WW Magazin No. 3/14

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WW Magazin No. 3 Mai / juni 2014

Kunst welche messen man sehen muss

ibiza sizilien barcelona

Trends der Saison Mode, schmuck, inneneinrichtung

atlas des schönen

Homestory, Modestrecke, Reise­reportage

Design

Weshalb Konstantin Grcic ein grosser Gestalter ist  Porträt

Eine Zeitschrift der Weltwoche Verlags AG

Veronica Ferres

Fr. 6.50


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no 3

Editorial

Mai Juni

Willkommen Für diese Ausgabe des WW-Magazins reiste ich nach ­Sizilien, um darüber zu schreiben. Natürlich wird der Artikel, den man als Journalist nach bloss wenigen Tagen in einem fremden Land mit nach Hause bringt, der Wirklichkeit dort gar nicht, oder nur zu einem kleinen Teil, gerecht. Trotzdem: Ich denke, ich habe auf meiner Suche nach Erklärungen, weshalb einige Länder oder Regionen der Welt wirtschaftlich aufsteigen und andere eben nicht, ein paar weitere Einsichten erhalten, von denen ich weiter hinten in dieser Ausgabe erzähle. Auf dem Weg dorthin kommen Sie an ein paar leichten, fast schwerelosen Geschichten vorbei – an Mode, an einem Strand der Costa Brava ­fotografiert, oder an einer Finca auf Ibiza, die wir von aus­sen und innen zeigen dürfen. Ich wünsche Ihnen viel Lese­spass und einen schönen Sommer. Ihr Mark van Huisseling

la ferres Ein Treffen mit der erfolgreichsten deutschen Schauspielerin –­zwischen Filmstarts und Milliardärshochzeit. 4

Bild: Tom Haller   mai / juni 2014


©T&CO. 2014

ATLAS ® ZÜRICH BAHNHOFSTRASSE 14 044 211 10 10 ZÜRICH FLUGHAFEN AIRSIDE CENTER–LEVEL 2 044 444 10 10 TIFFANY.COM


Der Stein des Lebens und der Liebe «Beim Rubin wechseln lichte und samtene Töne von Rosa bis zu dunklem Purpur: Je leuchtender, je lebhafter das Rot funkelt, desto erlesener und kostbarer ist der Stein des Lebens und der Liebe.» Dr. Eduard J. Gübelin (1913 – 2005)

6.95 ct Rubin aus Burma im Ovalschliff

Luzern Zürich Basel Bern St. Moritz Genève Lugano Kuala Lumpur Hong Kong


Inhalt

Grosse Vergangenheit, mittelgrosse Gegenwart – und die Zukunft? Besuchen Sie Sizilien, solange es noch besteht und einigermassen in Schuss ist. Wir waren bereits dort und empfehlen die Mittelmeer­ insel, vor allem im Frühsommer. Die Reisereportage ab Seite 38.

Kurhaus «Stabilimento balneare» in Mondello 8

Bilder: XXX   mai / juni Titelbild: Leo Krumbacher (Oberteil: lanvin, Hose: Hermès, Halskette/Armreif: TOM FORD, Clutch: Stella McCartney)  mai / juni20143 2014


briefing Wissenswertes aus der Möbelbranche. Seite 12

Trend-Reports

Mode Unsere Saison-Lieblinge: Bikinis, Einteiler und eine Faltjacke. Seite 14, 15

SCHMUCK Die Natur als Vorbild. Seite 16

uhren Werke aus der eigenen Manufaktur. Seite 17

Keine Rose ohne Dornen sozusagen, kein WW-Magazin  ohne Schöne in neuer Mode. Dieses Mal aus Sitges bei Barcelona: Seite 20 ko l u m n e n

G e s c h ic h t e n

S e r vic e

Brief aus dem bett von Lisa Feldmann SEITE 10

Das Weisse haus Wohnstory aus Ibiza SEITE 54

ich schlafe mit . . . Jeremy Hackett über ­ sein Schlafzimmer. Seite 62

ansichten aus dem maschinenraum der kunst von Andreas Ritter SEITE 11

tiefer süden Reise-Reportage aus Sizilien SEITE 38

Wanderlust Pauline Krätzig ist gegen Velohelme. SEITE 64

bezugsquellen Seite 66 impressum Seite 67

ww-persönlichkeit Veronica Ferres Seite 30

QUESTIONNAIRE Gitta Lambsdorff Seite 68

wohnen Schöne Sitzgelegenheiten. Seite 18 mai / juni 2014    Bild auf der linken Seite: Tom Haller  Bild auf dieser Seite: Leo Krumbacher Illustration: Akira Sorimachi

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Lisa Feldmann

Brief aus dem bett

W

as ist passiert mit mir, dass ich morgens als Erstes wissen will, was Cara Delevingne gerade macht? W ­ arum interessiere ich mich für ein Musikfestival in Kalifornien, während wir durch Sizilien cruisen? Anders gefragt: Wie hat es das Foto-Filter-Programm Instagram in meinen Alltag geschafft – mit einer Abruf-Frequenz, die man als beängstigend wahrnimmt? Dabei hatte ich mir nach einer kurzen, schockierenden Erfahrung mit Facebook einst für immer geschworen, mich niemals wieder in einer virtuellen Welt aufzuhalten! Damals, vor gut sechs Jahren, verlegte mein Stiefsohn seinen Lebensmittelpunkt nach New York. Ich meldete mich also auf Facebook an. Doch es stellte sich heraus: Er begann gerade, Facebook als uncool anzu­schauen. Dafür spürten mich genau die langweiligen Schulkollegen, Seminar-Nerds und noch so entfernten Verwandten auf, die ich im ­Laufe meines langen Lebens durch stoisches Nicht­beantworten von weihnachtlichen Rundbriefen abgeschüttelt hatte. Den nächsten Versuch machte ich mit Twitter vor etwa fünf Jahren. Ein Interview mit Demi Moore stand an, sie hatte dem neuen Medium zu bis dahin nicht vorstellbarer Popularität verholfen. Dabei war die Schauspielerin ja nun wirklich nicht mehr den Digital Natives zuzuordnen, Ashton Kutcher hin oder her. Einige Wochen lang fand ich es ganz interessant, doch auch in der Twitter-Welt blieb ich ein Zaungast, meine Lieblings­medien abonnierte ich bald online, und Demi Moore war ohne Ashton Kutcher schnell nicht mehr wirklich entertaining.

Lisa Feldmann orientiert sich zurzeit beruflich neu; zuletzt leitete sie die deutsche Ausgabe des  Interview-Magazins. Zuvor war sie  Annabelle-Chefredaktorin.

