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Praktische Theologie / Religionspädagogik

Fragen an Lukas Grill, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Praktische Theologie an der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg

Womit beschäftigt man sich in der Praktischen Theologie?

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Praktische Theologie beschäftigt sich mit Praxis: im engeren Sinne mit kirchlichen Praxisfeldern (also mit dem, was künftige Pfarrerinnen, Pfarrer und Religionslehrkräfte zu tun haben werden: z. B. Predigt, Seelsorge oder Religionsunterricht). Aber auch mit religiöser Praxis im weiteren Sinne: z. B. Film, digitale Medien, Literatur oder Alltagssprache. Dabei lehrt Praktische Theologie nicht, wie man es in der Praxis »richtig macht«; sondern Praktische Theologie versteht sich als Theorie der Praxis, d. h.: als ein Nachdenken über die Praxis. Was finden Sie daran besonders spannend?

An der Praktischen Theologie ist mir besonders wichtig, dass sie dazu beiträgt, neue Perspektiven auf den Alltag – auch auf meinen persönlichen Alltag! – zu gewinnen. Wenn ich mein alltägliches Leben aus der Perspektive »religiöser« Praxis deute, dann wirft das ein ganz neues Licht auf mein Leben: Zum Beispiel fallen mir bestimmte Redewendungen (»Grüß Gott ...!«) auf, in denen Religion explizit zur Sprache kommt. Oder ich denke mir, während ich einen Film anschaue: Hier zeigen sich Strukturen, die sich aus theologischer Perspektive mit Begriffen wie »Sünde«, »Erlösung« oder »Auserwähltsein« beschreiben lassen.

Welche Methoden werden in dieser Disziplin angewendet?

Praktische Theologie wird oft als »Wahrnehmungswissenschaft« bezeichnet. Sie bedient sich daher vor allem solcher Methoden, die helfen, genauer, tiefer, differenzierter wahrzunehmen. Konkret wird in der Praktischen Theologie viel empirisch geforscht – sowohl qualitativ als auch quantitativ. Zudem arbeitet sie klassischerweise eng mit anderen Disziplinen zusammen: etwa mit der (Religions-)Psychologie, der Soziologie oder auch der Linguis tik.

War um muss es Ihre Disziplin unbedingt ge ben?

Friedrich Schleiermacher vergleicht das Studium der Theologie mit dem Bild eines Baumes: Die Wurzel bildet die Philosophische Theologie, den

Stamm die Historische Theologie. Die Praktische Theologie ist in seinem Bild die Baumkrone. Wenn er die Praktische Theologie als »Krone des theologischen Studiums« bezeichnet, so meint er damit keine Abwertung der anderen Fächer, sondern: Die Praktische Theologie braucht die anderen Fächer, um religiöse Praxis wahrnehmen und beschreiben zu können. Aber: Die anderen Fächer bleiben ohne die Praktische Theologie im luftleeren Raum, weil erst durch die Praktische Theologie der Bezug zur Praxis deutlich wird.

Einige Veranstaltungstitel aus der Praktischen Theologie

Praxisübung Seelsorge

Urlaub und Religion

Schulgottesdienst und religiöse Vielfalt

Gleichnisse im Religionsunterricht

Begleitseminar zum Schulpraktikum

Digitalisierung als theologische und religionsdidaktische Herausforderung

Zur Theorie öffentlicher religiöser Rede Geschichte der Religionspädagogik Verschwörungstheorien als pastorale Herausforderung

