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Zum Menschen ...
DER MENSCH, DER ERSTE FREIGELASSENE DER SCHÖPFUNG (1784)
Das Tier ist nur ein gebückter Sklave; wenngleich einige edlere derselben ihr Haupt empor heben oder wenigstens mit vorgerecktem Halse sich nach Freiheit sehnen. Ihre noch nicht zur Vernunft gereifte Seele muss notdürftigen Trieben dienen und in diesem Dienst sich erst zum eigenen Gebrauch der Sinne und Neigungen von fern bereiten. Der Mensch ist der erste Freigelassene der Schöpfung; er stehet aufrecht. Die Waage des Guten und Bösen, des Falschen und Wahren hängt in ihm; er kann forschen, er soll wählen. […] Selbst im ärgsten Missbrauch seiner Freiheit ist er noch König. Er darf wählen, wenn er auch das Schlechteste wählte; er kann über sich gebieten, wenn er sich auch zum Niedrigsten aus eigener Wahl bestimmte. Vor dem Allsehenden, der diese Kräfte in ihn legte, ist freilich sowohl seine Vernunft als auch seine Freiheit begrenzt. […] In der Sache selbst aber und in der Natur des Menschen wird dadurch nichts geändert. Er ist und bleibt für sich ein freies Geschöpf, obwohl die allumfassende Güte ihn auch in seinen Torheiten umfasset und diese zu seinem und dem allgemeinen Besten lenket. Wie kein getriebenes Geschoss der Atmosphäre entfliehen kann; aber auch, wenn es zurück fällt, nach ein und
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WENN ICH, O SCHÖPFER, DEINE MACHT
(1757)
Der Mensch, ein Leib, den deine Hand so wunderbar bereitet; der Mensch, ein Geist, den sein Verstand dich zu erkennen leitet: der Mensch, der Schöpfung Ruhm und Preis, ist sich ein täglicher Beweis von deiner Güt’ und Größe.
CHRISTIAN FÜRCHTEGOTT GELLERT (EG 506)
denselben Naturgesetzen wirket, so ist der Mensch im Irrtum und in der Wahrheit, im Fallen und Wiederaufstehen Mensch, zwar ein schwaches Kind, aber doch ein Freigeborener; wenn noch nicht vernünftig, so doch einer bessern Vernunft fähig; wenn noch nicht zur Humanität gebildet, so doch zu ihr bildbar.
Johann Gottfried Herder*
»Erkenne dich selbst, versuche nicht, Gott zu durchschauen. Der wahre Forschungsgegenstand der Menschheit ist der Mensch. (Alexander Pope, 1734)
»Der Mensch ist der einzigartige Begriff, von dem man ausgehen und auf den man alles zurückführen muss. (Denis Diderot, 1755)
»SELBST IM ÄRGSTEN MISSBRAUCH SEINER FREIHEIT IST ER NOCH KÖNIG«
1. Imaginieren Sie unterschiedliche Kontexte, in denen die Vektor-Illustration oben eingesetzt werden könnte. Deuten Sie die obige Darstellung des Menschen in den jeweiligen Kontexten.
2. Arbeiten Sie J. G. Herders Sicht auf den Menschen heraus und diskutieren Sie darüber.
3. Vergleichen Sie J. G. Herders Verständnis vom Menschen und die Darstellung der Vektor-Illustration miteinander.
4. »Zwar ein schwaches Kind, aber doch ein Freigeborener …« – Vergleichen Sie J. G. Herders Gedanken mit Luthers Freiheitsschrift* [8]
5. Identifizieren Sie Gedanken der Aufklärung* bei J. G. Herder, im Liedtext von Ch. F. Gellert und in den Zitaten.
WILHELM VON HUMBOLDT* ZUR BILDUNG
Die letzte Aufgabe unseres Daseins [ist,] dem Begriff der Menschheit in unserer Person sowohl während der Zeit unseres Lebens als auch noch über dasselbe hinaus durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zur ücklassen, einen so großen Inhalt als möglich zu verschaffen. Diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung. (1794)
Der wahre Zweck des Menschen, nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welche die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt, ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlässliche Bedingung. Allein außer der Freiheit erfordert die Entwicklung der menschlichen Kräfte noch etwas anderes, obgleich mit der Freiheit eng verbundenes – Mannigfaltigkeit der Situationen. Auch der freieste und unabhängigste Mensch, in einförmige Lagen versetzt, bildet sich minder aus. (1792)
Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern überzugehen. (1809)
AUS DEN BILDUNGSZIELEN DER UN 2015:
BIS 2030 WOLLEN DIE UN …
– sicherstellen, dass eine deutlich höhere Anzahl an Jugendlichen und Erwachsenen die für eine Beschäftigung oder Selbstständigkeit relevanten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwirbt.
– Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts auf allen Bildungsstufen beseitigen und allen Menschen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungsstufen sichern, einschließlich Menschen mit Behinderung, indigenen Völkern und benachteiligten Kindern.
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»DIE KEINEM FEHLEN DARF«
1. Erarbeiten Sie das Humboldt’sche Bildungsideal. Erläutern Sie seine Vorstellungen mit eigenen Worten und suchen Sie dafür ggf. nach Beispielen.
2. Führen Sie ein Schreibgespräch darüber, welche Folgerungen und Konsequenzen sich aus Humboldts Vorstellungen ergeben.
3. Diskutieren Sie mit Blick auf die beiden Materialien und ihre eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, inwieweit die Bildungsideale Humboldts umgesetzt sind.
4. Recherchieren Sie nach aktuellen Zahlen zur Chancen(un)gleichheit in der Bildung. Lassen Sie sich von der UN-Agenda anregen und formulieren Sie eigene Bildungsziele für die Zukunft.
»Es besteht kein Zweifel, dass der Lebensform des Lehrens und Lernens das größte Wohlgefallen Gottes gilt.«
Eine typische GottesDarstellung in der Grundschule
Info
NATÜRLICHE RELIGION UND DEISMUS
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• Aufklärerisches Denken hatte Auswirkungen auf das Verständnis von Religion. Sofern es nicht zu Atheismus* führte, wurden im Licht der Vernunft und durch den Aufweis z. B. außerbiblischer Einflüsse übernatürliche Phänomene wie die Auferstehung, Wunder oder eine direkte Gottesoffenbarung abgelehnt. Im englischen Deismus* entstand daraus im 17. Jh. die Vorstellung einer natürlichen UrReligion, die durch die geschichtlichen Offenbarungsreligionen verfälscht worden sei. Aus der Ordnung der Natur könne man zwar auf einen Schöpfergott schließen, über den man aber ansonsten nichts wisse, da er nicht mehr ins Weltgeschehen eingreife. Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelte daraus das Sprachbild Gottes als Uhrmacher, der die Welt so perfekt hergestellt und in Gang gesetzt habe, dass ein Eingreifen nicht nötig sei. • Die Vorstellung einer natürlichen Religion gewann große Attraktivität. Als zentrale Wahrheiten wurden u. a. angesehen: Gott, Freiheit, Unsterblichkeit der Seele und tugendhaftes Verhalten ( vgl. S. 33).
MATTHEW TINDAL* ÜBER NATÜRLICHE RELIGION
Unter der natürlichen Religion verstehe ich den Glauben, dass ein Gott ist, und dass man diejenigen Pflichten sich vorstellt und ausübt, welche aus unserer Erkenntnis Gottes und seiner Vollkommenheiten als auch unserer selbst und unserer eigenen Unvollkommenheiten und endlich von der Verbindung, in der wir mit Gott und unseren Nebenmenschen stehen, entspringen. Die natürliche Religion begreift also alles dasjenige in sich, was in der Vernunft und in der Natur der Dinge gegründet ist.
Die christliche Religion stimmt mit dem Gesetz der Natur völlig überein, dergestalt, dass sie nichts verbietet, was dieses fordert, noch etwas fordert, was dieses verbietet. Die natürliche oder vernünftige Religion, welche einem jeden von uns bei der ersten Schöpfung ins Herz geschrieben worden ist, ist aber nun der Probierstein jeder geoffenbarten Religion. Und wenn diese nur in einem einzigen Stück von der natürlichen und vernünftigen Religion abweicht, auch nur in dem allergeringsten Umstand, so ist dieses allein ein genügender Gr und, wodurch alles andere, was man zur Verteidigung derselben beibringen kann, ganz und gar unkräftig gemacht wird. (1730)
Was Es Mit Dem Kreuzestod Auf Sich Hat
»PROBIERSTEIN JEDER GEOFFENBARTEN RELIGION«
1. Tauschen Sie sich über vertraute Gottesbilder wie das oben aus. Überlegen Sie, welche Konsequenzen, aber auch Probleme sich aus ihnen ergeben.
2. Arbeiten Sie aus Info und M. Tindals Ausführung Kennzeichen der »natürlichen Religion« heraus. Beziehen Sie sie auf Ihre vorherige Diskussion.
3. Was bleibt mit M. Tindals Sicht vom christlichen Glauben übrig? Beziehen Sie seine Überlegungen auf das Credo [5], [6], [7]. Diskutieren Sie die rationalistische Auslegung des Kreuzestodes (rechts).
