenze auf 1000 Euro sowie Regelungen zur Eindämmung sogenannter Share Deals gefordert. Aktuell prüft die Bundesregierung diese Vorschläge. Weitere Maßnahmen betreffen die Umsetzung des Mehrwertsteuer-Digitalpakets und die Verlängerung der Steuerbefreiung der Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2021. Zudem sollen die begünstigten Investitionskosten nach § 7g des Einkommenssteuergesetzes (EstG) von 40 auf 50 Pro-
Mathias Hecht ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter bei der Hecht Bingel Müller & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg. Mehr Infos unter www.hbm-partner.de zent erhöht werden. Die Betriebsgrößengrenzen sollen auf eine Gewinngrenze von 150.000 Euro vereinheitlicht werden. Erstmals könnten die Vergünstigungen auch für vermietete Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden. Vor dem Hintergrund steigender Mieten sollen Vermieter ihre Werbungskosten auch bei günstiger Vermietung vollständig absetzen können und daher nicht aus steuerlichen Gründen eine höhere Miete verlangen. Dazu soll die bisherige 66-Prozent-Grenze auf 50 herabgesetzt werden. Beträgt die Miete also mindestens 50 Prozent der ortsüblichen Miete, ist ein voller Werbungskostenabzug gegeben, wenn die – wieder eingeführte – Totalüberschussprognose positiv ausfällt. Zahlen Mieter mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, soll die Einkünfteerzielungsabsicht dagegen nicht überprüft werden. Für Freiburger Mieten dürfte dies kein Blockbuster werden.
Finanzwelt
Krisensichere Investments Wo Pandemie, Brexit und US-Wahl keine Rolle spielen
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Foto: © Flossbach von Storch
m 18. Februar stand der deutsche Aktienindex (DAX) bei 13.681 Punkten. Am 20. März, an dem Tag hatte Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn ein Betretungsverbot von öffentlichen Plätzen erlassen, war der DAX auf 8928 Punkte abgerauscht. Die Pandemie hatte an den Märkten die erste allgemeine Verunsicherung ausgelöst. Für Analysten wie Thomas Lehr vom renommierten Vermögensverwalter Flossbach von Storch, derzeit mit 60 Milliarden am Markt, spielen Pandemien indes beim Anlegen höchstens eine Nebenrolle.
„Die Pandemie, die zweite Welle, der Brexit, die US-Wahlen, das alles spielt für uns keine große Rolle“, sagt der 48-Jährige, der selber schon seit 30 Jahren Aktien hält. Allein schon gegen die Zinsentwicklung verblassten all diese Faktoren. Bereits die vergangenen zehn, zwölf Jahre seien sehr krisenbeladen gewesen, aber die Aktienwerte – Ende Februar 2009 lag der DAX bei unter 4000 Punkten – dennoch deutlich gestiegen. Sicher, Investments in Reiseunternehmen, in Hotels und Gastronomie, in die Veranstaltungswirtschaft übten heute keinen großen Reiz aus, „das war aber auch schon vor der Pandemie so“. Geändert, gar einen Strukturbruch evoziert, habe sich indes die Zinslandschaft – und damit auch die Renditeansprüche. 80 Billionen Euro sind derzeit weltweit an den Kapitalmärkten, die Hälfte, so Lehr, halten amerikanische Investoren. Und die würden völlig anders ticken als deutsche, die die Sehnsucht nach schwankungsarmen Papieren im Blut haben. Die bei Kursschwankungen ständig kaufen und verkaufen.
Für Lehr sind Aktien, die weniger als drei Jahre im Bestand bleiben, nur Geldmanagement – vergleichbar mit einem Festgeldkonto. Der Kapitalmarktstratege denkt längerfristig. „Anleger müssen sich viel mehr die Werte der Unternehmen als den Preis der Aktie anschauen. Genau das machen die Amerikaner, der Wert der Unternehmen sind deren Gewinne in der Zukunft.“ So ähnlich hatte es einst auch die Investmentlegende Warren Buffet formuliert.
