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DAS MAGAZIN FÜR NACHHALTIGKEIT IN DER GASTRONOMIE
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SARAH WIENER IM GESPRÄCH „GASTRONOMIE IST EINES DER HÄRTESTEN PFLASTER“ SAISONSTART AUF DIE PLÄTZE! FERTIG! GRILLEN! PROFIKÜCHEN – FRAUEN AUF DEM VORMARSCH
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Verpflegungskonzepte entwickeln In immer mehr Einrichtungen sind neben Hauswirtschaftskonzepten auch Verpflegungskonzepte gefordert. Doch was müssen diese beinhalten? Das Buch bietet praxiserprobte Antworten zur Gemeinschaftsverpflegung und zum Qualitätsmanagement.
Verpflegungskonzepte entwickeln Verlag Neuer Merkur ISBN 978-3-937346-63-2 • 19,90 Euro 174 Seiten, kartoniert, 1. Auflage 2010
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Editorial
Schnauze voll
Illustration: tovovan/Fotolia.com
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ir reicht’s jetzt. Ich habe beschlossen, künftig Lebensmittelskandale zu ignorieren. Denn es ist immer das Gleiche. In der Lebensmittelbranche wird gepanscht, verunreinigt, verseucht, kontaminiert, genmanipuliert – die Liste ist lang. Vorzugsweise natürlich Fleisch, gefolgt von Eiern bis hin zu Gemüse und Fisch. Erst Anfang April kam heraus, dass genmanipulierter Chicorée in Bio-Läden landete. Prima! Diese Schlagzeile in der Berliner Zeitung machte nicht mal die Runde in den Medien – offensichtlich war der Tatbestand nicht spektakulär genug. Sobald ein Lebensmittel-Skandal aufpoppt, ist auch der Ablauf danach immer gleich: Alle sind entrüstet, fordern mehr Kontrollen und vor allem ehrliche Produzenten, bis das Thema in Vergessenheit gerät und sich keiner mehr darum kümmert. Bis zum nächsten Mal eben. Ich kann es leider nicht wissenschaftlich belegen, aber gefühlt tauchen Lebensmittelskandale vor allem zu Beginn des Jahres auf. In diesem Jahr war’s das Pferdefleisch, das Jahr zuvor mit der Chemikalie PCB verseuchte Eier. Dann, nach dem Wieher-Fleisch schon wieder Eier – dieses Mal falsch etikettiert. Danach gab’s verwässerten Fisch und eben aktuell genmanipulierter Chicorée. Haben wir damit das Kontingent der Lebensmittel-Skandale in diesem Jahr schon erfüllt? Schön wär’s. Aber wer’s glaubt, ist naiv. Die Aussicht auf höhere Erträge in der Lebensmittel-Branche, Bio wie konventionell, ist einfach zu verlockend. Schließlich ist es ja auch leicht, etwa aus einem Quäl-Huhn-Ei ein haltungskorrektes Bio-Ei zu machen. Einfach umetikettieren. Der Unterschied wird sowieso erst deutlich, wenn dem Ei das Haupt abgeschlagen wird und der Eidotter kräftig orange strahlt. Das deutet darauf hin, dass dem Hühnerfutter wohl der synthetisch hergestellte Futtermittelzusatz Canthaxanthin beigemengt wurde, der in konventioneller Bodenhaltung erlaubt, bei Bio-Eiern aber verboten ist. Normal wäre ein unauffälliger hellgelber Dotter, da selbst der im Bio-Hühner-Futter akzeptierte Zusatzstoff, das pflanzliche Vitamin A (Beta-Karotin), Eigelb nicht leuchtend orange färbt. Richtig, es geht mal wieder nur ums Geld. Bio-Eier sind nun mal teuerer als konventionelle. Beim Umetikettieren schnellt die Marge schön in die Höhe. Übrigens, auch das ist immer gleich und wird wohl immer die Antriebskraft für Lebensmittel-Skandale bleiben: die Profit-Gier. Der Nächste ist bestimmt schon in der Mache. Wir können derweil nur raten, welche Lebensmittel das sein werden. Genmanipulierte Kartoffeln? Verseuchte Tomaten oder Fisch, aus dem Chemie-Labor und keiner weiß es? Umetikettieren geht bekanntlich ganz schnell. Wie gut, dass es trotzdem noch Hersteller, Lieferanten und Gastronomen gibt, die nicht nur wissen wollen, wo ihre Waren herkommen, sondern auch ziemlich genau unter die Lupe nehmen, wie sie produziert werden. Nur leider sind es immer noch zu wenige. ƒ
Christiane Manow-Le Ruyet Chefredaktion
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„Gemeinschaftsverpflegung nach DIN“ Die neue DIN 10506 umsetzen Seminarinhalte: Im Frühjahr 2012 wurde die überarbeitete DIN 10506 Lebensmittel – Gemeinschaftsverpflegung veröffentlicht. Sie wurde an die Vorgaben der EU-Hygieneverordnungen und ihrer deutschen Umsetzungen angepasst und hat zum Ziel, die Einhaltung von hygienisch einwandfreien Bedingungen beim Umgang mit Lebensmitteln in der Gemeinschaftsverpflegung zu erleichtern. Die Teilnehmer/innen erhalten einen Überblick über das aktuelle deutsche und europäische Lebensmittelhygienerecht und erarbeiten sich anhand einer Checkliste die wichtigsten Inhalte der neuen DIN. Dabei können sie überprüfen, ob ihr Verpflegungskonzept den DIN-Vorgaben entspricht und Ansatzpunkte zur Veränderung finden.
