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Salzburger Nachrichten Salzburg, am 14.08.2020, 312x/Jahr, Seite: 17 Druckauflage: 67 020, Größe: 86,89%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13050029, SB: Ischgl
Von Peking nach Stockholm Der Kontrast könnte nicht größer sein: Mitten in Coronazeiten wechselt der österreichische Wirtschaftsdelegierte Martin Glatz von China ins liberale Schweden. BIRGITTA SCHÖRGHOFER STOCKHOLM. 20 Jahre lang war Martin Glatz als Delegierter der Außenwirtschaft Österreich (AWO) in den Ländern Asiens unterwegs. Eine Gesichtsmaske zu tragen ist ihm dabei zur Gewohnheit geworden – „ob SARS-bedingt in Hongkong, bei Erkältungen oder nach dem Fukushima-Super-GAU in Japan oder zum Schutz vor Feinstaubpartikeln oder Coronaviren in China“, zählt er auf. Das Büro in Peking leitete Glatz, als zu Jahresbeginn in Wuhan die weltweite Coronapandemie ihren Anfang nahm. Mittlerweile sei alles „ganz gut unter Kontrolle“. Bei Infektionsherden würden lokale Maßnahmen gesetzt und „schon einmal ganze Straßenzüge gesperrt und unter Quarantäne gestellt“. Dazu kämen aber auch Überwachung und Kontroll-Apps, „die muss man überall vorweisen“. Auch Einreisende aus dem Ausland müssten nach wie vor 14 Tage in Quarantäne. All das gibt es dort, wo Martin Glatz vor ein paar Tagen gelandet ist, nicht. Ausgerechnet nach Schweden ist er für die AWO übersiedelt und betreut nun von Stockholm aus die Länder Finnland, Norwegen und Schweden. Das sozialistisch-grün regierte Schweden hat zu Beginn der Coronakrise auf einen totalen Lockdown verzichtet, und während jetzt viele Länder in Europa die Maskenpflicht eingeführt haben, gibt es im skandinavischen Königreich nach wie vor kein Muss für den Mund-Nasen-Schutz. Ganz ablegen will Glatz die Maske aber nicht. Er werde sie auch in
Schweden tragen, „wenn es die Umstände nahelegen“. Vorgänger Albrecht Zimburg kehrt nach acht Jahren Stockholm zurück nach Österreich und betreut erst einmal von Wien aus den Nahen Osten und Afrika. In der Vergangenheit leitete der gebürtige Salzburger aus Bad Gastein unter anderem die AWOBüros in Nigeria und Ägypten. Über die Coronazeit in Skandinavien sagt er: „Die Schweden sind zuletzt doch sehr in ihrem Ego getroffen worden, weil andere Länder und auch die Nachbarn die Tür zugemacht haben.“ Aber sie hätten eben von Anfang an auf Empfehlungen statt Verbote gesetzt. „Man hat hier einen Weg gesucht, der sich lang durchhalten lässt.“ Die Übersiedelung ins Homeoffice hätten die Schweden exzellent umgesetzt, auch weil die technischen Voraussetzungen dafür vorhanden seien. „Die Praxis ist mittlerweile: ein bis zwei Tage im Büro, den Rest der Ar-
beitswoche zu Hause.“ Die Wirtschaft sei im zweiten Quartal zum Vorjahresvergleich um 8,2 Prozent geschrumpft, „das ist eine harte Watsche, aber andere haben härtere bekommen“, sagt Zimburg. Auch sei das Land mit einer geringen
„Die Schweden haben eine harte Watsche bekommen, andere eine noch härtere.“ Albrecht Zimburg, AWO
Staatsverschuldung von 35 Prozent in die Krise gegangen. Die Arbeitslosigkeit liege derzeit bei 9,2 Prozent, für Beginn 2021 werde eine Spitze von elf Prozent erwartet. Wirklich gut funktioniere auch in Schweden die Kurzarbeit. Grund für den wirtschaftlichen Rückgang sei vor allem der eingebrochene Export. Schweden verfüge über Weltmarken wie Volvo, den
Asiatisches Lächeln ohne Maske und ein schwedisches Fähnchen zur BeBILD: SN/AWO grüßung in Stockholm: Martin Glatz (l.) und Albrecht Zimburg.
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Gripen-Bauer Saab, Scania, Husqvarna und Ericsson. Es sei ein Land, „in dem man nicht schnell ein EMail-Geschäft macht“. Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen dauere im Prinzip Jahre, „aber dann sind sie andauernd und verlässlich“. Österreich und Schweden lieferten sich gegenseitig unter anderem Anlagen und Maschinen, Ersatzteile, Pharmazeutika und Lebensmittel. Derzeit werde viel in Infrastruktur und Bau investiert, Monteure und Spezialisten seien gefragt. Zu Beginn des Lockdowns in Österreich habe es deshalb „ein bisschen Wackeleien“ wegen der Heimholungsaktionen gegeben. Im Bausektor seien die Leute abgezogen worden, in Schweden sei der Bau aber normal weitergegangen. Prinzipiell, glaubt Zimburg, hätten in der Coronakrise die Beziehungen zwischen Österreich und Schweden nicht mehr gelitten als jene zu anderen Ländern. „Solange in Wirtschaftsbeziehungen ernsthaft gezeigt wird, wir kommen trotzdem, wir lassen dich nicht hängen, passt das.“ Seit Donnerstag rät Schwedens Regierung seinen Bürgern nicht mehr von Reisen nach Österreich ab. Im Februar war der Coronacluster in Ischgl mitverantwortlich für die Ausbreitung des Virus in Skandinavien. Dass das von künftigen Skiurlauben in Österreich abhält, glaubt Zimburg nicht. „Wenn Österreich im Winter als sicher gilt und die Schweden hinfahren können, werden sie das tun.“ Österreich listet Schweden aktuell nach wie vor auf seiner roten Liste jener Länder auf, für die die höchste Reisewarnstufe 6 gilt.
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