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Serie: Event-Know-how

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Neuer Event-Trend: „Muss nur noch kurz die Welt retten …“

Tim Benzko trifft mit seinem Lied den Nerv unserer Zeit. Wir wissen alles über Klimakatastrophe und Notwendigkeit für nachhaltigen Konsum, aber es gibt ja noch so viel anderes zu tun … Im Spannungsfeld zwischen individuellem Konsumstreben und gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein hat sich in den letzten Jahren eine interessante neue Zielgruppe entwickelt - die Grünen Materialisten, die nicht nur für Produktangebote, sondern auch als Eventteilnehmer interessant sind. TEXT: Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, TU Chemnitz – Lehrstuhl für Marketing und Handelsbetriebslehre

OBWOHL DIE MARKETINGAKTIVITÄTEN aller Unternehmen auf die Steigerung des Konsums ausgerichtet sind, werden materialistische Konsumenten, die aus dem Kauf und Besitz von Gütern Zufriedenheit und Wohlbefinden generieren, aus gesellschaftlicher Sicht wegen ihres extensiven Konsumstrebens eher negativ beurteilt und umweltbewusstes Verhalten ihrerseits wird als ausgeschlossen angesehen. Tendenzen im Konsumverhalten verweisen allerdings auf eine steigende Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln, Ökostrom, Naturkosmetik, Kleidung aus natürlichen Rohstoffen, die unter umweltschonenden Produktionsbedingungen und fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wird, oder nach umweltbewusst organisierten Urlaubsangeboten. Beispielsweise stieg der Markt für Bio-Lebensmittel weltweit in den letzten Jahren entgegen dem Krisentrend kontinuierlich an. In Österreich liegt der Bio-Anteil am Einkauf von Frischeprodukten im Einzelhandel mittlerweile bei 6,5 Prozent. Als Zielgruppe werden traditionell verantwortungsbewusste Menschen mit hoher Bildung und häufig auch Familie ermittelt, die einen nachhaltigen Lebensstil anstreben und eher nicht zu den materialistischen Konsumenten gezählt werden können. Aktuelle Studien am Lehrstuhl für Marketing der TU Chemnitz zeigen jedoch, dass Konsumstreben und umweltbewusstes Verhalten kein Widerspruch mehr sein müssen. Die sich neu herausbildende Zielgruppe der Grünen Materialisten ist ebenso ökologisch wie genussvoll und statusorientiert. Für diese einkommensstarke neue Zielgruppe wurden beispielsweise teure, aber umweltfreundliche Hybrid- und Elektroautos von allen Autoherstellern auf der IAA in Frankfurt vorgestellt. Selbst bei Luxusmarken besteht ein Trend zum „grünen Luxus“, wie der Porsche Panamera e-hybrid eindrucksvoll belegt. Für die Grünen Materialisten wird nachhaltiger Konsum zum Statussymbol und ist dann interessant, wenn die grünen Produkte teurer sind als die Vergleichsprodukte und ihr Angebot limitiert ist. Grüne Materialisten möchten mit einer nachhaltigen Konsumentscheidung einerseits Image-Signale wie Überlegenheit, Weitsichtigkeit und Exklusivi

tät senden, andererseits aber auch nach außen dokumentieren, dass sie Trendsetter sind (vgl. Abb. 1). Die Nachhaltigkeit von Events ist seit Jahren ein fester Bestandteil von Eventkonzepten. Doch wie können Eventveranstalter den Spagat zwischen grünen Eventkonzepten und dem hohen Anspruch dieser wirtschaftlich sehr attraktiven Zielgruppe schaffen? Die Zielgruppe der Grünen Materialisten stellt Agenturen und eventveranstaltende Unternehmen vor neue Herausforderungen. Relevante Handlungsfelder für das Eventmanagement können wie folgt beschrieben werden:

EINLADUNGSPROZESS UND LOGISTIK

Bereits mit dem Einladungsprozess muss erreicht werden, dass sich die Grünen Materialisten dem Event zuwenden. Natürliche Materialien, liebevoll und aufwendig gestaltet, können diese Zielgruppe aktivieren. Die limitierte Anzahl der potenziellen Eventteilnehmer sollte ebenso deutlich werden wie die Individualisierung der Einladung. Bei Angeboten zur An- und Abreise bzw. zum Transport während des Events muss nach umweltfreundlichen Lösungen mit Statuspotenzial gesucht werden. Sowohl beim Einzeltransport als auch bei geselligen Gruppenlösungen sollten Elektro- oder Hybridfahrzeuge eingesetzt werden. Auf kurzen Wegstrecken können Segways nicht nur viel Spaß bringen, sondern auch viel Sprit sparen und die Umwelt entlasten (vgl. Abb. 2).