e: Zielgrupp en, Köch/innen ng u it Küchenle tungen der aus Einrich sverpflegung aft Gemeinsch : Referentin er Carola Rein hmensberatung rne CCR Unte Köln
Termine, Orte un d Zeiten:
28. Juni 2013 in Köln 04. Juli 2013 in Freiberg (Sach sen) jeweils 9.00 bis 17.00 Uhr
: Gebühr : bonnenten A r fü is e r p ro. Vorzugs st 179,- Eu n o s , o r u E 159,zzgl. MwSt. Alle Preise
e über : Anmeldung bitt mie.de www.vnm-akade Anmeldeschluss rher. jeweils 14 Tage vo tner : Ihr Ansprechpar Ulrich Bartel 89 05-54 Telefon: (0 89) 31 Änderungen und Irr
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tümer vorbehalten
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Inhalt Editorial
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Inhalt
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Branchenblick
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Gastronomen gesucht
Aus der Praxis
Titelthema
Der Wandel in den Küchen hat längst begonnen
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Buchtipps
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Im Gespräch mit
Männerdomäne Gastronomie? Frauen sind dort schon längst angekommen Seite 10
Titelthema
„Die Biobranche ist ein Terrain mit vielen Facetten“ Interview mit Sarah Wiener 14
Schwerpunkt Genuss beginnt mit dem Auge
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Frontcooking ist das i-Tüpfelchen
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Esskultur
Warum tut sich die Gastronomie mit Bio-Produkten so schwer – Sarah Wiener im Gespräch Seite 14
Titelthema
Megatrend Grillen
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Haubenkoch trifft Weltmeister
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Wenn Cowboys grillen …
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Marktblick Bio-Milch: Regionalität ist Trumpf
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Schätze aus Fernost
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Regionales Natürlich gewachsen
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Rübstiel – nicht nur deftig ein Genuss
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Die Lust auf Fleisch ist groß, vor allem, wenn es frisch vom Grill kommt Seite 20
Gastronomie & Handel „Massentauglich bleiben!“
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Impressum
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Zum Nachdenken Saison-Highlights: Von Spargel, Bärlauch und Erdbeeren
Titelbild: Sarah Wiener GmbH
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Fotos: michaeljung/Fotolia.com, Sarah Wiener GmbH, Block House
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YOU TUBE
www.youtube.com/user/diebiokueche
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Branchenblick
Gastronomen gesucht Agro-Diversität lautet das Stichwort. Der sperrige Begriff steht für die Vielfalt der Natur, die nicht nur landwirtschaftlich genutzt werden kann, sondern mit der sich auch ein Großteil der Bevölkerung identifiziert – meist jedoch unwissentlich. Die Universität Kassel hat ein Forschungsprojekt gestartet, in dem untersucht wird, ob auch die Gastronomie dazu beitragen kann, die Artenvielfalt zu sichern. Gastronomen, die an dem Projekt teilnehmen wollen, werden noch gesucht.
