Die Weltwoche, Sonderausgabe Luxus April/Mai 09

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Luxus/Stil April/Mai 2009 Fr. 8.–, Euro 5.–

Reine Freude Mode, Accessoires und Schmuck für diesen Sommer. (Sowie alles, was man sich sonst noch wünscht.) Mit Rolf Fehlbaum, Consuelo Castiglioni und Karl Lagerfeld.


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Editorial Wenn man eine Zeitschrift wie diese herstellt, prüft man eine Menge möglicher Lösungen, die man am Schluss verwerfen muss, weil immer nur eine Lösung die beste sein kann. Es gibt dann klare «leider nein», aber auch Varianten, die einem ebenfalls gefielen und die man irgendwie auch gerne gebracht hätte. (Und falls man eine DVD machte, würde man diese als «Bonus-Tracks», «Gelöschte Szenen» oder so auf die Scheibe brennen – und hätte sie nicht für den Papierkorb beziehungsweise Boden des Schneideraums produziert.) Unten links zeigen wir Ihnen zwei Lösungsvorschläge unseres Art-Directors für das Titelbild dieser Sonderausgabe, die es nicht dorthin geschafft haben; die uns aber immerhin so gut gefielen, dass wir sie Ihnen zeigen wollen, wenn auch nur klein. Das grosse Foto am Fuss dieser Seite ist ein sogenanntes Making-of-Bild der Produktion auf Seite 56/57 («Das Wunder von Weil»). In dieser Geschichte geht es um Rolf Fehlbaum (noch nicht im Bild) und seine Firma Vitra, die Designermöbel herstellt. Im Unterschied zu vielen Menschen, die sich mit einem Journalisten und einem Fotografen verabreden, war Fehlbaum, dem Profi, von Anfang an klar, dass das Fotoshooting nicht eine Angelegenheit ist, die sich in fünf Minuten nach dem Interview, für das er eineinhalb Stunden seiner Zeit eingeplant hatte, erledigen lässt. Sondern für das mindestens gleich viel Zeit zur Verfügung stehen muss. Das Ergebnis, die Bild-Doppelseite des «Chairman» auf und zwischen seinen Stühlen, ist für mich vielleicht der gelungenste Beitrag dieser Ausgabe. Ich hoffe, Sie sehen es auch so. Und sehen auf den folgenden 76 Seiten viele andere ebenfalls gelungene Beiträge — in Worten oder Bildern. Mark van Huisseling

Knapp daneben: Titelbildentwürfe. In the making: So sieht es aus, wenn Fotografen ein Shooting vorbereiten.

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bild: Patrick Hari und Cat Tuong Nguyen


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Contributors

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1 _ Ihr Redaktionsleiter hat schon einige ­Modedesigner getroffen, aber einer fehlte (und nicht irgendeiner, sondern ein grosser): Karl Lagerfeld. Gross war auch die Vorfreude, als die Verabredung stand: nach der Couture-Show in Paris. Zweifel waren aber auch mit dabei – eine Verabredung mit einem Designer nach seiner Schau ist nicht immer, sagen wir, einfach und verbindlich (zu viele Leute, die etwas wollen, und der Designer, der etwas anderes will, seine Ruhe). Doch Lagerfeld mochte es, jemanden vor sich zu haben, der deutsch spricht und, zweitens, in einer Zeitschrift schreibt, in der es «nicht nur Bilder gibt, sondern auch Worte» (Lagerfelds Worte). Auf jeden Fall setzte er sich an ­einen Tisch mit seinem Interviewer (und liess Getränke bringen). Zuvor hatte er die längste Zeit auf einer Treppe stehend, drei Tritte weiter oben als seine Befrager, Antworten gegeben, in Fremdsprachen. Das Gespräch und den Bericht aus den Chanel-Ateliers finden Sie ab Seite 30. 10

2 _ Bereits vor Jahren fielen Carmen Gasser, die neu regelmässig in der Weltwoche über die Uhrenbranche berichtet, die damaligen Werbesprüche von IWC auf die Nerven. Dann, auf einmal, waren sie verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Und das war an der Zeit und gut, fand unsere Autorin. Doch wer steckt eigentlich hinter dieser Strategieänderung, fragte sie sich. Also ging sie auf Spurensuche nach Schaffhausen. Dort fand sie die Antwort – und die Geschichte eines spannenden Unternehmens. Sie finden beides ab Seite 25. 3 _ Alexander Schönburg (eigentlich Alexander Graf von Schönburg-Glauchau) ist Bücherschreiber («Die Kunst des stilvollen Verarmens») und Kolumnist. Und seit einiger Zeit Berliner. Das heisst, er lebt in dieser Stadt, ist aber im Grunde alles andere als ein Berliner. Gefallen hat es ihm in München. Und Hamburg, wo er lebte, als er Chefredaktor der inzwischen ein-

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gestellten Zeitschrift Park Avenue war, fand er okay (obwohl er das Wort «okay» nicht verwenden würde, «angenehm» oder «durchaus lebenswert» kommen eher vor in seinem Wortschatz). Am liebsten, sagt er, würde er in Zollikon leben, auf den Zürichsee sehen und Bücher schreiben. Was ihm an seinem Berlin gefällt (oder eben nicht), steht auf Seite 66. 4 _ Jede Stadt hat einen Coiffeur. Also natürlich haben die meisten Städte mehr als einen Coiffeur, aber jede Stadt hat einen besten Coiffeur, und der ist dann eben der Coiffeur. In Zürich ist das Charles Aellen. Und in den Zimmern seiner Charles Aellen Company for Hair gibt es oft so viele Frauen aus anderen Städten und dem Ausland, dass man sich fragt, ob es doch Städte (oder Länder) gibt, die keinen Coiffeur haben, oder wenigstens keinen solchen. Für uns hat er an den Modeschauen in Paris ­Tagebuch geführt – Seite 20. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bild: Ciro Zizzo



8 Editorial 10 Contributors 16 Impressum

18 MvHs Liste Des Redaktionsleiters persönliche Lieblinge

20 Tagebuch Coiffeur Charles Aellen von den Modeschauen aus Paris

22 Essay Lieber eine hausgemachte Rösti als ein Nouvelle-Cuisine-Menü essen – für Strellson-Chef Reiner Pichler bedeutet Luxus, sich auf die echten Werte zu besinnen

25 Kompliziert wie ein Mann Früher sorgte IWC mit Sprüchen in der Werbung für Aufsehen. Heute tritt die Uhrenfirma zurückhaltender auf, schliesslich gilt sie zurzeit als attraktivste Marke der Branche

30 Stoffe für Träume Die kostbarsten Kleider dieses Sommers werden in den Ateliers von Chanel genäht. Ein Bericht vom High End der Mode und ein Gespräch mit Karl Lagerfeld

40 Mehr schöne Sachen 26 der besten Objekte für diesen Sommer – vom schicksten Strandtuch bis zum teuersten Fahrrad der Welt

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Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


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46 Democracy at Tiffany’s Der New Yorker Juwelier bedient Könige, Staatsmänner und Popstars. Aber auch Leute mit kleinem Budget finden, was sie suchen

50 Schmucke Stücke Dieses Jahr sind einige der interessantesten Uhren-Neuheiten für Frauen

56 Das Wunder von Weil Möbel herzustellen, schien Vitra-Chef Rolf Fehlbaum langweilig. Ein Design-Unternehmen aufzubauen, hingegen zauberhaft

62 Schön wie eine Blüte Nicht nur die Natur schmückt sich, auch die Frau – mit Brillanten, Diamanten, Perlen

66 Mein Berlin Alexander von Schönburg über seine Stadt

68 Sommervögel Acht der schönsten Düfte für die schönste Zeit des Jahres

72 Das lange luxuriöse Wochenende Die dalmatische Küste wird diesen Sommer ein Must-Ferienziel sein

76 Auto Ein 750i von BMW ist ein Auto, das man gerne selber fahren würde. Falls man keinen Chauffeur hätte 78 Essen: Sechs aktuelle Lieblingsrestaurants unseres Kritikers Trinken: Es gibt wenige Produkte, die so französisch sind wie Champagner 80 Einkaufen: Zehn der besten Delikatessengeschäfte des Landes 82 Fragebogen: Consuelo Castiglioni, Marni

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Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bild: Tips Images (F1 Online)


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Impressum Herausgeberin: Weltwoche Verlags AG, Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich Redaktion: Telefon 043 444 57 00, Fax 043 444 56 69, E-Mail: redaktionAweltwoche.ch, E-Mail: leserbriefeAweltwoche.ch Verlag: Tel. 043 444 57 00, Fax 043 444 56 07, E-Mail: verlagAweltwoche.ch Internet: www.weltwoche.ch Abo-Service: Tel. 043 444 57 01, Fax 043 444 50 91, E-Mail: aboserviceAweltwoche.ch Jahresabonnement Inland Fr. 203.– (inkl. MwSt.) E-Mail-Adressen: vorname.nameAweltwoche.ch Gründer: Karl von Schumacher (1894–1957) Verleger und Chefredaktor: Roger Köppel Redaktionsleitung: Mark van Huisseling Art Direction: Raffinerie AG für Gestaltung Fotoproduktion/Bildredaktion: Christophe Bosset Produktion: David Schnapp, Anette Thielert Layout: Peter Aschmann, Rolf Mundwiler Internet: Andreas Thut (Leitung) Korrektorat: Cornelia Bernegger und Rita Kempter (Leitung), Jacqueline Byland, Eva Koenig Mitarbeiter dieser Ausgabe: Text/Redaktion: Charles Aellen, Dominique Feusi und Tim Geser (Adfus), Carmen Gasser, Reiner Pichler, Roger Rebetez, Christoph Richterich, Katrin Roth, Alexander von Schönburg Art/Bild: Johann Cohrs, Patrick Hani und Cat Tuong Nguyen, Annette Fischer, Gregory Gilbert-Lodge, Olivier Pasqual, Samuel Schlegel und Reto Vonarburg, Stephan Walter (Radionacional) Sekretariat: Miriam Schoch (Leitung), Inga-Maj Hojaij-Huber

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Verlagsleitung: Maike Juchler Marketing: Sandra Millius (Leitung) Anzeigenverkauf: Christine Lesnik (Leitung), Angela Prisciantelli Anzeigeninnendienst: Laura Bazzigher, Silvan Leibacher Tel. 043 444 56 13, Fax 043 444 56 07, E-Mail: anzeigenidAweltwoche.ch Druck: Ringier Print Zofingen AG

Die Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion gestattet.

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Persönliche Lieblinge (II)

MvHs Liste Heute gibt jeder irgendwelche Tipps. Unser Redaktionsleiter verrät mehr Dinge, die er wirklich geprüft und für gut befunden hat. Von Mark van Huisseling

Sonnenbrille «Aviator» von Ray-Ban _ Es gibt Dinge, die kann man nicht besser machen. Das habe ich schon einmal geschrieben, über den Porsche 911. Damals war es ein Aber-Satz («Aber dann kommt ein neues Modell und . . .»). Dieses Mal ist es ein Punkt-Satz. Es gibt Dinge, die kann man nicht besser machen (Punkt). Zum Beispiel die «Aviator» von Ray-Ban. So etwas wie die Mutter aller Sonnenbrillen. Eine Zeitlang war sie ein wenig overexposed, das heisst, man sah sie zu oft, und fast eine modische Aussage. Heute ist sie wieder dort und das, wo sie hingehört und was sie sein soll: auf den Nasen von Leuten, die das Beste wollen, zu einem guten Preis. Fr. 274.—

Unterhosen von Zimmerli _ «Die Unterhose ist das Haus des Körpers», hat Dieter Meier einmal gesagt. Und wie fast alles, was er sagt, hat auch das Hand und Fuss. Für mich war es ein Problem, meinem Körper ein passendes Haus zu bieten sozusagen – bis ich Zimmerli kennenlernte. Im Tessin hergestellt, und zwar auf Maschinen, die nur für das Unternehmen gebaut wurden, entstehen Unterhosen, die vermutlich die besten der Welt sind. Ich schreibe «vermutlich», weil der Chef der Firma kaum Angaben über, zum Beispiel, die Baumwolle, die verwendet wird, macht (wegen der Konkurrenz). Macht aber nichts, mein Körper und ich haben unser Haus gefunden. Zirka Fr. 49.— 18

Möbel, mit Kernleder bezogen, von Sol & Luna _ Im Grunde etwas, was die Welt nicht braucht: Möbelstücke, die der Hersteller mit dickem Leder überzogen und mit starkem Faden gut sichtbar vernäht hat. Das habe ich auch gesagt. Bis ich vor der Kommode von Sol & Luna stand. (Für Leser mit scharfem Auge und Elefantengedächtnis – zu sehen auf dem Foto des beladenen Flosses in der Sonderausgabe «Luxus/First Choice» von vergangenem Monat.) Und, einmal mehr, manchmal will man nichts so sehr, wie das, was man nicht braucht. Zirka Fr. 3600.—

Chronometer «Oyster Perpetual Submariner Date» von Rolex _ Lesen Sie bitte den ersten Satz unter der Headline «Sonnenbrille ‹Aviator› von Ray-Ban» – voilà. Ferner ist die «Submariner» die einzige Uhr, die ich kenne, die immer passt: Man kann sie auf der Jacht tragen zu Shorts und Leinenhemd oder an einem Ball zu Smoking und dazugehörendem Hemd mit French cuffs. (Das ist keine Idee von mir, sondern von einer Rolex-Reklame aus den achtziger Jahren.) Schon klar, zum Smokinghemd trägt man im Grunde keine Uhr, wer will auf einem Ball die Uhrzeit wissen? Aber wer die Regeln kennt, darf sie brechen, nicht wahr? Und trägt deshalb eine «Submariner» aus Prinzip, und auf Bällen erst recht. Fr. 28 600.—

Keramik aus Vallauris _ Es gibt eine Liste, die ist zwar nicht von mir, sondern aus einer Fashion-Ausgabe des New York Times Magazine, auf der stehen

«50 Dinge, die ein Mann haben sollte». Ein Eintrag: eine schöne Blumenvase. Not so easy, meinte ich lange. Doch das war, bevor ich sah, was geschickte Hände in Vallauris, Südfrankreich, aus Ton und Farbe herstellen können. (Immerhin hat dort bereits Picasso getöpfert.) Jetzt habe ich eine solche Vase, und das ist gut, aber nicht die Lösung des Problems. Denn die Vase ist zu schön, man will einfach keine Blumen darin sehen. Man hängt schliesslich auch nicht Hut und Mantel an eine Skulptur von Rodin, oder?

Kosmetik «Skin Minerals for Men» von Giorgio Armani _ Mit Männerkosmetik ist es so eine Sache: Ganz ohne geht es nicht, vor allem dann nicht, wenn man diese Sätze aus der Werbung ernst nimmt, dass bei Männern «die Fünfzig die neue Dreissig» sei (oder die Sechzig die neue Vierzig und so weiter). Da muss man vermutlich schon etwas für sich und die Haut tun (Marseiller Seife und der Geruch nach Schweissleder bringen es irgendwie nicht mehr). Die Kosmetiklinie von Giorgio Armani schon eher. Die Tuben sind schwarz, das sieht erstens gut aus im Badezimmer. Und der Wirkstoff Mineralien aus Vulkanerde, zweitens, schafft Vertrauen. Als Mann will man kein Rosenöl, Algenextrakt, keine Fruchtsäure oder so. Aber etwas, was einmal als Magma aus dem Erdinneren herausschoss – das passt, finde ich. Ab zirka Fr. 40.—

«Horsey Jacket» von Loro Piana _ Man muss nicht Springreiter sein, um das sogenannte «Horsey Jacket» zu tragen, so wie die Mitglieder des Teams von Loro Piana, für die es entworfen wurde. Es reicht, wenn man auf Reisen gerne eine Jacke anhat, in der alles, was man bei sich haben muss (Geld, Pass, Mobiltelefon, Bordkarte etc.), Platz findet, ohne aufzutragen. Das geht bei dieser Jacke ziemlich gut – sie hat sieben Taschen. Darüber hinaus sieht sie gut aus, ist wasserabweisend und wird nur in ziemlich kleiner Stückzahl hergestellt. Und wenn man möchte, kann man sogar seinen Namen einsticken lassen auf das Etikett im Innenfutter. Fr. 1750.– Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


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findet die Schau von Jean Paul Gaultier statt, dieses Mal besonders spannend, weil ich wusste, dass das Schweizer Model Patricia Schmid Gaultier als Muse gedient hatte. Und das merkt man, von mir aus gesehen, auch.

