WW Magazin No. 4

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Schöne Unbekannte

WW Magazin No. 4 September / Oktober 2014

Neue Mode, in Genf fotografiert (und illustriert)

retour in der Stadt Wohnen

Wie die 30-jährige Delia Fischer Europa neu einrichtet Seltene Armbanduhren

Der Zürcher Aurel Bacs ist der Star der Branche

Trends der Saison

Weltwoche Verlags AG

+ WW-Persönlichkeit Die Welt von Iouri Podladtchikov

Eine Zeitschrift der

Mode, Uhren, Popkultur

Fr. 6.50


«Er war zu risikofreudig.» – Iouri Podladtchikov über seinen Bruder Igor, den besten Snowboarder der Familie. Seite 28 WW Magazin No. 4

September / Oktober 2014




AC A DE M Y «Die Farbe ist fraglos die schönste Erscheinungsform des Lichts und gehört zu den herausragendsten Ereignissen im Leben.» Dr. Eduard J. Gübelin (1913–2005)

Erleben Sie mit der Gübelin Academy einen exklusiven Einblick in die Welt der grossen drei Farbedelsteine Rubin, Saphir und Smaragd. Genf 4. und 5. November 2014 Zürich 25. und 26. November 2014 Kurssprache ist Englisch. Anmeldungen und weitere Information unter 041 429 15 88 oder gubelin-academy.com




N EW C OLLECTION FALL / W I NTE R 2014 AVAI LAB LE AT ALL PAU L K E H L AN D P K Z STOR E S W W W.PAU LK E H L.C OM


Editorial

Nr. 4  2014

Zur Lage der Welt und unserer Zeitschrift

Der Sommer, der in der Schweiz und in einigen südlichen Län­dern Europas keiner war, in Deutsch­ land und im Norden dagegen einer der schönsten seit langem, ist zu Ende. Während wir die 35. Ausgabe dieser Zeitschrift fertigstellen, ist von den gros­sen Ereignissen in der weiten Welt ähnlich Uneinheitliches zu berichten: Gewalt und Probleme in der Ukraine und im Gazastreifen, in weiteren Teilen des Nahen Ostens sowie Afrikas ohnehin. In einer amerikanischen Kleinstadt herrscht Unruhe, nachdem ein weisser Polizist einen schwarzen Jungen erschossen hat, wie in den sechziger Jahren. Und in der Schweiz verdrängen s ­ ogenannte Selfies eines Parlamentariers kurz die sogenannte Massen­ einwanderung vom Platz eins der Liste «Gegenstände, die das Land beschäftigen». Zu den erfreulichen Nach­richten: Die Wirtschaft läuft fast überall, von den ­alten Ländern Europas abgesehen, gut oder wenigstens besser als er­w artet. Und die für uns respektive unsere Anzeigenkunden wichtige Bekleidungswirtschaft wird 2014 als erfolgreiches Jahr 8

beschliessen: Ein ­warmer Frühling machte Lust auf Sommer­ mode. Und ein s ­ onniger, kühler Spätsommer liess die Ausgabe­ bereitschaft für Herbst­kleidung steigen. Mit anderen Worten: Ein Heft wie ­unseres, dessen Leitsatz so lautet: «Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heitern Stunden nur», liegt im Trend. Zurzeit im doppelten Wortsinn sogar. Wir wünschen viel Spass und Gewinn beim Schauen und Lesen. PS: Bitte beachten Sie unsere neue letzte Seite.

Ihr Mark Van Huisseling

Letzte (redaktionelle) worte / letzte seite 34 Mal füllten Persönlichkeiten der Modewelt des In- und ­ Auslands unseren «Questionnaire», angelehnt an Prousts Fragebogen, aus. ­ Ab d ­ ieser Ausgabe stellen wir an dieser Stelle den Stil stilprägender ­Menschen vor.

September / Oktober  2014


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Contributors

Annette Marnat Die erste Zusammenarbeit mit ­einer Illustratorin, in diesem Fall ­A nnette Marnat aus Paris, ist im­ mer, sagen wir, interessant. Be­ vor man einer Zeichnerin, oder einem Zeichner, einen Auftrag gibt, macht man sich kundig, für wen sie/er sonst arbeitet (Annette etwa für den New Yorker) und sieht sich Arbeiten auf der Web­ site an (wo bei Annette steht, dass sie nicht mitmache bei Facebook, ­T umblr, LinkedIn und Twitter, was auch sympathisch ist). Doch irgendeinmal kommt der Augen­ blick, da man nicht länger briefen (In­struktionen geben) und Skiz­ zen anschauen kann, sondern die fertige Illustration, die man ­ja ­d rucken möchte, haben will. Doch d ­ iese kam und kam und kam nicht. W ­ eshalb? Weil unsere Dead­ line (fast) mit dem Termin für die Niederkunft ihres Babys zusam­ menfiel. Und das ist der Augen­ blick, da man nervös wird als Auftraggeber (der Illustration). Vor allem wenn diese aufs Cover kom­ men soll (was an sich Seltenheits­ wert hat in der Schweiz). However, Annette lieferte schliesslich, und zwar gut, finden wir. Und das Kind ist ebenfalls wohlauf, hören wir.

