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Serie: Event Know-how

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Messebusiness

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Hat die traditionelle Tagung in der digitalisierten Wirtschaft noch eine Chance?

Wie alle Bereiche der Gesellschaft muss sich auch die Tagungswirtschaft dem Megatrend der Digitalisierung stellen. Werden virtuelle Konferenzen und Webinare die traditionelle Tagung ablösen? Wird der Informationsaustausch in einer globalen Welt nur noch über elektronische Medien erfolgen, sodass die Face-to-Face-Kommunikation auf Kongressen obsolet wird? Oder wie werden digitalisierte Tagungsformate in Zukunft aussehen? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden. Autor: Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, TU Chemnitz – Lehrstuhl Marketing und Handelsbetriebslehre

Die Tagungswirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In Deutschland beispielsweise identifizierte das Meetingund Eventbarometer 2017/18 Kongresse, Tagungen und Seminare als wichtigste Veranstaltungsarten, mit einem Anteil von 57,8 Prozent an allen Veranstaltungen, und konstatierte einen Zuwachs an Tagungen und Kongressen von über 5,6 Prozent. Trotz positiver Entwicklung in den letzten Jahrzehnten muss sich die Tagungswirtschaft den grundlegenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie Globalisierung, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung stellen. So steht die Tagungswirtschaft vor der Frage, wie der digitale Wandel zu bewältigen ist und wie zukunftsfähige Tagungsformate entwickelt werden können.

Dabei ist in zwei Richtungen zu schauen: • Einerseits ist die Entwicklung der digitalen Technologien zu beachten, die in rasanter Folge neue Hardware und Software hervorbringt, die im Rahmen der Tagungswirtschaft eingesetzt werden kann. Beispielsweise wird das Teilnehmermanagement mit durchgängigen Lösungen digitalisiert. Inhalte werden über Live-Videoübertragungen global vermittelbar oder über Augmented Reality und Virtual Reality anschaulicher darstellbar oder für den Kongressteilnehmer selbst erlebbar. Schließlich wird durch den Einsatz von Self-Service-Technologien der Tagungsteilnehmer selbst aktiv wie zum Beispiel über Kongress-Apps, E-Tickets oder QR-Codes. Natürlich ist beim Ein• satz von digitaler Technik neben der Passfähigkeit zu Inhalt und Zielgruppe auch immer die Frage von Aufwand und Nutzen zu stellen. Andererseits verändern sich im Zuge der Digitalisierung auch die Zielgruppen und ihre Anforderungen an die Tagungswirtschaft. Aktuell werden die Zielgruppenbedürfnisse noch stark von den „Digital Immigrants“, das heißt von Personen jener gesellschaftlichen Generation, die nicht mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, sondern diese Technologien erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben und deshalb auch die klassischen Kongress-, Tagungs- und Seminarformate mit Vor-Ort-Präsenz schätzen, geprägt. Die für die Tagungswirtschaft

die „Digital Natives“, das sind Personen der Generation, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind. Diese beherrschen digitale Technologien und sind aufgeschlossen für neue Wege der Vermittlung von Inhalten in Formaten wie virtuellen Konferenzen oder Webinaren. In der Verbindung von beiden Blickrichtungen zeigt sich, dass die Zeiten, in denen Tagungsteilnehmer als passives Publikum betrachtet werden konnten, denen Inhalte frontal vermittelt wurden, endgültig vorbei sind. Die sich wandelnden Erwartungen der Tagungsteilnehmer richten sich auf Partizipation, Interaktion, Austausch, Kollaboration und soziale Kontakte. In den Mittelpunkt rücken interaktive und partizipative Kongress-, Tagungs- und Seminarformate, die über den Einsatz digitaler Technologien Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Veranstalter und den Teilnehmern sowie im Sinne der sozialen Interaktion auch unter den Teilnehmern entstehen lassen. Der Einsatz digitaler Technologien in der Tagungswirtschaft ist insofern nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der Schaffung zukunftsfähiger Veranstaltungsformate, die eine schnellere und bessere Interaktion zwischen Veranstalter und Teilnehmer, die unmittelbare Einbeziehung der Teilnehmer in die Gestaltung von Inhalten in Form von Partizipation und Co-Creation, einen hohen Grad an Individualisierung von Veranstaltungsinhalten sowie das Matchmaking zwischen den Teilnehmern ermöglichen. Darüber hinaus können Tagungsinhalte auch un