Tagebuch

Mode, «Costes», Suppenküche

8. März Um 12 Uhr beginnt die Akris-Show im Musée de l’Homme. Für mich immer eine der schönsten Schauen, an der auch sehr tragbare Modelle gezeigt werden. Mir fallen die Bomberjacken auf, die ich so von Albert Kriemler, dem Designer, nicht erwartet hätte. Oder die Schuhe, die Albert zusammen mit dem Schweizer Walter Steiger entworfen hat. Den Schuhdesigner lernte ich am Abend bei einem Empfang im Akris-Showroom kennen.

Er fährt nicht nach Paris zum Kopieren. Sondern zum Prüfen, ob seine Sicht der beau monde mit der gezeigten übereinstimmt. Von Charles Aellen 5. März Um 10 Uhr findet die Show von Balenciaga statt, zum ersten Mal im «Hôtel de Crillon» an der Place de la Concorde. Ich besuche die wichtigsten Schauen seit vielen Jahren. Für mich und mein Geschäft ist das wichtig, denn dort sieht man die bedeutendsten Entwicklungen der Mode. Ich gehe nicht an die Schauen, um zu kopieren, was ich sehe, sondern um zu erfahren, ob meine Vorstellung vom Zeitgeist mit der dort gezeigten übereinstimmt. Deshalb war ich besonders gespannt auf die Winterkollektion 2009/2010 von Nicolas Ghesquière für Balenciaga, denn von mir aus gesehen hat er in den vergangenen Jahren eine wirklich neue Linie in die Mode gebracht. Er hat uns die breiten Schultern und schmalen Hüften zurückgebracht oder Plateausohlen. Ich finde, er ist der Designer, der zurzeit am stärksten kopiert wird. Seine Kollektion hat mich begeistert: eine kurze Show mit einer klaren Aussage, auf den Punkt gebracht. Und Frauen, die aussahen wie griechische Göttinnen. Nächster Termin: 15 Uhr, Hotel «Ritz», die BalmainShow, für mich ein weiteres Highlight. Denn Christophe Decarnin, der Designer, dessen letzte Kollektion für mich die Sommerkollektion war, ist ebenfalls ein Hotshot. Wenn ich das Gezeigte in fünf Worten beschreiben müsste: perfektes Achtziger-Jahre-Disco-Feeling. Karten für diese Shows zu bekommen, ist für Schweizer fast unmöglich. Mir hat Trudie Götz geholfen. Sie hat ein Interesse daran, dass wir, die Charles Aellen Company for Hair, unseren Kundinnen über die gezeigten Kleider und Looks Auskunft geben können. Bevor ich zurück in mein Hotel, immer das «Costes» an der Rue Saint-Honoré, gehe, schaue ich die Retrospektive über das vierzigjährige Schaffen von Sonia Rykiel im Musée des Arts Décoratifs, das zum Louvre gehört, an. 6. März Der Freitag bringt ein volles Programm: die Shows von Christian Dior, Lanvin und des Maison Martin Margiela. Am stärksten in Erinnerung wird mir vermutlich die Show von Lanvin bleiben, die weich fallenden und sehr weiblichen Schnitte des Designers Alber Elbaz stellten einen Kontrast zum bisher Gesehenen dar. Zum Dinner im «Davé» – ein Besuch in 20

I’m impressed: Aellen über Givenchy. diesem chinesischen Restaurant ist fast wie eine weitere Show, weil zu seinen Gästen eine bunte Truppe von Designern, Models, Stars und Modejournalisten zählen – treffe ich Kai Margrander, den Modechef von Glamour. Für mich ist es interessant, was ein solcher Modeprofi über die Shows denkt und, wieder, zu vergleichen, ob er es ähnlich sieht wie ich. Und natürlich ist es auch interessant, von einem Insider zu erfahren, was hinter den Vorhängen der Laufstege, sozusagen, geschieht. 7. März Ich freue mich auf das Frühstück im «Costes», mit Patrick Roppel, dem Schweizer Art-Director, der zurzeit gerade mit dem Fotografen Walter Pfeiffer, ebenfalls ein Schweizer, eine Modestrecke für die französische Vogue produziert. Es freut mich zu sehen, wie viele Schweizer in Paris gute Jobs machen. Am Nachmittag ist mein sogenannter Ladencheck, das heisst, ich klappere Kleiderboutiquen ab (etwa Colette), aber auch Galerien (van der Straeten), Buchund Designergeschäfte. Vor dem Abendessen

9. März Zwischen den Shows von Stella McCartney (jung, feminin, sexy) und Yves Saint Laurent (streng, in Schwarz und Grau gehalten, inspiriert) habe ich Zeit, im Restaurant «Sapporo» an der Rue Saint-Honoré vorbeizugehen. So gerne ich die schicken Restaurants von Paris mag, so sehr freue ich mich auf den Besuch in dieser, sagen wir, japanischen Suppenküche. Danach zwei der wichtigsten Gründe, weshalb ich so lange in Paris bleibe: die Shows von Givenchy und Chanel. Bei Chanel darf ich mich auf das gewohnt hohe Niveau freuen, und bei Givenchy interessiert mich, ob die Kollektion weiterhin stilprägend sein würde wie auch die Kollektionen von Balmain und Lanvin zuvor. Tatsächlich, sie war es. Givenchy hat mich beeindruckt mit einer Kollektion, die man als streng, gradlinig, extrem kreativ, einfallsreich und bei all dem sexy beschreiben kann. Ich hoffe, dass ich diesen Kleidern, die es ab kommendem Herbst bei Schito in Gassen geben wird, auf Zürcher Strassen begegnen werde. An meinem letzten Abend findet, wie immer, ein Essen statt mit den Modechefinnen der wichtigen deutschen Frauenzeitschriften (Amica, Madame, Instyle). Für mich ist es spannend zu hören, welche Kollektionen die Favoriten der Chefredaktorinnen sind, auch von den Shows in New York, London und Mailand, die vor Paris stattfanden. Für mich, kann ich sagen, war es eine gute Modewoche in Paris. Ich freue mich darauf, das auf dem Laufsteg und der Strasse Gesehene mitzunehmen und meine Begeisterung an meine Mitarbeiter weiterzugeben. Es ist mir bewusst, dass es ein Privileg ist – und darauf bin auch stolz –, mitten drin und dabei zu sein, wenn die Grossen unserer Branche ihre Leistungen zeigen. Und darum fällt mir auch der Abschied von der Stadt der Mode, bis zu den nächsten Schauen im Herbst, ein wenig leichter. Charles Aellen ist Chef und Mitbesitzer der Charles Aellen Company for Hair in Zürich mit 16 Mitarbeitern. Die Firma gilt als das Coiffeurgeschäft der Schweiz. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Illustration: Gregory Gilbert-Lodge



Essay

Mein Luxus Ich esse lieber eine gute St. Galler Bratwurst mit hausgemachter Rösti als ein Nouvelle-Cuisine-Menü. Für mich bedeutet Luxus, sich auf die echten Werte zu besinnen. Von Reiner Pichler

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ie sieht eigentlich Luxus in Zeiten der weltwirtschaftlichen Krise aus, wenn diejenigen, die jahrzehntelang Repräsentanten des Luxus waren, jetzt den Staat um Hilfe bitten, und wie veränderte sich Luxus im Laufe der Jahre? Luxus, aus dem Lateinischen luxus, bedeutet übersetzt so viel wie Verschwendung oder Liederlichkeit. Versucht man den Begriff Luxus wissenschaftlich zu definieren und nimmt man die üblichen Lexika zur Hand, bedeutet Luxus für einen grossen Teil der Bevölkerung: etwas zwar Erstrebenswertes, aber nicht Erreichbares. Im materiellen Luxus leben demonstriert eine Lebensform, die sich wegen ihrer exklusiven Merkmale vom normalen gesellschaftlichen Leben abhebt und sich oft in Erfolgs- und Statussymbolen ausdrückt. Wie diese Statussymbole aussehen und was wirklicher Luxus ist, definiert sich aber aus meiner Sicht immer wieder neu und richtet sich nach den Entwicklungen der Gesellschaft und nach dem sozialen Wandel. Vor der Erfindung und der Demokratisierung des Automobils – was noch gar nicht so lange her ist – war Mobilität oder das Reisen in ferne Länder ein absoluter Luxus für sehr wenige, sehr reiche Bürger oder Adlige. Jetzt ändert sich die Bedeutung von Luxus gerade wieder stark – geprägt durch die aktuelle Entwicklung der Wirtschaft, aber auch der Gesellschaft. Eine Zeitlang war die Aussage Mode, wenn man eine erfolgreiche Person nach dem wahren Luxus gefragt hat: «Ja, Zeit ist eigentlicher Luxus.» Dies hörte sich zwar ganz gut an. Ich denke aber, dass die wenigsten dies wirklich so meinten. Wahrer Luxus ist nicht nur dem Wandel der Zeit unterworfen, sondern auch der persönlichen Auffassung und den persönlichen Möglichkeiten. Für viele Menschen in den Drittweltländern sind Grundbedürfnisse wie Nahrung, Freiheit, medizinische Versorgung und Recht schon ein unerreichbarer Luxus. In der reichen westlichen Welt müssen wir uns aus meiner Sicht ernsthaft Gedanken darüber machen, ob es 22

«Jetzt ändert sich die Bedeutung von Luxus gerade wieder stark»: Reiner Pichler, CEO von Strellson.

heute wirklich noch Luxus ist, in einem Nouvelle-Cuisine-Restaurant ein Achtgangmenü über sich ergehen zu lassen, wo beim ersten Gang niemand erkennen kann, ob es der übliche Gruss aus der Küche (Amuse-­Bouche) ist oder schon der erste Gang. Dies, weil die Portionen so klein sind und auf einem Teller serviert werden, der mehr ans Raumschiff «Enterprise» erinnert als an einen Teller. Ich glaube nicht, dass Luxus heute ein Fünfsternehotel ist, mit Personal, welches sich offensichtlich an das luxuriöse Umfeld so sehr gewöhnt hat, dass es vornehmer ist als jeder ankommende Gast. Ich glaube auch nicht, dass Luxus heute Bekleidung ist, die wegen des Preises in keinem Verhältnis mehr zu den Herstellungskosten und der Qualität steht. Luxus bedeutet heute etwas ganz anderes für mich, und ich denke, auch für die meisten Menschen: Es bedeutet zurückzukommen auf das wirklich Wesentliche, auf die klassischen echten Werte. Eine ausgezeichnete St. Galler Bratwurst mit hausgemachter Rösti auf einer Appenzeller Alm zu geniessen. Hotels, in denen man mit echter, aufrichtiger Freundlich-

keit empfangen wird und in denen es Menschen gibt, die Verantwortung dafür übernehmen, dass aus dem Aufenthalt ein unvergessliches Erlebnis wird. Bekleidung, die aus hervorragenden italienischen oder englischen Stoffen hergestellt wird, die perfekt verarbeitet wurden und dafür sorgen, dass man sich in dem Bekleidungsstück wohl fühlt, besser aussieht und damit auch ein besseres Gefühl hat, und dies zu einem sehr vernünftigen und angemessenen Preis. So wie es bei unseren Marken der Fall ist. Manchmal sind Krisen wirklich reinigend, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Gesellschaft. Jede Krise hat immer auch etwas Gutes und hilft uns, wieder zu erkennen, was wirklich wichtig ist und damit erstrebenswerter Luxus. Luxus ist sehr einfach, klar, selbstverständlich, unglaublich gut, nie verschwenderisch und schon gar nicht liederlich. Wie das Leben in der wunderbaren Schweiz. Reiner Pichler, 46 , ist CEO der Modefirma Strellson in Kreuzlingen. Er schaffte es, der Marke ihren eigenen Stil zu geben. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009



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s ist noch gar nicht lange her, da wurde die Werbung der Uhrenmarke IWC als Synonym für ironischen Machismo verstanden. Slogans wie: «Fast so kompliziert wie eine Frau. Aber pünktlich» oder: «Männer verdienen mehr als Frauen. Zum Beispiel eine IWC» liessen Frauen auf die Barrikaden steigen und brachten der International Watch Company Klagen ein (die IWC, nebenbei gesagt, allesamt abweisen konnte). Heute sind die flotten Sprüche Vergangenheit, die testosterongetriebene Werbung abgelöst von Kampagnen, welche die Produkte in den Vordergrund stellen, deren Technik, Präzision und Finessen. Und natürlich das grüne Label, das IWC seit geraumer Zeit trägt und dem die Firma auch gerecht wird. Viele stellten sich damals im Jahr 2005, als die Reklame stark verändert wurde, die Frage: Kann eine weniger machozentrierte Strategie annähernd so erfolgreich sein wie die bisherige? Heute wissen wir, sie kann. Vielleicht eben gerade weil die männlichste aller Uhrenmarken nicht mehr provoziert, sondern auf ­eine neue Art der Kommunikation setzt. Mittlerweile gehören IWC-Uhren aber auch zu den Top Three der Uhrenmarken der Welt, da kann man es sich erlauben, ruhiger aufzutreten. «IWC ist die derzeit attraktivste Uhrenmarke der Welt, vor TAG Heuer und Jaeger-LeCoultre», schreibt die Investmentbank Goldman Sachs in ihrer Studie über europäische Luxusgüter. Und auch wenn es um andere Bewertungs­ kriterien geht, sei es die Lancierung der innovativsten neuen Modelle, die Rangierung der Bestseller-Marken oder die höchsten Umsätze in den letzten sechs Monaten, stets figuriert IWC auf den vorderen Plätzen. Stippvisite im Schaffhausischen. Die 1868 gegründete Firma ist eine der wenigen Uhrenfirmen mit Hauptsitz in der Deutschschweiz, was den Vorteil hat für Besucher aus Zürich, dass eine lange Anreise in die Westschweiz – wo die meisten Uhrenfirmen beheimatet sind – entfällt. Mitten in der Altstadt gibt es ein vierstöckiges Gebäude aus dem vorigen Jahrhundert mit grossen Fenstern, flankiert von gläsernen Neubauten zur Linken und Rechten. Wegen ständig steigender Kundennach-

Once upon a time: alter IWC-Firmensitz.

Kompliziert wie ein Mann Früher sorgte IWC mit Sprüchen in der Werbung für Aufsehen. Heute tritt die Uhrenfirma zurückhaltender auf, schliesslich gilt sie als zurzeit attraktivste Marke der Branche. Von Carmen Gasser

«Wir haben IWC wachgeküsst», sagt Kern. «Unser Vorteil war, dass sie nur schlummerte.» frage wurden die Herstellungsstrassen er­ weitert und ein neues Produktionsgebäude bezogen. Kostenpunkt: 40 Millionen Franken. Das angeschlossene Museum sahen sich vergangenes Jahr über 15 000 Besucher an – die Uhrenmarke als Besuchermagnet. Es war im Jahr 2001, als für IWC ein neues Zeitalter begann. Mit der Übernahme des Chef­ postens durch Georges Kern kam nicht nur ein Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Arbeitszimmer mit Aussicht: neuer IWC-Firmensitz in Schaffhausen am Rhein. 25


«Das Designtalent überspringt leider eine Generation»: Georges Kern, IWC-Chef und Sohn eines Juweliers.