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lichen Gespräch passieren oder über Infoflyer, die Speisekarte oder über gezielte Probier-Aktionen und Workshops. Der Vorteil für die Gastronomie: Mit einem vielfältigen Angebot – und hier ist nicht die Menge, sondern die Qualität und Geschmackserlebnis gemeint – können sich Gastronomen vom Mitbewerb abheben. Zudem bauen sie einen intensiven Kontakt zu ihren Lieferanten auf, wodurch sich oftmals weitere Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Gastronomen, die sich gerne näher mit dem Thema „AgroDiversität“ beschäftigen und am Projekt der Universität Kassel teilnehmen wollen, wenden sich am besten direkt an Christina Bantle, E-Mail: c.bantle@uni-kassel.de, Tel. 05542-981331 » www.agrar.uni-kassel.de/alm ƒ
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Fotos: HLPhoto/Fotolia.com, olly/Fotolia.com
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ie können Gastronomen die Vielfalt der Natur für sich nutzen? Diese Frage haben sich Christina Bantle und Ulrich Hamm von der Universität Kassel, Fachgebiet Ökologische Agrarwissenschaften, gestellt. Im Rahmen ihres Forschungsprojekts fanden sie heraus, dass zwar viele Begriffe (Landsorten, Landrassen, traditionelle Sorten) existieren, die für Agro-Diversität stehen, das Artenreichtum aber trotzdem bedroht ist. Grund: In der Zucht wird auf immer weniger Merkmale geachtet, die genetische Vielfalt schwindet. In erster Linie spielen ein hoher Ernteertrag oder beispielsweise eine hohe Milchleistung eine Rolle. Das hat zur Folge, dass immer mehr Sorten und Rassen verschwinden und mit ihnen auch die Geschmacksvielfalt. Zwar gibt es meist Hobby-Gärtner und -Züchter, die in Vergessenheit geratene Sorten und Rassen erhalten, sie werden aber nicht professionell vermarktet. Nachfrage und Angebot kommen nicht zusammen. Damit sich das ändert, muss Vielfalt kommuniziert werden, wie Bantle und Hamm festgestellt haben. Spätestens hier kommt die Gastronomie ins Spiel. Denn Restaurants und insbesondere die Bio-Gastronomie stehen für qualitativ hochwertige Lebensmittel, eben besondere Lebensmittel. Die Gäste kommen, um andere Geschmacksrichtungen zu erleben. Gastronomen, die beispielsweise ihre Lieferanten, die Landwirte, dazu anregen, Gemüsesorten anzubauen, die heutzutage weitgehend unbekannt sind, können dazu beitragen, diese zu erhalten. Verwenden sie sie auch als Zutat für Speisen, werden Gäste darauf aufmerksam. Vorausgesetzt, die Gastronomen kommunizieren dies. Das kann entweder im persön-
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Branchenblick
Essverhalten schafft neue Gastronomiekonzepte Nur noch jeder zweite Deutsche kocht täglich selbst eine Mahlzeit. Grund: keine Zeit. Vier von zehn Menschen greifen mindestens ein- bis zweimal pro Woche zu Tütensuppen oder Tieühlpizza. Und auch nur jeder Zweite kann in seinen Arbeitspausen tatsächlich in Ruhe essen. Trotz Zeitmangel und TK-Gerichten ist 45 Prozent der Befragten wichtig, dass das Essen schmeckt. Zu diesen Ergebnissen kommt das Meinungsforschungs-Institut Forsa in einer aktuellen Umfrage unter 1.000 Erwachsenen. Die Studie wurde von der Techniker Krankenkasse in Aurag gegeben. Clevere Gastronomen wissen das veränderte Essverhalten der Verbraucher bereits für sich zu nutzen. Mit neuen Gastronomie-Konzepten, wie dem Shop-im-Restaurant-Prinzip, machen sie es dem Verbraucher leicht, nicht nur im Restaurant zu essen, sondern auch To-Go-Produkte, etwa Suppen, Salate oder Snacks fertig zubereitet mit nach Hause zu nehmen. Ein Konzept, nach dem beispielsweise die Restaurantkette Wakuƒ Waku seine Filialen betreibt (siehe Seite 40).