Kapitalmarktstratege: Thomas Lehr Lehr vergleicht die Preise der amerikanischen Aktien gern mit der „Immobilie in München“. Teuer, sehr teuer, aber wertbeständig. Zum Wert der Unternehmen gehöre untrennbar auch deren Anfälligkeit für politische, geopolitische oder konjunkturelle Faktoren. Die Ölbranche etwa vereint diese. Kein Platz für nachhaltige Anlagen also. Eher was für Zocker. Wie es auch Fondsmanager gibt, die auf Währungsschwankungen setzen. Wenn es um nachhaltige Investments geht, dann spricht Lehr eher von amerikanischen Software-Riesen oder Schweizer Lebensmittelproduzenten. Die vielstimmig kritisierte lockere Geldpolitik der EZB verteidigt er: „Was ist denn die Alternative?“ Ohnehin sei der point of no return längst
überschritten. Die Notenbanken seien gefangen von politischen Friktionen. Und wenn die Zinsen nun tief bleiben – und das würden sie noch viele Jahre –, gehen die Schulden durch den massiven Kauf von Anleihen hoch. Gehen die Immobilienpreise hoch. Aber wer Geld hat und nun Strafzinsen zahlt – bei einigen Instituten euphemistisch „Verwahrentgelte“ genannt –, investiert es lieber auch bei kleinen Renditen. Als Lehr anfing, in Aktien zu investieren, lagen die Zinsen in Deutschland bei acht Prozent. Heute sind sie knapp über der Nachweisgrenze. Aktien seien im selben Zeitraum aber gar nicht so viel teurer geworden. Da sei noch viel Luft nach oben: „Die Aktienwerte werden bei weiter tiefen Zinsen steigen.“ Doch diese Geldpolitik macht es vor allem den Regionalbanken immer schwerer, Erträge zu erwirtschaften und damit den Mittelstand finanzieren zu können. Folgt auf die Pandemiewelle eine Fusionswelle? Lehr macht sich um die Finanzierung der Wirtschaft keine allzu großen Sorgen. Die Staaten würden den „Schmierstoff für die Mittelstandsfinanzierung bereitstellen“, auch wenn das in letzter Konsequenz zu einer Welle von verstaatlichten Banken führen würde. Lars Bargmann
Info
Kapitalmarkt live Die GFA Finanzberatung GmbH aus Ettenheim veranstaltet mit ihrem Geschäftsführer Pirmin Bender und mit Thomas Lehr am 19. November von 19 bis 20.30 Uhr eine Telefonkonferenz. Thema: Geldanlage in Zeiten von Niedrigzins und Corona. Anmelden können sich Interessierte unter www.anmelden.org/201119gfa, unter Tel. 07822-446790 oder per E-Mail an service@gfa-finanz.de
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Arbeitsmarkt
Deutlich weniger Arbeitslose Arbeitsagentur-Chef vom Ausmaß überrascht
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er zweite Lockdown, wenn auch in der leichten Version, spielte da noch keine Rolle: Ende Oktober sank die Zahl der Arbeitslosen im Bezirk der Agentur für Arbeit Freiburg im Vergleich zum Vormonat saldiert um 1100 auf 15.603. „Ich habe mit einem Rückgang gerechnet, aber nicht in diesem Ausmaß“, freut sich der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur, Andreas Finke. Die Arbeitslosenquote in Freiburg sowie den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen sank um 0,3 Punkte auf 4,2 Prozent. Nach verhaltenem Start hat der Herbstaufschwung auf dem Arbeitsmarkt nach dem jüngsten Arbeitsmarktbericht Fahrt aufgenommen. Die Frage ist, ob das Ende November auch noch so ist. Zur Erinnerung: Ende Oktober 2019 lag die Quote bei 3,3 Prozent. Anders als im September hätten im vergangenen Oktober nun fast alle Berufsgruppen profitiert, auch jene, die vom Strukturwandel oder der konjunkturellen Eintrübung betroffen sind. Besonders stark profitierten Berufe im Bereich Erziehung und Lehre (278 weniger Arbeitslose), in der Gastronomie (135), im Verkauf (116) und in der Logistik (100). Aber auch bei den metallerzeugenden und -verarbeitenden Berufen (46),
bei Mechatronik und Elektronik (46), im Maschinenbau und der Fahrzeugtechnik (42) fanden viele neue Jobs. „Der Arbeitsmarkt ist zurück in der Spur. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, dass die Pandemie ihn nicht erneut aus der Bahn wirft. Wir haben es ein Stück weit selbst in der Hand, dass es nicht so weit kommt“, sagte Finke. Steigende Infektionszahlen und der zweite Lockdown werfen aber einen Schatten auf die weitere Entwicklung. Deshalb sei der Ausblick für die kommenden Monate weniger optimistisch. Und die angezeigte Kurzarbeit nimmt bereits wieder zu: Im September hatten 24 Arbeitgeber für 242 Mitarbeiter Kurzarbeit angezeigt, im Oktober waren es fast drei Mal so viel (677 von 64 Betrieben). Kein Vergleich aber zur ersten Welle: Im April hatten 5303 Betriebe für 58.881 Menschen Kurzarbeit angezeigt. Erste Hochrechnungen für die tatsächlich in Kurzarbeit geschickten Mitarbeiter liegen für Juni vor: Demnach rechneten 3743 Betriebe für 35.665 Beschäftigte kurze Arbeit ab. Im Mai waren es 4960 Betriebe und 46.624 Kurzarbeitende. Damals lag die Kurzarbeiterquote bei stolzen 17,7 Prozent. Aktuell gibt es in Freiburg und den beiden angrenzenden Landkreisen 269.630 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das sind 1,6 Prozent mehr als vor einem Jahr. Aber es gibt auch – die Kurzarbeit nicht mit eingerechnet – 19.534 Unterbeschäftigte. 15,9 Prozent mehr als vor Jahresfrist. bib