Tiefenforschung: Kameramann (mit einer IWC «Aquatimer» am Arm) beim Drehen eines Dokumentarfilms vor den Galapagosinseln. 26

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Markenprofi, der vielen mit seinen 36 Jahren ziemlich jung erschien, sondern einer, der keinen Stein auf dem anderen liess. Mittlerweile hat der Deutsche seinen Kritikern aber längst gezeigt, dass er es kann, und empfängt relaxed seine Besucher in dem schmucklosen Arbeitszimmer mit Blick auf den nahegelegenen Kirchturm. Einzig die Wandteppiche von Le Corbusier verbreiten einen Hauch von Luxus. «Wir haben die Marke wachgeküsst», sagt Kern, im Sofa sitzend, während er eine ColaFlasche öffnet, da er, wie er sagt, gerade aus dem Fitnesscenter kommt. Um den Satz dann noch zu ergänzen: «Unser Vorteil war, dass die Marke nur schlummerte.»

Designtalent überspringt Generation Damals sass der Sohn eines Juweliers aus Düsseldorf («das Designtalent überspringt leider eine Generation, ich muss mich mit Management-Kenntnissen begnügen») noch vor dem Globus und sah viele schöne und grosse Märkte, welche die vergleichsweise kleine Uhrenmanufaktur noch erobern könnte: die USA, Japan, China. Rund zwölf Millionen high net worth individuals gibt es auf dieser Welt, also Vermögende, die mindestens eine Million Franken Cash auf der hohen Kante haben – und die alle eine IWC am Handgelenk tragen könnten. Das Ziel war somit vorgegeben: aus der europazentrierten Manufaktur eine globale Uhrenmarke zu schaffen. Aber, so stellte sich bald die Frage, wie konnte das männliche Sprücheklopfen international, in andere Sprachen übersetzt werden ohne Sinnverlust? Gar nicht, kam Marketingmann Kern zur Erkenntnis. Also wurde die in Europa erfolgreiche Männerkampagne durch eine weltweit einsetzbare substituiert. Der rastlose Kern brachte die Köpfe der Kreativen zum Rauchen, neue Ideen wurden geboren mit dem Ziel, in Zukunft technische Details in den Fokus zu rücken, die Uhrengehäuse gross ins Bild zu ­heben, auf Farbbilder zu setzen. Zudem be-

Vermutlich trägt der Pilot eine Fliegeruhr «Top Gun» von IWC: Landung auf Flugzeugträger.

Ich bin ein «Portugieser»: eines der Spitzenmodelle von IWC.

IWC ist Sponsor von Rothschilds Expeditionen, und dieser hat die drei Buchstaben auf dem Segel. schloss man, auf das sogenannte green label zu setzen. An der jährlichen Veranstaltung des WEF traf Kern David de Rothschild, einen Spross der gleichnamigen Bankerdynastie und passionierten Naturschützer, der mit seinen Expeditionen zu ökologisch gefährdeten Gebieten auf Umweltprobleme aufmerksam macht. Bald war man sich handelseinig. IWC wurde Sponsor von Rothschilds Expeditionen, dieser hat seither die drei geflügelten Buchstaben auf dem Segel seines Expeditionsschiffes. Passend zu den diversen Sponsorverträgen, wurden auch Uhren, zum Teil in limitierter Auflage, ausgegeben. Wie die FliegeruhrSonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Ich auch: das gleiche Uhrenmodell an Tennislegende Boris Becker. 27


­ dition «Antoine de Saint-Exupéry», als E ­Hommage an den Schriftsteller und leidenschaftlichen Flieger. Oder der «Aquatimer Chronograph Edition Galapagos Islands», ­eine Uhr mit beschichtetem Edelstahlgehäuse aus mattschwarzem Kautschuk. Ein Teil des Erlöses aus den Verkäufen geht an die Charles Darwin Foundation, zur Unterstützung des Schutzes der Galapagosinseln. «Anfangs wur-

In Genf trat Kevin Spacey auf und spielte ein Stück, das er für den Event von IWC geschrieben hatte.

Ich würde nicht sagen, dass ich eine Modegöttin bin. Ich entwerfe Mode,

den wir wegen dieser Projekte belächelt», sagt Kern und fügt hinzu: «Heute hingegen werden wir kopiert.» Und ging Kern mit zahlreichen Berühmtheiten aus der Welt des Films und des Sports Kooperationen ein. IWC ist zum Beispiel ein wichtiger Geldgeber der Laureus Awards, einer Art Oscars für Sportler, auch deshalb tragen etwa Boris Becker, Luis Figo oder Zinédine Zidane Uhren aus Schaffhausen. Und am Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH), der Uhrenmesse in Genf, trat vergangenes Jahr Kevin Spacey auf und spielte die Hauptrolle in einem Theaterstück, das er für den IWC-Anlass geschrieben hatte.

Für die Ewigkeit Handarbeit I: IWC-Manufaktur, Anno 1924.

Handarbeit II: IWC-Produktion (85 Jahre und 40 Millionen Franken später). 28

Doch nicht nur die Werbung wurde auf den Kopf gestellt. Auch im Bereich der Produktion und Distribution wurde aufgerüstet. Vor rund zehn Jahren wurden noch 30 000 Uhren jährlich hergestellt, heute sind es 70 000, mit teils technisch anspruchsvollerem Innenleben als früher. Kürzlich wurde beispielsweise das neuste Modell der Da-Vinci-Kollektion auf den Markt gebracht, bei dem die Kalendariums­ anzeige bis in die Ewigkeit programmiert ist. Der Vorteil für IWC: So konnten die Durchschnittspreise erhöht werden. Gleichzeitig wurden die Modellreihen ausgebaut. Mittlerweile werden rund 150 verschiedene Uhren ­angeboten mit Preisen zwischen 7000 und 20 000 Franken. So wurde IWC im hauseigenen Richemont-Konzern zu einem der grössten Wachstumstreiber. Geschätzte 46 Prozent des Konzern-Uhrenumsatzes werden zwar noch immer durch Cartier erzielt, doch IWC und Jaeger-LeCoultre (mit je rund 10 Prozent) holen auf, wie eine Studie der Bank Vontobel belegt. Zurzeit muss sich IWC einer weiteren Bewährungsprobe stellen: der Finanz- und Wirtschaftskrise. CEO Georges Kern nimmt die ­Lage ernst und sagt: «Klar ist, dass allein in den USA mittlerweile 65 000 Banker arbeitslos wurden.» Dies habe natürlich Auswirkungen. Gleichzeitig aber würden die Kunden vermehrt auf Qualität setzen, was für IWC eine Chance biete. Starke Einbrüche in der Nach­frage beg fürchte er deshalb nicht. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009



Stoff für Träume

Die kostbarsten Kleider dieses Sommers werden in den Ateliers von Chanel genäht. Ein Bericht vom High End der Mode. Von Mark van Huisseling

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enn man Couture von Chanel verstehen, ach was, sich von den Kleidern verzaubern lassen will, muss man eine Reise unternehmen. Eine Reise nach Paris. Das liegt nahe. Weniger nahe liegt, dass man nicht einfach an die Rue Cambon fährt, wo sich die Wohnung befindet, die Coco Chanel gehörte, und die Chanel-Boutique, der Showroom et cetera. Sondern dass die Reise bei einer Firma mit Namen Albert Lesage im neunten Arrondissement beginnen sollte. Dort, im fünften Stock eines Wohnhauses, wird «gestickt». Das trifft es sprachlich, das Atelier Lesage ist eine broderie, eine Stickerei. Aber es ist auch eine ziemliche Untertreibung, wie wenn man sagt, in der Küche des Restaurants «Plaza Athénée» von Alain Ducasse werde «gekocht». Bei Lesage entstehen in Handarbeit Stoffe und Stoffverzierungen, aus denen die Couture von Chanel entsteht. In vielen Zimmern arbeiten Stickerinnen an Tischen vor Fenstern, durch die man über die Dächer der Stadt sieht. Eine ist Emily, eine kleine Engländerin, sie ist embroidery designer und hat die Ausbildung am Central St. Martins College of Art in London gemacht. In ihren sehr kleinen Händen entstehen zum Zeitpunkt meines Besuchs weisse Blumen aus Stoff, die in vier Tagen die Kleider respektive Hüte der Chanel-Frühjahrs-Couture-Kollektion verschönern werden. Der Chef heisst François Lesage und ist der Sohn des Firmengründers. Er bezog sein Büro im Jahr 1949, und so sieht es auch aus (das war ein Kompliment). An den Wänden gibt es Fo-

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tos, die ihn mit Yves Saint Laurent zeigen, mit Karl Lagerfeld, der die Couture-Kollektion von Chanel entwirft, oder mit Christian Lacroix, seinem Patensohn; er ist 79 Jahre alt. «Stickerei ist das zweitälteste Gewerbe», sagt er, «die Menschen wollten schon immer gefallen. Dazu braucht es schöne Kleider. Und dazu braucht es Stickerei.» Sein Unternehmen, das seit einigen Jahren der Firma Chanel gehört, aber für alle Couturehäuser stickt, hat 25 Mitarbeiter, vor 20 Jahren waren es 250. In St. Gallen, erzählt er, gebe es einige Stickereien, die auch gute Arbeit leisten. «Nur verwenden die mehr Maschinen als wir, bei uns gibt es fast nur Handarbeit.» Er selber könne, nebenbei, nicht einmal einen Knopf annähen, sagt er. Und bevor er gehen muss, sagt er, werde er es vermutlich nicht mehr lernen. Das nächste Ziel auf der Reise durch die Welt von Chanel ist 31, Rue Cambon im ersten Arrondissement. Dort gehört ein ganzer Block der Firma. Darin befinden sich verschiedene Chanel-Geschäfte, Showrooms für CoutureKundinnen und im dritten Stock, am Ende eines verspiegelten Treppenhauses, die ehemalige Wohnung von Coco Chanel (in der sie Gäste empfing und in die sie sich für cat naps zurückzog, aber nie übernachtete, das tat sie in ihrer Suite im Hotel «Ritz») sowie in den obersten zwei Stockwerken die Ateliers. In diesen Ateliers, die die Namen der Chefinnen tragen, die man première main nennt, werden die Couture-Kleider genäht. Es gibt ein Atelier Jacqueline (tailleur, Schneideratelier), ein Atelier Martine (flou, leichte, flies-

Entrée: Couture «für das tägliche Leben», wie es Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Karl Lagerfeld sieht. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Sortie: kleines «Schwarzes» in Weiss und über Hosen, weil man keine Zeit hat, sich umzuziehen. 31


sende Stoffe) oder ein Atelier Cécile, ein weiteres flou-Atelier. Das Erste, was man im Atelier Jacqueline, dem grössten, lernt, ist dasselbe, was man in einer Restaurantküche lernt: Man ist immer im Weg als Besucher. Bei Vollbesetzung arbeiten hier 57 Leute, davon vielleicht sieben Männer; zur Zeit meines Besuchs ist Vollbesetzung, denn die Kleider, die in vier Tagen an der Couture-Show zu sehen sein werden, sind noch weit davon entfernt, fertig zu sein. Als Laie ist man sicher, dass es nicht reichen kann – und dass deshalb vermutlich halbfertige Kleider von Models über den Laufsteg getragen werden. Aber Madame Jacqueline sagt: «So sieht es immer aus, kurz vor dem Defilee, aber wir sind im Plan, es wird reichen.»

Die «erste Hand» wählt aus Der Arbeitsablauf geht so: Die «erste Hand» wählt einen Stoff aus, nachdem sie die Handzeichnung von Karl Lagerfeld bekommen hat. Danach wird ihm der Stoff gebracht, und falls es in seinen Augen der richtige ist, beginnt eine Mitarbeiterin zu nähen. Oft entsteht ein Kleid in den Händen nur einer Näherin, das dauert je nach Entwurf zirka 120 Stunden. Darin nicht eingerechnet ist die Zeit, die in der broderie aufgewendet wurde, um den Stoff herzustellen – das kann noch einmal so lange dauern oder länger. (Und das sind schon zwei Gründe, weshalb ein Couture-Kleid 30 000 bis 50 000 Franken kosten kann.) Falls man fragt, wer beziehungsweise wie viele Kundinnen solche Kleider kaufen, bekommt man eine Antwort im Atelier Jacqueline. Namen gibt die prèmiere main keine aus der Hand, aber zeigt die Büsten, die an einer Wand des Zimmers nebeneinanderstehen. Jede der Büsten (im Grunde normale Büsten, wie sie bei jedem Schneider herumstehen) wurde mit Stoffkissen an den entsprechenden Stellen dem Körper der Kundin, wie er zum Zeitpunkt des letzten Auftrags war, nachge-

Es gibt auf der ganzen Welt noch ungefähr 120 Kundinnen, die Haute Couture kaufen. baut, sozusagen. Ich zählte vielleicht 30 solcher Büsten, habe aber vermutlich nicht alle gesehen; es gibt auf der ganzen Welt noch ungefähr 120 Kundinnen, die Haute Couture kaufen. Und man darf davon ausgehen, dass die meisten auch Chanel-Kundinnen sind. «Couture ist die DNA von Chanel», sagt Bruno Pavlovsky, Präsident von Chanels activités mode, den ich vor der Show im Pavillon Cambon-Capucines, dem letzten Halt der Reise durch die Welt von Chanel, treffe. (Meine Frage: «Macht es geschäftlich Sinn, Couture anzubieten?») Mit Ja oder Nein will der Franzose, der seit zwanzig Jahren für das Haus arbeitet, nicht antworten. Er sagt aber weiter, dass die 32

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Couture von Chanel erstens tragbar und zweitens wichtig sei für die Marke, weil die Entwürfe Kundinnen träumen lassen – und so zu der Begehrlichkeit der Marke beitragen. «Und Couture ist eine Art Kreativitätspool, in dem Ideen entstehen, die wir dann zum Beispiel auch in den Prêt-à-porter-Kollektionen umsetzen. Deshalb bauen wir die Couture sogar aus.» So besehen lässt es sich also ein wenig damit vergleichen, dass die Chefs von Ferrari ein Formel-1-Team unterhalten, wo technische

Die Models spielen Nebenrollen. Die Hauptrolle spielen die Kleider. Neuheiten entwickelt werden und durch das die Aussenwahrnehmung der Marke gepflegt wird. Das bringt Innovationen hervor und schafft Cachet, was bis auf das Image des, sagen wir, neusten Modells von Fiat oder Alfa Romeo, die zur Gruppe gehören, ausstrahlten.

Kanye West und Keira Knightley

Grafische Kollektion mit «Chefgrafiker» Lagerfeld: Sommerkollektion 2009, gezeigt im Pavillon Cambon-Capucines in Paris (von links unten im Uhrzeigersinn). Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Wem diese Herleitung zu weit hergeholt war, der sollte eine Couture-Schau von Chanel besuchen. In dem Raum, in dem sich der Laufsteg befindet und wo sonst seit neustem ein Restaurant untergebracht ist, wurde das Leitmotiv der Kollektion – weisse Blumen – als Dekoration und in Verzierungen, die an Wänden und den Balkonen hängen, aufgenommen. Und weitergeführt bis zu der Dekoration auf den Tischen, an denen man sitzt. (Die Gäste sind eine Mischung aus Kundinnen und Journalistinnen sowie ein paar Berühmtheiten; Kanye West, Keira Knightley zum Beispiel.) Während der Show werden 45 Kleider gezeigt (Madame Jacqueline aus dem Atelier hat recht gehabt ­­– es hat gereicht). Sie sind weiss oder weiss und schwarz. Die Models tragen ausser den Kleidern, von denen jedes nach den Massen der Trägerin hergestellt wurde – in der gleichen Qualität, als wäre es für eine zahlende Kundin –, Hüte, die ebenfalls Einzelanfertigungen sind, und Schuhe von Bottier Massaro, einem Massschuhmacher, der der Firma Chanel gehört. Nach der Passage über den Catwalk werden die Kleider in einen Schrank, also ein Archiv, des Hauses gehängt. Die Chance, dass eine Kundin die gleiche kleine Grösse hat wie ein Model, ist klein. Die Models, nebenbei, spielen Nebenrollen, obwohl bekannte Mädchen (etwa die Deutsche Luca Gadjus) dabei waren. Die Hauptrolle spielen die Kleider. Und noch jemand hat eine Hauptrolle: Karl Lagerfeld, der Modemacher, der die Kleider entwirft, seit 25 Jahren. Am Ende des Defilees geht er lachend und zufrieden mit seiner gezeigten Kollektion über den langen Laufsteg. Es freut ihn, dass die Gäste klatschen, das sieht man ihm an. In seiner Welt, und in der Welt g des Hauses Chanel, scheint die Sonne. 33


«Ich lasse mich von Finanzbetrügern beeinflussen»: Karl Lagerfeld über Inspiration. 34

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


«Wer schöpft denn hier etwas?» Karl Lagerfeld sieht sich nicht als Schöpfer, sondern als Macher von Mode. Und findet, das Haus Chanel verdanke ihm die wiedererlangte Grösse. Interview: Mark van Huisseling Vor einer halben Stunde ging das zweite Defilee, an dem die aus 45 Kleidern bestehende Haute-Couture-Kollektion für diesen Sommer gezeigt wurde, zu Ende. Danach stand der Chefdesigner Karl Lagerfeld einigen der anwesenden Journalisten zur Verfügung. Im Wortsinn – er stand auf der grossen Treppe an der Seite des Zimmers, ein paar Tritte erhöht, und antwortete den Fragestellern unten am Treppenfuss. Es gab dort, nacheinander, etwa Fernsehteams aus Japan oder Schreiber von Zeitschriften aus Grossbritannien. Ich war als Zweitletzter dieses Tages an der Reihe. Guten Tag, Herr Lagerfeld... ...Sie sprechen deutsch. Können wir uns setzen? Ich habe keine Lust mehr, hier wie ein Affe herumzustehen. Ich habe heute bereits eine Stunde Interviews gegeben, nach dem ersten Defilee nämlich. (Lagerfeld, und ich hinterher, ging dann zu einem der Tische, an denen während der Couture-Schau Zuschauer gesessen hatten, und eine seiner Mitarbeiterinnen brachte Getränke für uns.)

