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Verhältnisbestimmungen
RELIGION - EIN HAUS MIT FENSTERN
Jede Religion ist ein Haus der nach Gott verlangenden Menschenseele, ein Haus mit Fenstern und ohne Tor; ich brauche nur ein Fenster aufzumachen, und Gottes Licht dringt ein; mache ich aber ein Loch in der Mauer und breche aus, dann bin ich nicht bloß hauslos geworden: Mich umgibt ein kaltes Licht, das nicht das Licht des lebendigen Gottes ist. Jede Religion ist ein Exil, in das der Mensch vertrieben ist; hier ist er es deutlicher als sonst wo, weil in seiner Beziehung zu Gott von den Menschen anderer Gemeinschaften geschieden; und nicht eher als in der Erlösung der Welt können wir aus den Exilen befreit und in die gemeinsame Gotteswelt gebracht werden. Aber die Religionen, die das wissen, sind in der gemeinsamen Erwartung verbunden; sie können einander Grüße von Exil zu Exil, von Haus zu Haus durch die offenen Fenster zurufen. Doch nicht das allein: Sie können miteinander in Verbindung treten und miteinander zu klären versuchen, was von der Menschheit aus getan werden kann, um der Erlösung näher zu kommen; es ist ein gemeinsames Handeln der Religionen denkbar, wenn auch jede von ihnen nicht anderswo handeln kann als im eignen Haus.
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All das aber ist nur in dem Maße möglich, als jede Religion sich ihrem Ursprung, der Offenbarung, in der sie ihren Ursprung hat, zuwendet und an der Entfernung davon, die sich in ihrem geschichtlichen Entwicklungsprozess vollzogen hat, Kritik übt. Die geschichtlichen Religionen haben die Tendenz, Selbstzweck zu werden und sich gleichsam an Gottes Stelle zu setzen, und in der Tat ist nichts so geeignet, dem Menschen das Angesicht Gottes zu verdecken, wie eine Religion.
Die Religionen müssen darauf verzichten, das Haus Gottes auf Erden zu sein, und sich damit begnügen, ein Haus der Menschen zu sein, die in der gleichen Absicht Gott zugewandt sind, ein Haus mit Fenstern.
Martin Buber*
EIN LICHT, VIELE WAHRHEITEN?
1. Religion als Haus, als Exil? – Deuten Sie die Bilder und Metaphern, die M. Buber in seinem Text verwendet.
2. Vergleichen Sie die Schlusspointe in der Ringparabel ( S. 51) mit der in M. Bubers Text.
3. Ordnen Sie verschiedene Grundhaltungen gegenüber religiösen Wahrheitsansprüchen anderer wie Exklusivismus*, Inklusivismus*, (theozentrischer) Pluralismus*, Relativismus* und Skeptizismus* den Bildern links zu.
Wie wahr ist eine Religion im Vergleich zu anderen? Modelle zur »Theologie der Religionen«
4. Vergleichen Sie die in den Bildern dargestellten Positionen mit der M. Bubers und gestalten Sie zu ihr ggf. ein weiteres Bild.
»Das kann ich nicht akzeptieren!
»Jetzt sag doch auch mal was!
»Wenn du meinst.
»Ist mir doch egal.
»Jeder kann denken, was er will!
»Bitte jetzt keinen Streit!
»Solange du unter meinem Dach wohnst ...
»Man kann das so oder so sehen!
»Du bist heute einfach unerträglich!
»Jetzt entspann dich doch mal!
Toleranz Als Vor Bergehende Gesinnung
Anerkennung verzichtet auf die Macht, aus der die Toleranz noch kommt. Toleranz wird oft wie Billigung und Anerkennung gebraucht, was bedeutsame Unterschiede verwischt, auf die aufmerksam zu machen wichtig ist. Anerkennung ist dagegen Liebe als Erkenntnisform, denn sie lässt mich den Anderen tiefer erkennen, und in diesem Licht geht auch mir eins über mich auf.
Josef Fellsches, Erziehungswissenschaftler
MERKe: Niemand will nur toleriert werden.
Toleranz Und Wahrheit
Heißt Toleranz zugleich, dass alles gleich gültig ist, dass alles geht, dass alles zu akzeptieren ist, ja dass letztlich kein Anspruch auf Wahrheit mehr erhoben werden kann? Sicherlich nicht, denn die Konsequenz davon wäre nicht nur die Aushöhlung der Gesellschaft, die in diesem Falle keine gemeinsam anerkannten Grundwerte mehr hätte, sondern gleichzeitig der Verlust jeglicher Identität – des einzelnen wie der Gemeinschaft. Eine Identität nämlich hängt wesentlich davon ab, ob eine Überzeugung vertreten und damit begründetermaßen Wahrheit bekannt wird. Auch die Begegnung mit dem/ der Anderen, woran immer er/sie glauben mag, gewinnt ihren Wert und ihre Spannung erst daraus, dass nicht als egal betrachtet wird, was er/sie glaubt, sondern dass man sich gegenseitig zutraut und für würdig erachtet, um die Wahrheit zu ringen und zu streiten.
Heinrich Schmidinger, Philosoph und Theologe to-le-ranz, die at. indulgentia egoistica genießt als Leiter der Prüfungskommission für politisch korrektes Verhalten einen sehr guten Ruf. Dabei genügt es in der Regel schon, sich großzügig Dingen gegenüber zu zeigen, die man ohnehin mag. Bei heikleren Themen empfiehlt sie hingegen, Abstand zu halten. Sobald nämlich die eigenen Gewohnheiten gestört werden, ist es mit der Toleranz schnell vorbei.
Toleranz
1. Diskutieren Sie, inwiefern die Zitate (mittig links) etwas mit Toleranz zu tun haben.
2. Grenzen Sie mithilfe dieser Seite die Begriffe Respekt, Anerkennung, Duldung und Gleichgültigkeit voneinander ab. Entwerfen Sie Situationen, in denen die jeweilige Haltung angemessen sein könnte.
3. Beenden Sie folgende Sätze: »Wahre Toleranz beginnt, wenn ...« und »Toleranz sollte enden, wo/ wenn ...«
4. Deuten Sie die Darstellung der Toleranz als »Monster des Alltags« (oben).
5. Erarbeiten Sie einen differenzierten Toleranz-Begriff.