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Aus der Praxis
Der Wandel in den Kü c
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hristel Kurz hat vor mehr als 30 Jahren ein Bio-Hotel gegründet. Sie hat Bücher wie „Die vegetarische Kochschule“ oder „Vegan & Roh“ verfasst und veranstaltet Kochworkshops. Dabei ist sie weder gelernte Köchin noch hat sie eine Ausbildung in der Hotellerie. Sie hat den Weg in die Gastronomie gefunden, wie viele Frauen vor und nach ihr: als Quereinsteigerin. Christel Kurz ist gelernte Hauswirtschasmeisterin. Und als solche führte
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die mittlerweile 71-Jährige erst einmal nur eine kleine Frühstückspension im bayerischen Berchtesgaden. Sie selbst war schon damals, vor mehr als 30 Jahren, von der vegetarischen und vollwertigen Ernährung überzeugt. „Irgendwann haben mich meine Gäste gefragt, ob sie nicht auch etwas von meinen selbst gebackenen Semmeln haben könnten“, erzählt sie. Auch Freunde und Nachbarn waren auf die Vollwertküche von Christel Kurz aufmerksam geworden. „Nach und nach
hatte ich immer mehr Leute da, die bei mir ihr Frühstücksmüsli gegessen haben oder einen Salat zum Mittag. Irgendwann haben meine Räume nicht mehr ausgereicht.“ Und so gründete Christel Kurz 1981 ein Bio-Hotel in Bischofswiesen – in dem es kein Fleisch, kein Bier und keinen Wein gab, sondern gesunde, vegetarische Küche. „Ich war total streng, und trotzdem war das Haus immer voll. Die Leute kamen in Scharen, weil es ein solches Angebot damals nur selten gab.“
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Fotos: michaeljung/Fotolia.com
Auch wenn die Spitzengastronomie ein ganz anderes Bild vermittelt: 40 Prozent aller gastronomischen Betriebe in Deutschland werden von Frauen geführt, mehr als die Hälfte der deutschen Köche sind weiblich. Drei Frauen berichten, wie es um die Situation ihrer Kolleginnen in der Gastronomie bestellt ist.
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Aus der Praxis
ü chen hat längst begonnen Ganz ähnlich und trotzdem anders fand Mayoori Buchhalter in die Gastronomie. Sie hat Medizin studiert, betrieb lange eine Praxis für Körpertherapie – und gründete 1998 schließlich als Quereinsteigerin ein vegetarisches Restaurant mit Kochschule. Seit 2005 ist sie Geschäsführerin der BioGourmetClub Kochschule und Akademie in Köln, hat mehr als 1400 Kochkurse gegeben, erarbeitet Ernährungskonzepte für Schulen, Kindergärten oder Firmen und hat eine IHK-zertifizierte Ausbildung zum Bio-Koch initiiert. Mayoori Buchhalter, Christel Kurz und ihre Tochter Gabriele Kurz sind Mitglieder der Bio-Spitzenköche – die einzigen weiblichen Vertreterinnen der mittlerweile 19 Bio-Spitzenköche in Deutschland. Und diese Quote ist noch ganz gut: In der konventionellen Spitzengastronomie ist die Anzahl der Frauen noch viel geringer. 2011 trugen 249 Restaurants in Deutschland mindestens einen begehrten Stern des renommierten Restaurantführers Guide Michelin, nur in fünf davon waren Frauen Küchenchefs. Früher haben die meisten Frauen in die Gastronomie eingeheiratet Sieht man einmal vom Spitzenbereich ab, ist das Verhältnis von Frauen und Männern in der Küche allerdings nahezu ausgeglichen: Laut statistischem Bundesamt waren 2009 etwa 55 Prozent der Köche weiblich. Und darunter befinden sich sicherlich nicht nur Helferlein: „Deutschlandweit werden 40 Prozent aller gastronomischen Betriebe von Frauen geführt“, berichtet Sabine Speidel, Vorsitzende der Unternehmerfrauen im Deutschen Hotelund Gaststättenverband (Dehoga) Baden-Württemberg. Das war Grund genug für den Dehoga Baden-Württemberg, bereits vor 26 Jahren die Gruppe
die Bioküche // 2/2013
