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ZUR FREIHEIT BEFREIT
Was begrenzt mich?
Wann ist man frei? Und wo?
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Ist Freiheit Einbildung?
Was kostet Freiheit?
Sind Evangelische freier?
Ist Gott frei?
Lernbereiche: »Freiheit leben«, »Sola scriptura!? – Zugänge zur Bibel«
In diesem Kapitel beschäftigen Sie sich mit unterschiedlichen Facetten von Freiheit: Sie geben Auskunft über verschiedene Begriffe und Theorien von Freiheit aus Philosophie und Theologie sowie aus der Hirnforschung. Wichtige Aspekte des biblischen Freiheitsverständnisses sowie des evangelischen Gewissensverständnisses können Sie beschreiben.
Ausgehend von der Reflexion eigener Freiheitserfahrungen erörtern Sie unterschiedliche Freiheitsverständnisse und deren Konsquenzen. In diesem Zusammenhang nehmen Sie auch Stellung zu Problemen und Ambivalenzen im Zusammenhang mit Freiheit – etwa der Spannung zwischen Freiheit und Sicherheit oder der Gefahr des Missbrauchs von Freiheit. urteilen
Sie nehmen wahr und Sie deuten, wie das Motiv der Freiheit in Kunst, Medien und Werbung gestaltet wird. Sie interpretieren biblische, theologische und philosophische Texte, die von Freiheit handeln, vergleichen unterschiedliche Auffassungen von Freiheit und beziehen diese auf aktuelle Fragestellungen. Sie erkennen Gefährdungen und Spannungen im Hinblick auf menschliche Freiheit.
Extratour
Sie tauschen sich über eigenes Erleben von Freiheit und Unfreiheit aus und diskutieren kontroverse Positionen zum Thema Freiheit, auch aus dem Bereich der Politik. Eigene Gedanken zur Thematik gestalten Sie mit kreativen Methoden.
PRESSESPIEGEL
Tagtäglich wird auf der ganzen Welt über Freiheit gestritten und verhandelt, werden Freiheitsrechte verletzt, wird für Freiheit gekämpft. Wählen Sie aus den Freiheitsrechten des Grundgesetzes ( S. 116) eines heraus, das Ihnen persönlich wichtig ist, und verfolgen Sie über den Zeitraum, in dem Sie dieses Kapitel behandeln, die täglichen Nachrichten in den Medien. Sammeln und bewerten Sie Meldungen und Kommentare, die mit dem von Ihnen ausgewählten Freiheitsrecht zu tun haben, in einem »Pressespiegel« (analog oder digital). Stellen Sie einander ausgewählte Fundstücke vor (am Ende des Lernbereichs oder auch regelmäßig zu Beginn jeder Stunde).
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Tareq ist 2016, mit 19 Jahren, aus dem Irak nach Deutschland geflo hen. Auf einem Spaziergang durch Münster erzählt er der Journalistin Hannah Dürken aus seinem Leben.
Tareq stockt mitten im Satz, schaut mit dunklen Augen in den Himmel, als ein tief fliegendes Flugzeug den Münsteraner Hafen für einen Moment in Fluglärm taucht. In Tareqs Gesicht verrutscht das Lächeln, die Lachfältchen verschwinden kurz. »Die Geräusche kenne ich noch aus meiner Kindheit«, sagt er.
Seit fünf Jahren wohnt Tareq hier. Er hat Deutsch gelernt und macht bald sein Abitur. Danach will er in Münster Informationstechnik studieren. Er hat viel erreicht und ja, er fühlt sich heute frei. Aber bis dahin war es ein langer Weg.
[Tareq erzählt von seiner von Schleusern organisierten gefährlichen Flucht über Meer und Land.]