«Können wir uns setzen? Ich habe keine Lust mehr, hier wie ein Affe herumzustehen.» Worum geht es in der Kollektion, die Sie eben gezeigt haben? Was ist das wichtigste Thema? Um die weisse Seite. Es ist eine grafische Kollektion. Geht es darin auch um Reinheit? Das könnten wir ja brauchen in der gegenwärtigen Zeit. Es wäre prätentiös, wenn ich so etwas sagen würde. Aber ich darf es sagen, nicht wahr? Ja, Sie dürfen. Lassen Sie sich also beim Entwerfen von aktuellen Ereignissen beeinflussen, zum Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Drinnen ist Couture, draussen die Rue Cambon: Ateliers im Chanel-Haus, Model bei Anprobe. 35


Beispiel von den Vorkommnissen an den Finanzmärkten? Ja, ich verfolge die Entwicklungen an den Märkten interessiert. Und lasse mich davon beeinflussen, zurzeit vor allem von den Finanzbetrügern. Würden Sie so weit gehen und einmal eine Rezessions- oder eine Krisenkollektion entwerfen? Nein, das wäre kindisch. Wie nehmen Sie dann die im Augenblick herrschende Stimmung auf? Eine gewisse Funktionalität hält Einzug in meine Kollektion. Sie ist, sagen wir, ziemlich praktisch. Das kleine Cocktailkleid zum Beispiel trägt man bei mir über einer Hose. Heute hat ja niemand mehr Zeit, sich umzuziehen. Sie entwerfen seit 25 Jahren Couture für Chanel. Aber am Schluss ist es immer noch Chanel, nicht Lagerfeld, was Sie entwerfen. Sind Sie zufrieden mit dieser Ausgangslage? Vor 25 Jahren, als ich diese Stelle annahm, war Chanel nicht dort, wo das Haus heute steht. Es war keine grosse Marke mehr. Coco Chanel hatte sich disqualifiziert gegen Ende ihrer Laufbahn. Sie hatte sich, zum Beispiel, gegen den Minirock gesperrt, den Frauen anziehen wollten. Kann man sagen, es sei Ihr Verdienst, dass die Marke heute wieder Grösse hat? Ich hasse das Wort «Verdienst», ich spreche lieber von «Ergebnis». Aber man kann sa-

«Man gibt mir hier die Freiheiten, die ich will. Und das Budget, das ich brauche.»

Hüte von Katsuya Kamo; Big Sister sieht alles; die première main an der Nadel: (von oben). 36

gen, das Ergebnis meiner Arbeit ist, dass ich der Marke Chanel Grösse zurückgegeben habe. Was reizt Sie noch immer an Ihrer Aufgabe als Schöpfer ... ...Schöpfer? Wer schöpft denn hier etwas? Ich mache Mode, ich entwerfe Mode, wenn Sie wollen. Was reizt Sie eigentlich noch immer an Ihrer Aufgabe als Macher und Entwerfer der Mode von Chanel? Dass ich die Möglichkeit habe, zu machen, was ich will. Man gibt mir hier die Freiheiten, die ich will. Und das Budget, das ich dazu brauche. Andere Häuser geben die Couture auf oder machen sie kleiner. Bei Chanel soll die Bedeutung weiter zunehmen und das Geschäft damit vergössert werden. Was können Sie besser als andere Modemacher? Ich entwerfe für das tägliche Leben meiner Kundinnen – so wie Couturiers das früher auch schon gemacht haben. Gibt es tatsächlich Kundinnen, die ihr, wie Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Drink responsibly


Sie es nennen, «tägliches Leben» in Couture von Chanel leben? Ja, die gibt es. Natürlich handelt es sich dabei um Kundinnen, die ein sehr privilegiertes Leben haben. Denken Sie beim Modeentwerfen an diese Kundinnen und ihr Leben und ihre Bedürfnisse, ist das also einer der Gründe Ihres Erfolgs? Ich denke nie an meinen Kundenstamm, wenn ich entwerfe. Ich arbeite wie ein Künstler, der denkt auch nicht an mögliche Käufer seines Werks. Sind Sie ein Künstler? Ich bin kein Künstler. Ich bin Modezeichner. Und Produzent, Schreiber und Fotograf bin ich auch. Darf ich ein Foto von Ihnen machen? Es ist nicht zur Veröffentlichung gedacht, nebenbei, mehr eine Skizze, die mir dienen wird, wenn ich dieses Gespräch später aufschreibe. Ja, machen Sie eines. Und veröffentlichen Sie es. Oder sind Sie ein so schlechter Fotograf?

«Ich bin kein Künstler, ich bin Modezeichner, Produzent, Schreiber und Fotograf.» Ja, ich bin ein so schlechter Fotograf. Und wenn ich ein besserer wäre, würde ich es trotzdem nicht veröffentlichen. Dafür gibt es Profifotografen, denen ich nicht ihren Job wegnehmen möchte. Falls Ihr Bild besser wird als das eines Profis, gehört ihm der Job weggenommen. Dann ist er nicht gut genug. (Das Foto, das wir mit diesem Artikel veröffentlichen, ist nicht jenes, das der Autor gemacht hat.)

CC, KL und Model; Striche für die Ewigkeit; voilà: im Showroom (von oben). 38

Karl Lagerfeld, geboren 1933 in Hamburg als Karl Otto Lagerfeldt, ist seit 25 Jahren verantwortlich für die Modekollektionen von Chanel; nicht nur für die Couture, sondern auch für das Prêt-à-porter. Daneben fotografiert er zum Beispiel Reklamen für Mode- und Champagnerfirmen oder Porträts für Zeitschriften. Er schreibt und sammelt Bücher, in seiner Bibliothek gibt es zirka 300 000 Stück. Er lebt in Paris in seiner Stadtwohnung und auf einem Schloss bei Biarritz in Südwestfrankreich. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


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Democracy at Tiffany’s Der New Yorker Juwelier bedient Könige, Staatsmänner und Popstars. Aber auch Leute mit einem Budget von wenigen hundert Dollar, Euro oder Franken finden, was sie suchen. Von Katrin Roth

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enn Holly Golightly das sogenannte «mean reds»-Gefühl überkommt, hilft nur eines: Sie muss sofort ins Taxi springen und zum Edeljuwelier Tiffany & Co. fahren, wo sie allein beim Anblick der ausgestellten Schmuckstücke wieder zur Ruhe kommt. Im Filmklassiker «Breakfast at Tiffany’s» von 1961 spielt neben Audrey Hepburn als Holly Golightly auch der Juwelier Tiffany & Co. eine zentrale Rolle. Aber nicht erst seit dem Film steht der Name für Eleganz, im Gegenteil. Die Geschichte von Tiffany & Co. hat viel früher begonnen.

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Es war im Jahr 1837, als der junge Charles Lewis Tiffany von seinem Vater tausend Dollar Startkapital bekam für seinen Einstieg ins Geschäftsleben. Zusammen mit John B. Young eröffnete er am Broadway in New York den Laden Tiffany, Young and Ellis, wo die beiden Schulfreunde Schreibwaren und Geschenkartikel zu fixen Preisen anboten. In einer Zeit, in der alles verhandelbar war, hoben sich die Jungunternehmer mit ihrer Preistaktik von der Konkurrenz ab. Aber es war das Sortiment, welches den Erfolg brachte. Vor allem die schlichten Tafelbestecke aus Silber, deren Qualität neue Stan-

dards setzte, begeisterten die New Yorker Gesellschaft. Charles Tiffany hatte damit den Grundstein für das spätere Schmuckimperium gelegt.

Eintrag im «Blue Book» Das seit 1987 börsenkotierte Unternehmen hat im Jahr 2007 einen Umsatz von knapp 3 Milliarden Dollar erwirtschaftet und einen Gewinn von rund 330 Millionen Dollar gemacht. 8900 Mitarbeiter arbeiten für die Firma, die mit über 210 Boutiquen weltweit vertreten ist. Eine Filiale von Tiffany & Co. steht an der BahnSonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Morgens um acht, und die Welt ist wieder in Ordnung: Audrey Hepburn als Holly Golighly’s in «Breakfast at Tiffany’s», ebendort. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bild: Cinetext

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Art Jewelry», welche sich zum Ziel gesetzt hathofstrasse in Zürich. Das Interieur erinnert an te, Designkollektionen zu entwerfen. Es schuf das Mutterhaus in New York, von den Vitrinen damit die Basis für eine weitere Spezialität des aus gebürstetem Edelstahl bis hin zu den Hauses – die Zusammenarbeit mit Designern. Kirschholzmöbeln. Die dezent ausgeleuchtete Auslage ist bewusst offen gehalten, ausgestellt Frank Gehry fürs Ohr sind Silberwaren, Designerschmuckstücke und Diamanten. «Wir wollen, dass sich unsere Der Franzose Jean Schlumberger war der erste Kunden ganz ungestört einen Überblick verKünstler, den die Firma 1956 unter Vertrag schaffen können», sagt Kurt Huber, Managing nahm. Seine verspielten, filigranen SchmuckDirector. «Das Schöne an Tiffany & Co. ist, dass stücke in Form von diamantenbesetzten Fies hier kleine und grosse Preziosen gibt – je schen, Seepferdchen und Paradiesvögeln wanach Stil und Vorlieben.» ren einzigartig und erweiterten das Sortiment Diese grosse Auswahl ist typisch für Tifum eine komplett neue Linie. Später sorgte fany & Co. Schon in den Anfangszeiten wollte man eine breite Kundschaft ansprechen. Acht Jahre nach der Firmengründung erschien erstmals das «Blue Book»: ein Versandkatalog, im firmentypischen Blau gehalten. Die Artikel von Tiffany & Co. waren nun landesweit erhältlich. Aber Charles Tiffany wollte mehr, unermüdlich suchte er nach weiteren Trouvaillen, mit denen er seine weltgewandte Kundschaft überraschen konnte. 1848 wurde er in Paris fündig, wo er einige französische Kronjuwelen erwarb. Solche Edelsteine hatte man in seiner Heimat noch nie gesehen, fortan wurde er in der amerikanischen Presse als «Diamantenkönig» gefeiert. Und als er 1878 den weltweit grössten und reinsten gelben Diamanten kaufte, war er endgültig im Juwelenolymp angekommen. Die Bearbeitung dieses Edelsteins zum legendären Tiffany-Diamanten schrieb Schmuckgeschichte und ist gleichzeitig Bling-Bling: das eindrücklichste Beispiel Ohrschmuck (Turmalin, Diamanten, für die Firmenphilosophie, Spessartin), Fr. 37 600.–, und «The die Qualität über alles andere Tiffany Diamond», unverkäuflich, stellt: Der Diamant wurde von 128,54 Karat (oben). 287 Karat auf 128 Karat heruntergeschliffen, um ihn mit 90 Facetten erstrahlen zu lassen. Dass er damit Elsa Peretti mit ihren Kreationen für neue über die Hälfte verkleinert wurde, spielte keiAkzente in der Kollektion. Ihr folgte Paloma ne Rolle. Picasso, die mit Juwelenkompositionen wieDieser Qualitätsanspruch ist bis heute ein derum neue Trends setzte. Der vorläufig letzte Markenzeichen der Firma, wobei sich dieser in der Reihe ist der amerikanische Architekt Anspruch genauso auf das Material wie auf das Frank O. Gehry. In seinen Entwürfen spiegelt Design der Waren bezieht. Nach Charles Lewis sich seine Vorliebe für fliessende Formen und Tiffany stieg sein Sohn Louis Comfort Tiffany ineinandergreifende Volumen wider, wie man ins Geschäft ein. In seiner langjährigen Karriees von seinen Bauwerken (z. B. Guggenheim re entwarf er Schmuckstücke, gestaltete FensMuseum in Bilbao) kennt. ter und schuf die berühmten gläsernen TiffaViele dieser Schmuckstücke sind Designny-Lampenschirme. Darüber hinaus ist er Ikonen. Zusammen mit den klassisch gestaltebekannt als Gründer der Abteilung «Tiffany ten Artikeln ergibt sich ein breites Sortiment, 48

welches ein heterogenes Publikum anspricht. Im Erdgeschoss der Zürcher Boutique lässt sich ein Rekrut verschiedene herzförmige Silberanhänger zeigen. Offenbar will er seine Herzdame beschenken. Gemäss Managing Director Kurt Huber liegt er damit im Trend. «Die jüngeren Kunden interessieren sich vor allem für Silberschmuck.» Mit fortschreitendem Alter der Kundschaft verschiebt sich der Fokus auf den Diamantschmuck. Ein Stockwerk höher, diskret in einer Nische, sitzt ein Paar vor einer Auswahl von Ringen. Sie werden lange und eingehend beraten. «Ein Einkauf bei Tiffany soll immer ein Erlebnis sein», erklärt Huber. Ganz klar, Romantik wird bei Tiffany & Co. grossgeschrieben. Darum ist die Firma weltweit die erste Adresse für viele Brautpaare. In den USA gehört ein TiffanyRing genauso zum Antrag wie der Kniefall und die Frage: «Willst du meine Frau werden?» Die Faustregel für den Preis geht vom Monatsgehalt des Mannes aus. Wer etwas auf sich hält, investiert das Dreifache davon in den Verlobungsring. Eine Tradition, die sich bei den Schweizern eher nicht durchgesetzt hat. Gekauft und verschenkt wird, was gefällt. Besonders beliebt ist der klassische Verlobungsring mit dem runden Diamanten in der 1886 entwickelten Tiffany-Fassung. «Bei uns spielt die Grösse des Diamanten nicht die gleiche Rolle wie in den USA», sagt Huber.