Kinder und Theologie

Religion und Film

Fragen an Daria Pezzoli-Olgiati, Professorin für Religionswissenschaft und Religionsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und an Verena Eberhard, wissenschaftliche Mitarbeiterin Womit beschäftigt man sich in Ihrer Disziplin? Religionswissenschaft ist eine Disziplin, die sich mit Menschen und Kulturen beschäftigt. Sie untersucht Religionen in Gesellschaften der Geschichte und der Gegenwart. Mit »Religion« fasst man in dieser Fachrichtung eine Vielfalt von Phänomenen zusammen. Eine Besonderheit von Religion ist, dass sie sich auf Transzendenz bezieht, das heißt auf Erfahrungen, die Menschen nicht unmittelbar begreifen können, wie zum Beispiel den Tod oder transzendente Wesen wie Götter und Engel. In der Religionswissenschaft erforscht man, wie Menschen eine Verbindung zu dieser Sphäre herstellen und welche Medien sie dafür benutzen. Wir interessieren uns sowohl für religiöse Menschen und Gemeinschaften, als auch für Darstellungen von Religion in der Öffentlichkeit. Unterschiedliche Perspektiven auf Religion sind dabei sehr wichtig. In der Religionswissenschaft erforscht man die Veränderungen, die religiöse Traditionen im Laufe der Zeit erfahren, aber auch Formen von Religion, die sich nicht so leicht einer Tradition zuordnen lassen. Religion spielt eine Rolle in der Politik, in den Medien, wie zum Beispiel in der Werbung, in der Wirtschaft, der Kunst oder auch im Sport. All diese Dimensionen sind sehr wichtig, wenn man verstehen möchte, wie sich Menschen im Leben orientieren und was für sie wichtig ist. Religion kann dabei eine positive Rolle übernehmen und dazu beitragen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird. Religion kann aber auch zu Missbrauch und Gewalt führen. Wir kümmern uns um alle Aspekte dieses Phänomens, das so alt ist wie die Menschen.

Was finden Sie daran besonders spannend?

Religion umfasst nicht nur das, was Menschen machen, sondern auch ihre Vorstellungen, ihre Wünsche, Träume und Erwartungen für das Leben und auch für das Jenseits. Religion ist ein System, das eng mit Gesellschaften und Kulturen verflochten ist. Wenn man sich mit Religion beschäftigt, erfährt man sehr viel über Menschen, ihre Gewohnheiten, ihre Erwartungen und ihre Ängste. Religion prägt die Art und Weise, wie eine Gesellschaft organisiert wird, wie Macht verteilt wird und wie die Geschlechter definiert werden. Sie beeinflusst Werte und Normen. Religion spiegelt sich in Literatur, Kunst, Film und in der populären Kultur. Damit liegt man so richtig im Kern menschlicher Kultur. Welche Methoden werden in dieser Disziplin angewendet?

Religionswissenschaft ist sehr interdisziplinär ausgerichtet: Im Kontext der Universität arbeitet sie mit vielen anderen Fächern zusammen. Sprachen spielen eine große Rolle in dieser Disziplin, um Texte zu lesen und sich mit Menschen auszutauschen. Methoden der Untersuchung von Medien wie Bilder, Filme, Architektur oder Gegenstände sind zentral. Auch die Kenntnisse der Geschichte Europas und anderer Kulturen ist sehr wichtig. Wir versuchen, religiöse Phänomene zu beschreiben, um sie im Kontext der Gesellschaft zu deuten. Durch die Methode des Vergleichs lernt man, kulturelle Vielfalt zu untersuchen.

War um muss es Ihre Disziplin unbedingt geben? Religion ist ein ambivalentes Phänomen. Religion kann Orientierung stiften und Menschen einen Sinn des Lebens geben. Sie kann zu großartigen Entwicklungen führen: Gesellschaftliche Innovationen, Gleichberechtigung, Einsatz für andere Menschen oder moralische Entscheidungen haben häufig mit Religion zu tun. Auch künstlerische, musikalische oder architektonische Wunder wurden und werden sehr häufig im religiösen Kontext erschaffen. Religion kann aber auch als Legitimation von Missbrauch, Gewalt und Zerstörung eingesetzt werden. Beides soll untersucht und verstanden werden, wenn man wissen möchte, wer der Mensch ist, wie er sein Leben in der Gemeinschaft historisch organisiert hat und in der Gegenwart gestaltet. Für eine florierende, diverse Demokratie ist das Wissen über Religion unentbehrlich.

Einige Veranstaltungstitel

Auf vielen Hochzeiten tanzen. Materielle und mediale Dimensionen eines Rituals

Das Eigene und das Andere

Einführung in den gelebten Hinduismus der Moderne anhand eines Bollywood-Films

Konstruktionen von Weiblichkeit im frühen Christentum und frühen Islam

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