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Jetzt schlage ich morgens die Augen auf und suche noch im Halbdunkel nach meinem Handy, um ein erstes Update einzuholen. Denn während ich nach mitteleuropäischer Zeit zwischen Tiefschlaf und Traumwelt oszillierte, war an vielen Orten auf diesem Planeten die Hölle los. Und darüber erfahre ich exklusiv und brandaktuell auf meinem Instagram-Account. Nehmen wir die Osterfeiertage. Während wir Sizilien umrundeten, fand in der Nähe von Los Angeles das CoachellaRockfestival statt, das auf die Hipster-Welt eine magische Anziehungskraft ausübt – auch weil es von Partys im Chateau Marmont und ­Ausflügen nach Palm Springs eingerahmt wird. Wer wann auftrat und wer welches Konzert sah und was alle dabei anhatten, erfahre ich so oft und detailversessen, wie ich ­gerade Lust habe. Denn ich folge einer ganzen Reihe Stylisten, Models, It-Girls und Bloggern, die sich dort amüsierten. Einer der Designer, denen ich folge, war in Rio, ein anderer in Kalabrien. Die Queen hatte Geburtstag, und wir freuten uns alle über ein fröhliches David-Bailey-Porträt, das von den unterschiedlichsten Accounts gepostet wurde. Eines meiner Lieblingsmodels ist wieder schwanger, und ein anderes ist gerade mit seiner neuen Freundin in Schanghai – aber die meisten verbrachten dieses lange Wochenende im Kreise der Familie, in Südfrankreich, Heidelberg, in den Cotswolds oder in der Toscana. Als die Ferien vorbei waren, ging es zurück an die Arbeit. Es wurden spannende Shootings vorbereitet, hierfür Locations gescoutet, Models gecastet. Auch die Autoren und Redak­toren, denen ich folge, berichteten jetzt wieder Professionelles – wer gerade was recherchierte, wen was umtrieb und was man wo – ganz brillant formuliert – zu welchem Thema lesen konnte. Seinen unbestrittenen Höhepunkt erreicht mein persönliches News-Netz jeweils während der internationalen Modeschauen – lässt einen doch jeder Insider inzwischen teilhaben an seinen front-row-Perspektiven und Backstage-Bildern. Und ich bin überzeugt, das gilt genauso für die Frankfurter Buchmesse, das Berner Bundeshaus während einer Session, und für die Art Basel sowieso, ob in der Schweiz oder in Florida. Denn es geht nicht nur um die Geschwindigkeit, sondern eben auch um den Grad der Intimität, die nur im Netz hergestellt wird – und hier wiederum wohl am stärksten bei Instagram, das ja vornehmlich über Bilder funktioniert. Entscheidend für mich aber: Ich mache gut gelaunt mit. Konsumiere nicht nur, sondern stelle ungeniert Bilder ins Netz, sogenannte Selfies vor Sehenswürdigkeiten / blauem Meer / ­blauem Himmel, mit meinem Hund / meinen Freunden / meiner ­Familie / meinem Gottenkind. Und nicht selten folgt auf eine vir­tuelle Bekanntmachung eine analoge Begegnung, wie neulich, als eine Freundin die kleine Kapelle in den Graubündner Bergen fotografierte und das Bild davon ins Netz stellte, an der ich tags zuvor vorbeigelaufen war – wir telefonierten daraufhin und trafen uns zum Mittagessen! Solche Geschichten erzählen übrigens immer nur Leute meiner Generation. Weil wir uns in den meisten Runden rechtfertigen müssen. Wenn wir nervös werden, weil es irgendwo kein WLAN gibt. Und dafür verächtliches Kopfschütteln ernten. Meist von Menschen, die ganz ausser sich sind vor Freude, wenn sie im Ausland, irgendwo an einem kleinen Kiosk, eine NZZ vom Vortag entdecken. Illustration: Paul X. Johnson    mai / juni 2014


Andreas Ritter

aus dem maschinenraum der kunst

dene Sektoren aufgeteilt, war die Art Unlimited die letzten­ Jahre stets in aller Munde: grosse Werke in grossartigem Ambiente, gekonnt kuratiert und den Trend vorgebend, dass die besten Ausstellungen heute nur allzu oft nicht mehr im klassischen Museumskontext gezeigt werden. Dieses Jahr nun wartet die Art Basel mit einem vollständig neu erfundenen Format auf: «14 Rooms», kuratiert von Hans-Ulrich Obrist und Klaus Biesenbach, zeigt in 14 Räumen – gestaltet von Herzog & de Meuron – Performance-Kunst auf höchstem ­Niveau und während der ganzen Messewoche. Noch können Sie sich bewerben, um bei Marina Abramović als nackte Tänzerin oder bei Damien Hirst als eineiiger Zwilling mitzutun.  www.artbasel.com Manifesta 10 – Sankt Petersburg Die Manifesta 10 mit dem nicht bescheidenen Untertitel «The European Biennial for Contemporary Art» findet in Sankt Petersburg vom 28. Juni bis zum 31. Oktober 2014 statt und wird von Kasper König kuratiert. König will Werke der zeitgenössischen Kunst älteren aus dem Bestand des Museums gegenüberstellen. Hauptausstellungsort ist ein neuer Gebäudeflügel der berühmten Ermitage, und einbezogen werden ­viele weitere Ausstellungsorte, nah und ferner, was eine Reise s­ icherlich lohnen wird. Die eben veröffentlichte Teilnehmerliste der Künstler liest sich wie ein Who’s who der aktuellen internationalen Kunstszene, mittendrin die beiden Schweizer Thomas Hirschhorn und Olivier Mosset. Besonders gespannt sind wir auf die Qualität der Veranstaltung auch deshalb, weil die ­nächste ­Manifesta 2016 in Zürich stattfinden wird. Bleibt zu hoffen, dass bis dann der unsägliche Hafenkran wieder a ­ bgebaut sein wird. Es kommt sicher noch jemand auf die Idee, dass hierfür das Geld fehlt.  www.manifesta.org