Von Abraham bis Harrison Tausende von Edelsteinen werden von Tiffany & Co. jährlich geprüft. Nur die schönsten, reinsten und hellsten Steine werden von den Tiffany-Diamantenschleifern zu Schmuckstücken für die Company verarbeitet. Es sind Schmuckstücke, die damals wie heute gekrönte Häupter, Stars und andere Prominente zieren. Der US-Präsident Abraham Lincoln erwarb anlässlich seiner Amtseinführung für seine Frau ein Perlenhalsband von Tiffany & Co., und der Multimillionär J. P. Morgan bestellte ein goldenes Besteck-Set. Und in unserer Zeit hat der Schauspieler Harrison Ford seine Freundin Calista Flockhart letzte Weihnachten mit einem ganz besonderen Geschenk überrascht: In einer Gucci-Handtasche lag eine blaue Tiffany-Schachtel mit einem 200 000 Dollar teuren Verlobungsring, den er ihr nach Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


seinem Antrag und ihrem Ja an die Hand stecken durfte. Doch bei Tiffany & Co. werden alle Kunden gleich behandelt, unabhängig davon, ob einer einen silbernen Schlüsselanhänger oder einen Diamantring will. Die Schlüsselszene in «Breakfast at Tiffany’s» ist symbolisch für die

Wer bei Tiffany & Co. einkauft, verlässt den Laden immer mit der gleichen blauen Box. Geschäftsphilosophie des Hauses: Holly Golightly und ihr Freund Paul lassen einen Spielzeugring aus Blech gravieren, mehr lässt das Budget von zehn Dollar nicht zu. Kein Problem für den Verkäufer, der diesem Auftrag mit unerschütterlicher Freundlichkeit nachkommt. Eine Haltung, die es auch in der Realität gibt und dem Unternehmen jenen Glamour vermittelt, der es einzigartig macht. Wer bei Tiffany & Co. einkauft, verlässt den Laden immer mit der gleichen blauen Box. Ungeachtet von Status, Rang und Namen. Und unabhängig davon, ob darin ein silberner Schlüsselg anhänger oder ein Diamantring ist.

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bilder: Everett (Keystone)

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Schmucke Stücke Die Uhr ist der schönste Schmuck des Mannes (oder einer der schönsten). Das ist gut so und soll so bleiben. Doch auch Uhren, die Frauenarme schmücken, gehören diese Saison zu den interessanten Neuheiten. Sie sind nicht nur kostbar und technisch anspruchsvoll, sie sind auch grösser geworden – ein schöner Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

Sternenhimmel 379 Diamanten zieren die Montblanc Star Pluie D’Etoiles Lady Automatic Diamonds. Ein kratzfestes Saphirglas bedeckt das Perlmutt-Zifferblatt und die Zeiger. Das weissgoldene Gehäuse der automatischen Uhr weist einen Durchmesser von 36 Millimeter und eine Höhe von 11,7 Millimetern auf. Die Dornschliesse des Alligatorenleder-Armbands ist ebenfalls aus Weissgold gefertigt. Und man kann mit dieser Uhr, statt in den Sternenhimmel zu gucken, auch ins Meer eintauchen. Der glitzernde Chronometer ist bis 30 Meter Tiefe wasserfest. Fr. 54 300.— 50

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Im Schwarzen

Im Inneren

Moser produziert neu die TonneauUhr Henry Rosso mit einem Rotgoldgehäuse und einem schwarzen Zifferblatt. Das Zeitwerk wird per Handaufzug betrieben. Um Schwerpunktfehler zu verhindern, sind in der Moser-Uhr zwei gegensinnig schwingende Spiralfedern verarbeitet. Das Armband ist aus Krokoleder, die Schliesse ebenfalls aus Rotgold. Fr. 19 800.–

Dass Cartier nicht nur auffälligen Schmuck, sondern auch entsprechende Uhren anfertigt, zeigt die Tank Américaine, Tourbillon Volant, Kaliber 9452 MC. Das Zifferblatt, mit Stundenund Minutenzeiger aus gebläutem Stahl, hat zwei Ebenen. Über die erste graue wurde ein durchbrochenes Gitter gelegt. Auf ihm befinden sich die römischen Ziffern und die EisenbahnSekundenskala für das Tourbillon. Dank der grossen Zifferblattöffnung kann man im Gegenlicht die Konstruktion erkennen. Das mechanische Kaliber mit Handaufzug trägt das Siegel der Genfer Punze. Fr. 115 700.–

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Tonangebend

Augenblick

Klassisch

Die Stunden nicht nur mit den Augen, auch mit den Ohren wahrnehmen. Die Portugieser Minutenrepetition von IWC schlägt die Zeit minutengenau auf zwei unterschiedlich gestimmten Saiten an. Bei der Neuauflage dieses Klassikers ist das Gehäuse 2 Millimeter grösser als bei den Vorgängermodellen, da die Uhr einen neuen Antrieb erhielt. Die Höhe beträgt jetzt 14 Millimeter. Zudem wurde die Sekundenanzeige von 9 auf 6 verlegt. Der Repetitionsmechanismus schlägt jede vergangene Stunde nun auf einer tiefer gestimmten Tonfeder an. IWC produziert nur 500 Exemplare von diesem rotgoldenen Zeitmesser. Fr. 98 000.—

Auf der neuen Patravi EvoTec DayDate von Carl F. Bucherer ist nichts zu übersehen. Sowohl Zifferblatt wie auch Datums-, Tages- und Sekundenanzeiger sind sehr grosszügig gestaltet. Eine aus Kautschuk gefertigte Lünette umschliesst das zeitanzeigende Ensemble. Die Uhr ist mit dem Automatikkaliber CFB A1001 ausgestattet. Dank des «Central Dual Adjusting System», einer Feinregulierung mit zentralem Steuerelement, muss das Zentrum nur einmal justiert werden und ist danach fixiert und stossfest. Fr. 14 500.–

Besonders Piloten schätzen den Navitimer von Breitling. Zu ihrem 125-Jahre-Jubiläum bringt die Firma in einer Extraserie den Navitimer «125e Anniversaire» heraus. Die Edition ist auf 2009 Exemplare limitiert. Im Gehäuse befindet sich das BreitlingKaliber 26. Das Armband Air Racer ist ein gelochter Reifen. Fr. 6690.–

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Rosenzeit

Rotgoldig

Die Damen-Nautilus von Patek ist mit einer diamantbesetzten Lünette versehen. Das traditionelle NautilusZifferblatt in Anthrazitgrau erhielt einen femininen Anstrich. Das Gehäuse der roségoldenen Uhr ist mit 32 Millimetern etwas grösser als die früheren Modelle und verfügt über 46 Diamanten. Passend zu der Uhr gibt es einen Fingerring, der dem Design der achteckigen Lünette entspricht. Der Ring ist ebenfalls mit Diamanten verziert. Ca. Fr. 34 000.–

Breguet, Erfinder des legendären Tourbillon-Mechanismus, bringt zur Basler Uhren- und Schmuckmesse eine neue Version der Double Tourbillon auf den Markt – in Rotgold. Als Stundenanzeiger dient die Brücke, welche die beiden Tourbillons verbindet. Die Minuten hingegen werden mit einem herkömmlichen Zeiger aus der Mitte angegeben. Die HandaufzugUhr verfügt über ein 44 Millimeter grosses Gehäuse und besteht aus 18 Karat Rotgold. Das Zifferblatt besteht aus 18 Karat versilbertem Gold. Preis auf Anfrage.

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Rolf Fehlbaum, Chairman von Vitra, zwischen seinen St端hlen: Produkteinformationen auf Seite 60. 56

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Das Wunder von Weil Möbel herzustellen, schien Rolf Fehlbaum langweilig. Eine Design-Firma zu führen, findet der Vitra-Chef zauberhaft. Von Mark van Huisseling (Text), Patrick Hani und Cat Tuong Nguyen (Bilder)

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enn man in Weil am Rhein auf das Gelände der Firma Vitra, das offiziell «Campus» heisst, fährt, fallen einem zwei Dinge auf. Erstens: Das Unternehmen, das einem Schweizer gehört und ein Schweizer Unternehmen ist, befindet sich in Deutschland (zwar nur ein paar Kilometer von der schweizerisch-deutschen Grenze entfernt, aber dennoch). Zweitens: Auf dem Campus gibt es einen Baukran, einen hohen Baukran. Das heisst, es wird gebaut, richtig gebaut. Zu einer Zeit, in der andere Unternehmer von dem Ende der Welt, wie wir sie kennen, reden oder wenigstens von ein paar schwierigen Jahren, die bevorstehen, vergrössert man bei Vitra den Betrieb. Das Vitra-Haus der Architekten Herzog & de Meuron («ein weiterer spektakulärer Neubau», Basler Zeitung), in dem Möbel von Vitra ausgestellt werden sollen, wird kommendes Jahr fertig werden. (Bereits gibt es dort zum Beispiel ein Haus von Frank Gehry, das als Vitra-Design-Museum dient.) Der Bauherr, der auch Chairman von Vitra ist, heisst Rolf Fehlbaum. Ich traf ihn in einem

Es gibt Unternehmer, die erzählen gerne von ihrem Erfolg. Und es gibt Rolf Fehlbaum. Sitzungszimmer des Empfangsgebäudes auf dem Campus. Der 67-Jährige trug wie immer einen schwarzen Anzug und ein weisses Hemd ohne Krawatte. Es gibt Unternehmer, die erzählen gerne von ihrem Erfolg und ihrem Unternehmen; es gibt Unternehmer, die erzählen nur vom ihrem Unternehmen – und es gibt Rolf Fehlbaum. Er erzählt eigentlich nichts von sich und nichts von seinem Unternehmen. Deshalb kann hier nicht wiedergegeben werden, wie hoch der Umsatz oder Gewinn der Firma ist oder wie viele Sitzmöbel Vitra im Jahr verkauft. Oder wie gross der Anteil des Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

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Officemöbelbereichs im Vergleich zu dem des Wohnmöbelbereichs ist. Oder das Verhältnis der sogenannten Design-Klassiker (viele von Charles und Ray Eames, dem amerikanischen Gestalterpaar, die in den fünfziger und sechziger Jahren zahlreiche Möbel entwarfen, die heute dauerhafte Einträge im Archiv der Design-Geschichte sind), das Verhältnis dieser Klassiker also zu den Entwürfen für Vitra von Designern unserer Zeit, die vielleicht in ein paar Jahrzehnten einmal das Gewicht von ­Eames haben werden (etwa Jasper Morrison oder Ronan und Erwan Bouroullec).

beiter ist, bei Vitra gibt es keine festangestellten Designer, der Designer und sein Auftraggeber müssen erst ein relevantes Problem definieren und es dann gemeinsam lösen. Oder es wenigstens versuchen. «Als Design-Unternehmen betritt man Neuland und nimmt in Kauf, dass man gelegentlich scheitert.» In einer Kultur, in der es nicht möglich ist, dass einmal etwas nicht geht, geht nichts, findet er. Oder jedenfalls würden grosse Würfe nicht gelingen. Er nimmt als Beispiel Eames’ «Aluminium Chair» von 1958, den vielleicht besten Stuhl

Wie grosse Würfe gelingen

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Fehlbaum beantwortet auch nicht die Frage, wie viele Mitarbeiter es auf dem Campus in Weil gebe. Ich entgegne, ich würde deshalb die Autos auf dem Parkplatz zählen. Er findet das keine schlechte Idee. (Vermutlich weil er weiss, dass es zu viele Autos sind – bestimmt 250 oder mehr. Und es gibt noch einen weiteren Firmensitz, offiziell handelt es sich dabei sogar um den Hauptsitz, im schweizerischen Birsfelden; dort arbeiten ungefähr noch einmal soviel Leute wie in Weil.) Damit wir uns richtig verstehen: Fehlbaum muss keine Zahlen verraten über sein Unternehmen. Es ist ein Familienbetrieb, er gehört ihm und seiner Familie. Und es ist auch nicht so, überhaupt nicht, dass er deshalb kein angenehmer und interessanter Gesprächspartner wäre. Er ist bloss, sagen wir, zurückhaltend mit Einsichten, die das Unternehmen und ihn sowie seine Familie betreffen. Und vermutlich ist seine Art zu informieren, das heisst, nicht zu informieren, so gut wie seine Art, das Unternehmen zu führen. Denn dass sein Unternehmen Erfolg hat, spürt man, wenn man sich auf dem Campus umschaut, sich die Produkte zeigen lässt und dabei Mitarbeiter kennenlernt. Eine Firma, die so gelungene Möbel her-

In einer Kultur, in der es nicht möglich ist, dass einmal etwas nicht geht, geht nichts.

3 1 _ Panton Chair Classic, Verner Panton, 1959 2 _ Wire Chair, Charles und Ray Eames, 1951 3 _ Plastic Side Chair, Charles und Ray Eames, 1950 58

stellt und so zufrieden wirkende Mitarbeiter hat, der muss es ziemlich gut gehen. Das behaupte ich mit ziemlich gutem Gewissen. Auch wenn ich es mit Zahlen nicht untermauern kann. Man möchte klein und bescheiden daherkommen, sagt Fehlbaum. Denn «für ein Design-Unternehmen ist Grösse nicht massgebend». Die Gesamtheit der Tätigkeiten des Unternehmens müsse stimmen, es gehe um das Zusammenspiel von Produkten, Kommunikation und Architektur. Oder um das, was er «Projekt Vitra» nennt. Und dieses Projekt kann man, was die Produkte betrifft, sich ungefähr so vorstellen: Der Designer, den Fehlbaum «Autor» nennt und der ein freier Mitar-

Panton-Chair-Produktion: «Möbel herzustellen, ist nichts Aufregendes.» des 20. Jahrhunderts und ersten seiner Art (Sitzmembrane, Stoff oder Leder, über Rahmen aus Aluminium gespannt). Ein Stuhl, sagt Fehlbaum, auf den der Satz «Oft kopiert, nie erreicht» wirklich zutreffe.

Fehlbaums Baumstuhl Mit Entwürfen von Eames haben Fehlbaums Eltern und später er und sein Bruder die Firma Vitra aufgebaut und gross gemacht (oder «klein und fein» behalten, in seinen Worten). Willi und Erika Fehlbaum, die Ladeneinrichtungen herstellten, konnten nämlich in den fünfziger Jahren eine Lizenz für die Produktion und den Vertrieb der Möbel der amerikanischen Designer in Europa erwerben. Zunächst für eine begrenzte Zeit, inzwischen sind die Rechte für Europa an Vitra übergegangen. Aus heutiger Sicht ist schwer zu verstehen, weshalb der Designer respektive der Unternehmer, der seine Möbel herstellte, damals so entschieden hatte. Vielleicht hatte man die Möglichkeiten, die das zu möblierende Europa bietet, unterschätzt. Maybe they just didn’t care, die Amerikaner. Aber wie es auch ist, it is what it is. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


HALL OF FAME – AurEL AEbi AtELiEr Oï An ihm fasziniert uns seine leidenschaftliche Auseinandersetzung im Spannungsfeld von Funktion und Material. Pragmatisch und experimentell zugleich materialisiert er das bisher nie Gedachte. So entsteht, was Grosses auszeichnet und Kunden von teo jakob schon immer wussten: Dass Wissen nur mit Phantasie jene Qualität hervorbringt, die erfrischend neu ist und über den Tag hinaus besteht. www.teojakob.ch

MöbEL bürOMöbEL ObjEktMöbEL LEucHtEn tExtiLiEn PLAnung und innEnArcHitEktur


Und das ist gut für Vitra und Fehlbaum. «Möbel herzustellen, ist zunächst nichts Aufregendes», sagt er. «Ein Design-Unternehmen zu führen dagegen, ist zauberhaft.» Das ist vielleicht auch ein Grund, weshalb er in seinem Alter, in dem man als Mann in der Schweiz bereits pensioniert wäre, wenn man Angestellter wäre, immer wieder neue Produkte herausbringt: Diesen Monat wird am Salone del Mobile, der Möbelmesse in Mailand, der «Vegetal» vorgestellt, ein Stuhl aus Polyamid, der ein wenig aussieht wie ein «organisch gewachsener Baumstuhl» (Fehlbaum) oder wie ein sehr fein gearbeiteter Scherenschnitt zum Sichdraufsetzen. Der Entwurf, an dem die Brüder Bouroullec mit Vitra vier Jahre gearbeitet haben, hat etwas, um schon wieder Fehlbaums Worte zu benutzen, «Zauberhaftes». 4

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Sein Hobby? Häuser sammeln Was für ihn auch einen Zauber hat, so sieht es aus, sind Häuser. Häuser von guten Architekten. Auf dem Vitra-Campus steht etwa ein sogenanntes Feuerwehrhaus von Zaha Hadid, es handelt sich dabei um das erste Haus nach Plänen der irakischen Architektin und Trägerin des Pritzker-Preises (vermutlich die Auszeichnung, die Architekten bekommen können), das gebaut wurde. «Was hat es mit dem Sammeln aussergewöhnlicher Bauten von aussergewöhnlichen Architekten auf sich – ist das eine sogenannte Line-Extension oder Ihr Hobby?» Jedes Gebäude habe eine eige­ne Rolle, für die der geeignete Architekt gefunden werden müsse, sagt Fehlbaum und: «Wenn man schon bauen muss, weshalb nicht mit den Besten?» Das Briefing an Frank Gehry zum Beispiel sei damals gewesen: «Bau einen Schuppen, in den wir unsere Stuhlsammlung stellen können.»

