WW Magazin No. 2/14

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WW Magazin No. 2 april / mai 2014

Im Westen etwas Neues berlin für feinschmecker

Trends der Saison Mode, Uhren, schmuck, reisen, pop-kultur

die farbe des sommers stil-meister: Die schöne Welt des Schweizer Kreativdirektors Beda Achermann  moderner konsum: Wie Kunden und Unternehmen von der Shared Economy profitieren  hansjörg schertenleib:

Die neue Kurz­geschichte des Schweizer Schriftstellers

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Eine Zeitschrift der Weltwoche Verlags AG


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Der Stein des Lebens und der Liebe «Beim Rubin wechseln lichte und samtene Töne von Rosa bis zu dunklem Purpur: Je leuchtender, je lebhafter das Rot funkelt, desto erlesener und kostbarer ist der Stein des Lebens und der Liebe.» Dr. Eduard J. Gübelin (1913 – 2005)

6.95 ct Rubin aus Burma im Ovalschliff

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no 2

Editorial

April Mai

Willkommen «La grande bellezza» heisst der neue Film von Paolo Sorren­tino, der dieses Frühjahr mit dem Academy Award beziehungs­weise «Oscar» für den besten fremdsprachigen Beitrag ausgezeichnet wurde. Es geht darin um einen ­Schriftsteller in Rom, der nach ­einem erfolgreichen Buch, das er als ­junger Mann geschrieben hat, nie ein zweites nachlegte. Weil er, wie man am Schluss erfährt, die grosse Schönheit in der Welt und in seinem Leben, die er gesucht hatte, nicht finden ­konnte. Ich erzähle das, weil wir in dieser Ausgabe einen Mann vorstellen, der ebenfalls sein Leben damit verbringt, in der Welt Schönheit zu suchen – den Schweizer Kreativdirektor Beda Achermann. Im Gegensatz zu Jep Gambardella aus dem Film findet Achermann in der Wirklichkeit Schönheit respektive schafft solche selber mit seinen Reklamen, Zeitschriften und Büchern, die er für Kunden gestaltet. Wir mögen diesen Ansatz. Und versuchen mit j­eder Ausgabe unserer Zeitung, ein wenig davon umzusetzen. Was wir dieses Mal Grosses, Schönes gefunden (oder sogar geschaffen) haben, sehen Sie auf den folgenden 64 Seiten. Ihr Mark van Huisseling

grosse schönheit Perfekte Hände und Nägel, sowie der passende Schmuck, von Cartier. 6

Bild: Roderick Aichinger   April / Mai 2014


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Contributors walter pfeiffer

Anne Waak Man muss nicht unbedingt Joggerin sein, um mit jemandem über das Joggen zu reden und danach das ­Besprochene aufzuschreiben, aber es hilft. Unsere ­A utorin, die in Berlin lebt und als freie Journalistin arbeitet (etwa für das von uns bewun­derte Magazin The Travel Almanach), ist Joggerin; im Vergleich zu Beda Achermann, Kreativ­direktor und WW-Maga­ zin- Persönlichkeit dieser Aus­ gabe, aber bloss eine halbe. Sie joggt jeden zweiten Morgen, er jeden Tag. Für uns hat sie ihn über seine liebsten Joggingstrecken befragt. Dabei ging es weniger darum, wie anspruchsvoll diese sind oder, sogar, wie ­lange er dafür benötigt. Es ging, wie bei allem im Leben von Beda Achermann, um «La grande bellezza». Er bezeichnet sich als einen, der mit den Augen joggt. Anne Waak hat er alles über die für ihn schönste Rennrunde der Welt erzählt, diese befindet sich auf Capri. Was man dabei Schönes sieht, finden Sie auf Seite 35. 8

Deborah Neufeld Seit ihrem ersten journalis­ tischen Gig vor e­ inigen Jahren als die eine Hälfte des ­Partyund Eventkolumnistinnen-Duos ­Debbie & Kaye im Blick ist sie dem Feld der ­Berichterstattung über An­lässe und, vor allem, L­ eute, Pardon, people, die daran teilnehmen, treu geblieben. Was sie gewechselt hat: die Stadt. Und die Auftraggeber. Nicht weil sie musste, sondern weil sie es wollte. Seit zwei Jahren lebt sie in München und schreibt in der Bunten. Für uns beantwortet sie die ­Frage: Was macht heute, im Zeitalter von sozialen Netzwerken und Mobilität nach oben, ­eigentlich noch eine Dame aus? Oder: Wie unterscheidet man zwischen einer Diva und einer Dschungelcamp-Finalistin? Die ­Antwort: auf Seite 56.

Unser jüngster Mitarbeiter ist zeitgleich unser ältester. Stimmt, den Satz habe ich bereits mindestens einmal gebracht. Doch er ist gut und trifft zu. Walter Pfeiffer, 68, fotografiert, malt und zeichnet seit ungefähr vierzig Jahren; seit ungefähr zehn Jahren aber fallen seine Arbeiten Kuratoren, Chefredaktoren und Werbeauftraggebern auf der ganzen Welt auf (Fotomuseum Winterthur, Purple Magazine, Vogue, Fogal). Nicht unbeteiligt an seinen späten Erfolgen (das war eine Untertreibung): Beda Achermann, der Kreativdirektor, dem wir in dieser Ausgabe viele Seiten widmen und den Pfeiffer für uns exklusiv fotografierte. Man sollte nie darauf hinweisen, dass ein Foto ex­klusiv sei, habe ich vor vielen Jahren von meinem damaligen Chef gelernt, weil das nahelegt, dass alle anderen Fotos nicht e­ xklusiv sind. Dass wir trotzdem darauf hin­ weisen, hat einen Grund: Wir sind stolz darauf. Weil man als Zeitschrift aus der Schweiz normalerweise k­ eine exklusiven Fotos von Pfeiffer bekommt, dafür sorgen die geschäftstüchtigen Mitarbeiter seiner New Yorker Agentur. Doch für Beda Achermann hat er eine Ausnahme gemacht – und für uns ein Porträt. Seite 26.

Hansjörg Schertenleib «Ehrgeiz ist der Tod einer jeden Kunst», steht auf der Website des Autors unserer Kurzgeschichte. Doch wenn man seine Arbeit und Produktivität (Bücher, Theater­ stücke, Artikel, Kolumnen und so weiter) anschaut, ist man nicht ­sicher, ob das kokett ist oder ob es bei dem Leitsatz nicht um ihn geht. Seine Short Story spielt in Süd­afrika, wo er, wie in vielen anderen Ländern, auf Lese­reise war, aber noch nie wohnte, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern (Norwegen, Deutschland, Österreich, Grossbritannien, ­Amerika . . .); seit einigen Jahren lebt er in Irland, und zwar in einer ziemlich abgelegenen Ecke, in einem ehemaligen Schulhaus im County Donegal. Sowie in Suhr im Aargau. «Es gehe ihm gut, er habe sich aller Dinge entledigt», schrieb er in seinem Begleitbrief zu seiner Kurzgeschichte. Lesen Sie diese auf Seite 52.