8. berlin Biennale – Berlin Die achte Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst versamAndreas Ritter ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der melt eine Reihe von internationalen künstlerischen Positionen, 50-Jährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei die sich mit den Überschneidungen von grös­seren historiRitter & Partner Rechtsanwälte in Zürich. schen Narrativen und dem individuellen Leben beschäftigen. ­Lohnende Beiträge erwarten wir von zwei Shootingstars der er internationale Kunstsommer ist nahe, zeitlich wie geogra- Szene, Saâdane Afif und Danh Vo, Kernausstellungsort seit fisch. Während Messe-Highlights im Frühjahr in New York der ersten Ausrichtung im ­Jahre 1986 ist das spannende und und in Hongkong gefeiert werden, verlagert sich das Haupt- inspirie­rende KW Institute for Contemporary Art in Berlinaugenmerk auf wichtige Kunstereignisse im Mai und Juni nach­ Mitte.  www.berlinbiennale.de Europa. Und vorneweg steigt die Spannung auf die neuste Aus­ gabe der Art Basel, die am 17. Juni für Preview und Vernissage die Galerienwochenende – Zürich Tore öffnet. Höchste Zeit also, um hier auf einige der kommenden Womit wir beim Lokalen angelangt wären. Es gilt, sich hier Ereig­nisse aufmerksam zu machen, auf die wir uns freuen. Im Zwi- das Wochenende vom 14./15. Juni im Kalender fett anzustreischenjahr ohne Kunstbiennale in Venedig bleibt Platz für Neues und chen. Die Kunsthalle Zürich zeigt Werke von Haim Steinbach, anderes, doch wohin geht die Reise? Nun, alles strebt zum Zeitgenös­ das Haus Konstruktiv eine Ausstellung von Tobias Putrih, und sischen, selbst altehrwür­dige Institutionen wie die Ermitage in Sankt alle Galerien präsentieren ihre Filetstücke, um die über Zürich Petersburg oder das ­Museum Rietberg in Zürich reihen sich hier ein. nach Basel reisende internationale Sammlerschar bereits vor Doch der Reihe nach: dem ersten Akt in Basel aus der Reserve zu locken. So dürfte sich etwa ein Besuch lohnen bei Karma Interna­tional, der junArt Basel 45 – Basel gen Zürcher Galerie, die man nicht mehr vorzustellen braucht Der Fixstern im Kunstsommer 2014 ist und bleibt die Kunst- und die mit einer Einzelpräsentation von Pamela Rosenkranz messe in Basel, «The Olympics of the Art World», wie sie eröffnet – mit der Künstlerin also, welche die Schweiz an der sich gerne auch nennen lässt. Mittlerweile in acht verschie- Kunstbiennale in Venedig 2015 vertreten wird.  www.dzg.ch

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mai /juni 2014   Illustration: Domitille Collardey

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möbelbranche

Briefing

Man verbringt einen grossen Teil seines Lebens an Tischen, auf Stühlen sitzend und in Betten liegend. Doch über die Branche, die Tische, Stühle und Betten herstellt, weiss man wenig. Zeit, das zu ändern.

Ikea

philippe starck Mit dieser Aussage gegenüber der Zeit ­schockierte der Designer 2008 die Szene.

Der grösste MöbelEngrosmarkt der Welt befindet sich im Stadtbezirk Shunde in der chinesischen Grossstadt Foshan. Auf 3 Millio­ nen Quadratmetern (oder 420,1 Fussballfeldern) sind 3300 einheimische und ausländische Möbelhändler sowie 1500 Möbelhersteller vertreten.

Der Schweizer Möbeldetailhandel wird von wenigen Branchenführern dominiert. Die Top Five: Ikea, Möbel Pfister, Micasa, Conforama, Interio. (Bewertungskriterium: Sichtbarkeit in Google-Suchergebnissen).

Im Jahr 2012 wurden im Schweizer Markt für Möbel 2,93 Milliarden Franken umgesetzt; der Höchststand war mit 3,17 Milliarden im Jahr 2008. 2013 gingen die Umsätze weiter zurück, und auch das ­Exportgeschäft schrumpfte ins­ gesamt. Ein Grund für den Negativtrend: der schwache Euro.

HorgenGlarus

Rekord: Das 2004 an einer Auktion versteigerte «Badminton Cabinet» ist das teuerste je verkaufte Möbel­ stück. Der Schrank aus Elfenbein mit diversen eingefassten Edelsteinen aus dem 18. Jahrhundert wurde von dreis­ sig Experten innerhalb von sechs Jah­ ren für Henry Somerset, den Duke of Beaufort, erstellt.

H o rg e n g l a ru s (Gründungsjahr: 1880) i s t d i e ä lt e s t e S t u h l- u n d T i s c h m a n u fa kt u r d e r S c h w e i z.

Der seit 1961 existierende Mailänder Salone Internazionale del Mobile ist die weltgrösste Messe für Inneneinrichtung. Zahlen aus diesem Jahr: 1737 Aussteller, 357 212 Besucher, 152 300 Quadratmeter Ausstellungsfläche, was 21,3 Fussballfeldern entspricht.

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Die Design Academy in Florenz wird v ­ ielerorts als die beste und ­a nerkannteste Schule für Interior Design bezeichnet.

Umsatz

19 millionen Pfund

Salone

F. D. A.

Umsatz Marktforschung: Im USamerikanischen Möbel­ handel wird dieses Jahr bereits jeder fünfte Dollar ­online umgesetzt. Entsprechend wird sich auch in der Schweiz der Möbel-detailhandel verändern.

Serie 7 Der vom dänischen Designer und Architekten Arne Jacobsen entworfene Holzstuhl «Serie 7» ist der meistverkaufte Stuhl überhaupt. Seit 1955 wurden über fünf Millionen Exemplare verkauft. Redaktion: Oliver Schmuki   mai / juni 2014

©LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

Shunde

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Ikea Schweiz hat im Jahr 2011 erstmals über eine Milliarde Franken umgesetzt, 2013 waren es 1,03 Milliarden.

G

"Design is dead."


ALLES ZUM DRAUSSEN WOHNEN. <wm>10CAsNsjY0MDQx0TU2MbcwMQUAN2CtzA8AAAA=</wm>

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699.– Sofa

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Trend-Report

no 3

Mai Juni das gelbe vom ei  Das «Travel Jacket» passt, richtig gefaltet, in jede Reisetasche.

Eine Jacke für Männer und Frauen auf zwei Rädern.

«Travel Jacket» Die Jacke ist in vier verschiedenen Farben in jedem BallyStore erhältlich. Fr. 3295.–. 14

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ie Frühjahr/Sommer-Kollektion von Bally wurde für den Mann auf zwei Reifen entwickelt: «Tour de Bally – Eine Spritztour durch die City oder ein Trip ins Wochenende», lautet das Motto. Besonders Fotos von der Tour de Suisse aus den fünfziger Jahren dienten als Inspirations­ quelle. Das Highlight der Kollektion: das «Travel­­Jacket», eine feder­leichte, mit Gänse­ daunen gefütterte ­ J acke – weich, knitterfrei und auf ­jeder ­Reise eine gute Begleiterin.