Briefing an Frank Gehry: «Bau einen Schuppen, in den wir unsere Stühle stellen können.»

6 4 _ Cone Chair, Verner Panton, 1958 5 _ Wiggle Side Chair, Frank Gehry, 1972 6 _ Standard, Jean Prouvé, 1934 60

(Und in dem «Schuppen» aka Design-Museum finden heute Ausstellungen statt, zurzeit über George Nelson). Auch die besten Kreativen brauchen als Auftraggeber einen guten Partner, der mitmacht und mitdenkt, sagt Fehlbaum. Und es ist nicht ganz klar, ob er damit sagen will, auch die besten Architekten und/oder Designer, also Autoren, brauchen einen Unternehmer wie ihn, der ihre Entwürfe umsetzt. Das wäre ein wenig unbescheiden und würde nicht zu ihm passen. Zu ihm passt vielmehr der Satz, den er als Nächstes sagt: «Man sollte sich immer mit Leuten umgeben, die besser sind, als man selber ist.» Das haben sich vielleicht auch die Architekten von Herzog & de Meuron gesagt, die ein weiteres Haus bauen auf dem Campus. Ein Haus, in das Rolf Fehlbaum dann ein paar weig tere Stühle stellen kann.

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Vitras Wohnwelt 4

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1 _ Eames Plastic Armchair DAL Charles und Ray Eames, 1950, ca. Fr. 760.— 2 _ Slow Chair Ronan und Erwan Bouroullec, 2006, Fr. 3000.— 3 _ Softshell Chair Ronan und Erwan Bouroullec, 2008, Fr. 750.— 4 _ Kast Maarten Van Severen, 2005, Fr. 10 920.— 5 _ Low Table Set (3er-Set) Frank Gehry, 1972/200, Fr. 1 450.— 6 _ Vegetal Ronan und Erwan Bouroullec, 2008, Fr. 500.— 7 _ Basel Chair Jasper Morrison, 2008, Fr. 420.— 8 _ Nesting Tables (4er-Set) Josef Albers, 1926/1927, Fr. 1980.— 9 _ Aluminium Chair Charles und Ray Eames, 1958, Fr. 2110.— 10 _ Pretzel Chair George Nelson, 1952/Edition 2008, Fr. 2580.— 11 _ Amoebe Highback Verner Panton, 1970, Fr. 2220.— 12 _ Lounge Chair Charles und Ray Eames, 1956, Fr. 5540.— 13 _ LCW Calf’s Skin Charles und Ray Eames, 1945/1946, Fr. 2730.— 14 _Organic Chair Charles Eames und Eero Saarinen 1940, Fr. 1900.— 15 _Panton Chair Verner Panton, 1999, Fr. 300.— 16 _ C1 Verner Panton, 1959, Fr. 2000.— 17 _ Elliptical Table ETR Charles und Ray Eames, 1951, Fr. 2010.— 18 _ Elephant Stool Sori Yanagi, 1954, Fr. 110.— 19 _ Polder Sofa Hella Jongerius, 2005/2006, Fr. 7530.—

Das Bild befindet sich auf den Seiten 56/57 Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Roy Lichtenstein, Grrrrrrrrrrr!!, 1965. Oil and Magna on canvas, 68 x 56 1/8 inches. Solomon R. Guggenheim Museum, Gift of the artist. 97.4565. © The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York. Used by Permission.

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Ohrhänger New York: mit Brillanten, Gübelin, Fr. 3600.–.

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Schön wie eine Blüte

Ring-Fassung New York: Brillanten mit Smaragd, Gübelin, Fr. 9170.–.

Nicht nur die Natur schmückt sich, auch die Frau – mit Brillanten, Diamanten, Perlen. Von Schlegel/Vonarburg (Bilder)

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Collier Lagon: mit 279 Diamanten und weiteren Edelsteinen, Cartier, Preis auf Anfrage.

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Ohrclips Cage: Weissgold, Aquamarine, Bucherer, Fr. 56 500.–.

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Ring Cage: Weissgold, Aquamarin, Bucherer, Fr. 77 000.–.

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Collier: mit 12 Perlen und 553 Diamanten, Chopard, Fr. 200 250.–.

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Mein Berlin Für unseren Autor ist der Westen am besten. Dort gibt es alles, ausser eilige Menschen. Von Alexander von Schönburg

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enn man mit Ausländern über Berlin redet, fällt meist recht schnell das Wort «exciting». Aber Berlin ist eigentlich nur für die «spannend», die sich hier nur sehr kurz aufhalten. In Wahrheit ist die Stadt etwa so dynamisch wie Hergiswil. Berlin ist die einzige Grossstadt Europas, in der man nie eilige Menschen sieht, in der die Grundstimmung gleichgültig bis phlegmatisch ist und in der man verächtlich angesehen wird, wenn man auf einer Rolltreppe nicht stumpf stehenbleibt, sondern sich zaghaft an den Wartenden vorbeizudrängeln versucht. Immerhin können so einer Stadt Wirtschaftskrisen nichts anhaben. Hier passen die Menschen, die angesichts schmelzender Portfolios schlaflose Nächte verbringen, bequem in ein Grossraumtaxi. Wenn ich von «meinem» Berlin rede, konzentriere ich mich auf den Westteil der Stadt. Berlin ist nicht eine Stadt im klassischen Sinne, sondern besteht aus mehreren unabhängigen Städten, die über die Zeit miteinander verwachsen sind. Es ist erst zweihundert Jahre her, dass Alt-Berlin, das Städtchen Cölln und weitere Orte zur königlichen Residenzstadt Berlin vereinigt wurden. Die Teilung der Stadt hat die Zerrissenheit Berlins noch verstärkt, so dass man eigentlich von koexistierenden Städten sprechen muss. Es gibt alteingesessene Charlottenburger oder Wilmersdorfer, die nie den Ostteil der Stadt aufgesucht haben. Ich selbst wohne mit meiner Familie in Charlottenburg, im äussersten Westen der Stadt, sogenannte hippe, östlich gelegene Stadtteile (wie Prenzlauer Berg) besuche ich so häufig wie Kiew oder Warschau, also etwa einmal im Jahr. Sämtliche Restaurants, Kaffeehäuser und Geschäfte, die ich empfehlen kann, liegen im Westen. Für Touristen, die von der Obsession getrieben sind, anderen Touristen aus dem Weg zu gehen, sind meine Empfehlungen hilfreich, denn im Westen der Stadt sieht man keine Touristen, die tummeln sich im Osten, rund um den Boulevard Unter den Linden (wo es bis vor kurzem nichts gab bis auf eine Filiale von Aeroflot). Gewachsenen, etablierten, eingeübten Luxus gibt es nur im Westen. Mittag esse ich – im Sommer – entweder in meinem Klub («International Club», das ehemalige britische Offizierskasino, nur für Mitglieder und deren Gäste) direkt am Pool, bedient von Butlern in weissen Jacketts, bei «Adnan» in der Schlüterstrasse oder – wenn ich Lust auf Gesundes habe – im Bio-Bistro «Goril66

la». Wie jeder Deutsche habe auch ich einen «Lieblingsitaliener»: «La Cantina» in der Bleibtreustrasse. Wenn ich Gesellschaft will, gehe ich in die «Paris Bar», ein Lokal, wie es sie früher in jeder Grossstadt gab: ein zweites Zuhause, in dem man «seinesgleichen» trifft (und nur zahlen muss, wenn man gerade bei Kasse ist). Jacken und Anzüge kann man in Berlin im Chelsea Farmer’s Club oder bei Patrick Hellmann kaufen, Schuhe bei Truschinsky (Edward Green ist so grosszügig, ein paar seiner Meisterwerke auch in ausgewählte Läden der Zweiten und Dritten Welt zu liefern).

Nie ins Neo-Luxushotel Auch für das kulturelle Divertissement muss ich nicht den Westteil der Stadt verlassen. Unlängst hat – vis-à-vis vom Berggruen-Museum klassischer Moderne (ein Must!) – die Sammlung Scharf-Gerstenberg eröffnet, die dem Surrealismus gewidmet ist. Wenn man schon mal da ist, sollte man gegenüber im Park des Charlottenburger Schlosses spazieren gehen. Ein hinreissender Schlosspark, nicht ganz so überstilisiert wie die Schlossparks von Potsdam (und garantiert touristenfrei). Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass ich Gäste nie in einem der etlichen in den letzten Jahren entstandenen standardisierten NeoLuxushotels unterbringen würde, sondern in Herbergen, die über einen authentischen, wenn auch leicht verwitterten Charme verfügen. Entweder im «Savoy» (aber bitte sich keins der Zimmer unterhalb der Superior-Kategorie andrehen lassen!) oder, wenn’s nicht so teuer sein soll, im Hotel «Bogota», das schön lädiert und daher umso eleganter ist. In den zwanziger Jahren war es noch ein Wohnhaus, hier feierte der Kunstsammler Oskar Skaller seine rauschenden Feste. In der vierten und fünften Etage hatte einst die Fotografin Yva ihr Atelier, der junge Helmut Newton arbeitete hier als ihr Assistent. Er stieg immer hier ab, wenn er in die Stadt kam. Am liebsten im Zimmer 433. Der Mann hatte schliesslich Geschmack. Adressen: International Club Thüringer Allee 5–11 Tel. +49 30 30 67 220 Restaurant Adnan Schlüterstr. 33 Tel. +49 30 54 71 05 90 Bio-Bistro Gorilla Knesebeckstr. 5, Tel. +49 30 34 66 44 88 Trattoria La Cantina Bleibtreustr. 17, Tel. +49 30 88 32 156 Paris Bar Kantstr. 152, Tel. +49 30 313 80 52 Chelsea Farmer’s Club Bleibtreustr. 40, Tel. +49 30 88 72 74 74 Herrenschuhe Truschinsky Bleibtreustr. 27, Tel. +49 30 88 12 602 Herrenausstatter Hellmann Kurfürstendamm 53, Tel. +49 30 88 22 565 Museum Berggruen Schlossstr. 1, Tel. +49 30 32 69 5815 Sammlung Scharf-Gerstenberg Schlossstr. 70, Tel. +49 30 34 35 73 15 Hotel Savoy Fasanenstr. 9–10, Tel. +49 30 31 10 30 Hotel Bogota Schlüterstr. 45, Tel. +49 30 88 15 001 Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Illustration: Radionacional


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Sommervögel Acht der schönsten Düfte für die schönste Zeit des Jahres. Von Johann Cohrs (Bilder)

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Ein paar wenige von sehr vielen: Vor Kroatiens K端ste liegen insgesamt 1100 Inseln. 72

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bild: Bertrand Gardel (Hemis)


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n Split ist man stolz auf die Überreste des Palasts von Diokletian, einem römischen Kaiser (geboren zwischen 236 und 245, gestorben 313 oder 316). Meine Meinung, dass Leser, die für ein langes luxuriöses Wochenende nach Dalmatien fahren, vermutlich ähnlich indifferent seien wie ich, was das Leben des letzten «Soldatenkaisers» angeht bzw. die Bedeutung von Split (damals Spalatum), teilte meine Reiseführerin nicht. (Nur so viel: Diokletian, ein Christenverfolger, führte das Römische Reich aus der Krise des 3. Jahrhunderts.) Doch es war nicht schlecht, dass sie mir den Palast trotzdem zeigte. Die südliche Mauer liegt nämlich nur einige Meter entfernt von der neu gestalteten Uferpromenade, die Einheimischen nicht gefällt, weil zu modern, mir aber als gelungen auffiel. Weiter gibt es im ehemaligen Palast das «Luxor», eine Kavana, also ein traditionelles Restaurant, das ich empfehle. Oder das Hotel «Vestibul Palace», ein angenehmes Vier-Sterne-Haus, das man als Boutiquehotel mit zeitgemässem Design bezeichnen kann. Richtig gelesen, das alles (und mehr) gibt es in und auf den Mauern des ehemaligen römischen Palasts; Diokletian, obwohl vielleicht nicht der Kaiser mit der grössten Ausstrahlung in unsere Zeit, hatte auf jeden Fall ein grosses Haus bauen lassen. Jetzt disclaimer, eine Art Haftungsbegrenzung: Ich war Anfang März in der Gegend. Zu dieser Zeit gibt es wenige Touristen, und nicht alle Betriebe haben schon geöffnet. Was es aber gibt: den Südwind mit Namen «Jugo», der Kopfweh macht, sagen Einheimische, vor allem wenn er Sturmstärke erreicht. Was der Fall war – er blies so stark, dass die Autofähre, die Split mit Stari Grad, der zweiten Stadt der Insel Hvar, verbindet, den Betrieb vorübergehend einstellte. (Kommt nur alle fünf Jahre vor, angeblich, und bloss in der «Jugo»-Saison, eigentlich im Februar.) Split ist eine Stadt, die so aussieht, wie man sich eine hübsche Stadt an der Adria vorstellt: kleine Gassen, weite Plätze, viele Geschäfte und Restaurants, in denen immer jemand sitzt und Kaffee – es gibt Espresso von italienischen Anbietern – trinkt. Dalmatien hat, so sieht es aus, eine café society, eine Kaffeehauskultur; immerhin stand das Land eine Zeitlang auch unter österreichisch-ungarischem Einfluss.

Das Restaurant «Sperun», ein paar Meter entfernt vom Fischmarkt, gehört Professor Zdravko Banovic. Er sieht aus wie eine Figur aus einem Film von Emir Kusturica, bloss besser angezogen. Und weil er nicht nur Wirt ist, sondern auch für das Touristeninformationszentrum arbeitet, dessen Büro ebenfalls im ehemaligen Diokletianpalast liegt, ist sein Restaurant in jedem Reiseführer (sein Bild ebenfalls); der beste Führer, den ich finden konnte, nebenbei,

Prosciutto und Käse zur Vorspeise, danach frischen Fisch vom Grill am besten. Wie geschrieben, Split ist eine hübsche Stadt. Ich würde aber nicht mehr als eine Nacht und zwei Tage einplanen (am zweiten Tag Trogir besuchen, eine sehenswerte Stadt mit «historischem Kern» [Wikipedia], wenige Kilometer entfernt). Möglicherweise stehe ich mit dieser Sicht einsam da. Die Verantwortlichen des ersten Fünf-Sterne-Hotels, des «Le Méridien» in Lav, einem Vorort von Split, sagten, sie hätten in der Saison (ab ungefähr Ostern bis Ende September) zur Mehrheit Gäste, die eine Woche blieben. Das direkt am Meer, an einem künstlichen Strand gelegene «Le Méridien» ist ein Haus mit internationalem Standard, dem man anmerkt, dass es zu der amerikanischen Kette «Starwood Hotels and Resorts Worldwide» gehört. Im Mai dieses Jahres soll ferner das «Marjan», früher das beste Hotel Jugoslawiens, wieder eröffnen. Die Lage des Fünf-Sterne-Hauses (auf der Halbinsel Marjan, gegenüber dem Hafen), das neu von einem Unternehmer geführt wird, ist nur schwer zu schlagen. Die verbleibenden Tage sollte man auf und in Hvar verbringen. Hvar heisst die innert 45 Minuten mit dem Katamaran zu erreichende Insel vor Split. Und Hvar heisst auch die wichtigste Stadt auf der Insel. Das beste Hotel befindet sich zehn Schritte neben dem Anlegeplatz des Katamarans, das «Riva». Gleich daneben ist das «Carpe Diem», die Bar, die man gesehen haben muss, wenn man sagen will, man habe Hvar gesehen. Das «Riva» ist ein Haus, wie man es sucht für einen Aufenthalt an einer solchen Lage (aber meistens nicht findet). Es gibt rund fünfzig Zimmer, viele davon haben Sicht über den Hafen und die Bucht, das ist matchentscheidend. Im «Riva» will man kein Zimmer mit city oder garden view, sondern eines with a view, also eines, von dem man auf das Meer sieht. (Man sieht dann sogar vom Bett auf das Meer, das hat der Innenarchitekt sichergestellt.) Die Preise – ab ungefähr 350 Euro die Nacht im Doppelzimmer – sind in Ordnung, für das, was man bekommt. Das beste (und teuerste) Zimmer ist die Suite am Ende des Gangs im dritten und obersten Stock, dort hat man unter anderem eine kleine, sagen wir, blickdichte Terrasse.