Bilder: Adriana Tripa, Walter Pfeiffer, Sarah Keller                                 april / mai 2014


Inhalt

I

Der Mann mit dem Rücken zur Wand ist auch der Mann hinter vielen der am besten gestalteten Zeitschriften, Werbekampagnen und Kunstbüchern. Wir zeigen auf zehn Seiten die schöne Welt des Schweizer Kreativdirektors Beda Achermann. Seite 26 briefing Wissenswertes aus der Schmuckbranche. Seite 16

Beda Achermann Seite 26

Trend-Reports

Mode Wäsche aus der Schweiz, transparente Kleider. Seite 18, 20

Beauty Pastelltöne und funkelnde, schimmernde, glitzernde Farben. Seite 21

POP Neue Filme, Bücher und CDs. Seite 22

reisen Schicke Hotels und luxuriöses Campen. Seite 24 10

Titelbild: Nadine Ottawa (Overall von martin grant, Halskette von marni)  Bild oben: Walter Pfeiffer   April  /  Mai 2014


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Inhalt

II

«Ein Mädchen steht am Fenster. Es hat vor lauter Purpur ein Mäntlein um.» Das Mädchen ohne Mäntlein, in neuer Mode: Seite 40

ko l u m n e n

Geschichten

Brief aus der kur von Lisa Feldmann SEITE 14

report Haben, ohne zu besitzen – «Shared Economy» SEITE 36

Ansichten aus dem Maschinenraum der Kunst von Andreas Ritter SEITE 15

SCHMUCK Was Ringe und Steine über ihre Trägerinnen aussagen. Seite 56

Service

ww-belletristik «Bobotie» von Hansjörg Schertenleib Seite 52 bezugsquellen ab Seite 66

Wanderlust von Mark van Huisseling SEITE 60

impressum Seite 67

kulinarik Ein Abend mit Robert Parker Seite 62

fragen Sie eine Einkäuferin Was trägt man diesen Sommer? Modeunternehmerin und «Trois Pommes»-Boutiquenbesitzerin Trudie Götz sagt es. Seite 68

12

Bild: Nadine Ottawa   Illustration: Akira Sorimachi   april / mai 2014


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Lisa Feldmann

Brief aus der kur

M

it dem Gesundleben verhält es sich folgender­massen . . .», so bin ich versucht, meine Kolumne zu beginnen, denn das Phänomen Detox hat mich in den vergangenen Jahren immer an Orte geführt, die dem grossen deutschen Formulierer Thomas Mann und seiner Vorliebe für kränkelnde Buddenbrook-Erben und Zauber­berge entsprochen hätten. Gleich das erste Mal kam in einem ehemaligen Grandhotel in Meran durch die strikte Trennung der subjektiven, völlig skurrilen Erfahrung von einer Aussenwelt voller böser, gefährlicher Ablenkungen dieses eklektische Erlebnis zustande. Und ich begann, wieder zurück in der normalen, alltäglichen Welt, mich danach zu sehnen – nach einem Ort fern jeder Realität, ohne jede Versuchung, mit der Verheissung eines besseren Ich. Diesmal war ich am Tegernsee, im «­Lanserhof», einer Zweigstelle jenes Instituts in der Nähe von Innsbruck, in dem ich zuvor schon zwei Mal gewesen war. Christoph Ingen­hoven, der streitbare Architekt, der durch die Proteste gegen seinen bisher spektakulärsten Entwurf, «Stuttgart 21», den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs, berühmt wurde, konnte hier seinem ursprünglichen Ruf als stark ökologisch denkender Baumeister der Moderne Genüge tun – und ein aussergewöhnliches, spannendes, nicht gefälliges Klinikhotel konzipieren. Mir fällt daran vor allem auf: Ich ­betrete das Haus und bin in einer komplett anderen Welt. Demnach kann also ein Dinkelbrötli mit

Lisa Feldmann orientiert sich zurzeit beruflich neu; zuletzt leitete sie die deutsche Ausgabe des  Interview-Magazins. Zuvor war sie  Annabelle-Chefredaktorin.

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Avocado-Aufstrich (der Klassiker der «Lanserhof»-­Diät) seine Entsprechung finden in Design und Architektur. Ich bin allein hier, nicht wie sonst mit einer guten Freundin, die nicht enden wollende Nachmittage ohne jeden Caffè ­Latte und frühe Abende ohne auch nur ein bescheidenes Cüpli bis zur nächsten kargen Mahlzeit mit einem durchsteht. Eine partners in crime-Kombination, die man erstaunlich selten antrifft in diesen Instituten; viel häufiger sieht man Ehepaare, die gemeinsam in die Jahre gekommen sind und dieser Tat­sache nun gemeinsam aktiv etwas entgegensetzen möchten. Das wäre für mich übrigens undenkbar – mal abgesehen davon, dass ich ­einen Mann habe, der sich eher für die Formel 1 bewerben würde, als seinem rasanten Lebensstil eine Pause zu gönnen. Um meine Solitude zu kompensieren, habe ich mich ausgerüstet mit Büchern, Serien und Filmen, die ich schon immer ­sehen wollte – ein Konzept, das nur bedingt funktioniert: Sie glauben ja gar nicht, wie oft und reichhaltig und, vor allem, ungesund in amerikanischen Serien gegessen und getrunken wird. Das sollte man glatt verbieten, statt immer nur auf den armen Rauchern herumzuhacken, die ja mittlerweile aus jedem Unterhaltungsangebot herausgeekelt werden. Dann doch lieber ein gutes Buch. Aber auch hier ist man nie sicher vor detailversessenen Dinner-­Beschreibungen – versuchen Sie bitte nie in einer Entgiftungsklinik, die den Prinzipien des Ernährungspapstes F. X. Mayr verpflichtet ist, den «Zauberberg» zu lesen; Thomas Mann nahm die Mahlzeiten der Patienten etwa so ernst wie deren ­philosophische Diskurse – und beschrieb sie ähnlich elaboriert. Mich hat man diesmal auf eine schwächere Diät gesetzt, ich darf abends eine Gemüsesuppe essen und mittags sogar einen Klacks Spargelrisotto. Ich versuche jeden Bissen bis hinunter zum Reiscracker mindestens 25-mal zu kauen. Den Basentee darf ich übrigens nicht während, sondern nur in gehörigem Abstand zu den Mahlzeiten trinken. Mein Tischnachbar gehört in die Kategorie der Noch-nicht-völlig-Überzeugten und hat zunächst versucht, die Bedienung mit der von ihm qua erfolgreicher Karriere über Jahrzehnte perfektionierten Autorität davon zu überzeugen, dass die dramatische Zahl hinter seinem Namen auf seiner Tischkarte gar nichts zu bedeuten habe. Leider erfolglos. Die charmanten Damen kennen dieses Gebaren. Die ­Männer hier – es sind weit mehr als sonst an solchen Orten üblich – haben draussen beinahe allesamt Führungspositionen inne. Erstaunlich ist aber auch, dass sich die Klientel in den letzten Jahren mehr und mehr durchmischt hat mit Menschen, die eine solch radikale Kur eigentlich nicht nötig hätten, zumindest was ihre äussere Erscheinung angeht. Schlanke, wenn nicht ­sogar sportlich durchtrainierte Athleten-Typen bestimmen immer mehr das Bild. Ich bin diesmal vor allem hier, um auf­zutanken, denn ich weiss aus Erfahrung, dass dieses furchtbare Hungern mit einem riesigen Energieschub belohnt wird. Und mit einem – zumindest temporären – Comeback des vernünftigeren, gesünderen Lebensstils. Dennoch: Es gibt keine schönere Mahlzeit als die letzte, die einem serviert wird: Zur sanften Annäherung an ein Weiter­ leben nach der Kur kommen da schon mal Dinkelspaghetti oder gar ein Frühstücksei auf den Tisch! Und man spürt plötzlich, wie weit man trotz allem von Hans Castorp entfernt ist, der ja nie mehr hinunterwollte von seinem Zauberberg. Illustration: Paul X. Johnson    April / Mai 2014


Andreas Ritter

Aus dem Maschinen­r aum der Kunst

Andreas Ritter ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der 49-Jährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.