Besonders praktisch daran ist nicht nur die simple Falttechnik, um die Jacke zu verkleinern und in dem dazugehörigen Beutel zu versorgen, sondern auch die wasser­a bweisende Stoffoberfläche. Das «Techno Suede»-Mate­rial, dessen Entwicklung auf Ballys traditioneller Herstellung von funktionalen Reise­accessoires beruht, wird in einem speziel­len Teflon-Gerbungsprozess hergestellt. Das Wildleder wird so ­f lüssigkeitsabweisend, egal, ob es mit Regen, feuchtheisser

Luft oder mit Rotwein in Kontakt kommt. Das elegante und auch für Damen erhältliche Stück ist dem Ex-Krea­tivdirektoren-Team Graeme Fidler / ­Michael Herz zu verdanken. Im ­Februar übernahm nun Pablo ­Coppola die Verantwortung für das fünf­ zehn­köpfige Designteam. Der ­Argentinier war zuletzt bei Tom Ford als Head of ­Accessories ­tätig, davor ­hatte er Erfahrungen bei ­Céline, Burberry­und Dior gesammelt. Als ­neuer BallyKrea­tivdirektor wird ­Coppola künftig alle Linien betreuen.

Redaktion: Yvonne Wigger   Mai / Juni 2014


TrendReport 1

Fashion

Die Möglich­keiten für einen eindrücklichen Strand-Auftritt ­waren ­selten viefältiger.

Wer hat das Zeug, um diesen Sommer zum treuesten Begleiter zu werden: Sonnenbrille und Bikini – oder der Badeanzug? Auf der Swim ­Fashion Week in ­Miami sorgten Triangel-Bikinis und Badeanzüge im ­Retrolook oder mit sportlichen cut-outs für Abwechslung. Ob ­Bikini oder Badeanzug, ist geschmacksund vielleicht auch figurabhängig. Wir bevorzugen pastellige Farben (auch für Sonnenbrillen) oder l­eichte Prints, die noch mehr Lust auf Sonne und ­ Glace machen. Welcher Farbton wann getragen werden sollte, verrät Eres-Bademode-Designerin Valérie Dela­fosse: «Mit heller Haut sollte man sich für dunklere Farben entscheiden, welche die Blässe der Haut positiv zur Geltung bringen. Zu farbigen Modellen wechselt man, sobald die Haut die Sommerfarbe etwas angenommen hat.» Bereits gebräunte oder schwarze Haut hingegen ­könne sich jede Bademode­ farbe erlauben.

1 Outfit von Dolce & gabbana, Preis a. A. 2 Brille von chloé, ca. Fr. 360.–. 3 Badeanzug «Cas­sio­p ée» von Eres, Fr. 440.– 4 Buch «In the Spirit of the Hamptons» von

kelly killorenbensimon Assouline. Fr. 48.90.

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5 Brille von viu, Fr. 175.– (mit Korrekturgläsern: Fr. 275.–). 6 Badeanzug von

calzedonia, ca. Fr. 90.–. 7 Outfit von

michael kors, Badekleid: ca. Fr. 470.–, Sandalen: ca. Fr. 1620.–. 8 Schuhe von chanel, Fr. 520.–.

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must-have des monats

Der britische Modedesigner Matthew Williamson ist bekannt für unverwechselbare Prints. Seine Kollektionen begeistern mit orientalischem Flair, und jede Saison ziehen auch die Accessoires Blicke auf sich – vor allem die Sonnenbrillen. Seit vierzehn Jahren spannt Williamson mit dem Londoner Brillenlabel Linda Farrow zusammen. Die aktuellen Modelle sind schmetterlings­förmig, feminin und haben dezente Farben. Sonnenbrille «MW94» von  LINDA FARROW by matthew williamson, Fr. 350.– (bei

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Specspec.com).

mai /juni 2014    Redaktion: Yvonne Wigger

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TrendReport

1 piaget Ohr­hänger, Brillant­-Rosen mit blauen Saphiren in ­Kissenschliff, Kollek­ tion «­Limelight Garden ­Party», Preis a. A. 2 bucherer Ohrhänger, ­dunkle Granatkugeln und leuchtend grüne ­Tsavoriten, Kollek­tion «Douceur Estivale», Fr. 72 500.–.

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schmuck

Die Natur, sagt man, ­liefere die besten DesignIdeen. Und das zeigen diese Schmuckstücke.

5 frieden Ohr­ stecker «Œil ­Magique», Diamanten und Brillanten, in Weissgold gebettet, Fr. 5100.–. 6 gübelin ­Collier, Saphir, Smaragd, ­Spinell und Diamanten, Fr. 172 000.–. 7 kurz Ohrstecker, zwei facettierte Quarze, besetzt mit ­einer Entourage aus 88 pinken und zwei blauen ­Saphiren, Fr. 5900.–.

3 tiffany & co.  Armreif «­Tiffany ­Atlas», Gelbgold, Fr. 600.–.

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4 jean dinh van

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Zwei Spiralringe, ­kombiniert, je Fr. 4500.– (bei ­Meister Juwelier, ­Zürich).

8 victoire de ­castellane Ohrhänger, Roségold, Diamant und Amethyst, Fr. 10 000.–.

4 6 SCHMUCKE NATUR  Das unerreichte Ideal dient Künstlern und Handwerkern immerhin als wertvolle Inspirationsquelle.

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must-have des monats Bei Chanel macht man mit dem Slogan «Most Wanted» auf die neuste Schmuckkollektion aufmerksam: «Camélia Galbé». Uns ­ gefällt der Kamelien-Armreif besonders gut. Die ungewöhnliche Materialkombination (Keramik, Weissgold, Diamanten) und das romantisch-verspielte Design verleihen der Lieblingsblüte von Coco Chanel eine unkonven­tionelle und moderne Optik und machen das Schmuckstück zum idealen Begleiter – gerne auch länger als nur einen Sommer lang.

Natürliche Materialien können auch unnatürliche Formen annehmen. Und doch war auch dieses Jahr die Natur das Vorbild der Juwelendesigner: Blätter, Blüten, Wasserfälle – nachempfunden mit wertvollen Edelsteinen. Wem dies zu ­üppig ist, findet auch schlichte Fassungen. Ob zurückhaltende Eleganz oder üppige Extra­vaganz, zum Träumen (oder zum Kaufen) verleiten alle diese Entwürfe. 16

Armreif, Kollektion «Camélia Galbé», von  c ­ hanel, Fr. 11 950.–.

Redaktion: Valeska Jansen  Bild: Alexis Zurflüh   mai /Juni 2014


TrendReport 3

Uhren

Was vom Uhrenfrühling bleibt: Die Erkenntnis, dass Marken, die auf sich halten, wieder ­eigene Werke herstellen. uhr des monats

oris  Von der «110 Years Limited Edition» in Rotgold mit dem neuen Handaufzugwerk Kaliber 110 gibt es eben so viele Exemplare. Fr. 14 800.– (Version aus Edelstahl: Fr. 5500.–).

emporio armani  Die «Swiss Made»: zum ersten Mal mit Automatikwerk. Fr. 1200.–.

maurice Lacroix Die «Masterpiece Mystery» ist mit einem Manufakturkaliber mit Automatikaufzug bestückt. Fr. 12 500.–.

breitling for bentley In der auf tausend Exemplare limitierten «Midnight Carbon» steckt ein Chronometer-zertifiziertes Chronografenwerk. Fr. 10 170.–.

victorinox Die Titanuhr «Dive Master 500» mit Automatikaufzug ist auf exakt 500 Exemplare limitiert. Fr. 3250.–.

carl f. bucherer  Diese mechanische Uhr mit ewigem Kalender in Rotgold ist auf hundert Stück limitiert und heisst «Manero Chrono Perpetual». Fr. 41 900.–.

maurice de mauriac Das reduzierte Design der «L1» stammt von Fabian Schwaerzler, das automatische Werk von ETA. Fr. 2300.–.

Nicht erst die Drohung der Swatch Group, ­weniger Uhrwerke an andere Marken zu liefern, hat zu einem Umdenken geführt. ­Uhrenfirmen erinnern sich (einmal mehr) an ihre Geschichte, da ­viele Bet­riebe ­eigene ­Werke herstellten. Die Marke Oris, gegründet vor 110 Jahren, stellt aus diesem Anlass ein ­eigenes Uhrwerk mit Zehn-Tage-Gang­reserve vor. Es ist das ­erste selbstproduzierte mechanische Werk seit 35 Jahren. Auch andere Marken setzen wieder vermehrt auf eigene Uhr­werke. Ein kluger Entscheid, finden wir. Korrigenda  Die WW-Magazin-Ausgabe No. 1/14 enthielt zwei falsche Uhrenpreise. Die «Meisterstück Heritage Pulsograph» von Montblanc kostet richtig Fr. 31 400.–, die «Calibre de Cartier Diver» von Cartier Fr. 25 300.–. Wir bedauern diese Fehler.

Mai /juni 2014    Redaktion: Raphael Suter

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TrendReport 4

Wohnen

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Eine gute Sitzgelegenheit hat heute viele Erwartungen zu erfüllen. Einige dieser s­ chönen neuen Exemplare übertreffen jene sogar.

neu in zürich Am Zürcher Zeltweg, ganz in der Nähe von Schauspiel- und Kunsthaus, befindet sich seit kurzem die Interior-Boutique Roomdresser. Dort finden design- und stilinteressierte Besucher eine feine, individuelle Welt, wie sie sie auch bei sich zu Hause haben können. Denn das Verwirklichen von Raumträumen und das Realisieren ungewöhnlicher Wohnvorstellungen ist das Angebot von Doris Ambühl und Martin Piffer. Die b ­ eiden Innenarchitekten wollen alles möglich machen ­respektive liefern – ausser Ideen und/oder Waren «von der Stange».

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Roomdresser, Zeltweg 4, Zürich; www.roomdresser.ch

An der Mailänder Möbelmesse, die vergangenen Monat stattfand, wurde gezeigt, wie stilvolles Wohnen in der nächsten Saison aussieht. Und stilvoll hiess dieses Jahr klassisch und elegant – etwa wie eine Fauteuil-Neuheit von Hermès oder das Chesterfield goes modern-Sofa des deutschen Designers Stefan Diez. Mit anderen Worten: Möbel, in die man gerne investiert.

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1 Die «Couch» von

3 Sessel aus der

Stefan Diez für ­Flötotto, ca. Fr. 2500.– (Zweisitzer); www.floetotto.de 2 Plaid «Tronic» aus der neuen Stoffkollek­ tion von Kvadrat unter der Regie von Mode­ designer Raf Simons, Preis a. A.; www.kvadrat.dk

­ ofareihe «Fold» von S Verzelloni, Fr. 2670.–; www.verzelloni.it 4 Fauteuil von Jean-­ Michel Frank für ­Hermès, Preis a. A.; www.hermes.com 5 Traverse «Pro» von Konstantin Grcic für Flötotto, Preis a. A.; www.floetotto.de

Redaktion: Delia Lenoir   mai /Juni 2014


must-have des monats Seifenblasen haben den deutschen Designer Sebastian Scherer zu diesem Entwurf inspiriert. «Iris» heisst seine Leuchte, und sie besteht aus ­unterschiedlich grossen, irisierenden Glaskugeln, die je nach Blickwinkel andersfarbig schimmern. Mit dem Prototyp war Scherer an der Design Week in Mailand als einer von zwölf Gewinnern des Lexus Design Award vertreten. Wir hoffen nun, dass ein Leuchtenhersteller auf die wunderschöne Arbeit aufmerksam geworden ist – damit sie bald in Serie hergestellt wird. Und gekauft ­werden kann. Info zum Lexus Design Award: www.lexus-int.com

mai /juni 2014

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Bilder: Leo Krumbacher

Styling: Kim Dung Nguyen 20


Kleid von Lanvin (bei Trois Pommes).

Armreif von TORY BURCH (bei Grieder).


Jacke von Marni.

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Rock von Dice Kayek (bei Gassmann).

mai /Juni 2014


Oberteil von Miu Miu.

Rock von Dice Kayek (bei Gassmann).

Armreif von Hermès.


Oberteil von Dice KAyek (bei Gassmann).

Bikini-Panty von eres.

Armreif von Hermès.



Kleid von Elie Saab.

Sandalen von Burberry.

Sonnenbrille von The Row (via Specspec.ch).

Armreif von Hermès.


Oberteil von Alexander McQueen (bei Trois Pommes).

mai /Juni 2014

Shorts von Balenciaga (bei Trois Pommes).

Armreif von Tory Burch (bei Grieder).

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Seidenoberteil von Lanvin (bei Trois Pommes).

CREDITS Foto-Assistent: anatol gottfried Model: anita l. (View Management) Hair/Make-up: Maria martinez (Kasteel Agent)

Hose von Hermès.

Halskette und Armreif von Tom Ford.

Clutch von Stella McCartney (bei Grieder).