„Unternehmerfrauen“ ins Leben zu rufen. Denn wie bei Christel Kurz oder Mayoori Buchhalter fanden damals die meisten Frauen als Quereinsteigerinnen in die Gastronomie. „Nur wenige hatten eine fundierte Ausbildung, die meisten haben in den Betrieb eingeheiratet“, berichtet Speidel, die auf der Schwäbischen Alb mit der Familie „Speidels BrauManufaktur“ mit einer kleinen Hausbrauerei und einem Hotel mit 90 Betten betreibt. In den Familienbetrieben waren die Männer die Chefs, die Frauen für Kinder, Küche und Service zuständig – und meistens nicht wegzudenken. „O sind es die Frauen, die die Seelen eines Betriebes sind.“ Um ihnen einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen oder ihnen Seminare zum Beispiel zur Personalführung anzubieten, wurden die „Unternehmerfrauen“ gegründet. Etwa 400 Mitglieder hat die Vereinigung in Baden-Württemberg, aufgeteilt in lokale Arbeitskreise. Sie treffen sich regelmäßig und tauschen sich zu unterschiedlichen emen aus. Über welche, das kommt ganz auf die Zusammensetzung der Kreise an. „Wenn die Mitglieder älter sind, dann geht es zum Beispiel um Betriebsübergaben, wenn die Mitglieder jünger sind, dann wird natürlich viel darüber geredet, wie Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen sind – und wie die Kinder zum Sportverein kommen.“ Sabine Speidel ist sehr froh, dass viele der jüngeren Frauen eine fundierte Ausbildung haben: „Das ist heute wirklich ganz anders. Viele sind toll ausgebildet, haben vielleicht sogar ein Studium und leiten Betriebe.“ Trotzdem muss Speidel feststellen, dass die Versorgung mit Infos über die Arbeitskreise immer noch sehr wichtig ist. „Zum Beispiel sind viele Frauen immer noch nicht richtig versichert und wissen nicht, dass sie im schlimmsten Fall keine richtige
Bio-Spitzenköchin Mayooni Buchhalter gab ihre Praxis für Körpertherapie für die Gastronomie auf.
Rente bekommen und von Altersarmut bedroht sind.“ Bis heute gibt es die „Unternehmerfrauen“ übrigens nur im Südwesten, „auch wenn wir uns immer wieder bemühen, so etwas auch in anderen Bundesländern zu etablieren“, sagt Sabine Speidel. Frau als Chef? Wünschenswert wäre das sicherlich. Denn auch, wenn immer mehr Frauen in der Gastronomie arbeiten – sich als Chefin zu behaupten, ist nicht immer einfach. Daran erinnert sich auch Christel Kurz. „Mir wurde am Anfang eigentlich mit jedem Arzt oder Koch ein Verhältnis unterstellt. Da ist man als Frau irgendwie angreiarer“, erzählt sie. Von solchen Unterstellungen abgesehen, war auch die Zusammenarbeit mit männlichen Köchen nicht immer einfach. „Ich habe immer geschaut, dass ich als Chefin die schnellste Köchin war. Und trotzdem gab es immer wieder Männer, die in anderen Betrieben gelernt hatten und sich schwer damit taten, meine Autorität
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Esskultur
Der Fleischhunger ist enorm. Immer mehr Gäste wollen aber mit gutem Gewissen ins Steak beißen. Ihnen sind die Bedingungen wichtig, unter denen Tiere gehalten werden. Das wirkt sich auch auf die Gastronomie aus. Wir haben uns drei Grillrestaurants genauer angeschaut und nachgefragt, was sie erfolgreich macht und wo sie zurückstecken müssen.
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eder Deutsche isst laut „Fleischatlas 2013“ in seinem Leben durchschnittlich 1094 Tiere, darunter vier Rinder, 46 Schweine und rund 1000 Hühner. Gäste haben Appetit auf Fleisch – Steak- und Grillrestaurants sind beliebt. So steigerte etwa die Steakhaus-Kette Block House im vergangenen Jahr ihren Umsatz um zehn Prozent. Im Sommer 2013 geht deshalb das nächste Block House in Nürnberg an den Start. Ja, die Deutschen lieben Fleisch, aber nicht um jeden Preis. 89 Prozent der Befragten einer Infratest-Studie sagten, es sei ihnen wichtig, dass Fleisch aus artgerechter Haltung kommt. Deshalb führte der Deutsche Tierschutzbund Anfang des Jahres
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ein neues Tierschutzlabel für den Einzelhandel ein. Es kennzeichnet Schweine- und Hühnerfleisch, ob es tierfreundlicher als bisher produziert wurde. Aber auch in der Systemgastronomie gewinnt Tierschutz an Relevanz. Das zeigt sich bei der US-Fast-Food-Kette „Chipotle“, die im Sommer 2013 die erste deutsche Filiale in Frankfurt eröffnet. Für die mexikanischen Grillgerichte verwenden Köche ausschließlich Fleisch von Tieren, die unter natürlichen Bedingungen auf der Weide gehalten wurden. Nicht „Fast Food“ steht an erster Stelle, sondern „Food with integrity“ – „Lebensmittel mit Anstand“. Und das sollen auch die Gäste sehen, wenn sie die Porträts der Farmer, die
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Fotos: LeonART/Fotolia.com, squarelogo/Fotolia.com, Die Kuh, die lacht GmbH, Block House
Megatrend Grillen
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Esskultur das Fleisch liefern, auf der Website anklicken. Eine Zertifizierung dagegen gibt es nicht.