Das lange luxuriöse Wochenende

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009 Bild: Dennis Degnan (Corbis, RDB)

Die dalmatische Küste wird diesen Sommer ein Must-Ferienziel sein. Unser Reporter fuhr hin, um zu sehen, ob das Angebot gut genug ist für hohe Ansprüche. Von Mark van Huisseling

Der Journalist an der Arbeit: auf der Piazza von Hvar.

ist die Croatia Issue 2008/2009 von Time Out (auf Englisch). Kroatisches Essen, wie man es etwa im «Sperun» bekommt, dürfte den meisten Besuchern aus der Schweiz schmecken – es handelt sich um eine Mischung aus italienischer und österreichischer Küche mit Einflüssen aus der Region. Ich rate von dem zu weltläufigen Angebot in Restaurants grösserer Hotels oder sogenannten Gourmetlokalen ab. Ich fand Angebote wie etwa den örtlichen

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Vergangenes Jahr wohnte Kevin Spacey dort. Wenn man Hotelmitarbeitern zuhört und Journalisten glaubt, war in den vergangenen Jahren ziemlich jeder Name, der auf der A-Liste steht, wenigstens ein paar Tage an der dalmatischen Küste. Unter anderem darum, weil es dort keine Pressefotografen und Reporter gebe.

Eigentlich zu grand für den kleinen Ort Ich denke, der wirkliche Grund ist ein anderer: Die Küste ist sehr geeignet für Gäste, die mit Booten unterwegs sind. Es gibt zirka 1100 Inseln, die, logischerweise, recht nahe nebeneinander liegen, man könnte ziemlich lange Ferien machen – und dennoch jeden Tag eine andere sehen. Und, vor allem, man kann mit der Jacht mitten in die Stadt fahren sozusagen (zumindest in Hvar), um das Boot zu zeigen (und sich selber). Ein weiterer Vorteil für Bootsreisende: Man erreicht die schönsten Badeplätze. Das Wasser, nebenbei, hat eine Farbe, die ich in Europa so erst vor Sardinien gesehen habe, wo es auch viele Felsstrände gibt. Von blossem Auge betrachtet, stimmt der Slogan «Kroatien – das Mittelmeer, wie es einmal war» also. Hvar ist eine viele hundert Jahre alte Hafenstadt, die wegen ihrer Lage zu der grossen Zeit Venedigs und der Venezianer wichtig war und reich wurde. Damals baute man Häuser und Kirchen, die noch immer stehen und heute

Das beste (und teuerste) Zimmer ist die Suite im dritten Stock, Kevin Spacey wohnte dort. eigentlich zu grand sind für den kleinen Ort. Das sorgt für ein gewisses Cachet, im Preis inbegriffen. Die Preise liegen ungefähr dort, wo sie an den meisten schönen touristischen Orten, wo es ein gehobenes Angebot gibt, liegen (aber rund fünfzehn Prozent unter dem, was man zum Beispiel in Südfrankreich zahlen würde). Nach meiner Erfahrung ist die Bereitschaft der Angestellten in Restaurants und Hotels, Dienstleistungen für den Gast zu erbringen, recht hoch, bestimmt nicht niedriger als etwa in Italien oder Frankreich. (Meine Führerin war anderer Meinung.) Und auch die Kenntnisse der Mitarbeiter ihres Fachs fand ich ausreichend. (Meine Führerin war schon wieder anderer Meinung.) Ich empfehle Hvar, mit einem Stopover in Split. Auf jeden Fall, falls man über Baudenkmäler aus vergangenen Zeiten nur das Executive Summary mitnimmt. Und wenn nicht gerade die Saison des «Jugo», des Südwinds, ist. Der macht nämlich wirklich Kopfweh. Wir danken den Hotels «Le Méridien» in Lav und «Riva» in Hvar, der Kroatischen Zentrale für Tourismus sowie Croatia Airlines für ihre Unterstützung (Direktflüge Zürich–Split im April immer samstags; im Mai immer montags, mittwochs und samstags).

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Inselleben: Lavendelfelder in Blüte; kleines Auto zu Land; grosses Boot zu Wasser im Hafen von Hvar (von oben). Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Bilder: Nik Wheeler (Corbis, RDB), Jonathan Blair (Corbis, RDB), René Ruis (Sodapix)


Niemand ist eine Insel: vor Hvar.

Keine Katze auf dem Dach: Hvar von oben.

Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Bilder: Nik Wheeler (Corbis, RDB), Donald Nausbaum (Alamy)

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Der CEO Ein 750i von BMW ist ein Auto, das man gerne selber fährt. Falls man keinen Chauffeur hat. Von Mark van Huisseling

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s gab einmal eine Reklame, auf der sah man ein Auto und die Zeile «Nicht für Leute in einem Zeugenschutzprogramm». Die Anzeige war nicht von BMW, und damit wurde nicht das Modell 750i Limousine beworben. Und das ist gut, denn diese Headline wäre nicht richtig gewesen. Auch dann nicht, wenn man einrechnet, dass in einer Reklame ein wenig getrommelt, also übertrieben werden muss. Denn das von mir Test gefahrene Modell, das es so seit Ende des vergangenen Jahres gibt, erzeugt so etwas wie die umgekehrte Wirkung des Autos aus dieser Anzeige. Ich will damit nicht sagen, es sei nur ein Wagen für Leute in einem Zeugenschutzprogramm. Nicht nur, natürlich nicht, aber es wäre ein möglicher Kundenkreis. Der neue grosse BMW ist nämlich ein Fahrzeug, das man übersieht, falls man kein scharfes Auge hat und gut hinschaut.

Die Niere gefällt Das ist, erstens, ein Kompliment und, zweitens, irgendwie ein Widerspruch. Immerhin hat man es mit einem grossen Auto zu tun: Der 7er ist 5,07 Meter lang und 1,90 Meter breit, zählt mit diesen Massen also zu den längeren und breiteren Fahrzeugen auf unseren Strassen. Und es ist auch nicht so, dass der BMW im Grunde ein unscheinbarer oder sogar unansehnlicher Wagen wäre. Im Gegenteil, mir ge-

Früher hätte man schreiben können, «diskret wie eine Schweizer Bank». fällt die Front mit dem zweigeteilten Grill (der «Niere» also), ich finde die Karosserie auch von der Seite schön; und weshalb mein Kollege Ulf Poschardt einmal das Heck beziehungsweise die Rücklichter als nicht ganz gelungen oder so beschrieb, leuchtet mir nicht ein. Man muss aber sagen, der 7er ist alles andere als in your face, früher hätte man schreiben können: «diskret wie eine Schweizer Bank», dieses Bild darf man jetzt nicht mehr gebrauchen. Sagen wir also, es gibt für 172 140 Franken – so viel kostet das voll ausgerüstete Modell, das ich fuhr – vermutlich kein Auto, das weniger auffällt. Oder: Wenn der Wagen eine Frau wäre, wäre er 76

nicht Pamela Anderson, sondern, zum Beispiel, Veronica Ferres. Und das ist genau das, was die Entwickler wollten, denke ich. Denn ihr Kunde dürfte CEO sein oder Vorstandsvorsitzender, wie das in Deutschland heisst. Und der sollte nicht mit seinem Auto auffallen wollen. Dafür könnte er, falls er das möchte, hinten rechts in dem

Wagen sitzen. Er würde zwar etwas verpassen, nämlich selber fahren zu dürfen; dafür hätte er genügend Platz, um arbeiten zu können oder was auch immer ein CEO tun möchte. Einen weiteren Vorteil gibt es zudem, wenn man den 7er als vom Chauffeur gefahrene Limousine verwendet: Man braucht keinen Parkplatz zu finden. Natürlich hat der Wagen Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Slogan des Herstellers «Freude am Fahren» einlöst. Der Achtzylindermotor mit 407 PS aus 4,3 Liter Hubraum macht tatsächlich Freude am Fahren. Weil man nämlich vergisst, sobald der Fuss das Gaspedal nach unten drückt, dass das Gesamtgewicht über zwei Tonnen beträgt und man möglicherweise unterwegs ist an eine anstrengende geschäftliche Besprechung oder so. Der Weg dorthin, wenn er auch nicht das Ziel ist, ist allerdings sicher, sehr sicher. Die Limousine bietet auf Wunsch zum Beispiel eine Spurverlassens- oder Spurwechselwarnung sowie eine Geschwindigkeitsregelung mit «Stop & Go»-Funktion, wie das heute heisst

In dieses Auto setzt man sich, im Minimum, in einer Anzughose und einem Polohemd. auf BMWisch, früher hätte man «Tempomat» oder so gesagt. Nur hätte ein solcher keinen Radarsensor gehabt, der den Abstand zu einem langsameren, vorausfahrenden Fahrzeug misst und anpasst (funktioniert wirklich; die Steuerung nimmt nicht bloss Gas weg, wenn man zu nahe auffährt, sie baut sogar Bremsdruck auf, wenn beispielsweise ein Auto vor einem die Spur wechselt und einem zu nahe kommt).

Schwarze Kreditkarte

alles, was Wagen, die höchsten Ansprüchen genügen, heute haben, um das Leben und Parken einfacher zu machen (Einparkhilfe, Rückfahrkamera, «Side View», das heisst Kameras in den Seitenwänden), aber finden muss man eine Lücke, die genug Platz bietet für dieses grosse Auto, trotzdem noch, und das ist vor allem in Städten schwierig. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Was aber nicht heissen soll, der BMW liege irgendwie nicht gut in Händen oder auf der Strasse. Im Gegenteil, ich fand es überraschend, wie handlich das Auto einem vorkommt, sobald man damit auf der Landstrasse oder der Autobahn unterwegs ist. Und wenn wir es davon haben: Da gibt es dann auch genügend Momente, in denen das Fahrzeug den

Wie andere moderne gute Wagen hat auch der 750i für fast alles und jedes eine elektronische Hilfe, die Fehler des Fahrers verbessert. Der BMW ist also ein Auto, das dafür sorgt, dass man meint, man sei ein richtig guter Fahrer, selbst wenn man einer ist, der von sich eigentlich nur sagen sollte, er habe einen Führerausweis, und nicht, er könne fahren. Einen Gegenstand gibt es aber, bei dem der neue 7er ein bisschen weniger nachsichtig ist als andere Autos: Dresscode. Er schreibt einem sozusagen vor, wie man sich kleiden soll, wenn man ihn fahren möchte. Es ist eine ungeschriebene Vorschrift, klar, aber das sind ja die Vorschriften, die man einhalten will, weil man sich sonst als in Stilfragen unerfahren hinstellt. In dieses Auto setzt man sich, im Minimum, in einer Anzughose und einem Polohemd. (Und ein Jackett liegt besser auf der Rücksitzbank bereit.) Natürlich kann man den Wagen auch in Jeans und Sweatshirt lenken. Aber dann sieht man aus, als wäre man nicht mehr CEO, sondern «zwischen zwei Jobs». Und gerade auf dem Weg zum ehemaligen Arbeitgeber – um die Firmenschlüssel und die schwarze Kreditkarte zurückzugeben. Und, logisch, den 7er-BMW. Bei dem von unserem Autor testgefahrenen Fahrzeug handelte es sich um einen BMW 750i Limousine mit Katalogpreis 136 500 Franken (Grundausstattung); Preis des beschriebenen Modells: 172 140 Franken.

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Essen

Meine Restaurants Von Mark van Huisseling _ Sechs aktuelle Lieblinge unseres Kritikers (in dieser Abfolge): ein ziemlich neues, zwei mit neuen Chefs und drei Klassiker.

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ao’s _ Im Sommer wahrscheinlich die schönsten al fresco-Tische Zürichs – unter einer zirka 300-jährigen Platane auf dem Augustinerhof, einer Art Garten, nur wenige Meter von der Bahnhofstrasse entfernt. Die Küche kann man mit crossover oder fusion beschreiben. Das heisst, von allem ein bisschen – italienisch, thailändisch, Real Food (Gnocchi mit Chili, Basilikum und Langustinen, Sashimi-Tunfischsteak mit Sesam und Limone, Burger mit gegrilltem Poulet und Rindsfilet). Ferner bietet das Lokal ein Dessert nach dem Dessert: den Nachtklub mit Namen «Icon». Wer «ein Haus weiter» möchte, ohne das Haus verlassen zu müssen, lässt sich die Treppe hochführen. Restaurant Tao’s und Klub Icon, Augusti­nergasse 3–5, Zürich. Tel. 044 448 11 22

Chasellas-Suvretta _ Vermutlich ist es ein wenig chic, über das «Chasellas» ein wenig zu schimpfen – um dann doch hinzugehen. (Zum Beispiel «Gault Millau»: «Es hat uns schon besser gefallen im ‹Chasellas›.») Das liegt wahrscheinlich daran, dass Gäste zu dem Bergrestaurant mit der Küche, die man als «bürgerlich» beschreiben kann, so etwas wie eine Liebesbeziehung haben. Und deshalb recht intolerant sind. Frau Rüedi, die das Lokal, das zum «Suvretta House» gehört, dreissig Jahre lang führte, ist nicht mehr. Aber erstens: Things change, und zweitens: Sonja Jörg, ihre Nachfolgerin, kann es auch. Wer in St. Moritz nicht nur gut, sondern auch gemütlich zu Abend essen will, lässt rechtzeitig reservieren. Oder geht mittags auf die sonnige Terrasse. Chasellas-Suvretta, Via Chassellas 22, St. Moritz. Tel. 081 833 38 54

Fumagalli _ Dieses Restaurant an der sogenannten Zürcher Goldküste gibt es so erst seit April vergangenen Jahres, zu kurz, um lang darüber zu schreiben. Nur so viel: hingehen. Denn was man noch nicht kennt, kann man noch entdecken. Das Wirtepaar Kathrin und Dario Fumagalli (vorher im Hotel «Eden au Lac» in Zürich) sind in das Haus mit Namen «Riedsteg» in Uetikon gekommen, um zu bleiben. Die Renovation ist geglückt, und die als mediterran bezeichnete Küche – Spezialität: 78

hausgemachte Pasta – schmeckte beim ersten Probieren nach mehr und einem zweiten Besuch. Auf der Weinkarte stehen, obwohl Herr Fumagalli Italiener ist, auch interessante Spanier und Portugiesen. Fumagalli, Bergstrasse 109, Uetikon am See. Tel. 044 920 01 09

Ristorante Bindella _ Als ich das erste Mal Gast war, wohnte ich noch in Bern. Ich sass also im «Bindella» auf einem rotbraunen Stuhl «Cab» von Cassina am weissgedeckten Tisch und dachte: So ist das Leben, wenn man in einer richtigen Stadt lebt und/oder in Italien (ich wusste noch nicht, dass Italiener in der Schweiz italienischer sind als in Italien). Das ist 23 Jahre her, und es gefällt mir immer noch im «Bindella», unter anderem, weil es immer noch gleich ist (das war ein Kompliment). Ich meine auch, die Karte sei nicht gross anders. Das heisst, vermutlich ist alles anders, man

merkt es nur nicht. Der Branzino (Wolfsbarsch) vom Grill oder das Rindsfilet im Pfännchen sind eben Klassiker, die man 1986 so gerne gegessen hätte wie 2009. Ristorante Bindella, In Gassen 6, Zürich. Tel. 044 221 25 46

Bürgi’s Burehof _ Schön, dass es das noch gibt: ein sogenanntes Gourmetrestaurant, in einem schönen Haus, das in einer schönen Gegend steht (Euthal am Sihlsee). Einen Herrn Bürgi gibt es auch, er ist, tatsächlich, der Koch und seit vielen Jahren am Herd. Spezialitäten sind Fleischstücke für zwei Personen, und diese werden auf dem Grill gebraten, der sich in der Gaststube befindet. Ein Wort zur Weinkarte: gross. Deshalb, und weil es ein Restaurant ist, zu dem man mit dem Auto fährt, gibt es zahlreiche halbe Flaschen von ganzer Qualität. Andererseits: Wie sieht das aus, wenn man als Mann eine halbe Flasche bestellt? Darum Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


Trinken

Mein Champagner Von Christoph Richterich _ Es gibt wenige Produkte, die französischer sind als der Schaumwein. Und en France lernt man auch, wie man ihn trinkt.