Spitzenkleid und Sandalen von Burberry.

Armreif von Hermès.


As time goes by Früher Schutzhülle für die Blätter der Schülerin Veronica, heute Einband für die Skripte der Ferres. 30

mai /Juni 2014


rollenspiele Zu Besuch bei Veronica Ferres – zwischen Dreharbeiten, vor der Hochzeit mit einem Milliardär und dem grossen runden Geburtstag.

Von Mark van Huisseling (Text) und Tom Haller (Bilder) mai /Juni 2014

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Man muss die Ferres nicht mögen. Aber man kann fast nicht anders, als ihre Überzeugung, dass ihre Arbeit gut und wichtig ist, und den Spass, den ihr diese Arbeit bereitet, zu mögen.

gie: XXxx Xxxx «Eine verrückte Zeit, damals war alles lustig, und ich spielte eine lustige Rolle.»


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ie empfing mich an einem Dienstagvormittag im März, um 10 Uhr im Büro ihrer Produktionsfirma Construction Film in München. Bereits um 10.30 Uhr wusste ich vieles darüber, was sie zurzeit macht und was sie beschäftigt hält. Das ist kein üb­licher Ablauf, wenn man berühmte Menschen, Stars eigentlich, trifft. Normalerweise wird man zuerst eine ­Stunde (oder zwei, drei) sitzen und warten gelassen, oft zusammen mit anderen Journalisten, neben einem Buffet, von dem fast alles ­bereits gegessen wurde ausser ein paar Salz­ stangen oder so. ­Findet das Treffen dann statt, erzählt e­ inem der ­Gesprächspartner von seinem neusten Vorhaben: e­ inem Film, der in den nächsten Tagen ins Kino kommt, einem ­Album/ Parfüm oder einer Modekollektion, die in den nächsten Tagen heraus- beziehungsweise in die Geschäfte kommen. Zu viel Verschiedenes zu erzählen, überfordert manchmal den Interview­ geber geistig und ist kein guter Umgang mit dem Vorrat an nachrichtenwerten Informa­tionen, die der Star zu verbreiten hat – weshalb also über mehr als einen Film / ein Album / ein Parfüm oder eine Kollektion sprechen? Der geplante Zeitschriftenartikel oder TV-Beitrag wird deshalb nicht länger ausfallen. Veronica Ferres ist das egal, so sieht es aus. Es gibt, streng gesehen, keine Not für sie, überhaupt einem Journalisten aus der Schweiz ein Interview – und von ihrer Zeit – zu geben. Denn ob die Filme, von denen sie erzählt, in den kommenden Monaten respektive jemals in Schweizer Kinos zu sehen sein werden, ist unklar. Und unwahrscheinlich. Dass sie es trotzdem tut, hängt mit ihrer Persönlichkeit zusammen. Sie erzählt g ­ erne, auch über sich selbst. Weshalb auch nicht? Sie hat, wie v ­ iele schöne Frauen, erkannt und gelernt, dass man ihr gerne zuhört, vor allem als Mann. Doch da ist mehr als bloss der Wunsch und die Freude daran, das Zentrum der Aufmerksamkeit ihres Publikums – Grundvoraussetzung für jeden Schauspieler / jede Schauspielerin – zu sein: Sie hat Lust, ­einem Publikum, auch einem kleinen, mitzuteilen, woran sie arbeitet und was sie darüber denkt. Weil sie Spass hat an dieser ­Arbeit beziehungsweise dem Ergebnis dieser ­Arbeit. Mit anderen Worten: Sie hat das, was man Begeisterung nennt. Und sie will möglichst viele ­Leute für das begeistern, was sie fesselt. Man muss die Ferres und/oder ihre Filme nicht mögen. Aber man kann fast nicht anders, als die Überzeugung, dass ihre Arbeit gut und wichtig ist, zu teilen und den Spass, den ihr diese Arbeit wahrscheinlich bereitet, auch zu mögen. Erzählt sie einem davon, mit wem sie gerade wo gearbeitet hat und mit wem sie was als Nächstes machen wird, kommt es ­einem nicht vor, als würde die erfolg­reichste deutsche Schauspielerin unserer Zeit, deren Laufbahn vor mehr als zwanzig Jahren begann, reden. Sondern, als würde man jemandem ­zuhören, der vor kurzem die Schauspielschule abgeschlossen hat und in den vergangenen Monaten eine erste Rolle spielte in ­einem mai /Juni 2014

Film, der in diesen Tagen Verleihern und anderen Entscheidungsträgern der Filmwelt vorgeführt wird. Woran sie also gearbeitet hat in den vergangenen Monaten: an der Rolle der Wahrsagerin in «Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück», dem Film zum Buch von François Lelord. Oder an der Rolle der Elisa in «The Giacomo Variations» über das Leben von Casanova, dem grössten Liebhaber der Welt (­offizielle Inhaltsangabe), mit John Malkovich. Und an wenigstens drei weiteren Filmen, über die man auf IMDb, dem umfassenden Film-Nachschlagewerk im WWW, nach­ lesen kann. Doch der wache Zuhörer hat schon gemerkt: Es geht um Filme ausländischer Regisseure, in englischer Sprache. «­Internationale Projekte», sagt sie: Und: «Keiner weiss, wer ich bin. Das fordert mich heraus, wie damals, als ich siebzehn war. Weckt ­meinen Pioniergeist.» «The Giacomo ­Variations» soll in Cannes (Ende Mai) oder, spätestens, in Venedig (Ende August) gezeigt werden; «Hector», der in Kanada gedreht w ­ urde, soll am Filmfest München im Juni, ab August in Kinos in Deutschland und Grossbritannien gezeigt werden.

«Liebe veronika, oder wie ich gerne sage, liebe vroni» Aus der Person, die sie darstellte, wurde eine Brieffreundin: 2009 spielte Ferres die Holocaust-Überlebende Marga Spiegel in dem Film «Unter Bauern. Retter in der Nacht». Darauf begannen sich die Schauspielerin

und die damals 97-Jährige, die dieses Jahr gestorben ist, zu schreiben. Der Briefwechsel, in dem es, unter anderem, um selbstgebackene und für sehr fein befundene Kuchen ging, erschien in «Briefe bewegen die Welt», herausgegeben von Hellmuth Karasek, erschienen bei teNeues (Band 1, 2010). 33


eine karriere, 20 jahre, 9 bilder

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1  schtonk (1992) Regie: Helmut Dietl, Rolle: Martha Komödie über den Fälscher von Hitlers Tagebüchern. 2  das superweib (1996) Regie: Sönke Wortmann, Rolle: Franziska Komödie über die Regisseurin Franziska und einen irren Scheidungsanwalt. 3  rossini (1997) Regie: Helmut Dietl, Rolle: Schneewittchen Diese Komödie rund um das Münchner Restaurant «Rossini» war 1997 einer der erfolgreichsten deutschen Filme (3,2 Mio. Zuschauer). 4  Klimt (2006) Regie: Raoul Ruiz, Rolle: Midi Biopic über das Leben des österreichischen Malers Gustav Klimt (John Malkovich). 5  die frau vom checkpoint charlie (2007) Regie: Miguel Alexandre, Rolle: Sara Bender In diesem TV-Drama, das im Jahr 1982 spielt, flüchtet Ferres aus Ostdeutschland. 6  unter bauern (2009) Regie: Ludi Boeken, Rolle: Marga Spiegel Geschichtsdrama, basierend auf Spiegels 1965 erschienenen Memoiren. 7  sie hat es verdient (2010) Regie: Thomas Stiller, Rolle: Nora Wagner TV-Drama über eine Mutter und ihre gewalttätige Tochter. 8  Das herz ist eine ­leichte beute (2014) Regie: Lancelot von Naso, Rolle: Minette ZDF-Thriller über eine eifersüchtige Ehefrau und Mutter. 9  das glück der anderen (2014) Regie: Claudia Garde, Rolle: Ellen König Romantikkomödie über eine unglückliche Standesbeamtin. 34

Bilder: ddp images   mai / Juni 2014


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Der Juni, so sieht es aus, ist ein Monat voller wichtiger Einträge in ihrem Kalender: Am 10. hat sie Geburtstag, es ist der ­letzte vor der grossen runden Zahl, auf die sich wohl ­keine Frau freut, noch weniger eine Schauspielerin, die mit dem Film «Das ­Superweib» 1996 in Deutschland für ein grösseres Pu­blikum bekannt wurde (Wikipedia) oder, wie sie sagt, «über Nacht das Sexsymbol der deutschen Nation oder, nett ausgedrückt, die Traumfrau» wurde. Ausserdem will sie heiraten, vielleicht im Juni – Carsten Maschmeyer, mit dem sie seit 2011 verlobt ist. Das erzählte sie vor kurzem in der Fernsehsendung «Wetten, dass . . . ?», auf dem Sofa sitzend. ­Maschmeyer, 55, ein Unternehmer, der aus eigener Kraft die Finanzvertriebs­gesellschaft AWD aufgebaut und gross gemacht sowie das ­Geschäft 2007 an die Swiss Life verkauft hat, besitzt ein Vermögen von schätzungsweise einer Milliarde

Euro. Und zwar auch dann noch, wenn von dem mittleren zweistel­ligen Millio­nenbetrag, den er bei der Bank J. ­Safra ­Sarasin anlegte, nicht viel oder weniger zurück­ bezahlt werden sollte – Masch­meyer (und andere Anleger) klagen gegen Mitarbeiter der Bank. (­Ferres soll ebenfalls Geld in die ­gleichen Fonds wie Maschmeyer bei der ehemaligen Schweizer Bank ­Sarasin i­nvestiert haben; die Strafanzeige war hängig zum Zeitpunkt des WW-Magazin-Redak­tionsschlusses). Wird sich die Logistik ihres Lebens ändern, wenn sie im, sagen wir, reiferen Alter einen Mann heiratet, dessen offizieller Hauptwohnsitz Hannover ist? Und einen Mann, der, wie die meisten Milliardäre, nicht dafür bekannt respektive übermässig daran interessiert ist, sich anzupassen an äussere Umstände? «Gar nicht», sagt sie. Ihr Lebensmittelpunkt sei und bleibe München, wo sie mit ihrer bald 13-jährigen Tochter (aus der Ehe mit Martin Krug, von dem sie seit 2010 geschieden ist) lebt. Hannover liege nicht auf ihrer ­Landkarte; vielleicht ist es aber auch kein wichtiger Eintrag mehr auf Maschmeyers ­Karte, dort ­befinde sich bloss der Sitz seiner Firma, sagt sie. Und: «­Meine private Situation ist die: Ich war immer autark, schon immer auf eigenen Beinen gestanden, bin alleinerziehende Mutter. Wirtschaftlich ­au­tark werde ich bleiben, das wird sich durch ­keine p ­ rivate Situa­tion ändern.» Die ­Rolle in «The Giacomo Variations» etwa habe sie bloss annehmen können, weil es möglich gewesen sei, die Dreharbeiten, die in Portugal stattfanden, während der Schulferien ihrer Tochter zu verrichten – «das habe ich mir mal erlaubt». Das Treffen mit Ferres in München – kennengelernt h ­ atte ich sie vor einem ­halben Jahr, als sie in der Jury des ­Zurich Film Festival und deshalb in der Stadt war – fiel zeitlich nicht bloss mit einer angeblichen ­Enthüllungsgeschichte des Sterns zu­sammen, in der Maschmeyer und ihr Steuerhinterziehung oder -betrug vorgeworfen wurde («schlechter Journalismus», sagt sie dazu und, was ihren Umgang ­damit angeht, «Kopf hoch, nicht die Arme»), sondern auch mit der Veröffentlichung des neuen Buchs von Bascha Mika, einer Feministin, mit Titel «Mutprobe. Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden». Darin geht es, verkürzt, ­darum, dass ­Männer profitierten, wenn sie älter werden, es Frauen dagegen ­schade. «Ich m ­ öchte über mein Talent funktionieren, nicht über das Aussehen», sagt Ferres, die das Buch noch nicht gelesen hat. Es sei wichtig, dass man sich auch über was anderes definiere als über das Äus­sere, ­sagte sie, als ich sie in Zürich befragte:

«Die grösste Herausforderung ist der Spagat zwischen dem Behalten einer Offenheit und dem Entwickeln einer dicken Haut.»

