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Tiroler Tageszeitung Sonderthemen Innsbruck, am 20.06.2020, Nr: Jub. 75. Geb., 1x/Jahr, Seite: 63 Druckauflage: 91 081, Größe: 58,9%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 12963184, SB: Ischgl
„Qualitätsmedien gewinnen an Wert“ Im TT-Interview spricht Landeshauptmann Günther Platter über sein Verhältnis zu den Medien, über kritische Distanz und die Bedeutung von Qualitätsmedien gerade in Zeiten von Fake News in den sozialen Netzwerken. Herr Landeshauptmann, welchen Stellenwert haben Medien für Sie und was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrer medialen Wahrnehmung verändert? Günther Platter: In einer Demokratie haben unabhängige Medien einen riesigen Stellenwert. Ohne Medien funktioniert die Demokratie nicht. Obwohl es vielleicht manchmal wegen der persönlichen Befindlichkeit etwas schwierig ist, sind unabhängige Me-
Revolution, die sich in der Medienlandschaft vollzieht. Natürlich nützt auch die Politik die sozialen Medien, um Themen zu setzen. Angesichts von Fake News schätzen allerdings Menschen, die an der Politik und an der Entwicklung des Landes interessiert sind, umso mehr die Qualitätsmedien. Deshalb
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Angesichts von Fake News werden Qualitätsmedien an Bedeutung und Wert gewinnen.“
Ohne unabhängige Medien funktioniert die Demokratie nicht.“
Günther Platter
Günther Platter (Landeshauptmann)
dien, die recherchieren, den Geschichten nachgehen und durchaus kritisch sind, das höchste Gut. Wie schwer tut sich ein Politiker mit Medien, wenn es negative Schlagzeilen gibt? Ist man da nicht verleitet, zum Hörer zu greifen? Platter: Ich greife nicht zum Hörer, das mache ich generell nicht. Man muss es manchmal eben ertragen. Es gehört eine gewisse Gelassenheit dazu, auch was Kommentare betrifft. Außerdem
Für Günther Platter gehört eine kritische Beurteilung über politische Vorgänge im Land zur Politik dazu. ist es notwendig, sich mit anderen Sichtweisen auseinanderzusetzen und sich stets selbstkritisch zu fragen, was könnte ich besser machen.
Kritisch zu sein und Kritik anzunehmen, gehört in der Politik dringend dazu. Es wird uns nie gelingen, alles richtig zu machen. Eine kritische
Berichterstattung gehört zur Politik dazu. Seit Jahren wird über von der Politik gesteuerte Nachrichten („Message Control“) diskutiert. Inwieweit beeinflussen sie das Verhältnis zwischen Politikern und Medien? Platter: Message Control wird unterschiedlich gesehen. Ich
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Es ist Teil einer professionellen Politik, Projekte und Vorhaben zu vermitteln.“
Günther Platter
will deshalb einen positiven Ansatz hervorstreichen: durch klare Formulierungen und Informationen an die Medien Themen zu setzen. Es ist Teil einer professionellen Politik, Vorhaben und Projekte zu vermitteln. Aber ist das nicht eine Gratwanderung, weil sich Politiker so ihre eigenen Schlagzeilen sichern wollen? Wird dadurch nicht die notwendige kritische Distanz zwischen Politik und Medien verwässert? Platter: Es braucht die Distanz, jeder hat seine Rolle – der Politiker und der Journalist. Themen zu setzen, ist legitim. Die Rolle der Medien ist es, das dann zu bewerten. Politiker können sich die Schlagzeilen nicht selbst aussuchen, sondern die Journalisten beurteilen selbst, ob es für eine Schlagzeile ausreicht oder nicht. Es gibt heute eine viel kritischere Distanz als früher. Das gehört zu einem professionellen Arbeiten dazu. Unter Landeshauptmann Eduard Wallnöfer wurde seinerzeit von einem Dreigestirn gesprochen: Wallnöfer, Bischof Paulus Rusch und TT. Platter: (...) das ist schon längst vorbei und heute undenkbar. Es wäre auch unverständlich. Heute ist es ganz anders. Die Medien beleuchten Vorgänge in der
