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Wissenschaftliche Theologie
WAS IST THEOLOGIE?
Wörtlich übersetzt bedeutet der aus der griechischen Philosophie stammende Begriff »Theologie« Lehre, Rede oder auch Wort von G ott. Aber: Kann man Gott eigentlich als »Gegenstand« einer Wissenschaft erforschen? Diese Frage hat prominent der Theologe Karl Bar th in den 1920er-Jahren gestellt und die Grundspannung beschrieben, in der jeder Versuch des Theologie-Treibens steht: »Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen beides, unser Sollen und unser Nicht-Können wissen und eben damit Gott die Ehre geben«. Gegenwärtig wird der Hauptzweck der Theologie unterschiedlich beschrieben: z. B. als Reflexion des christlichen Glaubens und seiner jüdischen Wurzeln in Geschichte und Gegenwart sowie der Suche nach der bleibenden Relevanz biblisch-christlicher Sprachtraditionen – oder auch als Frage danach, wie sich Lebenswirklichkeit und menschliche Selbstverständnisse im Licht des christlichen Glaubens darstellen.
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Die Universitätstheologie hat sich historisch in folgende Disziplinen (Fächer) ausdifferenziert: die beiden exegetischen Fächer Altes und Neues Testament, die Systematische Theologie bzw. die Dogmatik, die Ethik (als Teil der Systematischen Theologie), die Kirchengeschichte, die Religionswissenschaft und die Praktische Theologie. An vielen Universitäten bereichern noch weitere Disziplinen den Fächerkanon, wie z. B. Judaistik, Ökumenik und Konfessionskunde oder Philosophie.
Die Theologie gehört zu den Wissenschaften, die ab dem 13. Jahrhundert neben Jura und Medizin und den freien Künsten* als Erstes an europäischen Universitäten gelehrt wurde. Theologisches Denken hat nicht nur einen Ort an Hochschulen, sondern z. B. auch in den Gemeinden. Der Sache nach gehört Theologie als Reflexion von Gotteserfahrungen und Glaubenspraxis von Anfang an zum Christentum dazu. Als erster Theologe der Christenheit gilt Paulus; seine Briefe zeigen, wie er christlichen Glauben durchdacht hat. Aber nach evangelischer Überzeugung sind hier nicht nur religiöse Expertinnen und Experten gefragt: Gemäß der Lehre vom Priestertum aller Gläubigen ist jede Christin und jeder Christ dazu aufgerufen: »Selber denken!« (vgl. S. 142) – gerade auch im Hinblick auf den Glauben.
Wissenschaftlichkeit Von Theologie
Obgleich die Theologie zu den Ursprungsdisziplinen der Universitäten gehört, ist gegenwärtig nicht unumstritten, ob sie heute noch als Wissenschaft gelten kann, die im Hochschulsystem ihren gleichberechtigen Platz neben anderen Wissenschaften beansprucht. Ein aus atheistischer Perspektive vorgebrachtes Argument gegen die Wissenschaftlichkeit von Theologie lautet z. B., dass diese gegenstandslos sei, weil Gott nicht existiere; andere Kritiker monieren, dass der Gegenstand der Theologie nicht hinreichend präzise definiert werden könne. Demgegenüber hat der Deutsche Wissenschaftsrat* 2010 dafür plädiert, die Position der wissenschaftlichen Theologie zu stärken, da sie sich auf einen spezifischen Erkenntnisgegenstand beziehe – die Transzendenz – und Religion in unserer Gesellschaft und weltweit keineswegs bedeutungslos geworden sei. Zudem reflektierten Theologien im Wissenschaftssystem die Grenzen einer rein wissenschaftsförmigen Selbstdeutung des erkennenden Menschen.
Zu den Kriterien der Wissenschaftlichkeit von Theologie gehören u. a., dass alle Behauptungen begründungspflichtig sind, klar, logisch, transparent und ideologiefrei argumentiert wird, eine präzise Terminologie ver wendet wird, ein Bezug zur jeweiligen Fachdiskussion erkennbar ist und diese Bezüge sorgfältig nachgewiesen werden sowie dass es zu einer Theorie- bzw. Systembildung kommt. Ein weiteres zentrales Kriterium ist der reflektierte Einsatz von Methoden, die auch in außertheologischen Bezugswissenschaften (wie z. B. Sprach-, Kultur-, Geschichts-, Sozialwissenschaft, Philosophie und Pädagogik) vielfältig eingesetzt werden (z. B. hermeneutische, empirische, historische, vergleichende Methoden).
Damit Sie sich ein wenig vorstellen können, womit sich die Evangelische Theologie beschäftigt, wurden Fachvertretern und -vertreterinnen der verschiedenen theologischen Disziplinen jeweils die gleichen Fragen gestellt. Dazu finden Sie teils einige Titel von Veranstaltungen dieses Faches an verschiedenen Universitäten sowie exemplarische Veröffentlichungen.
Fragen an Helmut Utzschneider, emeritierter Professor für Altes Testament an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau
Womit beschäftigt sich die alttestamentliche Wissenschaft?
Wir Alttestamentler und Alttestamentlerinnen legen die Literatur des Alten Testaments aus, in dem Menschen des Alten Israel ihre Erfahrungen mit Gott zum Ausdruck gebracht und in das sie ihre Traditionen und Hoffnungen eingeschrieben haben. Wir erkunden die geschichtlichen Voraussetzungen und Intentionen der Texte. Wir erforschen, wie sie, angefangen bei Jesus und im Neuen Testament, spätere Generationen verstanden haben, und wir fragen, was sie heute bedeuten könnten. Weil das christliche Alte Testament (weitgehend) identisch ist mit der Hebräischen Bibel der Juden, beschäftigen wir uns auch mit der Frage nach den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden zum Judentum.
Was finden Sie daran besonders spannend?
Mich fasziniert, in die fremde Welt des Alten Israel und seiner Nachbarkulturen in Ägypten und im Orient einzutauchen. Spannend finde ich die Auseinandersetzung mit dem Alten Testament, auch die kritische: Welche seiner Ideen und Bräuche sind (nur) zeitbedingt zu verstehen, wie etwa der Opferkult? Wo sind Grenzen zu ziehen, etwa gegenüber manchen Einstellungen zur Homosexualität? Wo haben sich bei uns Vorurteile gegenüber dem Alten Testament eingenistet, nicht zuletzt Klischees mit antisemitischem Hintergrund? Welche Methoden werden in dieser Disziplin angewendet?
Sprach- und Literaturwissenschaft, Altorientalistik und Judaistik, Geschichtswissenschaft und Archäologie, Sozial- und Religionswissenschaft, Theologie. War um muss es Ihre Disziplin unbedingt geben?
Weil wir ohne sie den christlichen Glauben und die Kultur, in der wir leben, nicht verstehen würden.
Einige Veranstaltungstitel zum Alten Testament
Die Zehn Gebote
Lektürekurs Hebräisch
Das Nachdenken über den Menschen im Alten Israel
Migration und Beheimatung. Alttestamentliche Erkundungen
Ausgrabungsexkursion nach Israel
Exodus und die Frauen
Hermeneutik der Tora