Alten Mief aufräumen Bodo Wanjura, Geschäftsführer der Burger-Restaurantkette „Die Kuh, die lacht“ setzt ebenfalls auf Transparenz. 2007 hat er, gemeinsam mit den beiden Inhabern der japanischen Nudelrestaurantkette „MoschMosch“, die erste Filiale in Frankfurt eröffnet. Drei Jahre später folgte die zweite ein paar Straßenecken weiter. „Wir wollen mit dem Mief aufräumen, der herkömmlichen Burger-Ketten anhängt“, sagt Wanjura. Ziel des ehemaligen Bankers: ein Speiseangebot kreieren, das durch Transparenz überzeugt und beide Geschlechter anspricht. „Frauen ernähren sich bewusster und selektieren sehr viel stärker, wohin sie zum Essen gehen. Bei uns können sie Burger mit gutem Gewissen essen.“ Das Fleisch bezieht Wanjura von drei Landwirten aus der Region, die er persönlich kennt. Das ist auch wichtig, denn etwa eine Tonne Hackfleisch landet pro Monat in „Die Kuh, die lacht“ zwischen den Brötchenhälften. Für Bio-zertifiziertes Fleisch zahlt Wanjura durchschnittlich 30 Prozent mehr. Deshalb hat er nach Landwirten aus der Re-
gion gesucht, die ihre Tiere artgerecht halten. Die Rinder leben in Muttertierhaltung auf der Weide und werden direkt auf den Höfen geschlachtet. Wer wissen will, woher das Fleisch kommt, braucht bei Wanjura nur nachfragen. Der klassische Burger für 6,50 Euro ist bei Wanjura Programm, doch er bietet auch fleischlose und vegane Alternativen an. Der Wareneinsatz ist dann zwar ein bisschen geringer als beim klassischen Burger, aber die Personalkosten für die Zubereitung sind höher. Von dem vegetarischen Angebot profitiert Wanjura nur, weil er dadurch eine größere Zielgruppe, vor allem Frauen, ansprechen kann. Laut Wanjura entscheiden sich etwa 12 Prozent seiner Gäste für fleischlose Gerichte.
Metzger-Freundschaft Im Gegensatz zu Wanjura bietet Harald Zimmermann in seinem Grillrestaurant „Hunger & Durst“ in Nürnberg nicht nur günstiges Hackfleisch, sondern auch teure Filetstücke vom „Boeuf de Hohenlohe“ an. „In den ersten Monaten habe ich kaum Gewinn gemacht, obwohl ich das Fleisch bei meinem Metzger fast zum Einkaufspreis bekommen habe. Mit den niedrigen Preisen haben wir in der ersten Zeit Werbung für uns gemacht“, sagt Zimmermann. Für nur 14,50 Euro verkaufte er das 300Gramm Rumsteak. Sein Dumping-Konzept ging auf. Immer
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Esskultur mehr Gäste kamen regelmäßig und fanden keinen Platz mehr, so dass er vor eineinhalb Jahren ein neues Restaurant bezog. Nun hat er 40 Sitzplätze, doch mit 18,50 Euro für das 300Gramm Steak ist der Preis noch immer sehr niedrig kalkuliert. Zimmermann spart an anderen Ecken. Die Miete in Nürnberg und seine Personalkosten sind relativ gering. „Ich habe hier eine One-Man-Show“, sagt er stolz. Gemeinsam mit einer Küchenhilfe steht Zimmermann jeden Tag selbst in der Küche. Und er profitiert auch weiterhin von den günstigen Konditionen, die ihm ein befreundeter Metzger einräumt. Das Fleisch kommt von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, deren Tiere artgerecht aufwachsen. Zimmermann kompensiert Kosten dafür durch den Umsatz für Getränke, der bei rund 40 Prozent liegt. „Das ist es, was die Leute wollen: zu moderaten Preisen gut und ausreichend essen und trinken“, sagt er. Die Flasche Wein kostet zwischen 25 und 35 Euro. Eine Auswahl von 40 Rebensäften, darunter zwei aus biologischem Anbau stehen auf der Karte. Mit diesem Konzept konnte Zimmermann viele Stammkunden gewinnen. Er hat zudem das Glück, dass ihn ortsansässige Unternehmen wie Siemens und Adidas empfehlen – eine Speisekarte mit günstigen Mittagsgerichten gibt es deshalb auch.