eller Form mit- oder nachverfolgt werden. um sowohl in kleineren Gruppen ab 15

Der Einsatz digitaler Veranstaltungstools und digitaler Moderationsmethoden hat bereits zur Entstehung innovativer Tagungsformate geführt, bei denen die oben angesprochenen Anforderungen umgesetzt werden. Barcamps sind ein innovatives Tagungsformat mit offenen Workshops, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmern zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden. Als moderiertes Tagungsformat werden am Ende des Barcamps konkrete Ergebnisse der einzelnen Diskussionsgruppen bekannt gegeben. Barcamps werden über soziale Medien bekannt gemacht und die Ergebnisse dokumentiert. Die Teilnehmer vernetzen sich. Auf diese Weise kann das Tagungsthema über das Barcamp hinaus weiterentwickelt werden. Für eine größere Anzahl von Teilnehmern bietet sich die Open-Space-Konferenz an. Die Teilnehmer können zu einem vorgegebenen Rahmenthema im Plenum eigene Schwerpunkte vorschlagen und dazu je eine Arbeitsgruppe bilden, indem sie andere Teilnehmer für eine Mitarbeit gewinnen. In den Arbeitsgruppen werden Inhalte erarbeitet oder Projekte entwickelt. Alle Teilnehmer können ihre Expertise einbringen und ihre Erfahrungen austauschen. Die Ergebnisse werden zum Schluss im Plenum gesammelt. Dieses Tagungsformat ist besonders geeignet, um neue Ideen, Projekte und Kontakte anzustoßen, um zu motivieren und die Verbindung der Teilnehmer über soziale Medien zu unterstützen.

❶ Open-Space-Konferenz zur Bildung ❷ Beispiel für Aufbau eines World-Cafés ❸ Hackathon im Rahmen des Projekts Saxeed an der TU Chemnitz

Teilnehmern als auch in größeren Gruppen mit mehreren Hundert Teilnehmern verschiedene Sichtweisen und Herangehensweisen an ein Thema zu diskutieren. Wie im Café sitzen die Teilnehmer an Tischen zusammen und tauschen ihre Meinungen und Erfahrungen aus. Dabei sollen sie einander kennenlernen, kooperativ zusammenarbeiten, genau hinhören, hinterfragen, konstruktiv diskutieren und so gemeinsam Probleme auflösen. Durch professionelle Moderation wird versucht, mit passenden Fragen die Teilnehmer in ein konstruktives Gespräch zu bringen, an dem sich alle Teilnehmer beteiligen sollen. Durch digitale Technik können der Informationsaustausch zwischen den Diskussionstischen und die Zusammenfassung der Ergebnisse am Ende des World-Cafés unterstützt werden. Ein regelmäßiger Nebeneffekt ist die Vernetzung der Teilnehmer, die durch die interaktiven Diskussionsrunden angeregt wird. Hackathons sind ein Veranstaltungsformat, das aus der Hardware- und Softwarebranche adaptiert wurde. Ziel eines Hackathons ist, innerhalb der Dauer dieser Veranstaltung gemeinsam mit allen Teilnehmern kreative Lösungsansätze für ein definiertes Problem oder eine konkrete Aufgabenstellung zu entwickeln. Hackathons starten in der Regel mit einem oder mehreren Impulsvorträgen zum Thema der Veranstaltung. Anschließend werden Ideen für Projekte gesammelt und Teams gebildet. Diese bilden sich selbstorganisiert nach Interesse und Fähigkeiten. Idealerweise finden sich Personen mit unterschiedlichem komplementären Wissen und Erfahrungen zusammen. Im Team findet dann die eigentliche Arbeitsphase statt. Alle Ergebnisse werden elektronisch dokumentiert. Die Teams stellen ihre Ergebnisse am Ende im Plenum vor und die weitere Diskussion kann auf digitalen Plattformen erfolgen. Die dargestellten Beispiele zeigen, dass die Tagungswirtschaft wandlungsfähig ist und mit innovativen Formaten den Ansprüchen des digitalen Wandels sowohl hinsichtlich des Einsatzes digitaler Technik als auch der veränderten Zielgruppenbedürfnisse gerecht werden kann.

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