D

ie Vorbehalte kommen nicht von ungefähr. Champagner ist aufs engste mit seinem Herkunftsland Frankreich verbunden. Die Bezeichnung «Champagne» ist geschützt und darf nur für bestimmte Schaumweine aus der gleichnamigen Region um die nordfranzösische Stadt Reims verwendet werden. Champagner wächst auf französischem Boden, wird in Frankreich gekeltert, und mehr als die Hälfte wird auch in Frankreich getrunken. Frankreich aber war über lange Zeit der ­Nabel des mondänen Lebens, der Inbegriff von Raffinement und Eleganz. Die ganze Welt schielte ehrfürchtig nach Haute Cuisine und Haute Couture, und noch heute zehrt besonders die Hauptstadt Paris von diesem legendären Ruf, wenn sie Parfüms und Foulards ins Ausland exportiert. Mit französischen Produkten wird immer auch ein Stücklein Savoirvivre gekauft.

Unbekümmerte Romands

gibt es drei Zimmer zum Übernachten und Ausschlafen im oberen Stock. Bürgi’s Burehof, Euthalerstrasse 29, Euthal. Tel. 055 412 24 17

Ziegelhütte – Meistens ist, wo «Landgasthof» draufsteht, keiner drin, sondern ein Restaurant mit einer sogenannten Menage auf dem Tisch – und einer Flasche in der Küche. Nicht so in der «Ziegelhütte». Dort steht nirgends Landgasthof, dafür handelt es sich um einen solchen (und zwar seit 1873). Im Sommer gibt es einen Garten mit Kiesboden und das ganze Jahr eine sogenannte Bauernstube mit meinem Lieblingstisch, an dem man auf dem Ofebänkli sitzt. Ein weiterer Grund, jetzt hinzugehen: Spargeln aus dem Flaacher Feld haben zurzeit Saison. Ziegelhütte, Ziegelhütte 589, Flaach. Tel. 052 318 15 21 Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Bild: Besteck und Geschirr von Füglistaller Zürich (www.fueglistaller.ch)

Sicher hat auch der Champagner von dieser Aura der Exklusivität des «made in France» profitiert. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass uns in der Deutschschweiz beim Genuss von Champagner eine französische Eigenheit entgangen ist: Franzosen stellen nicht nur dann höchste Ansprüche an die Qualität ihrer Produkte, wenn es etwas zu feiern gibt — sondern immer. Eine hochstehende Verarbeitung in Handarbeit wird nicht als exquisite Besonderheit empfunden, sondern als courant normal. So erklärt sich auch die Nonchalance unserer Nachbarn im Westen, wenn es um ihr Nationalgetränk Champagner geht. Champagner gilt nämlich nicht in erster Linie als spezieller Tropfen für feierliche Anlässe, sondern als Wein auf der Höhe eines guten Bordeaux. Das heisst, dass er sich auch als idealer Begleiter zu einem guten Essen eignet. Nicht nur an einem Galadiner, nicht nur an der Opernpremiere, sondern einfach zu einem guten Essen. Das kann, aber muss auch nicht zwingend ein Jahrgangschampagner sein. Der natürliche Umgang mit hochwertigen Gütern ist aber inzwischen keine ausschliesslich französische Eigenheit mehr. Wie in zahllosen anderen Belangen haben die Romands

schon aufgrund ihrer geografischen Nähe und der gemeinsamen Sprache den Franzosen ihre Unbekümmertheit abgeschaut. Der Champagner hat zwischen Genf und dem Röstigraben den Weg vom roten Teppich ins Restaurant ­ bereits gefunden. Die Romands trinken ihn meistens zu Fisch oder Meeresfrüchten, anstelle eines Weissweins. Überzeugte Winzer Das zeigt auch, wie unbegründet ein anderes Vorurteil gegenüber dem Schaumwein ist, nämlich dasjenige des Preises. Verglichen mit einem Rotwein entsprechender Qualität, liegt Champagner auch preislich nicht ausserhalb des Rahmens. Im Unterschied zu vielen anderen Weinen kann man sich bei Weinen, die sich Champagner nennen dürfen, aber auch tatsächlich auf eine einwandfreie Qualität verlassen. Es ist ein fester Bestandteil der Deklarationsbedingungen, dass die Trauben von Hand eingesammelt werden. Der Wein muss die zweite Gärung in der Flasche erfahren, und es dürfen ausschliesslich die drei Rebsorten ­Pinot noir, Pinot Meunier und Chardonnay verwendet werden. Bei diesen strikten Vorgaben handelt es sich nicht nur um einen Tribut an die ­traditionelle Methode der Champagnerherstellung, sondern um die Überzeugung der Winzer, dass ein Produkt von höchster Qua­ lität bei seiner Herstellung die Einhaltung strengster Richtlinien verlangt. Nicht zuletzt gilt es hervorzuheben, dass die Region Champagne, verglichen mit beispielsweise amerikanischen Weingütern, auf relativ kleinem Raum ihren Boden bewirtschaftet. Angesichts des beschränkten Terrains und des Handwerks, das in jede Flasche fliesst, ist eine Flasche Champagner ihren Preis in jedem Fall wert. Wie gesagt kommen Missverständnisse auch unter guten Nachbarn vor. Doch erfahrungsgemäss setzt sich durch, was gefällt. Dass Champagner auch in der Deutschschweiz gefällt, ist hinlänglich belegt. Die Zahlen zeigen, dass diesseits des Röstigrabens der Abstand zur französischen Schweiz bezüglich Champagnerkonsum stetig schrumpft. Es bleibt also nur noch abzuwarten, bis die französische ­Delikatesse par excellence ihren Weg ganz natürlich auch in unseren Regionen auf den Esstisch findet.

Christoph Richterich, 47, ist Gründer und Managing Director der Kommunikationsagentur Richterich & Partner in Zollikon. Er vertritt die Marke Champagner in der Deutschschweiz. Seine Agentur macht Öffentlichkeitsarbeit für nationale und internationale Kunden.

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Einkaufen

Meine Delis Von Roger Rebetez _ Grossverteiler sind eine gute Sache. Aber wenn es richtig fein werden soll, sollte man zu diesen Spezialisten gehen.

Sushi Seit 1966 in Los Angeles die erste Sushi-Bar des Westens ihre Pforten geöffnet hat, erfreuen sich Gerichte mit rohem Fisch grosser Beliebtheit. Wer sich an das komplexe Thema der Zubereitung heranwagt, findet bei Nishi’s allerbeste aus Japan importierte Zutaten. Der Deli bringt nicht nur für Heimwehjapaner ein Stück Shibuya (Stadtteil von Tokio) nach Zürich. To do: Flug nach Tokio buchen. ZH – Nishi’s Japan Shop, Schaffhauserstrasse 120, 8057 Zürich. Tel. 044 363 11 63

Gewürze Eine Brise Meeresluft weht durch die Probierstube von zwei Küchenchefs, die im sonnigen Teil der Schweiz ein Geschäft mit auserlesenen mediterranen Trouvaillen führen. Damit nicht genug, finden sich dort auch die meisterhaften Gewürzkreationen von Ingo Holland, einem deutschen Sternekoch. Selbst das bescheidenste Mahl wird mit den Spezialitäten vom Alten Gewürzamt zum kulinarischen Genuss. TI – Sapori del Sud, Carrá dei Nasi 4, C.P. 600, 6612 Ascona. Tel. 091 791 69 67

Perlhühner

Salami Wer durch die malerischen Gassen von Lugano schlendert, kommt fast unweigerlich bei der Salumeria Gabbani vorbei. Vorsicht: Sperrzone für Vegetarier. Neben jeder erdenklichen Art von Fleisch (besonders sei die grosse Auswahl an Salami erwähnt) führt der Italiener auch Backwaren, Weine, Käse und jede andere Art von kulinarischen Köstlichkeiten. Ein Delikatessengeschäft, wie man es sich vorstellt. TI — Salumeria Lino Gabbani, Via Pessina 12, 6900 Lugano. Tel. 091 911 30 80

Ravioli Geniesser jeder Couleur treffen sich jeden Dienstag und Freitag auf dem Markt beim Zürcher Bürkliplatz; nicht zuletzt, um sensationelle Ravioli bei Pasta Pierino zu besorgen. Nachdem man sich kulinarisch eingedeckt hat, am besten gleich noch einen Blumenstrauss für die Frau mitnehmen. Beruhigend: Seit Jahren sorgt die anspruchsvolle Klientel für ein gleichbleibend hohes Niveau der Piekfeinitäten. ZH/SZ – Pasta Pierino Gianpietro Pigozzo, Schlyffistrasse 10, 8806 Bäch. Tel. 044 784 66 80

Alpkäse Ein Vorteil der Bundesstadt ist die Nähe zum Berner Oberland und damit zum Alpkäse. Die feinen Unterschiede im Sortiment machen denn auch speziell einen Besuch in der Berner Filiale lohnenswert. Der Goldstandard in der 80

Welt der Schweizer Warenhäuser glänzt durch grosse Auswahl und makellose Qualität. Die Präsentation der Waren verdient ein spezielles Kränzchen: Sie macht wirklich hungrig. BE – Globus Bern City, Spitalgasse 17–21, 3011 Bern. Tel. 031 313 40 40

Bizarr, dieses Ladenlokal: Der Geflügelspezialist residiert in einem anonymen Wohnblock in Zürich-Wollishofen. Wenn es um die Waren geht, kennt der Chef allerdings keine Kompromisse: Ginge es um Mode, man spräche von Haute Couture. Nicht für jedermann, schliesslich kriegt man hier sein Perlhuhn mit Kopf und Füssen. ZH – Alfred von Escher, Artisan en comestibles, Erligatterweg 8, 8038 Zürich. Tel. 044 482 86 81

Arancini Wenngleich nicht wirklich eine Villa, sondern ein hübsches Ladenlokal in der Nähe der Uni, verströmt es mit seiner Theke und den leckeren Auslagen sofort den Charme von Italianità; man fühlt sich entsprechend wohl und schätzt die sympathische Bedienung. Mortadella erster Güteklasse und sogar Arancini in perfekter Konsistenz sind erhältlich – und lassen einen vom letzten Urlaub in Taormina träumen. ZH – Villa Ducale, Schaffhauserstrasse 118, 8057 Zürich. Tel. 043 255 15 90

Saucissons Schon die Namen zergehen einem auf der Zunge: La Chaux d’Abel, Saucisse d’Ajoie, Vacherin Mont-d’Or, Crosse du moine, L’Œil de Crosin. Les produits haut de gamme aus dem Jura, die Monsieur Claude in seinem Marché feilbietet, lohnen einen Sprung über den Weissenstein. In Moutier lebt so die Tradition des Dorf­lädelis hoch – mit exquisiten Produkten. JU – Richard Claude, Rue de l’Hôtel-de-Ville 8, 2740 Moutier. Tel. 032 493 17 18

Picknick Schokolade Eine Reise nach Lausanne lohnt nicht nur des Genferseebeckens wegen: Chocolats Blondel sorgt bereits seit 159 Jahren für Schokoladengenuss von höchster Qualität. Das aparte, weltbekannte Geschäft in der vieille ville mit der charmanten Bedienung ist Pflichtprogramm eines jeden Waadtland-Touristen und Eldorado für Liebhaber von kandierten Früchten: Die Orangenschnitze spotten jeder Beschreibung.

Die Zürcher Goldküste wird ihrem Ruf auch in kulinarischer Hinsicht gerecht: Die Mischung aus Metzgerei und Gourmethaus verzaubert sprichwörtlich die Sinne. Kein besserer Ort, um an einem Sommertag den Picknickkorb zu füllen und mit dem Cabriolet ins Grüne zu fahren. Moreira bietet auch warmes Essen an, zum Mitnehmen: Der Begriff «Take-away» allerdings wird den Delikatessen in keiner Weise gerecht.

VD – Chocolats Blondel, Rue de Bourg 5, 1003 Lausanne. Tel. 021 323 44 74

ZH – Moreira Gourmet House, Oberwachtstrasse 2, 8700 Küsnacht. Tel. 043 266 85 00 Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009

Bild: Annette Fischer


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Consuelo Castiglioni Die Modedesignerin hat auf Reisen immer ihr selbstkreiertes Parfüm dabei. Und sie ist eine talentierte Köchin.

Ihre Mutter würde über Sie sagen: Dass ich gut zu ihr und meiner Familie schaue. Ihre erste Modeerinnerung? Als ich die Kleider und Schuhe meiner Mutter anzog. Wie viel Zeit benötigen Sie, um sich anzuziehen, bevor Sie ausgehen? Das kommt auf den Anlass an, aber ich brauche immer einige Zeit. Thema des letzten intelligenten Tischgesprächs? Obama. Der letzte Streit? Ich bin eine sanfte Person. Ihr teuerstes Kleidungs- oder Schmuckstück? Ein antiker Ring, den mir mein Mann schenkte. Was tragen Sie daheim an den Füssen? Slippers aus bedruckter Seide. Ihr Lieblingsgeschäft? Die Galerien Spirale Arte in Mailand und Pietrasanta. Dort habe ich einige Bilder für unser Haus gekauft. Welchen Titel soll ein Porträt über Sie tragen? Der Titel sollte mehr über meine Arbeit als meine Person aussagen: vielleicht «Vorstellungskraft». Zum letzten Mal genäht haben Sie . . . Ich nähe nicht, ausser manchmal ein paar Knöpfe an. Erste Lust? Schokolade. Sie sind kein Fan von . . . . . . fotografiert zu werden. Dieses Talent gäbe man Ihnen nicht: Kochen. In Ihrem Koffer gibt es immer . . . . . . mein Parfüm, das ich selbst kreiert habe. Der beeindruckendste Mensch der Modegeschichte? Coco Chanel. Wie viel Macht haben Frauen? Frauen sind schon immer talentiert und stark gewesen. Aber erst in letzter Zeit haben sie auch die Chance gehabt, dies wirklich zu zeigen.

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«Ich bin nicht beliebt, weil ich sehr schüchtern bin»: Marni-Chefdesignerin Consuelo Castiglioni.

Welches ist die beste Modedesignerin aller Zeiten? Rei Kawakubo, sie ist die Frau hinter der Marke Comme des Garçons, aber sie entwirft auch Haute Couture. Warum sind Sie eine beliebte Person? Ich bin nicht beliebt, weil ich sehr schüchtern bin. Am liebsten werde ich durch meine Arbeit wahrgenommen.

Consuelo Castiglioni ist Chefdesignerin von Marni. Seit vergangenem Dezember gibt es eine Boutique der italienischen Modemarke in St. Moritz. Sonderausgabe: Luxus/Stil, April/Mai 2009


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diana krall Künstlerin mit vielfacher Platinauszeichnung. Grammy®-prämierte Jazzsängerin. Pianistin. Komponistin. Produzentin. Faszinierend, wie alles, was Diana Krall anfasst, sich in Musik verwandelt.

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