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Freiraum

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Quellenverzeichnis

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»UND WÜRD’ ER IN KETTEN GEBOREN«

1. Deuten Sie den unten abgebildeten Raum als Zwischenraum.

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2. Ein Freiraum? Lassen Sie Betroffene (Künstlerinnen und Künstler, Personal, Insassen) ein fiktives Gespräch über die Kunstaktion führen.

3. Erläutern Sie die Zitate von F. Schiller auf dieser Doppelseite mithilfe des Textes von J. Berger ( S. 19). Identifizieren Sie den Gedanken des Zwischenraums darin. Falls Sie schon Dramen von F Schiller gelesen/gesehen haben: Erinnern Sie sich an Szenen, in denen Freiheit eine Rolle spielt.

4. Deuten Sie die Kunstaktion in der JVA aus der Perspektive von F. Schiller.

5. Kunst als Freiraum, als Zwischenraum – tauschen Sie sich über Beispiele im eigenen Leben, in der Schule und in der Öffentlichkeit aus.

6. »Ohne Kultur …« – lassen Sie sich von der Abbildung auf S. 19 zu eigener »Werbung für die Kunst« anregen.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, Und würd er in Ketten geboren, Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei, Nicht den Mißbrauch rasender Toren. Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

AUS: FRIEDRICH SCHILLER, WORTE DES GLAUBENS

AnMERKung: Über die Freiheit der Kunst lässt sich streiten.

Zwischen 2012 und 2015 gestalteten Streetart-Künstlerinnen und -Künstler die Wände in der Schweizer Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Wo früher grauer Beton war, weiden jetzt Kühe, wachsen Bäume und Blumen, fliegen Frösche und Schmetterlinge und bringen abstrakte Kompositionen Farbe ins Leben der Angestellten und Gefangenen.

FRIEDRICH SCHILLER: FREIHEIT DURCH SCHÖNHEIT

Um die Menschheit und um die Gesellschaft stand es Anfang der 1790er­ Jahre nicht gut. Die Revolution in Frankreich hatte im Terror geendet; die Stimmung im Volk schwankte zwischen Ratlosigkeit und Aktivismus. Die Geistesgeschichte – »das Denken« – machte hingegen große Sprünge. Philosophen, Pädagogen, Gesellschaftstheoretiker und Dichter sahen die Gelegenheit, nun endlich alles neu zu ordnen, Kunst, Kultur, Staat und Gesellschaft in neue Beziehung zueinander zu bringen und damit die Menschheit aufs richtige Gleis zu setzen.

Wie man die zunächst erkämpfte und vermeintlich erlangte Freiheit und Selbstbestimmung wiedererlangen und letztlich auf Dauer sichern könne, darüber war man sich nicht einig. Heute käme angesichts einer politischen Krise wohl kaum jemand auf die Idee, eine Lösung gerade von der Kunst zu erhoffen. Doch genau dies tat Friedrich Schiller. Und lieferte eine Erklärung dafür in seinen 27 Briefen »Über die ästhetische Erziehung des Menschen«, die er schubweise in der von ihm herausgegebenen Literaturzeitschrift »Die Horen« veröffentlichte.

Zunächst analysierte er die Lage und fand beißende Worte über die moderne Gesellschaft – Worte, die uns heute nur allzu aktuell und vertraut erscheinen, allen voran der Begriff der Entfremdung. Schiller glaubte an die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit; doch aus seiner Sicht kontrollierten die »Mechanismen des Zwanghaften« diese Freiheit. Reduziere man den Menschen auf nur wenige Aufgaben, erniedrige man ihn. Vor Schiller hatte bereits Immanuel Kant* die Freiheit als Idealzustand postuliert. Schiller wollte mit seinen Briefen den Weg zu ihr weisen:

Die »ästhetische Erziehung« will die Zersplitterung der menschlichen Triebe in der Moderne aufheben. Das heißt für Schiller, auf ein bisher noch unerreichtes, harmonisches Ideal hinzuarbeiten – und das ohne Zwang. Wodurch kann das gelingen? Nur indem man sich der Schönheit zuwende.

»Durch die Schönheit wird der sinnliche Mensch zur Form und zum Denken geleitet; durch die Schönheit wird der geistige Mensch zur Materie zurückgeführt und der Sinnenwelt wiedergegeben.«

Die Ästhetik stellt somit für Schiller die einzige Möglichkeit dar, Gefühle mithilfe der Vernunft zu gestalten und so zwischen Natur und Vernunft zu vermitteln –und das auf spielerische Weise. Gelingt dies, ist viel gewonnen. Der Kunst kommt dann nämlich ein doppelter Sinn zu: Sie ermöglicht auf der einen Seite persönliches Glück und erfüllte Lebensführung und verändert dadurch auf der anderen Seite die Gesellschaft ins Positive. Denn es ist »die Schönheit ..., durch welche man zur Freiheit wandert«.

Jens Berger

FREIHEIT: ZITATE VON FRIEDRICH SCHILLER

Die schönsten Träume von Frei- heit werden ja im Kerker ge- träumt.

Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb un- vermerkt an einem dritten, fröhli- chen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er dem Menschen die Fesseln aller Verhältnisse ab- nimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im Physischen als im Moralischen entbindet.

Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.

Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.

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