Seitdem sei Deutschland seine zweite Heimat, sagt er: »Ich bin diesem Land immer dankbar …«. Die Monate nach seiner Ankunft seien für ihn eine sehr schwere Zeit gewesen, sagt Tareq, als er am Kanal entlangläuft. Auch heute falle es ihm nicht leicht. Er habe die Bilder von der Flucht immer wieder im Kopf, Bilder von Kindern etwa, die unterwegs ertrunken sind: »Ich erinnere mich an alles, was passiert ist. Dann bekomme ich große Kopfschmerzen und manchmal weine ich. Dann komme ich hier zum Kanal.«
Manchmal kämen auch die Erinnerungen an die Zeit vor der Flucht hoch, an den Irakkrieg und die Bomben. Auch das Haus von Tareqs Familie in Baschiqa wurde bei einem Angriff zerstört. Bei dem Gedanken daran reibt er sich mit einer Hand durchs Gesicht und zieht die Nase hoch. Trotzdem blieben er und seine Familie in der Nähe seiner Heimatstadt, bis der IS* die Region einnahm und sie noch weiter in Richtung Norden fliehen mussten. »Dort hatten wir eine richtig schwere Zeit. Zu zehnt haben wir in einer Wohnung mit drei Zimmern gewohnt, für ein Jahr.« Wegen der Flucht mussten er und seine Geschwister damals die Schule verlassen. Er habe große Angst vor der Zukunft gehabt, erzählt Tareq, und daraufhin beschlossen, vor dem Krieg in seiner Heimat und der Perspektivlosigkeit nach Deutschland zu fliehen, alleine, ohne seine Familie.
Hier in Deutschland vermisst Tareq seine Familie mehr als alles andere. Als er entschied zu gehen, konnte er sie nicht dazu bewegen mitzukommen: »Sie hatten zu große Angst.« Beim Abschied habe er versucht, sich seine eigene Angst nicht anmerken zu lassen. »Meine Mutter und meine Oma haben mich lange umarmt und geweint. Als mein Vater, mein Bruder und mein Cousin kamen, war ich sehr, sehr traurig. Aber ich musste mich normal verhalten, damit sie sich nicht noch mehr Sorgen machen.«
Auf dem Weg durch das Hansaviertel kauft Tarek an einem Kiosk Kaffee. Er denkt über das Wort Zuhause nach. »Die Freiheit und Gesellschaft hier sind für mich Zuhause«, sagt er. Vor allem Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung fehlen ihm im Irak.
»Hier in Deutschland bin ich frei von Angst, ich kann sein, wie ich bin«, sagt Tareq. »Weil ich glauben, sagen und machen kann, was ich will.« Dann verschwinden seine Lachfältchen noch einmal. »Aber ich kann meine Familie nicht vergessen.« Zuhause sei für ihn vor allem der Ort, an dem seine Familie ist, »egal, wo das ist«, sagt er auf dem Weg zurück zum Hafen und stemmt die Hände tief in die Hosentaschen. Er zögert bei den nächsten Worten. »Wenn ich sie nicht bald treffen kann, muss ich zurückgehen.«
Tareq hat zwar mittlerweile einen unbefristeten Aufenthaltsstatus in Deutschland, aber er hat keinen Pass, mit dem er verreisen kann. Genauso wenig können seine Eltern und Geschwister zu ihm kommen und ihn hier, in seinem Leben in Freiheit, besuchen. Dass er für ein besseres Leben die Nähe zu seinen Liebsten opfern musste, das lässt ihn gefangen zurück.
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Freiheit
Freiheit kann man nicht eingrenzen, Freiheit muss man ausatmen.
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt […].
Freiheit bedeutet sein wie ich bin, Freiheit heißt für mich Fehler machen wie'n Kind.
Und wenn's sein muss, fall ich halt hin.
Doch ich steh wieder auf, Freiheit heißt: Zöger‘ nicht, sondern lauf.
Wenn du weißt, was du willst, dann tu es, wenn nicht, dann tust du es auch.
Freiheit bedeutet frei sprechen, frei machen, frei bleiben,
Mauern, die die Angst vorm Versagen errichtet, einreißen, Mut haben.
Freiheit bedeutet auch zu enttäuschen, sich selbst zu erfüllen, aus einem Song von Curse
Anstatt die Erwartungen von anderen Leuten.
Freiheit heißt auch Entscheidungen treffen.
Freiheit heißt, hin und wieder sich die Freiheit zu nehmen, die Meinung zu wechseln.
Freiheit heißt, es macht manchmal auch Sinn, Dass meine Freiheit da enden muss, wo die Freiheit eines Anderen beginnt.