10

Michael Gotthelf Motorrad fahren, meint man, wenn man selber kein Motorradfahrer ist, sei etwas für Menschen, die ­einer romantischen Vorstellung von Freiheit und counterculture ­anhängen («Easy Rider»), oder für in der Landwirtschaft beschäftigte Hilfskräfte («Ueli der Töff»). Un­ ser ­Autor gehört weder zur einen noch anderen Gruppe – der Frank­ furter Unternehmer und Publizist, der in London seinen Wohnsitz hat, war zu Beginn seiner Lauf­ bahn Wirtschaftsredaktor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er zog dann nach New York, um für die deutsche Notenbank mit Anleihen und Währungen zu han­ deln, und später nach Zürich, wo er für eine bayerische Bank arbei­ tete, die am Schluss ihm gehörte. Heute ent­w ickelt er Immobilien,

hat zwei Stiftungen (eine für Lite­ ratur, eine für Aussenpolitik) und verschiedene Häuser in verschie­ denen Erdteilen. Fast überall, wo er sich aufhält, steht wenigstens ein Motorrad in seiner Garage. Für uns beschreibt er, weshalb Motor­ radfahren ökologisch und ökono­ misch Sinn macht. Und, nebenbei, wie sich die neuste Maschine von BMW fährt. Seite 64

Lisa Feldmann

Dieter Meier

In den vergangenen zwölf Monaten beziehungsweise sechs Aus­gaben schrieb un­sere Kolumnistin und ehemalige Anna­belle- sowie Interview-Chefredaktorin jeweils einen «Brief aus . . .» (der Kur, dem Bett et ­cetera). Ab dieser Nummer schreibt sie über ein anderes Gebiet, näm­ lich über Mode. Das Gebiet also, das sie am besten kennt – sie be­ fasst sich beruflich, als Schreiberin

und Redaktorin, seit Jahren da­ mit. Dennoch neigte der Redakti­ onsleiter zu Zweifeln, als sie mit der Idee ­einer Modekolumne kam. Ob das heute nicht das journalis­ tische ­G egenstück zur Brieftaube sei? Zum Dodo gar? Lisas Gegen­ argumentarium war sowohl wohl­ vorbereitet wie auch stringent. So stringent, dass wir es für die, die ein Gegenargumentarium benö­ tigen, als ersten Abschnitt ihrer ersten Modekolumne wiedergeben (wer nicht erst überzeugt werden muss, steigt drum auf der Höhe des zweiten Abschnitts in den Text ein). Am Textende aber, die Vor­ aussage traue ich mir zu, wird man nicht mehr verstehen, wie man zu Zweifeln neigen konnte, was die Notwendigkeit einer gedruckten, sechsmal jährlich erscheinenden Mode­kolumne betrifft. Seite 16

«Ich kann nur immer staunen, dass ich überhaupt irgendetwas ­zustande bringe, einen längeren Text zum Beispiel oder Lieder zu schreiben. Das ist für mich jedes Mal ein alchemistisches Wun­ der. Alle diese Sachen tue ich mir nicht systematisch erobern. Praktisch alles ist mir zugefallen, was nicht heisst, dass es zufällig ist. Das ist sozusagen für mich das Ende des Zweifels, ich bin ja ein unvorstellbarer Zweifler. ­Viele Leute meinen, ich täte ko­ kettieren damit, aber effektiv ist es nicht so, ich könnte Beispiele erzählen . . .» So redet unser Essay-­ Autor ­dieser Ausgabe über seine ­A rbeit beziehungsweise seine Art zu a rbeiten beziehungsweise die ­ Schwierigkeiten, die damit ver­ bunden sind (der Originalton ist ein Auszug aus einem Ge­ spräch des Redaktionsleiters mit ­Meier). Spätestens als R ­ edaktor von Dieter wird einem klar, wes­ halb die Deadline erfunden ­w urde (Meier ist nie fertig). Wenn er dann aber liefert, ist man meistens zufrieden mit dem Ergebnis und ­einig mit ihm. Sein «alchemistisches Wunder» finden Sie auf Seite 54

September / Oktober  2014

Bilder: Tom Haller, Sabrina Theissen

Siehe Cover

Nr. 4  2014


ZAUBER | GLANZ

LACRIMA Diamantkollektion aus dem Atelier Bucherer

UHREN SCHMUCK JUWELEN Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Wien | Paris | bucherer.com


Inhalt 1

No. 4  2014

12

September / Oktober 2014

Illustration Titelbild: Annette Marnat   Bild auf dieser Seite: Tomo Brejc (Jacke, Shorts und Schuhe von Louis Vuitton)

Manchmal braucht es eine schöne Frau (TOSCA), um die Schönheit einer unterschätzten Stadt (GENF) zu betonen. Das Resultat davon und die neue Mode von LOUIS VUITTON ab Seite 38


HUGO BOSS (SCHWEIZ) AG Phone +41 41 727 38 00 www.hugoboss.com

Zürich BOSS Store Bahnhofstrasse 39 Basel BOSS Store Gerbergasse 25 Genève BOSS Store Rue du Marché 18


Inhalt 2

No. 4  2014

Briefing

Geschichten

vintage-uhren Der Zürcher Aurel Bacs ist der Star der Branche. Seite 50

Wissenswertes aus der Welt der Denim-Jeans. SEITE 18

Trend-Report

inneneinrichtung Wie Delia Fischer, 30, Europa neu möbliert Seite 58

ww-ESSAY

Kolumnen

wwPersönlichkeit

Mode

von Dieter Meier SEITE 54

Mode Ein Label kommt in die

«Dresscode»

von Lisa Feldmann Seite 16

Schweiz. Ausserdem: Mode aus Strick und solche für moderne

Service

Nomaden. SEITE 20, 22, 23 Kunst von Andreas Ritter

BEZUGSQUELLEN

Seite 17

IMPRESSUM

wanderlust Iouri Podladtchikov

Seite 64

SEITE 28

Uhren Modelle, die auffällig auffallend sind. SEITE 24

arbiter elegantiarum Emmanuelle Alt Seite 68

Kulinarik POP

Der kochende

Musik, ein Musikvideo, Bücher,

Durchschnitt – Jamie Olivers

ein Konzert und eine TV-Serie.

Erfolgsrezepte

SEITE 26

SEITE 56

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Seite 66

von Michael Gotthelf

Illustrationen: Bill Rebholz, Akira Sorimachi Bild: Hannes Rohrer

Seite 66


“Mein kleines Geheimnis: in meiner Nespresso Boutique leicht bekleidet einzukaufen.”

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Lisa Feldmann  Mode

Nr. 4  2014

Sie denken vielleicht: «Eine monatliche Mode­ kolumne? Wie alt­ modisch!» Sie haben doch schon alles erfahren im World Wide web, in Tageszeitungen . . .

W

16

Lagerfelds Botschaft: «Sei so normal wie möglich.»

Smeralda, nach Capri oder Saint-Tropez immer ein grosser Koffer mitreiste, ­so hätte es diesmal eine kleine Reisetasche getan – denn das Sich-Stylen, um in der Dämmerung durch die S ­ trassen zu flanieren, an irgendeiner place gut sichtbar e­ inen Apéro zu nehmen, um dann in der ersten Reihe zu Abend zu essen, dieser klassische Ferienprogrammpunkt entfällt im exklusivsten Ferienort der Welt komplett. Es gibt weder Strandpromenaden noch Altstadtgassen, die zum Bummeln einladen, nur Miniaturausgaben der Madison Avenue, die an trüben Tagen zum shop until you drop verführen. Gegessen wird an entlegenen Orten, an denen man todsicher nicht reservieren kann oder in betont simplen diners oder Pizzerien. Meist wird ohnehin zu Hause grilliert. Und der Look ist immer derselbe: Die Männer tragen abge­wetzte Shorts und dazu am liebsten ein TShirt und Bootsschuhe, die möglichst so ausschauen, als hätten sie schon manches deep-sea fishing mitgemacht. Einziges Statussymbol: eine ­kostbare Uhr. Frauen tragen schlichte Sommerkleider, ­lange Folkloreröcke, Jeans oder Khakis, keine Absätze, maximal Wedges. Dazu

goldbraune Haut, an den ärmellosen Handgelenken klirren Silberreifen wie vom Hippiemarkt, das Haar fällt entweder offen auf die Schultern oder wird zu einem schlichten Pferdeschwanz zusammengefasst. Wer diesen Look verlässt, sich die Haare toupieren lässt oder auch nur sichtbar Make-up trägt, outet sich auf der Stelle als Jersey Shore, als jemand aus der Agglomeration also. Ich habe in diesen Ferien nicht einmal ­meine neuen Aspesi-Hosen getragen. Stattdessen habe ich meinen Stock an T-Shirts in den lokalen ­Surfer-Shops erweitert. Und ich nehme etwas mit nach Hause, was nicht an die Sommer­ferien gebunden ist: Mir gefällt diese una­ufgeregte, ­authentische Art, sich anzuziehen, eben normal auszuschauen. Und damit ganz im Sinne von Karl Lagerfeld zu signalisieren: «Mein ­L eben ist zu entspannt für High Heels».

lisa feldmann orientiert sich zurzeit beruflich neu; zuletzt leitete sie die deutsche Ausgabe des Interview-Magazins. Zuvor war sie Annabelle-Chefredaktorin.

September / Oktober  2014

Illustration: Riikka Sormunen

ir sehen die neuen Trends für Herbst und Winter jeweils bereits im Februar und März zuvor, registrieren Farben, Formen, Neues, nie Dagewesenes, einmal mehr Aufgewärmtes – aber was genau davon sich durchsetzt in den Herzen der Stylisten, auf den Websites der Blogger, in den Köpfen der editors, entscheidet sich erst im Laufe des Frühsommers, denn die Chefredaktorinnen der wichtigen ­Modemagazine schliessen ihre entscheidenden Ausgaben erst Ende Juli, Anfang August ab. Und bis dahin kann viel passieren. Ich etwa war während der Modeschauen in Mailand und Paris beeindruckt von den märchenhaften Prints bei Dolce & Gabbana, der verspielten Opulenz von Fendi, dem luxuriösen Purismus bei Céline. Etwas skeptischer schon schaute ich auf die bunten Lammfelle bei P ­ rada, die an J­ acken von Ostblock-Angestellten auf dem Rummelplatz erinnerten. Vollkommen ungerührt liess mich auch die erste Kollek­tion von Nicolas Ghesquière­ für Louis Vuitton: ein Wiedersehen mit Looks der sechziger Jahre. Nichts löste das Gefühl aus, hier habe man es mit der Zukunft zu tun. Bei Valentino filmte ich euphorisch das Defilee mit meinem Smartphone, begeistert von der Frische, der Jugendlichkeit, in der die klassische Valentino-Farbe Rot über den Laufsteg spazierten. Und bei Chanel ist ohnehin die Show die Show – dieses Mal ein Supermarkt der besonderen Art –, und wer weiss schon genau, welchen Modetrend Karl Lagerfeld jeweils beschwören möchte? Oder ist vielleicht das der Dernier Cri? Da schickte der Grossmeister grossbürgerlicher Eleganz seine Topmodels zum Einkaufen – in Sneakers, Leggins, Rollkragenpullovern, Trainingsanzügen. Die Botschaft: «Sei so normal wie möglich». «Hohe Absätze sehen doch im Supermarkt einfach lächerlich aus», diktierte Lagerfeld nach der Show Journalisten in die Mikrofone. Erst jetzt dämmert mir, wie prophetisch er unsere­ Herbst/Winter-Gefühle voraussah. Ich war in diesem Sommer auf Long Island. Und wenn ans Cap Ferrat oder an die Costa


Nr. 4  2014  Kunst   Andreas Ritter

In europa soll ein silicon valley des denkens und des dialogs der kulturen entstehen. Unser Kolumnist weiss auch schon wo.

