3 minute read

Diesseits des garstigen Grabens …

Next Article
Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis

HISTORISCH-KRITISCHE EXEGESE (AUSLEGUNG)

• Mit dem Zeitalter der Aufklärung* wurde die Bibel als historisches Dokument entdeckt. Es entwickelte sich der »historisch-kritische« Umgang mit der Bibel, der bis heute ein wichtiger Bestandteil des Theologiestudiums ( S. 142 f.) ist. »Kritisch« bedeutet in diesem Zusammenhang: analytisch, unterscheidend. Die historisch-kritische Forschung untersucht den Überlieferungsprozess, der zu dem Text in seiner jetzigen Gestalt geführt hat. Dazu werden verschiedene methodische Verfahren eingesetzt:

Advertisement

• Textkritik: Selbst den ältesten erhaltenen Bibelhandschriften (z. B. Qumranfragmenten* aus dem 3. Jh. v. Chr. oder dem Codex Sinaiticus* aus dem 4. Jh. n. Chr. [5]) geht jeweils schon ein langer Prozess des Abschreibens voraus. Dabei sind Fehler unterlaufen oder auch bewusste Textkorrekturen vorgenommen worden. So kam es zu Textvarianten, die in jeder wissenschaftlichen Bibelausgabe in einem sog. »textkritischen Apparat« aufgeführt sind. Beim Auslegen hat man sich begründet zwischen solchen Textvarianten zu entscheiden.

• Literarkritik: Inhaltliche oder stilistische Brüche, Widersprüche oder Wiederholungen können darauf hinweisen, dass ein Bibeltext nicht aus einem Guss ist. Vielleicht wurden hier verschiedene Quellen zusammengefügt oder ein ursprünglicher Text wurde überarbeitet. Möglich ist aber auch, dass solche Brüche von einem einzigen Autor bewusst eingesetzt wurden.

• Formgeschichte: Die Texte der Bibel wurden irgendwann einmal in realen Lebenssituationen kommuniziert. Oft verrät ihre Form, ihre »Gattung«, etwas davon. Geprägte Formen wie Märchen, Sprüche, Lieder, Gesetzestexte, Briefe u. v. m. weisen auf einen je unterschiedlichen »Sitz im Leben« der Texte (wie z. B. Familie oder Tempelkult) hin.

• Traditionskritik: Mit diesem Begriff wird einerseits die Frage nach dem Überlieferungsprozess eines Textes bezeichnet, andererseits die Untersuchung seiner geistesgeschichtlichen Hintergründe (religiöse Vorstellungen und ihre Entwicklung, Weltbilder, Denkstrukturen).

• Redaktionskritik: Die Quellen- und Redaktionskritik beschäftigt sich mit den Stadien der schriftlichen Überlieferung. Woher hat der Redaktor (der Bearbeiter des Textes in seinem Endstadium) seine Quellen? Wie und mit welcher Absicht hat er sie zusammengefügt?

• Folgerungen: Aus all diesen methodischen Schritten wird der/die Auslegende Schlüsse ziehen. Dabei wäre es ein verkürztes Verständnis von historischkritischer Forschung, wenn am Ende das als normativ gültig herauskäme, was »ursprünglich« oder »echt« an einem Text ist. Vielmehr leistet es die historisch-kritische Forschung, die in den biblischen Texten »eingefrorenen« Gesprächsprozesse wieder zu verflüssigen. Heute wird die historisch-kritische Methode im Verbund mit anderen Auslegungsmethoden angewendet; sie steht für eine kritische Haltung gegenüber den Texten, die diesen Texten ihre Fremdheit lässt und sie vor Vereinnahmung schützt.

Matthäus und der Engel. Rekonstruktion eines verschollenen Gemäldes von Michelangelo Merisi da Caravaggio

HIOB – HISTORISCH-KRITISCH GELESEN

1. Blättern Sie zurück und prüfen Sie, ob Sie einzelne Elemente der historisch-kritischen Exegese auf den vorhergehenden Seiten wiederfinden können.

2. Identifizieren Sie historisch-kritische Fragestellungen auf den abgebildeten Buchtiteln ( S. 92).

3. Erläutern Sie die von M. Oeming aufgezählten »Probleme des Hiobbuchs« (rechts) mithilfe von Textstellen.

4. Diskutieren Sie die beiden Antworten (rechts) und formulieren Sie ggf. eigene.

GOTTES WORT ODER MENSCHENWORT?

1. »Der historisch-kritische Umgang mit der Bibel macht den Glauben kaputt«, klagen manchmal Theologiestudierende zu Anfang ihres Studiums. Erfinden Sie einen Dialog.

2. Deuten Sie das Gemälde (oben). Diskutieren Sie, welche Aussagekraft es nach der Aufklärung*, angesichts historisch-kritischer Forschung noch haben kann.

EINIGE PROBLEME DES HIOBBUCHES AUS HISTORISCH-KRITISCHER PERSPEKTIVE:

? Wie ist der Wechsel von Prosa zur Poesie und zur ück zu erklären?

? Im Prosarahmen ist Hiob ein demütiger Dulder, im poetischen Teil hingegen ein Rebell, der bis an die Grenzen der Blasphemie Gott kritisiert.

? Im Rahmen scheint Hiob ein Nomade, im poetischen Teil ein wohlhabender Städter zu sein.

? Wie kommt es, dass Satan, der in den Kapiteln 1 und 2 die zentrale Figur ist, im Folgenden vollkommen verschwindet?

? In der Redeschlacht zwischen Hiob und seinen drei Freunden wiederholen sich die Argumente; zum Ende hin fransen die Dialoge aus.

? Gottes Antworten passen gar nicht zu Hiobs Fragen. Zudem sind sie mehrstufig: Mitten in der Gottesrede fängt Gott an, nochmal zu reden. nach Manfred Oeming

Mögliche Antworten:

Das Buch ist sprachlich und inhaltlich sehr uneinheitlich. Das weist auf einen jahrhundertelangen Überlieferungsprozess hin. Eine alte mündliche Erzählung wurde immer wieder überarbeitet, weil das geschilderte Problem – die Frage, warum Gott den unschuldigen Hiob so furchtbar leiden lässt – eigentlich nicht lösbar ist.

Das Buch Hiob ist weitgehend aus einem Guss. Es wechselt zwar zwischen unterschiedlichen Sprachformen und enthält inhaltliche Widersprüche. Doch diese werden von einem einzigen Autor bewusst zitiert, nebeneinandergestellt und inszeniert, um seine Leserinnen und Leser (ggf. sein Theaterpublikum) zum Nachdenken zu bringen.

This article is from: