WW Magazin No. 1/15

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WW Magazin No. 1 März / April 2015

WW- Persönlichkeit Regula Bührer Fecker

interessante Frauen schreiben oder werden beschrieben

1

Weltwoche Verlags AG

unsere erste Frauenausgabe

Eine Zeitschrift der

Art Schweizer Künstlerinnen – Die nächste Generation

Bilder: XXX   APRIL / MAI 2013

Fr. 6.50




Editorial

Nr. 1  2015

«Wir sollten Frauengeschichten haben . . .»

Seit ich Journalist bin und an Redaktionssitzungen teil­nehme, zieht sich ein Satz durch mein Arbeitsleben wie ein roter Faden durch einen Skipullover: «Wir sollten Frauengeschichten haben . . .» Darüber, was genau Frauen­ geschichten sind, lässt sich streiten, jeder sieht es anders. Ich sehe es so: Bloss weil eine Story von einem Gegenstand handelt, den Frauen benutzen, ist es noch keine Frauengeschichte. Oder wenigstens keine inter­essante – eine Story über, sagen wir, wasserfestes Augen-Make-up dreht sich um einen Gegenstand, den viele Frauen verwenden; doch handelt es sich dabei um eine Geschichte, die eine Mehrheit der Frauen interessant findet? Ich bin nicht sicher. Was also ist eine Frauen­ge­ schichte, die eine Mehrheit der Frauen interessant findet? Ich weiss es nicht; w ­ üsste ich es, würde ich in meinem Schloss ­sitzen und mein Geld zählen, kein Editorial schreiben. Ich denke, dass Geschichten, die von inter­ essanten Frauen erzählt werden und/oder von interessanten Frauen erzählen, möglicherweise

eine grosse Zahl von Frauen ­interessant findet. Deshalb bringen wir in unserer ersten Ausgabe dieses Jahres ausschliesslich solche Geschichten. Noch ein Satz für unsere Leserinnen – Männer sind in dieser Anrede, wie immer, eingeschlossen: Wir versuchen, wie immer, lustig und interessant zu sein. Oder wenigstens eines von beiden. Bleiben Sie also nicht aussen vor, lassen Sie sich auf die ­erste Frauenausgabe in der Geschichte der Weltwoche ein.

Ihr Mark Van Huisseling

premiere im Jahre Neun

WW-Magazin, die Stil-Beilage der Weltwoche, gibt es seit 2007; diese Nummer ist unsere erste Frauenausgabe.

4 März / April 2015


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MEISTER DER ABFAHRT.


Inhalt 1

Nr. 1  2015

6 März /April 2015

Titelbild: Beni Haslimeier   Bild auf dieser Seite: Ornella Cacace

Poster girl . . . der ersten Frauenausgabe von WW-Magazin: Regula Bührer Fecker, Mitinhaberin von Rod Kommunikation, zwei Mal Werberin des Jahres und – bis jetzt ­ ­ einmal – WW-Persönlichkeit. Ab Seite 22



Inhalt 2 Contributors

Nr. 1  2015  Kolumnen

Mitarbeiter

Mode

dieser Ausgabe

von Lisa Feldmann

Seite 10

Briefing

Seite 12

Kunst von Andreas Ritter Seite 13

reisen von Ulla Mothes Seite 48

Wanderlust von Pauline Krätzig Einblicke in die Welt der

Seite 50

(­ Designer-)Taschen für Damen. SEITE 14

Belletristik Nächstes Jahr in der

Trend-Report

«Frühlingsgala» von Xifan Yang Seite 44

WW-Persönlichkeit

die wwwellenreiterin Erst starke Surferin, dann auch erfolgreiche Bloggerin: Tara Michie aus Hawaii. Seite 38

Schmuck Seite 16

Geschichten

Arbiter

gute saiten, schlechte saiten Die Stradivari-Saga. Seite 32

Lesley «Twiggy» Lawson Seite 52

Service BEZUGSQUELLEN

Regula bührer Fecker

Seite 53

Werberin des Jahres

schön schwierig

und Mitinhaberin der Agentur

Die Bürde der Schönheit – ­ erzählt

Rod Kommunikation.

von einer Schönen.

IMPRESSUM

Seite 22

Seite 42

Seite 53

DamenMode Seite 18, 19

Illustrationen: Lauren Tamaki, Akira Sorimachi

Beauty Seite 20

Uhren Seite 21

8

Bilder: Nicole Bachmann, Tara Michie

Elegantiarum

Selbsterfahrung im Wortsinn – u ­ nsere Kolumnistin über eine Segway-Tour durch ihre ­ Heimatstadt. SEITE 50

März / April  2015


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MIT EINEM TOYOTA HYBRID SIEGEN SIE AUF ALLEN STRECKEN: – Sie fahren emissionsfrei in der Stadt und mit 100 PS über die Autobahn – Sie brauchen keine Steckdose und können trotzdem elektrisch fahren – Die Bedienung ist, dank des serienmässigen Automatikgetriebes, kinderleicht – Sie profitieren von rekordverdächtigen CO₂-Werten (ab 49 g/km CO₂) und geringsten Betriebs- und Benzinkosten (ab 2,1 l/100 km) – Während der ersten 6 Jahre (bis 60’000 km) erhalten Sie das kostenlose Toyota Free-Service-Paket – Toyota Hybrid ist auch auf der Rennstrecke äusserst erfolgreich (Fahrer- und Markenweltmeister 2014 an der WEC-Langstreckenweltmeisterschaft) Jetzt die innovativsten Qualitäts-Weltmeister selbst erfahren!

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Contributors

Nr. 1  2015

Xifan

Jenny

Lisa

Pauline

Yang

Keller

Feldmann

Krätzig

Die Insel Sylt mögen viele Menschen, sonst wäre sie in der Saison nicht so voll. Aber die wenigsten mögen Deutschlands nördlichsten und teuersten Flecken so gern, dass sie ein Buch dar­ über herausgeben. ­Unsere ­Autorin hat es getan: «Mein Sylt» (Fuchs-&-Fuchs-Ver­ lag) erscheint dieser Tage. In ­unserer Zeitschrift er­ zählt sie aber nicht von ihrem Buch, sondern von ihrer In­ sel. Die Liebeserklärung fin­ den Sie auf Seite 48. Und falls Sie die Art ­mögen, wie Ulla schreibt: Sie ver­öffentlichte ausserdem noch «Und mor­ gen ein Roman» (Knesebeck, 2015) – eine Anleitung, wie man selber Bücher schreibt.

Man könnte den ganzen Tag Zeitungs- und Zeitschriften­ artikel über China lesen – und würde wahrscheinlich doch bloss wenig davon verstehen, was im bevölke­ rungsreichsten Land pas­ siert. Besser ergeht es ­einem möglicherweise, wenn man die Familien­geschichte ­einer Deutschchinesin liest, die zwischen München und Schanghai hin und her reist, beide Kulturen kennt, ­beide Sprachen spricht. X ­ ifans Buch «Als die Karpfen flie­ gen lernten» erscheint dem­ nächst bei Hanser Berlin. Für uns schreibt sie über das Neujahrsfest, das sie vor kurzem mit ihrer Familie in Schanghai feierte: Seite 44.

An Jenny, studierte Architek­ tin, erinnert man sich viel­ leicht, falls man unser Heft regelmässig liest – sie schrieb vergangenes Jahr über den Designer Konstantin Grcic. Dieses Mal stellt sie eine Frau vor, die die Schnitt­ menge aus Surf­kultur, Mode und ­Social Media gefunden hat. Tara Michie heisst sie, und was die vielseitige Sur­ ferin macht, ist, einen Mode­ blog zu betreiben. Was das mit Architektur zu tun hat? Nichts. Es zeigt aber, dass unsere Mitarbeiterin eben­ falls vielseitig interessiert ist. Und Geschichten liefert, die wir nicht suchten, aber zum Glück trotzdem fanden. Seite 38

Wer eine Frauenaus­ gabe einer Schweizer Zeit­ schrift macht, bittet Lisa um einen Beitrag. Daran hat sich nichts geändert, seit sie nicht mehr Chefin der Annabelle ist und in Ber­ lin lebt. Worüber sich die zur Heimweh­zürcherin ge­ wordene Deutsche freut. Sie mag es, wenn man sie von einem möglichst lau­ ten Ort in Zürich anruft, aus dem Tram zum Bei­ spiel, während eine Durch­ sage der Leitstelle in den Wagen geschmettert wird – Lisa ­vermisst die «schö­ nen ­Zürcher Geräusche», sagt sie. Ihre Mode­kolumne finden Sie dieses Mal auf ­Seite 12.

Pauline schafft, was noch niemandem gelungen ist­ in der achtjährigen Ge­ schichte dieser Zeitschrift: ­einen Hattrick. Der Begriff stammt aus der Sportart Cricket, in der einem Spie­ ler vor 160 Jahren ein Hut überreicht wurde, nach­ dem er das Gegenstück zu drei Toren im Fussball ge­ schossen h ­ atte – in e­ inem Spiel. ­ P auline schreibt über die teuersten Musik­ instrumente (Seite 32), einen Selbsterfahrungs­ bericht über das SegwayFahren (S. 50) sowie – das persönlichste Stück – über ihre Schwierigkeiten im Alltag, weil sie so gut ­aussieht (S.  42).

10 März / April  2015

Bild: Timo Wirsching

Ulla MotHes


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Lisa Feldmann  Mode

Nr. 1  2015

eine kleine Kulturgeschichte der Models – und was man daraus lernen kann.

E

12

«Diese Siegertyp-Mädchen standen für unter 10 000 Dollar Tagesgage gar nicht auf»: Feldmann über Models.

10 000 Dollar als Tages­gage gar nicht aufstanden, die man mit dem Beruf Model verband. Und die immer nur so wild und verrucht ­rüberkamen, wie es der ­Kunde ­w ünschte. Ansonsten meisterten sie diszipliniert ihren oft harten Arbeitsalltag. Bis Mitte neunziger Jahre alles anders wurde: Erneut war es eine Britin, die den neuen Frauentyp personifizierte. Mit Kate Moss betrat eine Fünfzehnjährige den Laufsteg, knappe 170 Zentimeter klein, mit der Figur eines Kindes. Sie rauchte und trank, als gäbe es kein Morgen, und gehörte bald zur neuen Londoner Avantgarde. Über die nächsten zwei Dekaden standen Models auch für einen riskanten Lebens­entwurf; immer wieder wurde Moss Drogenkonsum nachgesagt, die Wahl ihrer Lover – Rock­musiker oder andere Männer mit Problemen – tat ein Übriges. Aber diese Fehlbarkeit, gepaart mit einer aussergewöhnlichen Stehaufmentalität, gab Moss und ihren Kolleginnen Coolness, die für eine junge Stilelite das Nonplus­ultra zu sein schien.

Heute begegne ich wieder einer neuen Model­ gattung, wenn ich durch meine sozialen Netzwerke scrolle: perfekt gebaute Victoria’sSecret-Models, die ihre Follower mit Fitness­ programmen dazu animieren, gesund und bewusst zu leben. Daneben reisen sie für NonProfit-Organisa­tionen an Krisenherde oder bringen e­ igene C ­ ookies-Linien heraus. Sie heissen Karlie Kloss, Doutzen Kroes oder Cara Delevingne, und manchmal fragt man sich, ob sie mit diesen unterschiedlichen Qualitäten direkt einer Castingshow von Heidi Klum entsprangen. Wann nur wurde aus dem Talent, verzagt in eine Kamera schauen zu können, der Multitasking-Wahnsinn? Sind Models am Ende die ­neuen Renaissancemenschen?

lisa feldmann orientiert sich zurzeit beruflich neu; zuletzt leitete sie die deutsche Ausgabe des Interview-Magazins. Zuvor war sie Annabelle-Chefredaktorin.

März / April 2015

Illustration: Riikka Sormunen

s war nur ein Schwarzweissfoto in einer Ausstellung voller Schwarzweissfotos über Londons swinging sixties. Von e­ inem Mädchen in ­einem Männertrenchcoat, flache Mary Janes an nackten Beinen, der Blick verzagt in Richtung Kamera – «Jean Shrimpton, ­Tower Bridge, London 1961», stand darunter. Fotograf: David Bailey. Als ich die Ausstellung in Berlins Amerika-Haus verliess, blieb einzig dieses Bild ­übrig auf meinem Instagram-Account. Jean Shrimpton war das erste Model der Neuzeit. Sie war aktiver Teil einer sich ge­ rade erfindenden Jugendkultur. Und mit dem Chronisten ebendieser Bewegung, dem Fotografen David Bailey, liiert. Der verliess für «The Shrimp» seine Frau. Bailey kam von der Reportage, dem wahren Leben. Er sah die ­natürliche Schönheit Shrimptons und erhob sie zum ­neuen Ideal. Und sie verhalf ihrem Beruf zu Glamour: Auf einmal wollte selbst Mick Jagger mit M ­ odels zusammen sein. Weil die trinkfest und promisk waren – wie er selbst. Das erste Model, dem ich begegnete, war das genaue Gegenteil. An einem meiner ersten Arbeitstage – ich war ausgebildet in deutscher und englischer Literatur, aber unterbelichtet in Sachen französischer oder italienischer Mode – bei einer Modezeitschrift musste ich eine Modestrecke «ausstatten»: zwölf Seiten, fotografiert an einer hübschen Blondine, die aussah wie die junge Brigitte Bardot, aber, so wurde mir erklärt, eine Deutsche namens Claudia sei. Die Bookerin, die das Mädchen instinktsicher verpflichtet hatte, erzählte mir, dass Claudia Schiffer aus netten, normalen Verhältnissen stamme und Mallorca-Fan sei, wie ihre Eltern. Claudia wurde berühmter als Jean Shrimpton; zusammen mit Naomi, Linda, ­Cindy oder Christy gehörte sie in den neunziger Jahren zu den sogenannten Supermodels, ­deren Identität jeder junge Mensch weltweit an ihrem Vornamen festmachte. Es waren ­d iese ­Siegertyp-Mädchen, die angeblich für unter


Nr. 1  2015    Kunst  Andreas Ritter

Sammler Gunter Sachs formulierte einst die Regel: «Vergessen Sie nie, Kunst ist weiblich.» Und unser Kolumnist weiss, wer die weibliche kunst der schweiz ist ­respektive macht.

L

ife Can Get Heavy, M ­ ascara Shouldn’t», so lautet der Titel ­eines Werkes der wunderbaren Genfer Künstlerin Sylvie ­Fleury, gemeinsam mit Pipilotti Rist die wohl wichtigste weibliche Vertreterin der zweitjüngsten Schweizer Künstlerinnengeneration. Während Fleury sich mit typischen Fraueninsignien ­auseinandersetzt, wenn sie Einkaufstüten zu einer I­ nstallation zusammenfügt, Vuitton-Hand­taschen in Bronze giessen lässt und Vogue-Covers als übergrosse Fotoab­züge aufzieht, widmet sich Rist vor allem sich selber, ihrem Körper, ihrem Ego. Dies hat auch zu e­ inem der grössten Missverständ­ nisse der jüngeren Schweizer Kulturgeschichte geführt, als ­Pipilotti kurzzeitig die Direktion der Landesausstellung Expo 01 übernehmen sollte. Was in Erinnerung bleibt, ist ihr köstlich bizarrer Auftritt, als sie vor der Presse zur Illustrierung ihrer Strategie einen Korb voller Tomaten ausschüttete und eine Treppe runterkullern liess. Halten wir uns darum lieber an ihre gross­artigen

Hautfarbenes Silikon in PET-Flasche: «Firm Being (Stay True)», Pamela Rosenkranz, 2009.

Bild: Gunnar Meier/Courtesy Karma International

Kunstinstallationen, die sie bis an den Times Square in New York geführt haben. Den Schweizer Pavillon an der wichtigsten ­Biennale dieses Jahres, der altehrwürdigen ­Biennale di Venezia, wird ab Mai die Künst­ lerin Pamela Rosenkranz bespielen. Sie ist die zweitjüngste der Repräsentantinnen, denen die Schweiz diese Ehre je zukommen liess. Die ­jüngste war, vor zwölf Jahren, Emmanuelle A ­ ntille, deren Stern aber rasch wieder ver­glühte. Von ungefähr kommt die Nomination von Rosenkranz nicht, sie hat heimlich eine unheimlich ­rasante Entwicklung gemacht und wird heute als eine der Künstlerinnen mit dem grössten Potenzial angesehen – auch international. Doch würde ich nicht plakativ von einem Shootingstar sprechen, sie ist vielmehr das beste mir bekannte Beispiel einer frühen Netzwerkerin der Digital-NativeGeneration: jung und hungrig, gleichzeitig kontrolliert und strategisch klug denkend. Ihr Erfolg ist umso bemerkenswerter, als ihre Kunst nicht gerade zugänglich ist – sie beschäftigt sich mit Medizin, Politik, Philosophie, Wissenschaft, ihre Kunst ist meist Verstandesarbeit und stellt den menschlichen Körper in Frage. Und auch hier: weibliche Identitäts- und Rollenmuster bis in die Materialisierung ihrer Arbeiten. Rosenkranz arbeitet mit Hautfarben und mit Spandex, füllt Kunstblut oder hautfarben pigmentiertes Silikon in PET-Flaschen und schafft so die zeitgenössische Skulptur. Bemerkenswert an ihrer Karriere ist auch, dass kaum ein Werk auf Auktionen erscheint. Viel zu vorsichtig und umsichtig agieren ihre Galeristen, sie wurden mit Bedacht ausgesucht. Lieber wird einmal ein Angebot ausgeschlagen, als dass ein Werk jemandem in die ­Hände fällt, der nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Nichts überlässt sie dem Zufall, kein Foto kursiert un­ autorisiert, kein Interview findet unbedacht statt. Im Zentrum steht das Werk. Rosenkranz’ Arbeiten werden in der Rezep­tion oft als sexy, erotisch bezeichnet, allerdings nicht in einem vorder­gründig platten, sondern subversiv intellektuellen Sinn. Kaum je habe ich eine so klar und konsequent durchgezo­gene Karriere­planung eines Künstlers gesehen. Ich schliesse mit einem ­Zitat des Charmeurs Gunter Sachs, der ­seine zehn Regeln des Kunstsammelns wie folgt beschliesst: «Punkt 10: Vergessen Sie nie, Kunst ist weiblich.»

Andreas Ritter ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der Fünfzigjährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.

März/  April 2015

13


Briefing  Taschen

Wenn man es nüchtern ­betrachtet, ist eine Damenhandtasche ein Behälter, in dem man ­ garantiert nichts mit Leichtigkeit findet. Etwas emotionaler: Eine Tasche ist die beste Freundin der Frau. Und die vielleicht teuerste für den Mann, der sie ihr schenkt.

Nr. 1  2015  Ikone

Von der Hand­ tasche mit N ­ amen «Birkin Bag» produziert Hersteller ­ Hermès jährlich rund 70 000 Exemplare. Der Preis dieses Modells ­ und anderer ikonischer ­Taschen kann im Sekundär­ markt bis zu fünfzig Prozent über dem Preis im Laden liegen, weil es für bestimmte ­ Ausführungen ­ lange Wartezeiten gibt – bei ­einer Hermès«Kelly Bag» etwa eine solche von bis zu drei Jahren.

Museal Das and

Museum Purses

in

of

Bags

Amster-

dam w ­ urde von Hendrikje und Heinz Ivo 1996 gegründet. ­ Heute zieht das «Tassenmuseum» jährlich über 85 000 Besucher an, die über 5000 Exponate

4200 Jahre alte tante In

Deutschland,

in

­bestaunen können.

der

Nähe von Leipzig, haben Forscher vor drei Jahren ­einen ganz speziellen Fund

Lange finger

gemacht: Sie stiessen bei Ausgrabungsarbeiten

«Schwarze Lies», «Lady Finger», «­Fabil Finch», «­ Louis the Dip» und «La main d’or» sind nicht ­Namen von Designer­ taschen – sondern von einigen der berühmt-berüchtigtsten Taschendieben, die jemals ihr Un­ wesen getrieben haben.

in

einem Grab auf eine uralte,

mit

über

hundert

Hundezähnen dekorierte Handtasche. Ihr Alter wird auf über 4200 Jahre geschätzt.

Gucci

Die «Soft Stirr­ u p» aus Krokodilleder von G ­ ucci war mit 32 500 US-Dollar (Purseblog.com) die teuerste ­ Tasche im Jahr 2014.

Diskret

14

Louis Vuitton

2003 entwarf der japanische bildende Künstler T ­ aka­ shi Murakami eine Tasche für Louis Vuitton – ­ allein mit ­dieser «Murakami Bag» ­ erzielte der französische Konzern im ­ gleichen Jahr einen Umsatz von rund 350 Millionen Dollar. Redaktion: Oliver Schmuki   März / April  2015

Illustration: Lauren Tamaki

Glaubt man der Londoner Beratungsfirma Stylus, geht der Trend im obersten Segment der Modeindus­ trie in Richtung sogenannt diskreten Luxus. Etwa hat ­Louis Vuitton 2013 erstmals eine Logo-freie Hand­tasche auf den Markt gebracht – für über 5000 Dollar.

Grace Kelly

Die bis vor kurzem It-Bags genannten Status-Taschen von Fendi, ­Prada, Hermès, Chloé, ­Balenciaga, Bot­ t ega V ­eneta etc. erhielten ­diesen Namen in den Neunzigern. Das Phänomen kennt man aber schon seit längerem: 1956 wurde eine Abwandlung des hauseigenen «Sac à dépêches» aus dem Jahr 1935 von Hermès in ­ «Kelly Bag» umgetauft, nachdem die Schauspielerin Grace Kelly diesem zu Bekanntheit verholfen hatte.



Trend-Report

R

Nr. 1  2015

Rubine, vor allem in reinem Rot, sind schwer zu finden. Die rarsten sind ­sogenannte ­pigeon blood-Steine (Tauben­ blut) – sie sind manchmal selte­ ner und teurer als Diamanten, die eigentlich als wert­vollste Edelsteine gelten. Wer sich für solches Wissen und für Schmucksteine im Allgemeinen interessiert, hat jetzt Gelegen­ heit, Kurse zum Thema beim Luzerner Familienunterneh­ men Gübelin zu besuchen. Vor­ sitzende der Gübelin-Akademie ist Managing Director ­Helen Molesworth. Die Britin lehrt an zwei Tagen das, was man über Edelsteine wissen ­möchte: Am einen Tag geht es um das ­Erkennen und Beurteilen von ­Rubinen, der zweite Tag ge­ hört den Farbsteinen Smaragd und Saphir. Weiter bekom­ men Kursteilnehmer allge­meine gemmologische Lektionen, also Nachhilfe in Edelsteinkunde. Der nächste Kurs fin­ det am 21./22. April in Z ­ ürich statt, die Teilnahme ­kostet 980 Franken (bei Anmeldung mindestens drei Wochen vor Kursbeginn: 880 Franken). Im Preis nicht inbegriffen ist ein Edelstein – aber vielleicht macht das Gelernte Lust, sich einen zu leisten: Schönheit und ­Qualität beurteilen kann man danach auf alle Fälle.

Rubinring, 750er Weissgold mit 12 Diamanttropfen (1.16 ct) und Rubin (3.00 ct., oval) aus Burma. Fr. 44 200.–.

16

Redaktion: Valeska Jansen   Bild: Stephanie Dinkel   März / April 2015


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Trend-Report  Fashion 1

Nr. 1  2015

D

Denim ist zurück – das heisst, war der Stoff je weg? Jeans waren und bleiben ein Lebensgefühl. Eines, das immer passt. 3

2

4

1. Outfit von stella mccartney, Hose: ca. Fr. 530.–, Jacke: ca. Fr. 690.–. 2. Outfit von BURBERRY PRORSUM, Jacke: Fr. 2795.–,

5

Kleid: Fr. 1495.–, Tasche: Fr. 1995.–, Schuhe: Fr. 550.—. 3. Uhr von MARC BY MARC JABOCS, Fr. 259.–. 4. Schuhe von MASLIN & CO,

6

ca. Fr. 295.– (bei

7

Net-a-porter.com). 5. Handcreme von L̕Occitane, Fr. 30.– (150 ml). 6. Tasche von MULBERRY, Fr. 721.–.

13

7. Outfit von KENZO,

12

Hemd: ca. Fr. 965.–, Rock: ca. Fr. 700.–, Schuhe: ca. Fr. 580.–. 8. Jacke von LEVI̕S, Fr. 129.90. 9. Outfit von GUCCI,

Der Blick auf die Laufstege von Mailand bis New York zeigt: Denim, Denim, Denim. Schon wieder respektive: immer noch. Alexander Wang lanciert sein Jeanslabel ­Denim X Alexander Wang, It-Girl Alexa Chung entwirft eine Kollektion für AG Jeans, und Topmodel Candice Swanepoel ist mit dem Jeanslabel Mother um die neue Frühjahrsmodelle besorgt. Ein Look aus der neusten Kollektion von Stella McCartney besteht aus weiten Hosen, Jeanshemd, Schnürsandalen – Ende. McCartney zeigt Denim diese Saison in klassischem Indigo-blue. Burberry Prorsum interpretiert den Baumwollstoff etwas eleganter: dunkel, in Kombination mit Straus­senfedern. Ob dunkel oder hell, beides ist gleichermas­sen garderobentauglich. Besonders schön und passend für ­erste Frühlingstage sind Accessoires in Rosa. Sie ver­ leihen dem groben Baumwollstoff Sanftheit. Wer es liebt, D ­ enim zu tragen, dem ist schon lange klar: Das ist kein Trend, sondern ein Lebensgefühl.

18

Kleid: ca. Fr. 1720.–, Tasche: ca. Fr. 3000.–, Gürtel: ca. Fr. 420.–, Schal: ca. Fr. 205.–,

8

Schuhe: ca. Fr. 910.–. 10. Schuhe von

11

LOUIS VUITTON, Fr. 1470.–.

9

11. Outfit von LOUIS VUITTON, Oberteil: Fr. 1710.–, Hose: Fr. 920.–, Tasche: Fr. 3550.–, Schuhe: Fr. 1730.–,

10

Ohrringe: Fr. 795.–. 12. Sonnenbrille von   must-have des monats Schuhe von CHLOÉ, Fr. 490.– (bei Mytheresa.com).

OLIVER PEOPLES, Fr. 453.– (bei Mytheresa.com). 13. Schuhe von HERMÈS, Fr. 1050.–.

Redaktion: Yvonne Wigger   März / April  2015


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