A

usstellungen zeitgenössischer Kunst nehmen seit einiger Zeit strategische Orte in unserem Alpenraum ein. Im ganzen langgestreckten Engadin entwickelt sich eine lebendige Galerienszene, von St. Moritz das Tal runter bis Zuoz über S’chanf; und sogar im fernen Sent im Unterengadin nistete sich mit Gian Enzo Sperone ein wichtiger Player im internationalen Markt ein. Den Anfang beim Umbau stattlich-trutziger Engadiner Häuser machten die ­Galerien ­Tschudi und De Cardenas in Zuoz. Von aussen kaum wahrnehmbar bezeichnet, erfordert es einiges an Insiderwissen, um die Kunstdepots, versteckt in ­alten Patrizier- oder Bauernhäusern, überhaupt aufzuspüren. St. Moritz ist hier traditionell einfacher begehbar, da macht die Galeriendichte an der Via ­Maistra bald der eingesessenen Luxusgüterbranche Konkurrenz. Gezeigt wird standes­gemäss Hochkarätiges, sei es in kleinen, feinen Lokalen wie beim neuzugezogenen Stefan Hildebrandt, sei es bei bewährten Pionieren wie april /mai 2014   Illustration: Domitille Collardey

Andrea ­Caratsch, der diese Saison damit überrascht, dass er in einem an sich unspektakulären Siebziger-Jahre-Bau bergseitig für seinen neuen grossartigen Ausstellungsraum ganz einfach den Fels ausgehöhlt hat. Plötzlich und unvermittelt steht man in einem unterirdischen Raum, der Platz für vier Meter hohe Leinwände bietet. Vielleicht habe ich im vergangenen Jahrtausend zu viel Militärdienst geleistet, doch ich kann mich der seltsamen Asso­ziation an eine Bunkeranlage nicht erwehren. Doch rasch zurück nach Zuoz, dorthin, wo der neue Trend geboren wurde und wo vor wenigen Wochen mitten im historischen Dorfkern die Dépendance einer der grössten amerikanischen G ­ alerien, der Pace Gallery, eröffnet hat. Ein ebenso gesellschaftliches wie künstlerisches Ereignis. Durch eine unscheinbare Holztür, die in den Eingang der altehrwürdigen Chesa Büsin führt, tritt man in eine unvermutete Welt. Es empfängt einen ein uniformierter Wachmann; fehlte eigentlich nur, das richtige Codewort wäre zum Eintritt zu flüstern. Gott sei Dank, gefunden – und erst noch eingelassen. Es empfangen einen Ausstellungsräume im Keller­gewölbe, zwei, drei an der Zahl, und es geht rauf ins Haupthaus: Schlafkammern mit frisch aufgedecktem Bett, die alte Stüva, die Küche und Zimmer an Zimmer, alles wohlproportioniert gefüllt mit erstklassigen Kunst­werken aus dem Who’s who des internationalen Handels – und erst noch ausgezeichnet ­kuratiert, ­Museumsqualität sozusagen. Der intakte ursprüngliche alte Stallteil beherbergt eine Donald-Judd-Skulptur, zu besichtigen durch eine Panzerglasscheibe, die, fast hätte man es ahnen können, auf Knopfdruck zur Seite gleitet, James Bond lässt grüssen. Und so steht man im offenen Stall bei glas­k larer kalter Engadiner Luft vor einer ebensolchen messerscharfen Aluminiumplastik. Besser geht es nicht. Solcherweise ganz erfüllt vom Kunstgenuss in diesem getarnt privaten Ambiente, hätte ich fast die Luke zum spektakulärsten Raum übersehen. Ein emsiges Kunstsammlerpaar weist mir zum Glück den Weg. Und da steige ich andächtig weit ins Erdreich ­hinab in einen kahlen Saal, es empfängt mich tief im Untergrund ­feierliche, fast sakrale Stille. Ich will nicht wieder den Militärjargon bemühen, sprechen wir also doch nur anstatt von einem White von einem Grey Cube; und zufolge hochpreisiger Exponate etwa von Piet Mondrian, Agnes Martin, Alexander Calder oder Robert Ryman etwa ist auch da wieder ein Wachmann präsent. Eben doch wie . .  . Für mich die beste Ausstellung seit langer Zeit, die ich in diesem denk- und merkwürdigen Ambiente buchstäblich erkundet habe. Übrigens: Nicht nur das Engadin rüstet auf, auch Gstaad wird seit neuestem von zeitgenössischer Kunst okkupiert. Eben abgelaufen ist eine Schau der Crème de la Crème der Schweizer Kunstszene mit dem Titel «Elevation 1049», über die sogar die New York Times berichtete. Übers Dorf und die angrenzenden Hügel verteilt, fanden sich gekonnt inszeniert site-spezifische Werke; eine ganze Hütte von Roman Signer etwa wurde eine Skipiste hinuntergeschickt. Das ist dann doch anders als unser altväterischer Réduit-Gedanke, der einen Kanonenlauf im Berg mit einer verschiebbaren Hundehütte tarnte. Auch wenn Signer fraglos selbst das hinkriegen würde – sogar mit einer Kanone, die schiesst. 15


Schmuckbranche

Briefing

Diamanten und andere Edelsteine schmücken die Schönen. Doch die schönen Naturerzeugnisse sind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Und deshalb gute Freunde von Aktionären und Auktionatoren.

Golden Jubilee

1/ 3

Shakespeare Ein US-Student hat in Shakespeares Stücken 396 Textstellen mit Wörtern wie «Krone», «Gekrönter» oder «Diadem» gezählt – «Edelstein», «Perle», «Diamant», «Bracelet», «Gold» und Co. kommen zirka 1031-mal vor.

545,67 Karat

Der «Golden Jubilee Diamond» ist der grösste geschliffene Diamant der Welt. Er wiegt 545,67 Karat und stammt aus der südafrikanischen Premier Mine. Sein Wert wird auf 4 bis 12 Millionen US-Dollar geschätzt. Lao-Tse

Diamantproduktion Die 1888 gegründete luxemburgische ­Gruppe De Beers ist die grösste Produzentin und Händlerin von Diamanten und liefert rund einen Drittel der Weltproduk­tion aller Rohdiamanten. De Beers beschäftigt weltweit 23 000 Menschen. Nachfrage

«Lao-tse» (oder auch: «Die Perle Allahs») ist der Name der grössten bekannten ­Perle überhaupt. Sie wurde am 7. Mai 1934 vor der Philippinen-Insel Palawan gefunden, wiegt 6,37 Kilogramm und ist geschätzte 40 Millionen US-Dollar wert. De Beers Das Diamant-Unternehmen De Beers erzielte 2012 mit Rohdiamanten einen Umsatz von

5,5 mrd. $ Im Spitzenjahr 2011 waren es gar

6,5 mrd. $

Die Nachfrage nach Gold in Form von Schmuck, Münzen und Barren stieg 2013 um 7 % auf 2210 Tonnen. Gleichzeitig ging die Nachfrage von Investoren nach dem Edelmetall um ganze 15 % zurück auf 3756 Tonnen, was rund 170 Mil­liarden US-Dollar entspricht. Im Jahresverlauf nahm der Goldpreis um 27 % ab. der teuerste verlobungsring Die US-amerikanische Sängerin Beyoncé, verheiratet mit Hip-Hop-Mogul Jay-Z, trägt einen Ver­lobungsring, der einen Rekordwert von zirka 4,5 Millionen Franken aufweist. Sein Solitär – ein achteckiger Diamant im Smaragdschliff – wiegt 18 Karat und 3,6 Gramm, sitzt in einer Krappen­ fassung aus Platin und wurde von Lorraine E. Schwartz entworfen.

Gübelin Gem Lab Die über 25 000 Einzelstücke umfassende Edelsteinsammlung des Gübelin Gem Lab in Luzern ist die umfassendste ihrer art.

Princie Diamond Der teuerste Diamant aller Zeiten ist der 35 Karat schwere r­osafarbene «­Princie Diamond», der im März 2013 in New York für fast 40 Millionen ­Dollar versteigert wurde.

Harte FAKTEN Der Anteil von Markenschmuck fällt, gemessen am weltweiten ­Schmuckmarkt, mit 15 Prozent relativ gering aus.

16 Redaktion: Oliver Schmuki  Bilder: Courtesy De Beers, Win McNamee/Getty Images, Keystone, iStockphoto


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Trend-Report

no 2

April Mai

Ein Schweizer Geheimnis – gerne gelüftet

D

ie Aarburgerin Pauline ­Zimmerli verkaufte bereits 1871 S ­ trümpfe aus Feingarn bis nach Paris und entwickelte bald darauf die klassisch ge­ rippte Zimmerli-Unterwäsche. So begann die damals vierzigjährige Unternehmerin, die ­Geschichte der Firma Zimmerli zu schreiben. Die Verantwortlichen von der deutschen Nordeck Holding, zu der die Schweizer M ­ arke seit 2007 gehört, haben einen ­Relaunch durchgeführt. Dies mit der Überzeugung, dass ­Zimmerli Wachstumspoten­zial hat. Marcel­ Hossli, Zimmerli-CEO, sagt: «Mit dem Einschlagen einer Vorwärts­ strategie setzten wir uns das Ziel, in den nächsten Jahren die Um­ sätze kontinuierlich zu erhö­ hen – dies mit einem Bekenntnis zur Produktion in der Schweiz.» Kunden, die Zimmerli seit Jah­ ren tragen, wissen das zu schät­ zen, weisen aber darauf hin, dass die Qualität der heute hergestell­ ten Lieblingsstücke noch nicht an die der Vorgängermodelle heran­ geführt werden konnte. Sie sagen aber auch, dass Zimmerli trotz­ dem noch immer die beste Wä­ sche herstellt. Für die Imagekampagne beauf­ tragte ­Zimmerli die amerikani­ sche ­Fotografin Zoe Ghertner; die ­Bilder entstanden im Ferienhaus der Galeristin Eva Presen­huber in Vnà im Engadin. Reduzierte zeitgenössische Architektur und Schweizer Natur­kulisse passen zu Unterwäsche aus der Schweiz, finden wir.

cotton de luxe Spaghetti-Top, Fr. 59.–, und Slip «Rio», Fr. 37.–; beide von Zimmerli. 18

Redaktion: Mark van Huisseling   April / Mai 2014


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Freie Sicht aufs Mittelmeer – oder wenigstens auf die Dessous.

TrendReport 1

mode

1

Es gibt nichts Angenehmeres, als im Sommer hauchdünne Stoffe zu tragen. Modedesigner haben Frauen diesen Wunsch erfüllt – mit femininen Outfits, von denen sogar Männer ­träumen. Besonders transparent und luftig ist die Kollektion von Christopher Bailey für Burberry Prorsum. Ebenso begeistern die Labels Mulberry, Erdem und Giambattista Valli mit federleichten, transparenten Spitzen-Looks. Um den Trend auch tragbar zu machen, kombiniert man Spitze mit pastelligen Accessoires. Und immer dran denken: Wenn’s transparent wird, unbedingt auch ­tolle Wäsche drunter tragen.

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6

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2 3 8 1 Ohrringe von akong, ca. Fr. 225.–. 2 Kleid von giambattista valli,

4

ca. Fr. 4200.–. 3 Kleid von

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9

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must-have des monats 12 13

burberry prorsum Viel Romantik und ein Touch Coolness: Christopher Bailey schickte die Models zu Songs von britischen new talents  wie George Ezra, James Bay und Jake Bugg über den Laufsteg. Kleid: Fr. 2395.–, Bodysuit: Fr. 650.–, Tasche: Fr. 1295.–, Schuhe: 595.–. Redaktion: Yvonne Wigger   April / Mai 2014


TrendReport 2

beauty

1

Zarte Farben für zarte Gesichter – doch dieses Frühjahr d ­ ürfen Pastelltöne mit funkelnden, ­glitzernden und schimmernden Farben glänzend gemacht werden.

Pastelltöne sind im Trend, vor allem in der ersten Jahres­hälfte. Rosé und zartes Apricot wollen die Make-up-Designer im Frühjahr und Sommer 2014 auf L idern, Wangen und Lippen ­ ­sehen. Dieses Jahr schimmert, glitzert und funkelt es dazu: ­irisierende Lidschatten, Kajal mit Glitzerpartikeln und Lipgloss mit funkelnden Miniaturpailletten.

2

must-have des monats Wie riecht Grün? Die Parfümeure des neus­ ten Jil-Sander-Dufts «Evergreen» ­ interpretierten die Frische durch Essenzen aus Birnen, Grape­ fruitblüten und weissem Pfeffer in der Kopfnote. Rosenknospen-, Maiglöckchen- und Jasminduft in der Herznote verleihen ihm ein dezent duf­ tendes Blütenbouquet. Diffizile Sinnlichkeit er­ hält «Evergreen» durch Noten von Sandelholz, Vanille und Patschuli. Rein und frisch der Duft, klar und schlicht der Flakon, typisch Jil Sander. «Evergreen» von  Jil Sander, Eau de Toilette,

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ab Fr. 61.– (30 ml)

1 Lancôme: ­Perlmuttschimmer für voluminöse Lippen, «Gloss in Love», Fr. 42.90

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2 giorgio ­Armani: ­Zaubert einen r­ osigen Hauch auf die Wangen, «Cheek Fabric Blush», Fr. 67.–

3 Dior:

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April /Mai 2014    Redaktion: Valeska Jansen

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Bild: Beni Haslimeier

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5 tom ford: erhältlich in vier Rottönen, Lippenstift «Lip Color Sheer», Fr. 65.– 6 guerlain: aus ­rosaroten Natur­ borsten, Puderpinsel «Météorites», Fr. 49.–

7 yves saint laurent: bringt die Haut zum ­Leuchten, «Forever Light C ­ reator CC Cream», Fr. 90.– (40 ml)

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dokumentarfilm

TrendReport

Die meisten Leute kennen Nick Cave – ­eigentlich ein Mann, der im Untergrund operiert – dank seiner Ballade «­W here the Wild ­Roses Grow», einem ­Duett mit ­Kylie ­Minogue. Doch der sehr medienscheue Australier will sich lieber als Autor verstanden wisen. Die von ihm geschriebenen Lieder füllen weit über zwanzig Studioalben, und auch Theater­ stücke, Romane (z. B. «And the Ass Saw the Angel») und Drehbücher (z. B. «Lawless») kommen aus seiner ­Feder. Über­ raschenderweise erscheint jetzt ein Film mit Cave selbst in der Hauptrolle, und zwar anlässlich seines 20 000. Lebenstages. Am Sundance-Filmfestival ­w urde die Melange aus Fakt und Fiktion doppelt ausgezeichnet und hoch gelobt.

3

POP

Manchmal steht die Welt kopf. Dann machen Internet­ portale Druck­e rzeugnisse, und Musiker treten in Dok­ filmen auf – oder machen Apps fürs Smartphone.

20 000 days on earth Der Dokumentarfilm von und über Nick Cave hat noch kein Release-Datum für die Schweiz. Informationen auf: www.nickcave.com

TV-serie Die neue HBO-Süd­staaten-Krimiserie «True ­Detective» mit Matthew ­McConaughey und Woodie Harrelson in den Hauptrollen ist nicht nur bild- und schauspielgewaltig – dank T-Bone Burnett ist auch die Musik überwältigend.

Diedrich Diederichsen  «Über Pop-Musik». Kiepenheuer & Witsch

Musik echte detektive  Detectives Hart (Harrelson) und Cohle (McConaughey) müssen miteinander klarkommen – aber auch mit sich selbst.

publikation Mittlerweile ist IndependentMusik ohne die Kritiker- und News-Plattform Pitchfork.com ­undenkbar. Als Schritt zurück in die Zukunft verstanden werden ­ ­ könnte deren Entschluss, neu eine (vierteljähr­ lich erscheinende, mit ­Liebe ­gestaltete) Print-Pub­likation herauszugeben. www.thepitchforkreview.com

app Björk hat mir der interaktiven App zu ihrem Album «Bio­philia» (2011) den Tarif fest­gelegt. Doch wie immer, wenn etwas Neues aus dem britischen Hause Radiohead

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erscheint, lohnt es sich auch in diesem Fall hinzuhören – und selber Hand anzulegen. Mit «Poly Fauna» wird die Musik der ­Pionierband plötzlich greif- und sogar steuerbar.

App Poly Fauna (iOs/Android), gratis

beck «Morning Phase»

timber timbre  «Hot Dreams»

klangwelten  So kann ein RadioheadSong aussehen. lykke li  «Never Learn» Redaktion: Oliver Schmuki  April / Mai 2014

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Bücher



Grosse NASE Kreativdirektor Beda 足Achermann in seiner Z端rcher Wohnung in einem Haus von Marcel Breuer; vor einem Bild von John Baldessari.


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Big Time

Beda ACHERMANN

Von  Mark van Huisseling (Text) April / Mai 2014

und Walter Pfeiffer (Bilder) 27


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ch lernte Beda Achermann am Geburtstag ­eines gemeinsamen Freunds kennen. Das ist ungefähr ein Dutzend Jahre her und fand statt im «Schuhmann’s» in München. Ein Gast ­machte mich bekannt mit einem Mann, der an der Bar stand: weil dieser auch aus Zürich sei. Der Mann an der Bar – er hatte einen dunklen Anzug an, Loafer oder Mokassins ohne ­Socken, ein weis­ses Hemd und ein Foulard um den Hals – erzählte, dass er die Männer-Vogue mit gegründet h ­ atte, hier in München. Und damit nicht bloss eine Zeitschrift geprägt, sondern einen Stil geschaffen ­hatte, den Beda-AchermannStil nämlich. Dass er Karl kannte. Und Mario. Und Max. Und ­Terry. Und dass ­diese ihn ebenfalls kannten und oft mit ihm arbeiteten. Es ­handelte sich bei den Erwähnten um Karl Lager­feld beziehungs­weise die Fotografen ­Mario Testino, Max ­Vadukul und ­Terry Richardson. Sowie um ­viele andere aus dem obersten Stock der Hall of Fame des Planeten Mode. Das alles erzählte er innert fünf Minuten oder so. Mir fiel weniger auf die Nerven, dass da einer sprach, der sich selber gut fand und sich nicht zu gut war, das zu erzählen. Obwohl man hätte sagen können, es gehe hier und heute nicht um ihn, sondern um unseren gemeinsamen Freund, der Geburtstag feierte. Mich störte mehr, dass alles, was er erzählte, stimmte. Und dass man – wie das Alphamännchen versuchen, wenn sie aufeinander losgelassen werden – ihn nicht in Schwierigkeiten bringen konnte mit der Bemerkung/ Frage: «Okay, das war in den späten 1980er, 1990er Jahren, und was machst du heute?» Weil er dann er­zählte, was er heute mache: Einige der auffallendsten Werbekampagnen für einige der interessantesten Kunden sowie, zum Beispiel, aus­sergewöhnliche Geschäftsberichte et cetera für wichtige Unternehmen, und dann hatte er noch nichts von seinen schönen Büchern für ­grosse Künstler gesagt. Doch etwas, sagte Beda, sei wichtig – er sei nicht aus Zürich. Er wohne zwar dort und ihm gefalle die Stadt respektive die Zeit, die er in der Stadt ver­bringe zwischen den vielen Reisen, die seine Arbeit mit sich bringe. Doch er sei aus Stans, Kanton Nidwalden, vom Land also. Zwölf Jahre und einige k ­ leine gemeinsame ­Arbeiten (sowie einige grosse,

noch nicht veröffentlichte Projekte) später fällt mir der Kreativdirektor Beda Achermann immer noch – wenn auch mittlerweile selten – auf die Nerven. Weil alles stimmt, was er in Interviews, die er gibt, antwortet, wenn er gefragt wird, weshalb er Erfolg habe und, vielleicht, der beste Kreativdirektor/grafische Gestalter der Schweiz ­(unserer Zeit?) sei. Er sagt etwa, er habe hohe Ansprüche – an sich selber und an seine Mitarbeiter. Das sei halt seine Lebenshaltung. Oder dass alles, was er mache, zwar die Bedürf­nisse von Kunden abdecke, er dafür k ­ eine Zugeständnisse machen müsse, weil er solche nicht mache; nicht für Kunden, nicht für Geld, nicht einmal für die Liebe, sondern weil Kunden zu ihm kämen, die genau das wollten, was er mache, und ihn dann auch machen liessen. Und dass alles, was er mache, ineinander­fliesse – damit will er sagen, dass man nicht bloss ein Sujet eines Prospekts, den er etwa für Fogal gemacht hat, anschauen kann, sondern darüber hinaus sein Werk anschauen muss, damit man erkennt, was den «Legendären Stil des Beda Achermann» ausmacht (Titel des Buchs über ­seine Arbeit, das vergangenes Jahr bei 7L von Steidl erschien). Dieser Stil, sagt er, sei das Ergebnis seiner Neugier. «Je älter ich werde, desto neugieriger werde ich.» Er sehe sich zum Beispiel fast jede wich­tige Ausstellung in fast jedem wichtigen Museum an. Und dann kommen ihm Ideen für Kunden, zum Beispiel wenn er im Flugzeug sitze und die Wolken betrachte. Dann entstehe plötzlich und schnell ein Entwurf für einen Kunden, an den er im Augenblick gar nicht gedacht habe. Tönt spielerisch, irgendwie einfach. Ist es auch, auf eine Art. Erfordert aber viel Vorbereitung und Denkarbeit, wie alles, was leicht und spielerisch daherkommt. «Sprezzatura» sagt man in ­Italien und meint damit das scheinbar Mühelose, das aber zuvor erarbeitet werden musste. Paolo ­Roversi, der ­Fotograf, sagte, Beda ar­beite wie ein Olivenbauer, der seine Bäume pflegt – das Schneiden ­dauerte nur ein paar Minuten, da er den Baum blindlings kennt, doch zuvor sei es nötig gewesen, die Bäume jahrelang wachsen und reifen zu lassen sowie sie zu streicheln. Der Bauer, der Künstler kennt und mag. Der sich so gut mit Künstlern versteht, dass sie nicht bloss für ihn und seine Kunden arbeiten, sondern ihm auch Werke verkaufen. Werke, die zum Teil schwierig zu bekommen sind, ausser man ist Kurator einer Sammlung oder eines ­Museums mit viel Ausstrahlung. Solche Werke gibt es bei Beda zu Hause. Weil er zum einen viele Künstler zu einem Zeitpunkt kennenlernt und ihr Werk erkennt, in dem sie noch recht unbekannt sind. Und zum anderen weil er im Grunde ein Kurator

seine Tipps Die welt­besten Adressen (findet Beda Achermann) restaurants/Bars «Paris Bar» Eine alte Westberliner Restaurant-Institution, voll von Kunst. Leider fehlt das grosse Kippenberger-Bild. Kantstrasse 152, Berlin, Tel. +49 303 13 80 52; www.parisbar.net