V

enedig als Stadt der Kunst, immer und überall: Vergan­genes Jahr war die Kunst­biennale zu Gast, dieses Jahr ist es die ­Architekturbiennale, und so geht es weiter. Um der üblichen Hast beim alljährlichen Dreitagebesuch ein Schnippchen zu schlagen, ­haben wir uns diesen Sommer entschlossen, ­ einen ganzen Monat in «La Serenissima» zu verbringen, ­einen ganzen Monat! Die Wohnung in einem alten Palazzo mit verwunschenem Garten, ­direktem Zugang zum Wasser und einem klas­sischen Tronchetto-Holzboot inklusive. Auf einer Insel also, weit weg von der klassischen Stadt, ihrem Verkehr, ihren festgefahrenen Mustern.

Und da passiert Interessantes: Wenn man sich nun also Zeit nehmen kann, ja muss, in all den verwinkelten Gassen – und nicht, wie im Voraus geplant, von einem Event zu anderen hetzt –, wird einem rasch bewusst, wie unfertig die zeitgenössischen Kunst- oder, eben dieses Jahr, Architektur­ausstellungen in den Giardini, im Arsenale und in unzähligen Palazzi für sich alleine und ohne Verortung sind. Es braucht als Unterbau die Schätze alter Kunst, die die Insel in der Lagune birgt. Sie gilt es, zu entdecken, behutsam und langsam, in den zahllosen Kirchen, in den Gallerie dell’Accademia, der ­Peggy Guggenheim Collection und in verschiedenen anderen privaten Stiftungen, die mit grossartigen Ausstellungen aufwarten. Crossover und Besinnung aufs Historische ist allüberall angesagt, nicht nur, was die Schnittstelle Architektur und Kunst betrifft. Beispielhaft die Ausstellung «Art or Sound» in der Fonda­zione Prada: eine Wunderkammer voller absonderlich klingender und tönender Maschinen der vergangenen Jahrhunderte; Kunstwerke, die Musik machen, und Musikinstrumente, die Kunst sind. So einfach und so überwältigend schön und inspirierend. Im wahren Sinne des Wortes komponiert hat die Schau der italienische Kurator Germano Celant, ein Star der Branche, der kommendes Jahr in Mailand für die Expo 2015 zuständig sein wird. Alles fliesst zusammen in dieser Stadt, ­alles ist Kunst: vom Strand im Lido – wo noch

Installation «Art or Sound», Fondazione Prada, Venedig (bis 3. November 2014). Von links nach rechts: «Métronome» (Dalí, 1944), «Indestructible Object» (Man Ray, 1923), «Silent Metronome» (Oldenburg / van Bruggen, 2005)

Bild: Attilio Maranzano/Courtesy Fondazione Prada/ProLitteris

immer der arme Schriftsteller Aschenbach im Strandstuhl aus Viscontis «Tod in Venedig» zu sitzen scheint – bis zum süssen Bellini in «Harry’s Bar» oder zur Oper in der Fenice, sogar dort, selbst wenn alles aus Trümmern wiederauf­gebaut ­w urde. Auf Amerikanisch heisst das dann beim Berufszyniker Truman Capote etwa: «­Venice is like eating an entire box of ­chocolate liqueurs in one go.» Plötzlich verstehe ich Philippe Starck, noch immer das Enfant terrible der zeitgenös­sischen Designszene, der Venedig als eines seiner Domizile gewählt hat und genau diese eigentümlich dichte Mischung aus archaisch Gewachsenem und Hochkultur liebt. Er geht noch weiter, sieht Venedig schon, symbolisch betrachtet, als Gehirn einer neuen Welt und sagt ganz lapidar, dass der Plan der Stadt mit seinen zahllosen verwirrlichen Windungen nicht umsonst aussehe wie der Schnitt durch ein mensch­liches Gehirn. Das will uns sagen: «Hier wird gedacht, sich konzentriert», nicht zufällig ist die Kultur hier entstanden. Und Starck will die Touristen rausschmeissen, er sieht Venedig – auch geografisch – als das Zentrum von Europa, als prädestiniert dazu, hier eine der modernsten S ­ tädte Europas entstehen zu lassen, eine Art Silicon Valley der Kultur. In vielem hat er recht: Falls weiter täglich eine Touristenarmee, aus Kreuzfahrtschiffen ausgespuckt, durch die ­alten Gassen drängt, wird der Tod tatsächlich in Venedig sein. Die alte Stadt hat schon l­ange zu viel ertragen müssen. Schon gar nicht liegt die Zukunft Europas in der industriellen Macht, die Arbeit ist schon lange abgewandert an Orte, wo sie billiger zu haben ist. Das Denken muss hier wieder gefördert werden, der Dialog zwischen Genera­ tionen, zwischen Kulturen. Und hier in diesem Bereich ist die Kunst, deren natürliche Heimat Venedig ist, eine der wichtigsten Schritt­ macherinnen. V ­ enedig als Gehirn der Welt, einer Welt mit G ­ edächtnis und Vision – eine schöne Idee. Bloss wird sie Utopie bleiben, wenn die Venezianer selbst, verstrickt in zahllose politische und ­andere Skandale, weitermachen wie bis anhin. Dann bleibt es bei Venedig, ganz profan, in Form eines Fisches, und wir wären schon froh, wenn er nicht zu sehr stinken ­würde vom Kopf her.