Der Kreuzestod erfolgte im Allgemeinen durch Erstarrung, die von außen nach innen zunahm. Nun »starb« aber Jesus auffallend rasch. Der laute Ruf, bevor er das Haupt sinken lässt, zeigt an, dass seine Kraft noch lange nicht erschöpft war, sondern dass es sich um eine totenähnliche Erstarrung gehandelt haben kann. Das kühle Grab und die Gewürze setzten die Wiederbelebung fort, bis dann das Gewitter und das Erdbeben Jesus vollends zur Besinnung brachten. Glücklicherweise wurde so auch der Stein von der Öffnung entfernt. Der Herr legte die Binden im Grab ab und verschaffte sich einen Gärtnersanzug. Darum meint Maria, Joh 20,15, mit dem Gärtner zu reden.
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus* (1761–1851)
HERMANN S. REIMARUS ÜBER DIE LEHRE CHRISTI
Die reine Lehre Christi, welche aus seinem eigenen Munde geflossen ist, […] enthält nichts als eine vernünftige praktische Religion. Folglich würde ein jeder vernünftige Mensch, wenn es einer Benennung der Religion brauchte, sich von Herzen christlich nennen. […] Nein, es ist wahr, wir glauben das nicht, was das heutige Christentum zu glauben verlangt, und können es aus wichtigen Ursachen nicht glauben; dennoch sind wir keine ruchlosen Leute, sondern bemühen uns, Gott nach einer vernünftigen Erkenntnis demütigst zu verehren, unsern Nächsten aufrichtig und tätig zu lieben, die Pflichten eines rechtschaffenen Bürgers redlich zu erfüllen und in allen Stücken tugendhaft zu wandeln.
aus: Fragment eines Ungenannten, 1774
»IN ALLEN STÜCKEN TUGENDHAFT WANDELN«
1. Positionieren Sie sich zu den Aussagen (unten).
2. Zeigen Sie Parallelen zwischen H. S. Reimarus* und M. Tindal* ( S. 32) auf.
3. Weisen Sie in den Liedern und Predigtthemen Einflüsse aufklärerischen Denkens nach. Deuten Sie diese Einflüsse als Herausforderungen für den eigenen Glauben und als Versuche, mit diesen Herausforderungen umzugehen.
4. W. W. J. D. am Handgelenk. Deuten Sie eine solche Glaubenshaltung und diskutieren Sie sie vor dem Hintergrund dieser Doppelseite.
»Jesus war ein vorbildlicher Mensch –nicht mehr und nicht weniger.
»Jesus stellt uns immer wieder vor neue Aufgaben und hilft uns dabei, sie zu lösen.
»In der christlichen Religion sind wichtige Werte überliefert, ohne die der Einzelne oder die Gesellschaft nicht bestehen könnte.
AUS GEISTLICHEN LIEDERN DES 18. JH.S
1. Kinder geht zur Biene hin! / Seht die kleine Künstlerin, / Wie sie emsig sich bemüht, / Und aus allem Honig zieht. / Unverdrossen duldet sie / Ihres kurzes Lebens Müh, / Ist geschäftig spät und früh.
Predigtthemen In Der Aufkl Rungszeit
2. Advent:
Über Schaden, welchen die Unmäßigkeit in Essen und Trinken unter uns anzurichten pflegt.
Christnacht:
Trost aus der Geburt Christi bei schlaflosen Nächten.
1. Weihnachtstag:
Über die Abhärtung der Hirten und Warnung vor dem Gebrauch der Pelzmützen.
Über den Nutzen der Stallfütterung.
Ostersonntag:
Über die Gefahr des Lebendigbegrabenwerdens.
Über das Frühaufstehen.
Über die Gespensterfurcht.
Vernünftige Regeln für Christen, wie sie ihre Leichen begraben sollen.
2. Und wir wollen müßig sein? / Froh will ich dem Fleiß mich weihn, / Arbeitsamer sein als sie; / Ich, dem Gott Verstand verlieh, / Meines Lebens erste Zeit / Sei in muntrer Tätigkeit / Gott und meinem Glück geweiht.
1. Kein Lehrer ist dir, Jesu, gleich. An Weisheit und an Liebe reich, bist du sowohl durch Wort als Tat, der schwachen Menschen sich’rer Rat. […]
5. Du lehrest uns durch Wort und Tat. Man trifft der reinsten Tugend Pfad in deinem heil’gen Wandel an. Gib, Herr, dass ich auf dieser Bahn, gestärkt von dir, mit steter Treu dir nachzufolgen eifrig sei!