«Augustiner-Keller» Hier trinkt man das ­beste Bier der Welt. Kenner ­bestellen ein schaumiges Mass, dazu Hendl vom Grill, ­Riesenbrezen, ­Obazda. Arnulfstrasse 52, München, Tel. +49 89 59 43 93; www.augustinerkeller.de

«Schumanns Bar» Mittagstisch bei meinem Freund Charles. ­ Spezia­lität: Steak Tatar, leicht ­ange­braten. Odeonsplatz 6 + 7, München, Tel. +49 89 22 90 60; www.schumanns.de

«Vivant» Ein Vorbild für die Schweizer Gastronomie: Die Gründer und Besitzer sind e­ hemalige Assis­ tenten von 3-Sterne-­Köchen, das Küchenpersonal besteht fast n­ ur aus Japanern und liefert b ­ este Bio-Qualität – ­raffiniert, einfach, ­authentisch. 43, rue des Petites Ecuries, Paris, Tel. +33 1 42 46 43 55; www.vivantparis.com

«Da Laura» Ein kleines Restaurant in einem Kloster, in ­einer Bucht direkt am Strand gelegen, mit der weltbesten ­Lasagne. Via San Fruttuoso 29, Camogli (Genua), Tel. +39 01 85 77 25 89

«Kronenhalle»-Bar Eine der schönsten Bars der Welt, die für mein Gefühl aber nicht entsprechend wertgeschätzt wird; das Design von Trix und ­Robert Haussmann ist unschlagbar, g ­ enauso wie die Drinks von ­Peter Roth – ich bevorzuge trotzdem ­Rotwein. Rämistrasse 4, Zürich, Tel. 044 262 99 11; www.kronenhalle.ch

28 Illustration: Walter Pfeiffer   april / mai 2014


sEIN HAUS Mit Kunst und Design lebt es sich auch gut. 1

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1 Stuhl und Hocker von Carlo Mollino; Bilder von Dieter Roth (oben) und Marilyn Minter (unten).  2 Bild von Paul ­McCarthy; ­Lampe von der Maison ­Bouquet. 3 ­Murano-Pudelpaar aus den fünfziger Jahren.  4 Stühle von Jean Prouvé und Carlo Mollino; Bild von Helmut Newton.

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5 Das Bild «My Face Behind Ecki’s Face» von Urs Lüthi war Achermanns erster Kunstkauf. 6 Stühle von Franz West; Keramik von Roger Capron. 7 Vintage-Tasche von Beda Achermann; Kunst von Shirana ­Shahbazi, ­Irving Penn, Richard Prince, Helmut Newton, Walter Pfeiffer und General Idea.

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Sein Werk Diese nicht repräsentative Auswahl an Werbesujets, Magazinen und Büchern, die Beda Achermann gestaltet hat, macht auf einen Blick deutlich, dass er sich nie selber kopiert und eine eindeutige persönliche Handschrift gefunden hat.

Luciano Castelli «Castelli – Self-Portrait 1973–1986». Edition Patrick Frey

Chanel Herbst/Winter 2013/2014. Fotos von Karl Lagerfeld

Hauser & Wirth «20 Years», Jubiläumsbuch. Hatje Cantz, 2013

François Halard Rizzoli, 2013

Fogal Katalog 2011. Fotos von Walter Pfeiffer

Walter Pfeiffer «Scrapbooks 1969–1985». Edition Patrick Frey, 2012

Schauspielhaus Zürich Plakatkampagne.

Dior Homme Frühling/Sommer 2013. Fotos von Karl Lagerfeld

Strenesse Imagekampagne Frühling/Sommer 2014. Fotos von Karim Sadli

Theater Neumarkt Plakatkampagne.

Art Directors Club Schweiz Jahrbuch. 2010

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Donna Kreativdirektion, Magazin. 1993/94

Dorothée Vogel «The Comeback», Image­kampagne. Foto von Marilyn Minter

Dorothée Vogel Winter 2007/08

Männer-Vogue Brillen-Editorial mit Andy Warhol. Fotos von Albert Watson

Big Time «The Legendary Style of Männer Vogue 1984–1989». Steidl/7L, 2012

Männer-Vogue Editorial mit Pina Bausch. Fotos von Helmut Newton

Sepp Kreativdirektion, FussballFashion-Magazin. Euro 2012

Smart Imagebuch und Kampagne; Aktion von Roman Signer. 1998

Theater Neumarkt Plakatkampagne.

Zumtobel-Leuchten Geschäftsbericht 2004/05. Fotos von Adam Fuss

Migros Diverse Geschäftsberichte. 2000–2010

Theater Neumarkt Plakatkampagne. Zusam­menarbeit mit Alexis Saile april / mai 2014

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seine welt Achermann versteht unter «Stil» ein weites Feld – von der richtigen Galerie bis zum richtigen Bäcker.

Ausstellungen/ Museen/Galerien/ Hotels

Viele Veranstaltungen (Juli bis September). www.rencontres-arles.com

Dries Van Noten – Inspirations Dieser perfekt i­nszenierte Mix zeigt ein Stück Kultur­geschichte und ist auch für Nicht-Fashionistas sehenswert. Bis 31. August.

Hotel in Arles: «Nord Pinus», Zimmer 11, in dem Helmut ­Newton Charlotte ­Rampling porträtiert hat.

Les Arts Décoratifs, 107, rue de Rivoli, Paris, Tel. +33 44 55 57 50; www.lesartsdecoratifs.fr

Hauser & Wirth Somerset, Früher: ein Farmhaus. ­Heute: ein internationales Kunst­zentrum. Ab 15. Juli 2014. Dropping Lane, Bruton, Somerset (UK), Tel. +44 1749 81 40 60; www.hauserwirthsomerset.com

Fotofestival Les Rencontres, Arles

14, Place du Forum, Arles (Provence), Tel. +33 4 90 93 44 44; www.nord-pinus.com

Restaurant in Arles: «La Chas­sagnette», Route du Sambuc, Arles Tel. +33 90 97 26 96; www.chassagnette.fr

Unbedingt besuchen, wenn man in Arles ist: Fondation Vincent van Gogh («Van Gogh Live!», bis 31. August, ­Kuratorin: Bice Curiger). rue du Docteur Fanton, Arles; www.fondationvincentvangogh-arles.org

mut zur lücke Bild von John Baldessari, Sofa von Franz West. 32

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Alle Ausstellungen der Kuratoren Fredi ­Fischli und Niels Olsen mit ­Studiolo Zürich. Eierbrechtrasse 50, Zürich; www.studiolo.ch

Casa Mollino Designer, ­Fotograf, Architekt und ­Renaissance-Mann. ­Dieses Haus ist sein ­Gesamtkunstwerk. Via Napione 2, Turin; casamollino@fastwebnet.it

Essen: «Il Gallo Nero». Via Stura 37, Villanova Canavese; www.trattoria­ ilgallonero.it

Maison Européenne de la Photographie Aktuell: «Castelli – Self-Portraits, 1973–1986». 26. März bis 25. Mai. 5/7, rue de Fourcy, Paris; www.mep-fr.org

Palais de Tokyo Schönste MuseumsLocation. Den Bookshop nicht verpassen; auch das ­Restaurant «Monsieur Bleu» ist einen Besuch wert.

Meine beiden heroes: Irving Penn: Ausstellung «Resonance» im ­Palazzo Grassi, Venedig. Bis 31. Dezember. Campo San

13, avenue du Président Wilson, Paris; www.palaisdetokyo.com

Henri Matisse: Ausstellung­ «The Cut-Outs» in der Tate Modern, London. Bis 7. September.

Neues Museum Behutsame, wunder­ schöne Restaurierung durch ­David Chipperfield.

Bankside, London SE1 9TG; www.tate.org.uk

Bodestrasse 1–3, Berlin; www.smb.museum/ home.html

Manifesta 2014, St. Petersburg Eines der grossen KunstHigh­lights dieses ­Jahres, kuratiert von Kaspar ­König. Ab Ende Juni. www.manifesta.org

Samuele, Venedig; www.palazzograssi.it

Möbel

L’Eclaireur Die siebte Filiale von L’Eclaireur auf dem ­Flohmarkt von Saint Ouen ist ganz dem ­Design gewidmet. www.leclaireur.com

Vitra-Design-Museum Ausstellung: «Konstantin Grcic – Panorama». Es geht um Inspirationen und Innovationen, um die Herausforderungen für das Design der Gegenwart. Noch bis 14. September.

Galerie Kreo Aktuell: «Man M ­ achine» von Konstantin Grcic. Neun Möbel­skulpturen aus Glas mit mechanischen Elementen, schlicht und zukunfts­weisend. Das ­beste ­Design, das ich seit langem gesehen habe. Noch bis 17. Mai.

Charles-Eames-Strasse 2, Weil am Rhein (D), Tel. +49 762 17 02 32 00; www.design-museum.de

31, rue Dauphine, Paris, Tel. +33 1 53 10 23 00; www.galeriekreo.fr

82, Franklin Street, New York; www.r20thcentury.com

Galerie R & Company Brasilianische Möbel, ­unter anderem vom Vater der modernen brasilianischen Designer, ­Joaquim Tenreiro.


1 Einkaufen BROT «. . . ist eigentlich das Wichtigste.» Pain et des Idées, Paris Hier gibt es das allerbeste­ Brot. Ausserdem ist es die schönste Boulangerie, die ich je gesehen habe, mit ­ einer hand­bemalten Decke von 1860. Lieblingsbrotsorte: Pain des Amis. 34, rue Yves Toudic; www.dupainetdesidees.com

Manufactum, München Das Tessinerbrot hier ist grossartig und hat – wie das Pain des Amis auch – eine ­dicke, herrliche Kruste. Dazu gehört eigentlich nur noch ein gutes Glas Rotwein. Dienerstrasse 12, München; www.manufactum.de

GEMÜSE Toni Rossetti, Zürich Rossetti bietet das weitaus ­beste Gemüse aus Italien – genauer, A ­ pulien, e­ iner Gegend, die sowieso bekannt ist als bester Gemüselieferantin des Landes – an von ­Randen aus dem Holzofen über Fave (­dicke Bohnen) bis Puntarella. Dienstags und freitags: Markt Helvetiaplatz; mittwochs und samstags: Markt Oerlikon. Toni Rossetti GmbH Dorfstrasse 67, Kloten, Tel. 043 444 10 26

SPARGELN Viktualienmarkt 2, München; www.viktualienmarkt.de

KÄSE Tritt hat eine grosse Auswahl an perfekt gereiften Käse­ sorten. Mein absoluter Favorit: Kniri-Geissenrugeli aus Stans. Markthalle im Viadukt, Zürich; www.markthalle.im-viadukt.ch Dienstags und freitags: Markt Bürkliplatz

BLUMEN Bei Liliane Dubach findet man die schönsten wilden ­Freilandrosen und Tulpen. Gärtnerei Dubach, Fohrenstrasse 2, Hüttikon, Tel. 044 844 09 77

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und Sammler ist, in dessen Sammlung man als Künstler mit einem Werk vertreten sein will, auch wenn sich die Sammlung in Bedas Wohnung befindet statt in einem Museum und deshalb nicht öffentlich ist. Eine Mischung aus Rauem und Elegantem sei der Beda-Achermann-Stil, sagt er. Oder «die ­Urkraft der Schweizer Berge, vermischt mit dem Chic von Chanel» (für Chanel ar­beitete er vergangenes Jahr mit Karl Lagerfeld sowie den Fotografen Roe Ethridge und Walter Pfeiffer). Und was der Achermann-Stil ferner ist: «Kein Bluff», sagt Beda, der ein wenigstens zwölf­ Jahre ­altes N ­ okia-Mobiltelefon benutzt, k ­ eine E-Mails schreibt und nicht in soziale Netz­werke geht. Der aber unter seinen sechs Mitarbeitern, die in seinem «Studio» genannten Büro an der Langstrasse in Zürich arbeiten, immer ein paar Junge hat mit den neusten Smartphones, die für ihn in die sozialen Netzwerke gehen. Sowie seit Jahren die gleiche Mitarbeiterin, die an ihn adres­sierte E ­ -Mails beantwortet und jene, die von ihm kommen, versendet. Franz Josef Wagner, der ehemalige Chef der Bunten und heutige Chefkolumnist des ­Springer-Verlags, mit dem Beda seit seinen Münchner Jahre befreundet ist, habe gesagt, er­zählte Beda, das grösste Glück sei ein Leben ohne Schmerzen. «Falsch», sagt Beda. Das noch grössere Glück sei, in seinen Augen: der Alltag. Das ganz Gewöhnliche also. Das ist, erstens, eine schöne Aussage und, zweitens, eine, die man selten hört von einem Sechzigjährigen. Weil man sie nur machen kann, wenn man zufrieden ist. Zufrieden mit sich, seinem Leben, seiner Arbeit, seinem Alltag und der Welt im Allgemeinen. Beda, kinderlos, mit Dorothée ­Vogel, der Modedesignerin, in einem Haus lebend, das Marcel Breuer gebaut hat,