Andreas Ritter ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der Fünfzigjährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.

September / Oktober  2014

17


Briefing  Jeans

Nr. 4  2014

Levi Strauss und sein Partner Jacob Davis patentierten im Mai 1873 das erste Paar Denim-Jeans – und weitere Fakten.

wasser

Rund 8000 Liter Wasser werden durchschnittlich verbraucht, ehe eine Jeanshose im Regal liegt. Fair-Trade- und Öko-Jeans gibt es zum Beispiel auf www.biofair.ch.

sammlung

Der Zürcher Jeanssammler Ruedi ­Karrer hat in über vier­ zig Jahren bereits über 12 000 Hosen und ­ Jacken zusammengetragen, die er auf seinem Dachstock lagert. verkauf band

Jeans for Jesus produzieren keine Beinbekleidung – sondern music for the cool kids, und zwar erst noch mit Texten auf Berndeutsch.

Im 2013 wurden in Amerika Jeans für 16 Milliarden US-Dollar verkauft.

produktion

traggewohnheiten

Mass-Jeans

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distanz

Der Weg der Baumwolle, bis sie am Ende in der Form von Jeans beim Verbraucher anlangt, wird auf rund 19 000 Kilometer geschätzt.

Millionen Exemplare werden hier jährlich gefertigt, viele davon in A ­ kkordarbeit unter massiven umweltund gesundheitsschädlich Voraussetzungen.

Serge de Nîmes

Der Name des Baumwoll- und Hanffaserstoffs Denim stammt von der französischen Bezeichnung serge de Nîmes – Gewebe aus ­Nîmes. Da Denim dicht gewoben und sehr beständig ist, bieten Denim-Jeans ­einen höheren UVSchutz als andere Hosen.

Redaktion: Oliver Schmuki   September / Oktober  2014

Illustration: Bill Rebholz

Das Start-up-Unternehmen Selfnation, 2013 von zwei ETHStudenten gegründet, verkauft Mass-Jeans, die online als 3-DModell virtuell betrachtet werden können und dank einem Algo­rithmus immer ­passgenauer werden, je mehr Kunden schon ihre Bestellung aufgegeben haben. www.selfnation.ch

Im Schnitt wiegt eine Jeans 666 Gramm, wird durchschnittlich ein Mal pro Woche und über vier Jahre getragen, landet nach dreimaligem Tragen in der Waschmaschine, wo sie bei vierzig Grad gewaschen wird, und wird am Ende in fünfzig Prozent der Fälle im Hausmüll entsorgt – die anderen fünfzig Prozent aller Jeans werden secondhand nochmals vier Jahre lang getragen.

In der chinesischen Industriestadt Xintang arbeiten rund 700 000 Menschen in zirka 4000 Jeans-Unter­ nehmen. ­ Geschätzte 260


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199.– Stuhl

NEUES SCHWEIZER DESIGN: ATELIERPFISTER.CH

Möbel und Accessoires von Schweizer Designern, kuratiert von Alfredo Häberli.


D

Trend-Report

Nr. 4  2014

Die Buchstaben COS stehen für «Collection of Style».Und dahinter steht H & M, Hennes & Mauritz, das Modeunternehmen aus Schweden, von dem COS anno 2007 gegründet wurde. Modern und zeitlos sind die COS-Kollek­ tionen für Männer, Frauen und Kinder. Karin Gustafsson, die Verantwortliche für die Damenmode, sagt: «Die Idee von COS ist es, eine Kollektion von sehr hoher Qualität anzubieten, was Design, Herstellung und End­ produkt angeht. Und zwar zu vergleichsweise erschwinglichen Preisen.» Im Angebot sind ­Basics wie Wintermäntel (ohne Kragen), mittellange Röcke, Strick­pullover und Stoff­hosen. Kleidungs­stücke, die einen unverkennbaren Schnitt haben und über mehrere Saisons getragen werden können. Schuhe, ­Taschen und weitere ­Accessoires ergänzen die COS-Linie. Für die jüngste Kollek­tion habe sich­das Designteam von landschaftlichen Formen inspirieren lassen, sagt Gustafsson. Das Ergebnis ist eine Kollektion in starken Farben und mit klarer Linienführung.

Das erste COS-Geschäft der Deutschschweiz befindet sich an der Marktgasse 14 in Zürich.

20

Redaktion: Yvonne Wigger   September / Oktober  2014


Paradeplatz 4, Zurich

HACKETT.COM

“ O N E M U S T D R E S S C O R R E C T LY F O R W O R K ” Jeremy’s Rule No. 2 for living a better life


Trend-Report  Fashion

Nr. 4  2014    must-have des monats

1

Ein kuschliger Winterlook verlangt nach einem locker fallenden Strickpullover wie diesem von Isabel Marant aus

2

Wolle, Mohair und Alpaka.

Fr. 608.– (via Mytheresa.com).

3

4

5

W

1. Outfit von marc jacobs, Hose: ca. Fr. 1360.–, Pullover: ca. Fr. 1360.–, Schal: ca. Fr. 300.–. 2. Uhr von marc by marc jacobs,

8

Fr. 295.–. 3. Outfit von stella mccartney,

Weich und leicht ist der Herbst, wenn es um ­Strick­mode geht.

Seitdem Nicolas Ghesquière Kreativ­ direktor von Louis Vuitton ist, wid­ met sich sein Vorgänger Marc ­Jacobs ganz seinem eigenen ­L abel. Die neuste Kollektion – unbeschwert und leicht – präsentierte er in New York zur Barbra-Streisand-Ver­sion des Sechziger-Jahre-Hits «Happy Days Are Here Again». Auf Kuschelkurs waren diese Saison Isabel­Marant, Stella M ­ cCartney und Edun-Desig­ nerin Danielle Sherman: oversizedStrickmantel, Zopfstrickkleider oder Strick-Jogginghose. ­Seide, ­Mohair und Viskose in Erdtönen sind diesen Herbst nicht nur beste Freunde von Marc Jacobs und Kollegen, sondern auch von uns.

6

Kleid: ca. Fr. 860.–,

7

9

Tasche: ca. Fr. 470.–. 4. Schuhe von ld tuttle, ca. Fr. 600.–. 5. Tasche von tom ford,

10

ca. Fr. 2600.–. 6. Nagellack von opi, Fr. 23.90. 7. Brille von miu miu,

11

Fr. 278.–. 8. Outfit von hermès, Mantel: Fr. 3900.–, Rock: Fr. 830.–, Strümpfe: Fr. 310.–, Schuhe: Fr. 1300.–. 9. Outfit von chloé, Shorts: ca. Fr. 680.–, Pullover: ca. Fr. 1460.–. 10. Outfit von edun, Hose: ca. Fr. 660.–, Rollkragenpullover: ca. Fr. 360.–. 11. Outfit von sonia rykiel,

12

Jacke: ca. Fr. 980.–, Tunika: ca. Fr. 980.–, Hose: ca. Fr. 980.–, Kragenschal: ca. Fr. 980.–. 12. Schuhe von chanel, Fr. 1100.–.

22   Redaktion: Yvonne Wigger   September / Oktober  2014


Nr. 4  2014  Trend-Report   Fashion

B

1

Bohemian heisst der Trend – Erinnerungen an den sommer, der heuer nicht stattfand.

2 3

4

Fransen an der Tasche, weiche Wildlederschuhe an den Füssen, fröh­liche Ikat-Prints auf dem Kleid und eine ­Animalier-Clutch unterm Arm – back to the roots nennen ­Modeschöpfer diesen Trend. Der viel­gezeigte Minimalismus wird durch farbenfrohe ethnische Muster und aufwendige ­Folklorestickereien neu definiert. Etro, Marni und ­Emilio P ­ ucci lassen mit ihren Bohemian-Kollektionen den Sommer ausklingen. Unseren Lieblingslook von ­Burberry (Nr. 3) präsentierte das Schweizer Model Ronja Furrer. Die 22-­Jährige lief im vergangenen Frühjahr an 49 Shows, erschien in den Lookbooks vieler grosser D ­ esigner und sogar in Vogue-Modestrecken.

5 6

7

9

8

1. Clutch von ­k otur, ca. Fr. 430.–.

11

2. Armreif von elie saab, ca. Fr. 710.–. 3. Outfit von burberry prorsum,

10

Kleid: ca. Fr. 1770.–, Kette: ca. Fr. 1110.–, Stiefel: ca. Fr. 1000.–. 8. Kleid von givenchy,

ca. Fr. 17 200.–. 9. Buch «Gypset

Mantel: Fr. 4795.–,

Travel» von

Gürtel: Fr. 595.–,

julia chaplin,

Tasche: Fr. 2895.–, Schuhe: Fr. 1795.–, Schal: Fr. 995.–. 4. Seidentuch von ROECKL, ca. Fr. 410.–. 5. Outfit von

Assouline, Fr. 55.–. 10. Halskette von lizzie fortunato,

ca. Fr. 460.–. 11. Outfit von tory burch,

must-have des monats

emilio pucci,

Kleid: Preis a. A.,

Der passende Schuh für bunte

Preis a. A.

Handwärmer:

Herbsttage ist von EMILIO PUCCI

6. Tasche von marni,

ca. Fr. 970.–,

und kommt nicht ohne goldene

ca. Fr. 1950.–.

Kniesocken:

Schnallen, Applikationen und

7. Outfit von Etro,

ca. Fr. 100.–,

Stickereien in allen Farben aus.

Ca. Fr. 1720.–.

Mantel:

Stiefel:

ca. Fr. 6050.–,

ca. Fr. 530.–.

September / Oktober 2014  Redaktion: Yvonne Wigger 23


Trend-Report  Uhren

D

Diesen Herbst geht alles, wenn’s um uhren geht: elegant und klassisch. Oder auffällig und ausgefallen.

Nr. 4  2014

baume & mercier

maurice lacroix

Der Automatik-Chronograf «Cape­land»

Der kuppelförmige Saphirglasdeckel

ist neu mit ­sonnensatiniertem

der «Masterpiece Gravity» sorgt

blauem Zifferblatt erhältlich. Fr. 4100.–

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Komplikationen, Materialmix und farbige Zifferblätter machen Uhren zu augenfälligen Schmuckstücken am Handgelenk. Etwa wenn Patek Philippe einen Jahreskalenderchronografen in Stahl auflegt, oder wenn Hublot PopArt zeigt. Blaue Zifferblätter scheinen es den Uhrenherstellern besonders angetan zu haben. Im Kontrast dazu steht eine ganz in Schwarz gehaltene ­Omega-«Speedmaster», die «Dark Side of the Moon». Und bei Maurice Lacroix gibt man den Blick frei auf das Innenleben der Uhr.

24

hublot

omega

Die «Big Bang Pop Art Yellow Gold

Die «Speedmaster – Dark Side

Rose» ist punkto Auffälligkeit nur

of the Moon» macht ihrem

schwer zu übertrumpfen. Fr. 37 300.–

Namen optisch alle Ehre. Fr. 10 700.–

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Kühle Edelstahl-Optik: der neue

Die «Zürich Weltzeit» vereint

Die «Oyster Perpetual Milgauss»

Jahreskalender-Chronograf

24 Uhren in einer – und ist

begeistert science geeks – aber

(Ref. 5960/1A). Fr. 45 000.–

neu in Nachtblau erhältlich. Fr. 5570.–

nicht nur. Fr. 7800.–

Redaktion: Raphael Suter   September / Oktober  2014



Trend-Report  Pop

m

musik zum anschauen – in­ einem Bildband, einer so untermalten TV-Serie und ­einem Videoclip. Ausserdem: ­lesenswerte (nicht immer ganz neue) bücher.

Nr. 4  2014

fotobuch

Die bald achtzig Jahre, die der poetischste noch lebende Kanadier (Geburtstag: 21. September) angesammelt hat, stehen ihm ausgezeichnet. Wer Leo­nard ­Cohen kürzlich live erlebt hat – seit ein paar Jahren verschlägt es ihn ähnlich wie Bob Dylan auf seiner «Never Ending Tour» in alle Kontinente dieser Welt –, kann sich vor seiner Präsenz nur verbeugen: Da ­vorne steht ein Gentleman, der sich für sein Publikum Zeit nimmt (jeweils vier Stunden) und herausputzt (Nadelstreifen-Zweireiher by default). Auch schon in früheren Jahren auf der Bühne erlebt hat ihn sicherlich ein Teil seiner ­A nhänger. Für sie frischt der neue Bildband alte Erinnerungen auf. Alle anderen können beim Blättern Cohen staunend beim Altern zusehen.

Musik-Tipps: 3 Alben

«Almost Young». Schirmer/Mosel. 168 S., mit 75 Abbildungen aus 7 Dekaden, Fr. 35.50

konzert

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Jungle: «Jungle»

alt-J: «This Is All Yours»

App

Nutzer von iOS- und AndroidSmartphones können in diesem Spiel als Record-Label-Boss die ­Musikbranche verstehen lernen. www.ipo.gov.uk/musicinc

Redaktion: Oliver Schmuki   September / Oktober  2014

Bilder: Gus Stewart/Redferns / Courtesy Schirmer/Mosel, Sky

Die schwedischen Schwestern Jo­hanna und Klara Söderberg nennen sich First Aid Kit, lieben Country – und machen Country, zumindest wenn man beide Augen zu­ sammendrückt. Das Duo, das mit seinem Debüt ­unter a ­ nderem Björk als prominenten Fan hinzu­ gewonnen hat, hat kürz­ lichdas ­zweite Album veröffentlicht – und steht am 3. Oktober im Zürcher Klub «­Plaza» auf der Bühne.

Spoon: «They Want My Soul»


lektüre-Tipps: 5 Bücher

Donna Tartt: «Der Distelfink» Auf Deutsch erschienen im vergangenen Frühjahr (Goldmann), als «künstlerisch nicht wertvoll» diesen Sommer kritisiert, aber bisher immer noch das Leseereignis des Jahres.

Zia Haider Rahman: «In The Light of What We Know» Vom Literaturkritiker des New Yorker als «erster grosser Roman des 21. Jahrhunderts» bezeichnet (FSG Publishing; bisher nur auf Englisch).

TV-serie

Wer an «Boardwalk Empire» Gefallen fand, wird auch die ­erste Staffel mit sechs Folgen von «Peaky Blinders» im Eilzug­tempo zu Ende schauen. Anstelle von ­Steve Bu­ scemi gibt der Mann mit dem Gesicht einer Wachsfigur von Madame Tussauds, der Ire Cillian ­Murphy

(unter anderem «Inception»), den inoffiziellen Anführer jener britischen Gang, die für den Titel der BBC-Two-Serie, Pate stand. Die «Peaky Blinders» sind keine Erfindung des Machers der Serie, Steven Knight («Dirty ­P retty Things», «Locke»), sondern trieben tatsächlich nach dem Ersten Weltkrieg in Birmingham ihr Unwesen; ihren

Namen erhielten sie, da sie Rasierklingen in den Stoff ihrer Schiebermützen einzunähen pflegten. Knight hat aus einem Stück Zeit­ geschichte modern-stimmungsvolle TV-Unter­haltung gemacht. Diese lebt auch von der Musik von Nick Cave oder den White Stripes. «Peaky Blinders», 1. Staffel, Teleclub

musikvideo

Musikclips haben ihr «Mittel­ alter», die Zeit zwischen MTV und You­tube, überstanden. Trotz­ dem sind Produk­tionen wie das Video zu ­Paolo ­Nutinis «Iron Sky» (Regie: ­Daniel Wolfe) rar. Die 8.48 Minuten sind tough to watch, die Themen betreffen All­ tagsflucht, Depressionen, Drogen, menschliche Abgründe, Ekstase. September / Oktober  2014

Jean-Patrick Manchette: «Tödliche Luftschlösser» Der französische Krimiautor starb 1995, doch dieses Werk wurde erst jetzt ins Englische übersetzt – deshalb ist es wieder im Gespräch (bei Distel 2002auf Deutsch erschienen).