VERANSTALTUNGSLOCATION UND HOSPITALITY

Ein besonderes Spannungsfeld eröffnet die Auswahl der Eventlocation und bei mehrtägigen Events der Übernachtungsmöglichkeiten. Für die Zielgruppe sind Exklusivität und Wohlfühlfaktor ebenso wichtig wie der Umweltschutz. Die Exklusivität der Location muss sich mit umweltfreundlicher Architektur und Gebäudetechnik, idealerweise mit regionalen Materialen und Ressourcen gestaltet, zu einem einzigartigen Gesamterlebnis verbinden (vgl. Abb. 3). Besonderer Wert sollte auf die Einhaltung von Klima- und Energiesparstandards gelegt werden wie Isolierglasfenster, umweltschonende Heiz- und Klimatechnik z. B. mittels Photovoltaik oder Blockheizkraftwerk, Dachbegrünung, Abfallmanagement und Wasserrückgewinnung.

EVENTKONZEPT

Aus inhaltlicher Sicht erwartet die Zielgruppe der Grünen Materialisten ein individuelles, anspruchsvolles Eventkonzept. Ist das veranstaltende Unternehmen selbst im Bereich ökologischer Produkte und Dienstleistungen aktiv, dann sollte bei der Konzeptentwicklung für diese Zielgruppe das Thema Nachhaltig

3 Exklusives Hotel mit eleganter, umweltbewusster Architektur des italienischen Architekten Matteo Thun in den Alpen keit auch ganz bewusst auf der Veranstaltung thematisiert werden. Die Möglichkeit für die Teilnehmer, im Zusammenhang mit der Veranstaltung einen eigenen finanziellen Beitrag zum Ausgleich des durch die Veranstaltung entstehenden zusätzlichen CO2-Verbrauches und/oder zur Unterstützung von Umweltaktivitäten des Eventveranstalters zu leisten, kann bei dieser Zielgruppe genutzt werden. Denkbar sind Spenden für einschlägige Projekte des Eventveranstalters und/oder der Kauf von Zertifikaten für Klimaschutzprojekte. Ein Hinweis auf die Klimaneutralität des Events darf nicht fehlen, da er von der Zielgruppe erwartet wird.

EVENTPROCUREMENT

Bei der Auswahl der Lieferanten für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen sollten regionale Anbieter aus Sicht des Klimaschutzes bevorzugt beauftragt werden. Das betrifft wegen der sonst durch die Aneise entstehenden Umweltbelastung alle Eventdienstleister einschließlich des Caterings. Speisen und Getränke sollten für die Zielgruppe der Grünen Materialisten höchsten qualitativen und ökologischen Anforderungen genügen und von regionalen Partnern frisch geliefert werden. Kaffee und Tee sollten darüber hinaus aus fairem Handel stammen. Das gilt sowohl für nationale als auch für internationale Events, die häufig in mehreren Ländern realisiert werden, bei denen auf landestypische Lieferanten zurückgegriffen werden sollte.

GIVE-AWAYS UND EVENTNACHBEREITUNG

Gastgeschenke müssen dem besonderen Konsumentenprofil der Grünen Materialisten Rechnung tragen. Sie sollten einerseits einen hohen Prestigenutzen besitzen, aber andererseits den Nachhaltigkeitsgedanken transportieren. Ansprechend sind möglichst stark individualisierte Give-aways, deren Nutzen für die Zielgruppe der Grünen Materialisten nicht im Preis liegt, sondern in der Seltenheit und Einzigartigkeit. Aus umweltorientierter Sicht sollte die Eventnachbereitung beispielsweise mit persönlichen Bildergalerien und Videos unter Nutzung von elektronischen Medien erfolgen.

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