Illustration: © freepik.com/pch.vector
Belebung auf dem Stellenmarkt Plus 26,5 Prozent im Oktober Die Nachfrage nach Arbeitskräften hat im vergangenen Oktober stark angezogen. Dank der Herbstbelebung meldeten die Unternehmen 1180 offene Stellen. Das sind 247 oder 26,5 Prozent mehr als im Vormonat – und
lediglich sieben weniger als vor einem Jahr. Die meisten Jobangebote gab es bei den unternehmensnahen Dienstleistungen (209), darunter 157 bei Zeitarbeitsfirmen, im Gesundheits- und Sozialwesen (194), im verarbeitenden
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Gewerbe (179) und der Öffentlichen Verwaltung (137). Das Gastgewerbe meldete 89 offene Stellen. Insgesamt lagen der Arbeitsagentur Mitte Oktober 3931 Aufträge zur Stellenbesetzung vor. bib
Arbeitsmarkt
»Nicht fair«
Freiburger Amazon-Mitarbeiter werden nicht nach Tarif bezahlt
M
ehrere Tausend Amazon-Pakete werden täglich in Freiburg und Umgebung bestellt. Dank neuem Umschlagzentrum im Gewerbegebiet Hochdorf können Bestellungen im Breisgau mit Über-Nacht-Lieferung nun noch später am Abend aufgegeben werden. Im vergangenen Jahr erzielte Amazon weltweit einen Gewinn von 11,6 Milliarden Dollar. Nach Tarif werden die mittlerweile rund 80 Mitarbeiter in Hochdorf trotzdem nicht bezahlt. Politik und Gewerkschaft zeigen sich empört.
Neues Umschlagzentrum in alter Halle: Amazon hat sich bei Dachser eingemietet.
Freiburgs SPD-Stadtrat Walter Krögner, Sprecher für Umwelt, Wohnen und Arbeiten, sieht den Internet-Giganten hingegen kritisch: „Bezahlung unter Tarif geht natürlich gar nicht, weder im Hinblick auf die Beschäftigten, die dort arbeiten, noch in Bezug auf den in Konkurrenz stehenden Einzelhandel. Das ist nicht fair.“ Dem Gemeinderat seien aber die Hände gebunden: „Wir als Stadt haben leider nicht sehr viele Möglichkeiten, insbesondere wenn sich die Standortweitergabe im rein privatrechtlichen Bereich abspielt.“ Auch für Markus Klemt, Verdi-Gewerkschaftssekretär, Landesfachbereich Handel in Baden-Württemberg in der Region Südbaden, ist der Lohn zu gering. Der Wettbewerb werde auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Es ist nicht der einzige Streitpunkt zwischen einem Versandhändler wie Amazon und der Gewerkschaft: „Diese Unternehmen bezeichnen sich als Logistiker. Wir sehen sie aber als Versandhändler“, erklärt er. Verdi fordert eine Bezahlung nach durchschnittlich besser bezahlten Einzelhandelsverträgen. Der dazu notwendige Druck auf den Online-Riesen lasse bisher allerdings zu wünschen übrig: „Viele Kunden interessiert nicht, wie die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind.“ Philip Thomas
Foto: © bar
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„Wir sind mit dem neuen Standort sehr zufrieden“, sagt Martin Andersen, Regional Operations Director von Amazon Deutschland, über das neue Verteilerzentrum in Hochdorf. Durch die von der Dachser Gruppe gemieteten (wir berichteten) 5500 Quadratmeter große Halle könne Amazon Lieferketten in der Region besser steuern. Die Nachfrage in der Gegend steige. „Wir wollen so wenige Kilometer fahren wie möglich“, sagt der 47-Jährige. Laut Andersen zahlt Amazon seinen Mitarbeitern in Hochdorf im ersten Jahr pro Stunde 11,35 Euro. Er sagt: „Wir sind nicht an den Tarif gebunden.“ Der liegt derzeit bei 12,69 Euro. „Wir glauben, dass wir trotzdem ein guter Arbeitgeber sind“, ergänzt Nadiya Lubnina aus der Amazon-Pressestelle. Die Strukturen in Amazon-Hallen seien modern, Arbeiter hätten Möglichkeiten für Feedback, für Vegetarier gebe es eigene Mikrowellen. „Außerdem verlangen wir keine Lehre und keine abgeschlossene Ausbildung“, sagt sie. chilli | business im Breisgau | 11.2020 | 37
Fakten
Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen Zahl der abgerechneten Kurzarbeiter in Freiburg sowie den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald im Februar 2020 ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 802 Zahl der abgerechneten Kurzarbeiter in Freiburg sowie den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald im April 2020 ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������46.624 Vermögen der 119 Milliardäre in Deutschland vor der Coronakrise im März 2019 (in Mrd. Dollar) ���������������������������������������������500,9 Vermögen der 119 Milliardäre in Deutschland in der Coronakrise im September 2020 (in Mrd. Dollar) ��������������������������������������595 Zahl der Milliardäre im kapitalistischen Amerika im März 2020 ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 614 Zahl der Milliardäre im kommunistischen China im März 2020 �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 389 Zahl der Einwohner im kapitalistischen Amerika im März 2020 (in Mio.) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������328 Zahl der Einwohner im kommunistischen China im März 2020 (in Mio.) �������������������������������������������������������������������������������������������������������� 1400 Zahl der Ausbildungsverträge im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein zum 31.10.2019 �������������������������������������������������������������������������� 4375 Zahl der Ausbildungsverträge im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein zum 31.10.2020 ��������������������������������������������������������������������������3874 Rückgang der Ausbildungsverträge im Jahr 2020 zum Vorjahr im Landkreis Emmendingen (in Prozent) ����������������������������������� 16,2 Rückgang der Ausbildungsverträge im Jahr 2020 zum Vorjahr in Freiburg (in Prozent) ����������������������������������������������������������������������������� 10,0 Rückgang der gemeldeten Ausbildungsstellen bei Betrieben im Bereich der Arbeitsagentur Freiburg (in Prozent) ������������������� 22,0 Zahl der Azubis aus Asylherkunftsländern im selben Gebiet im März 2013 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������30 Zahl der Azubis aus Asylherkunftsländern im selben Gebiet im Oktober 2020 ������������������������������������������������������������������������������������������������ 883 Umsatz des Waldkircher Sensorspezialisten Sick AG im Jahr 2013 (in Mio. Euro) �������������������������������������������������������������������������������������� 1009 Umsatz des Waldkircher Sensorspezialisten Sick AG im Jahr 2019 (in Mio. Euro) ���������������������������������������������������������������������������������������1750 Umsatz des SC Freiburg in der Saison 2012/2013 (in Mio. Euro) �����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������50 Umsatz des SC Freiburg in der Saison 2018/2019 (in Mio. Euro) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 96,1 Arbeitslose in Freiburg sowie den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald Ende Oktober 2019 ����������12.334 Arbeitslose in Freiburg sowie den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald Ende Oktober 2020 ��������� 15.603 Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im selben Gebiet im Oktober 2019 ������������������������������������������������������������������ 265.383 Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im selben Gebiet im Oktober 2020 ����������������������������������������������������������������� 269.630 Zahl der in Baden-Württemberg am 31. März 2019 Inhaftierten ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 7337 Zahl der in Baden-Württemberg am 31. März 2020 Inhaftierten ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 6514 Anteil von männlichen Gefangenen am 31. März 2020 (in Prozent) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 94,7 Produktion von Fertiggerichten in Baden-Württemberg im Jahr 2009 (in Tonnen) ���������������������������������������������������������������������������� 149.000 Produktion von Fertiggerichten in Baden-Württemberg im Jahr 2019 (in Tonnen) ����������������������������������������������������������������������������� 195.000 Steigerung der Fertiggerichtproduktion in Baden-Württemberg in den vergangenen zehn Jahren (in Prozent) ������������������������������ 31 Zahl der seit 1990 aus den neuen Bundesländern nach Baden-Württemberg Gezogenen ���������������������������������������������������������������� 650.000 Zahl der seit 1990 aus Baden-Württemberg in die neuen Bundesländer Gezogenen ��������������������������������������������������������������������������� 379.000 Wanderungssaldo von Baden-Württemberg in die neuen Bundesländer in den Jahren 2010 bis 2019 ���������������������������������������� +4337 Wanderungssaldo von Baden-Württemberg in die neuen Bundesländer in den Jahren 2001 bis 2009 �������������������������������� +116.556 Wanderungssaldo von Baden-Württemberg in die neuen Bundesländer in den Jahren 2016 bis 2019 �����������������������������������������-4569
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bar / Idee: brandeins