36 Make-up: Verena Heller   Mai / juni 2014


«Ich wollte mich nie reduzieren lassen auf blond, blöd, geil.» Das ist, natürlich, eine gute Antwort. Sie kann diese, vielleicht, auch geben, weil sie d ­ iversifiziert hat: Ihre Construction Film, die sie 2012 ­gründete, ist eine Produktionsfirma, das heisst, sie bringt Filme heraus. Solche, in denen die Chefin spielt (etwa in «Hectors ­Reise oder die Suche nach dem Glück»), und solche, in denen sie nicht spielt («Schattenwald»). In deutschen Zeitungen, in denen, in meinen Augen, oft streng bis sehr streng über sie geurteilt wird, wurde die Gründung ­ihrer Produk­tionsfirma so gedeutet: «Ferres schreibt sich ab jetzt die ­Rollen selbst» (Berliner Zeitung), «keine deutsche Schauspielerin mutet sich uns so oft zu wie sie». Gefragt, wie sie den Umgang von deutschen Journalisten mit ihr im Allgemeinen ­finde, antwortet sie, sie werde zum Teil sogar verwöhnt von der Presse, bekomme gute Kritiken. Und andernfalls, sagt sie, könne sie damit gelassen umgehen, wegen ihres Glaubens. «Wenn ich etwas gelernt habe von der Religion, dann das: nicht beurteilen, nicht verurteilen, sondern helfen.» Angenommen, ihre Tochter möchte Schauspielerin werden und würde sie fragen, was die grösste Herausforderung sei für jemanden, der sein berufliches Leben im Unterhaltungsgeschäft zubringe – was würde sie darauf sagen? Sie erwidert zuerst, dass ihre Tochter, die sie bereits öfter zu Dreharbeiten begleitet hat, nicht Schauspielerin werden wolle. «Die ­grösste Herausforderung ist der Spagat zwischen dem Behalten e­ iner Offenheit und dem Entwickeln einer dicken Haut.» Man sei, wenn man Erfolg habe, das Objekt von Projektionen. Das heisst, jeder dürfe in einem sehen, was er wolle. Und somit auch über einen ausschütten, was er wolle. Das war, mit ­Sicherheit, ein ehr­licher Satz. Aber es war kein Ferres-Satz. Sie hat, so sehe ich es, beschlossen, sie sei nicht in der Lage, über irgend­etwas in der ­Öffentlichkeit klagen zu dürfen. Sie habe in ihrem Leben, denkt sie womöglich, genug Glück gehabt: Als Tochter­ eines ­Kohlen- und Kartoffelhändlers, die auf ­einem Hof bei ­Solingen in Nordrhein-Westfalen aufwuchs, ­wurde sie zur bestverdienenden deutschen Schauspielerin (Berliner ­Zeitung) und ist dar­über ­hinaus Bald-Ehefrau eines Milliardärs, und nicht mal eines 85-jährigen mit Klumpfuss. «Mehrheitlich be­komme ich aber positive Rückmeldungen auf das, was ich m ­ ache, zum Beispiel auch von Taxifahrern», sagt sie. Um 12.30 Uhr oder so fragt sie, ob meine Zeit noch ­reiche, mit ihr zu Mittag essen zu gehen. Auch das eine, möglicher­ weise vorbereitete, aber dennoch zu Herzen gehende Handlung. Journalisten haben immer Zeit (und das Bedürfnis), mit Stars noch essen zu gehen, daraus nehmen sie einen Teil ­ihrer Raison d’être und nähren, ein wenig gefallsüchtig, die An­nahme, sie ­seien speziell, und zwischen ihnen und dem Star sei irgendwie doch mehr als zwischen einem Kollegen von ­irgendeiner ­anderen Zeitschrift oder Radiostation und dem Star. Die ­kurze Antwort: «Ja, klar, gerne.» Im vietnamesischen Restaurant, das man zu Fuss in wenigen Minuten erreicht, bestellt (und bezahlt) sie für sich und mich, holt das Essen und bringt es an den Tisch, den sie zuerst abräumte. Auf dem ­kleinen ­Zettel, der in ihrem fortune cookie, das in Deutschland «Glückskeks» heisst und das man nach dem Essen aus­einanderbricht, um zum Zettel zu gelangen, steht: «Sie sind ein guter Geschichtenerzähler.» mai / Juni 2014

Frau Ferres, Neun liebling­sfilme, bitte

Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück (Peter Chelsom) Worauf kommt es im Leben an? Die Antwort steht in dem tollen und inspirierenden Roman von François Lelord; 2013 mit Simon Pegg, Jean Reno, Stellan Skarsgård und Rosamund Pike verfilmt. Ich bin glücklich, dass ich mitspielen durfte.

Trust (David Schwimmer, 2010) Ich bin ein Fan von Clive Owen. In diesem Film hat er mich wieder einmal mit seiner göttlichen Leistung überzeugt. Der Film sollte ein Muss für alle Eltern sein, um ihre Kinder vor den Gefahren der sozialen Medien zu warnen.

Cloud Atlas (Tom Tykwer, 2012) Der teuerste deutsche Film aller Zeiten hat mich wegen der wunderbaren Inszenierung und der gigantischen Schauspieler Tom Hanks und Halle Berry fasziniert.

Monster’s Ball (Marc Forster) Der Independent-Film aus dem Jahr 2001 ist für mich immer noch etwas ganz Besonderes. Vor allem ist er mir in Erinnerung geblieben, weil Halle Berry als erste Afroamerikanerin den Oscar für die beste Hauptrolle bekam.

Silver Linings Playbook (David O. Russell, 2012) Eine wunderbare Mischung aus Leich­ tigkeit und Schwere und einer philosophischen Tiefgründigkeit, die mich beeindruckt hat. Und Jennifer Lawrence hat als beste Hauptdarstellerin den Oscar gewonnen; ich finde sie grossartig.

Grizzly Man (Werner Herzog, 2005) Herzog ist einer der Filmemacher, die ich am meisten verehre. Es ist ein Traum von mir, einmal mit ihm zu drehen. Hier hat mich genau das fasziniert: Herzog sieht genau hin und hat das Interesse und die nötige Geduld, um grosse und spannende Momente einzufangen.

Ich – einfach Unverbesserlich (Pierre Coffin, Chris Renaud, 2010) Der süsseste Film der letzten Jahre! Lustig, unterhaltsam und dank 3-D-Technik spektakulär anzusehen. Nicht nur für Kinder ein grosses Vergnügen.

Doktor Schiwago (David Lean, 1965) Das epische Monumentalwerk (fünf Oscars) wurde mit einem riesigen Budget umgesetzt und hat mich filmisch sehr beeinflusst und beeindruckt.

Oh Boy (Jan Ole Gerster, 2013) Ein toller Film, der einen verlorenen Menschen in einer Grossstadt zeigt. Es ist immer schön, zu sehen, dass junge Leute frische Visionen und Tendenzen in die deutsche Filmbranche bringen; ein wunderbarer Film und eine der schönsten Kinoüberraschungen des letzten Jahres. 37


tiefer süden Geplant für den G ­ arten des Landhauses eines ­Edelmanns – doch dem ging das Geld aus. Darum steht der Brunnen «Fontana ­della ­Vergogna» auf einem Platz in Palermo – das geht ja auch.


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