Merguez statt Filet Bei Björn Luchterhand dagegen, Inhaber von Bio-Catering Luchterhand in Stuttgart, sind Grill-Events eher die Ausnahme. Der Großteil seiner Kunden legt keinen Wert auf riesige Fleischportionen, sondern auf nachhaltigen Genuss. Luchterhand verwendet deshalb ausschließlich Zutaten aus biologischer Erzeugung. Das Fleisch bezieht er bei Bioland-zerti-
fizierten Höfen. Die Wareneinsatzkosten für Fleisch sind etwa 1,5-mal höher als für vegetarische Lebensmittel. Deshalb kommen bei Grill-Events anstelle von Edelteilen hauptsächlich Bratwürste wie Merguez, scharf gewürzte HackfleischBratwurst aus Lammfleisch, auf den Rost. Aber genau das ist es, weswegen die Gäste zu ihm kommen. „Es ist eine Frage der Weltanschauung. Wem nachhaltige Ernährung am Herzen liegt, der achtet nicht nur auf biologisch erzeugte Lebensmittel, sondern isst auch weniger Fleisch“, sagt Luchterhand. Doch es braucht einen langen Atem, sich einen ernährungsbewussten Kundenstamm aufzubauen. Luchterhand hat viel Arbeit ins Marketing gesteckt. 1000 Werbeflyer legte er Abo-Gemüsekisten von Bio-Bauern bei, im Internet wirbt er in Foren und ein eigenes Netzwerk hat er ebenfalls aufgebaut. Das entstand bereits vor sieben Jahren, bevor sich der ehemalige Küchenchef eines Bio-Cateringunternehmens 2012 selbständig machte.
Es geht um die Wurst Gastronomen, die vom Trend Grillen profitieren wollen, bauen sich am besten ein eigenes Lieferanten-Netzwerk auf, bei denen sie artgerecht erzeugtes Fleisch beziehen können. Lieferanten aus der Region bieten sich da an, oftmals haben sie aber keine Bio-Zertifizierung, wodurch das Fleisch günstiger ist als zertifiziertes. Dann heißt es erst einmal kalkulieren, ob nicht auch das vegetarische Angebot ausgebaut werden muss. Und schließlich: die Gäste informieren. Nur so können sie verstehen, was hinter der Fleischproduktion steht und dass dies mit Dumping-Preisen nicht erreicht werden kann. Je besser der Gast informiert ist, desto eher ist er bereit, für Qualität zu zahlen. ƒ Anja Schuchardt
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Esskultur
Haubenkoch trifft Weltmeister
Fotos: 2013 „Grillen mit Adi & Adi“ Pichler Verlag/ Herbert Lehmann, Neumarkter Lammsbräu
Sein Lieblingsgericht ist Butterbrot mit Schnittlauch – das ist vielleicht der Grund, warum sich Sternekoch Adi Bittermann für sein Kochbuch „Grillen mit Adi & Adi“ auch Rezepte mit Gemüse, Brote und Snacks ausgedacht hat. Typische Grillgerichte mit Fleisch, Fisch und süße Dessertkreationen sind natürlich mit dabei – Co-Autor ist schließlich Fleischer und Grillweltmeister Adi Matzek. Wir stellen ausgefallene Rezeptideen, die sich beispielsweise fürs Flying Buffet eignen, aus dem Kochbuch vor. Biersommelier Heinz Kühnlein empfiehlt dazu die passenden Malzgetränke.
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Grillen mit Adi & A di, Adi Bitte rmann/ Adi Ma 208 Se tzek, iten, ISBN: 9 87-385 43160 19,99 46, Euro (D)
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Wenn man Naturbelassenes mag, wenn man will, dass es fair zugeht, wenn man Vielfalt erhalten will und Genuss groß schreibt – dann macht man Saft so wie wir.
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