zählt als: 5 Clips, erschienen in: Innsbruck, Reutte, Landeck, Imst, Schwaz, Osttirol, Kitzbühel, Kufstein Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 050403*1543). Pressespiegel Seite 33 von 55
Foto: Rudy De Moor
Politik kritisch und übernehmen nicht eins zu eins die Positionen der Regierung. Ob es mir passt oder nicht: Für eine Glaubwürdigkeit in der Medienberichterstattung ist das essenziell. In den vergangenen Wochen hat Tirol für negative Schlagzeilen gesorgt. Wie geht es Ihnen dabei, wenn über Tirol weltweit negativ berichtet wird? Platter: Das Bild, das jetzt von Tirol gezeichnet wird, das haben wir uns nicht verdient. Es ist vielfach anders, als es jetzt wegen bestimmter Umstände dargestellt wird. Das hängt auch damit zusammen, dass es sich bei Ischgl um einen prominenten Ort handelt, wo es auch große Veranstaltungen gibt. Und weil Tirol sehr früh und stark vom Corona-Virus betroffen war. Trotzdem glaube ich, dass sich die aktuell unangenehme Situation für Tirol und der internationale Stellenwert wieder verbessern werden. Wir haben bewiesen, dass wir mit Krisen umgehen können. Nach der Lawinenkatastrophe von Galtür hat es ähnliche Debatten und Schlagzeilen gegeben.
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Politik kann man nicht nur über soziale Netzwerke machen. Es braucht mehr denn je den direkten Kontakt mit den Medienvertretern.“
Günther Platter
Wir versuchen deshalb, offen und durchaus selbstkritisch zu kommunizieren. Wir werden uns schneller von dieser Krise erholen, als manche glauben. Wir leben in einer multimedialen Zeit, in der soziale Medien eine große Rolle spielen. Leider auch die Fake News. Es wird bereits vom digitalen Fluch gesprochen. Die Politik ist ebenfalls davon betroffen. Platter: Es ist teilweise eine
werden Qualitätsmedien an Bedeutung und Wert gewinnen. In den sozialen Medien geht es oft so rund, dass man sich überhaupt kein Bild mehr machen kann. Aus diesem Grund gilt beides: Fluch und Segen. In der Politik muss man die Möglichkeiten wie Twitter oder Facebook sorgsam und seriös nützen. Das ersetzt jedoch keinesfalls die Information an klassische Medien. Politik kann man nicht nur über soziale Netzwerke machen. Es braucht mehr denn je den direkten Kontakt mit den Medienvertretern. Tirol steht vor herausfordernden Zeiten – sowohl wirtschaftlich, sozial als auch gesellschaftlich. Wie können Medien dazu beitragen, ein kritisches Korrektiv für eine positive Entwicklung des Landes zu sein? Platter: Das Schlimmste wäre es, wenn über etwas nicht berichtet wird. Gerade in einer Krise, in der die Bevölkerung einen großen Wissensdurst hat, ist es wichtig, dass sich die Medien damit beschäftigen, mit welchen Maßnahmen das Land die Herausforderungen bewältigen möchte. Dazu gehört allerdings auch eine kritische Betrachtung der Vorhaben. Denn die Menschen haben schon ein Gespür für zu einseitige Berichterstattung. Obwohl es gerade jetzt natürlich notwendig ist, eine positive Stimmung in die Bevölkerung zu bringen. Also verantwortungsvoller Journalismus und keine Schönwetterberichterstattung? Platter: Die gibt es vielleicht da oder dort in manchen Bundesländern. Die Tiroler wollen das aber nicht, eine SchwarzWeiß-Berichterstattungwürde sicher nicht gut ankommen. Sie wollen eine klare Analyse und sich dann selbst ein Bild darüber machen. Über welche TT-Schlagzeilen haben Sie sich zuletzt am meisten gefreut? Platter: Was für mich derzeit absolut präsent ist, ist die schwierigste Phase in meinem politischen Leben in den vergangenen Wochen. Und da war meine Freude riesig groß über die Schlagzeile vom Krankenhaus Zams: „Die Intensivstation ist zum ersten Mal Covid-frei.“ Das Interview führten Peter Nindler und Manfred Mitterwachauer
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