ist zufrieden. Aber nicht saturiert oder selbst­ gefällig. Das kann ich beurteilen nach vielen Sitzungen, die anfangen am späten Nachmittag in seinem Studio und enden am späten Abend in einem Restaurant um die Ecke, wo er hingeht, weil es dort ein kleines Zimmer mit ­einem Tisch gibt, an den höchstens fünf ­Leute passen. Weil man so in dem Zimmer sitzend, den Gästen mitteilt, dass man jemand Besonderes sei, einer, der dabei ist, ohne dazuzugehören. Und weil Beda dem Wirt nicht bloss sagt, was er essen möchte (von der Speise­karte wählen ist für Leute, die nicht wissen, was sie wollen), sondern auch die Zutaten dafür mitbringt (Bedas Einkaufstipps finden Sie in der Spalte links auf dieser Seite). Es kann viel Rotwein fliessen in dem Zimmer im Restaurant. Und wenn wir es davon haben: Es stimmt nicht, dass Beda keinen Führerausweis hat respektive nicht Auto fahren kann. Aber es stimmt, dass er so gut wie nie fährt und sich nie von jemandem mitnehmen lässt ausser von Mitarbeitern des Chauffeurservices mit Namen Grob. Doch egal, wie spät es abends ­wurde, am nächsten Morgen beginnt der Tag früh, und es ist Jogging-Zeit. In Bedas Woche ist jeder Tag Jogging-Tag; er bezeichnet sich, nebenbei, als «Augen-Jogger». Was heissen soll, dass es ihm weniger um Leibesertüchtigung geht – das auch –, sondern, einmal mehr, mehr um das ­grosse Ganze. Es gibt im Grunde wenig Langweiligeres, als einem Jogger zu­zuhören, wenn er über das Joggen redet. Ausser wenn der Jogger Beda ist. Weil er nicht über das runner’s high und so weiter spricht, sondern über den Augenblick, zum Beispiel, wenn er beim Zürcher Zoo vorbeirennt, auf der Rückseite des Tigerkäfigs, wo die ­Tiere 3,5 Meter von einem entfernt liegen und, je nach April / Mai 2014


3 1 + 2 Beda ­Achermann neben Bildern von Paul McCarthy und ­Dieter Roth; Paul McCarthy, Fischli / Weiss.  3 ­Stühle von ­Carlo Mollino (l.) und ­Chiavari-Chair vor einem Bild von ­Günther Förg.  4 Stühle von ­Periand, Vintage-Keramik aus Fès (­Marokko), Keramik­fische aus Italien.

Sonnenstand, das Gitter nicht mehr erkennbar ist. «Joggen mit Beda Achermann» ist im Grunde ein Roman in vier Wörtern (mehr Worte dazu im nächsten Artikel). Zu seinen Jogginghosen aus Kaschmir, die er zwar nicht zum Joggen, sondern im Studio oder Restaurant trägt, kombiniert er immer ein Massjackett. Die Jogginghosen gefallen mir übrigens nicht, um immerhin ein strenges Urteil abzugeben. Und habe ich bereits darauf hingewiesen, dass es nicht einfach ist, mit Beda-«Ich habe hohe An­sprüche an mich selber und an meine Mitarbeiter – das ist halt meine Lebenshaltung»-Achermann zusammenzuarbeiten? Dieser Artikel fing an mit einem Geburtstagsfest. Und mit einem Geburtstagsfest endet er: mit Bedas. Jedes Jahr lädt er dazu fünfzig Männer ein, jedes Jahr ins Restaurant «Casa Aurelio» an der Langstrasse. Weshalb nur Männer? «Weil Herrenwitze so wichtig sind wie der liebe Gott», gibt er Martin Kippenberger wieder. Über diesen Anlass, der immer im ­November stattfindet, wird in Zürich geredet. Und zwar von denen, die nicht eingeladen sind. Denn die Eingeladenen sind Freunde, und wer ein Freund ist, redet nicht über einen Freund (oder darüber, was das Fest Beda jedes Jahr k ­ ostet, was unterschiedlich ist, weil die Schäden, die dem Restaurant zugefügt werden, nicht jedes Jahr gleich hoch ausfallen). Nur so viel darf man sagen ­respektive schreiben, wenn man ein Freund ist (und, hoffentlich, einer bleibt): Wer so ein Fest macht, jedes Jahr, seit vielen Jahren, ist ein gross­zügiger Mann. Einer, der mit Sicherheit nicht blufft. Einer, der neugierig geblieben ist. Und bei dem alles, was er macht, ineinanderfliesst. Sowie ­einer, von dem vieles, was er macht, auch anderen viel Freude macht. april / mai 2014    Bild: iStockphoto

joggen mit beda achermann Seine Strecken sucht er nach der Anzahl Sehenswürdigkeiten aus. Das Ziel heisst: schauen. Und dabei an nichts denken. «Die allerbeste Strecke, die ich kenne, befindet sich auf Capri. Ich wohne immer im Hotel ‹­Brunella› in der Via Tragara, das ist ganz im Süden der Insel. Es ist eines der kleinsten und intimsten Hotels dort. Die Zimmer sind mit Porzellanhündchen dekoriert – unfassbar kitschig. Von da aus laufe ich los. Nach 200 Metern kommt man an dem ­Hotel vorbei, das Le Corbusier gebaut hat. Dann sieht man die beiden Felsen, die Faraglioni, das Meer schimmert hellblau – eine Riesen­ freude. Dort unten befindet sich auch das wunderbare ­Restaurant ‹La Fontelina›, das hat am Morgen natürlich noch zu. Dann laufe ich an der Felsenkante entlang, etwa achtzig Meter über dem Meeresspiegel. In der Früh s­ chauen einen dort aus kürzester Distanz ­diese grossen ­Möwen an. Gegen halb Amalfi­küste die ­Sonne sieben geht über der auf. An klaren Tagen erkennt man Gallo Lungo. Das ist die Insel, die dem Balletttänzer Rudolf Nurejew gehörte. Dann weiter am Meer entlang, Treppen hoch und ­Treppen runter. Irgendwann biegt man um die Ecke, und da steht das ­schönste Haus der Welt: die Villa ­Malaparte. In Godards Film ‹Le mépris› lag Brigitte Bardot die ­längste Zeit auf dem Dach herum. Die Villa liegt organisch an dieser vorgeschobenen Klippe, sie fängt die Wellen ein – und doch macht das alles keinen Sinn. Diese ­Treppe! Die halbsichelförmige Mauer, die aussieht, als ­hätte Richard ­Serra sie entworfen. Die Tatsache, dass man das Haus am besten mit dem Schiff erreicht . . . Die Sonne befindet sich jetzt auf Augenhöhe, die Villa leuchtet in Rot und Weiss – es gibt nicht viel Schöneres auf der Welt. Anschliessend kommt man in einen dichten kleinen Wald. Die Sonne strahlt durch die Blätter, es sieht aus wie in einem Bild von Alex Katz. Danach geht es eine Viertelstunde lang eine Treppe mit Stufen in unterschiedlicher Höhe fast senkrecht hinauf – unglaublich anstrengend. In der ­Mitte befinden sich ein paar uralte Grotten, die die Römer früher als eine Art Spa benutzten. Als Nächstes: der Arco Naturale – eine Art natürlicher Triumphbogen aus Stein, durch das grosse Fenster darin sieht man Boote auf dem Meer. Nun zurück in Richtung Stadt. Wenn man sich links hält, sieht man die Villa Malaparte noch einmal von oben, dazu glitzert das Meer – unglaublich. Für mich ist die ganze­ Strecke ein Weltwunder. Ich beende sie in einem der kleinen Cafés an Capris Hauptplatz oberhalb des ­Hafens, in der ‹­Piccolo›-Bar. Ich ziehe mein mitgebrachtes, sauberes T-Shirt an, ­kaufe mir ein paar italienische Zeitungen und trinke immer, ­immer, immer einen Cappuccino. Danach ­lasse ich mich beim barbiere ­rasieren, fühle mich wie ein Italiener und gehe zurück zum Hotel. Um neun kommen die Touristen, da bin ich schon weg.» Aufgezeichnet von Anne Waak 35


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