ENDLICH FREI?
1. »Endlich 18!« – Formulieren Sie in einem Brainstorming eigene Erwartungen an den 18. Geburtstag und die Zeit danach.
2. Arbeiten Sie aus Text und Gestaltung der Glückwunschkarten ( S. 106) Freiheitsversprechen heraus, die mit der Volljährigkeit verbunden werden, und vergleichen Sie sie mit Ihren Erwartungen sowie den Erfahrungen von 18-Jährigen (rechts).
3. Wählen Sie aus dem Lied von Curse eine Aussage heraus, die Sie anspricht, und gestalten Sie daraus eine eigene Glückwunschkarte.
4. So frei wie Pippi Langstrumpf möchten wohl viele Kinder sein. Identifizieren Sie Freiheitsmotive im Buchcover. Erzählen Sie einander von Ihren Freiheitsheldinnen und -helden der Kindheit.
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Endlich 18
»[Manche] freuen sich, dass sie jetzt Alkohol kaufen können – ich trinke aber nur selten. Wenn man ehrlich ist, hat man ja vieles in die Richtung auch schon gemacht, bevor man 18 wurde – und freut sich am Geburtstag dann nur noch, dass es legal wird.«
»Ich dachte lange, der 18. würde eine richtige 180GradWendung ins Leben bringen. Ganz so war es nicht. Ich wurde schon lange erwachsen behandelt, weil ich erwachsen aussehe. An der Kasse werde ich beispielsweise nur sehr selten nach meinem Ausweis gefragt. Eine neue Freiheit habe ich vor allem gespürt, als ich meinen ersten Flug alleine gebucht habe. Ich kann jetzt hingehen, wo ich will und ich brauche niemanden dafür! Ich habe mir auch schon ein Tattoo stechen lassen, da musste ich natürlich auch niemanden vorher um Erlaubnis fragen, das ist cool.«
»Mit 16, 17 konnte ich nur mit Muttizettel feiern gehen und war immer darauf angewiesen, dass mich jemand abholen kann. Alle sehen einen immer als kindlich und unreif an, auch wenn man schon fast 18 ist. Das ist von einem auf den anderen Tag ganz anders, man wird ganz anders wahrgenommen und gerade feiern gehen mit 18 oder so – da würde man die Freiheit schon merken. Ich habe richtig Lust, in Berlin feiern zu gehen, sobald das nach Corona wieder geht! Nach dem Abi will ich mit meinen Freunden reisen und einen Freiwilligendienst im Ausland machen.«
Aus einem Jugendmagazin
Jean-Paul Hoffmann, aus der Bilderserie »Überleg ungen zur Freiheit« 2006 (Mitte), 2007 (oben), 2018 (unten)
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»Ich habe genug Geld, um mein Leben nach meinen Wünschen zu gestalten.
»Ich kann denken, was ich will.
»Ich kann etwas rückgängig machen.
»So oder so? Ich muss mich entscheiden.
»Bin das wirklich ich, die entscheidet?
»Ich habe das Recht, meine Meinung zu äußern, auch wenn sie unbequem ist.
»Ich lasse mich nicht verbiegen.
Flucht Und Heimat
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1. Lesen Sie die Reportage auf S. 107 und tauschen Sie sich über erste Eindrücke aus. Informieren Sie sich über politische und historische Hintergründe von Tareqs Geschichte und sammeln Sie Fragen, die Sie ihm stellen möchten.
2. Ist Tareq nun frei? Arbeiten Sie aus dem Text Erfahrungen von Freiheit und Unfreiheit heraus.
3. Deuten und vergleichen Sie, wie J.-P. Hoffmann in seiner Bilderserie Freiheit (und Unfreiheit) gestaltet. Beziehen Sie die Bilder auf Tareqs Geschichte und auf eigene Erfahrungen.
4. Der Begriff Freiheit wird in unterschiedlichen Bedeutungen und Zusammenhängen gebraucht. Beginnen Sie mithilfe der Wordcloud und der Materialien von S. 106– 109 sowie Lexikoneinträgen eine Mindmap, die Sie im Laufe des Kapitels inhaltlich weiter füllen und differenzieren können.
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