Peter Sloterdijk: «Die schrecklichen Kinder der Neuzeit» Das jüngste Werk (erschienen bei Suhrkamp) ist eines der besseren des bürgerlich-konservativen Philosophen und Börne-Preisträgers.

Jürg Halter: «Wir fürchten das Ende der ­Musik» Der neue Gedichtband des ­gewieften Berners (Wallstein), der unter dem Pseudonym ­Kutti MC laufend auch musikalisch auf sich aufmerksam macht.

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Podlad 28

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tchikov Text: Yvonne Wigger September / Oktober  2014

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N

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Bild vorherige Seite: Marcel Lämmerhirt/Burton Bild diese Seite: Lukas Maeder/13 Photo

Iouri Podladtchikov, ­geboren 1988 in der ­ehemaligen Sowjetunion, sieht aus wie ein Rockstar, arbeitet an einer Laufbahn als Fotograf und ist, nebenbei, der b ­ este Snowboarder der Welt in der Halfpipe.

Nach dem zweiten Mal Klingeln bei «Podlad­ tchikov» öffnet er die Tür: zerzaustes Haar, oder besser, eine zerzauste Mähne, Ray-BanSonnenbrille, Modell «Round Flash Lenses», schwarze Trainerhosen von Erima, ein PrintShirt von Quiksilver und Vans-Sneakers. Iouri Podladtchikov begrüsst freundlich und führt in den zweiten Stock des Wohnblocks beim Bellevue, mitten in Zürich. Stolz zeigt er seine Zweieinhalbzimmerwohnung. Ein Schlafzim­ mer, ein Wohnzimmer und die grosse, offene Küche gleich daneben. An einem Kleiderstän­ der im Schlafzimmer hängen ein rotes, zwölf schwarze und zwölf weisse Hemden. Dane­ ben in einem Schrank gestapelte ­S chuhe, mehrheitlich Vans-Sneakers. Im Bad hängt ein Poster von Kate Moss. Neben der rusti­ kalen Couch im Wohnzimmer stehen einige Gitarren, ein E ­ -Piano und eine Studio-Foto­ leuchte. Selbstgeschos­sene Polaroids, Plakate seiner nächsten «­Iouri & the Kids Skate Tour» und Fotografiebücher liegen rum. Seit Fe­bruar wohnt er hier. Der Einrichtungsprozess ist noch nicht ab­geschlossen. «Hier hänge ich noch dieses Bild von Picasso auf. Gefällt es dir? Es ist nicht echt, aber ich mag es trotz­ dem», sagt ­Iouri. Kürzlich hat er eine neue Roche-B­obois-Wohnwand erhalten. Und Iouri kann, auch was das Wohnen angeht, ein Ma­ cher sein, er beginnt gleich mit Einräumen. «Zuerst will ich den Plattenspieler installie­ ren. Dann ­hören wir uns eine Platte an, Joy Division wäre nice.» Während des Gesprächs wirkt er etwas ab­ wesend, verloren in Gedanken und/oder dem Kabelchaos auf dem Boden. Er sei kein Multi­ tasker, sagt er, und wisse manchmal nicht, worauf er sich konzentrieren solle. Seinen Cha­ rakter beschreibt er als verträumt, kämpferisch

und launisch. Die Medien nennen ihn einen Querkopf mit gros­sem Selbstbewusstsein. Iouri Podladtchikov, Profi-Snowboarder und, unter anderem, Gewinner der Gold­medaille in der Halfpipe an den Olympischen Winter­ spielen 2014 in Sotschi oder Weltmeister in dieser Disziplin im Jahr 2013, sagt, er lebe ein Leben, wie er es sich nie hätte vorstellen kön­ nen. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf ge­ macht, einen Plan B gab es nie und gibt es nicht für ihn. «Snowboarden ist eine Risikosport­ art, und ich bin mein eigener Risi­komanager. ­Niemand hat das Recht, mir irgendetwas vor­ zuschreiben», betont er immer wieder. Aufgewachsen ist der 26-Jährige in Oer­ li­kon, geboren wurde er aber in Podolsk, das 1988 noch zur Sowjetunion gehörte. Zur Fa­ milie Podladtchikov gehören Iouri, sein Zwil­ lingsbruder Vadim, ein älterer Bruder, Igor, sowie Vater Yuri und Mutter Valentina. Seit seiner Kindheit hat sich viel verändert. Sein Vater, Professor für Geophysik, wohnt ­heute aus beruflichen Gründen in der Nähe von Lausanne, Igor ist nach Amerika, nach Den­ ver, ausgewandert. Nur die Mutter und sein ­Zwillingsbruder leben noch in Zürich. Iou­ ris Leben findet zwischen Los Angeles, Den­ ver, Paris und Zürich statt. Es kommt selten vor, dass sich die ganze Familie trifft. ­Iouri gibt sich ­jedoch Mühe, mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Dies sei ihm wichtig. Etwa ein­ mal im Monat trifft er seine Eltern. Wenn immer möglich, besucht er auch seinen Bru­ der Igor in Denver. «Jedes Mal, wenn ich an die X-Games fahre, komme ich da vorbei. Es ist der perfekte Zufall, dass er dort wohnt» (eine Extremsportveranstaltung; die WinterX-Games fanden in den vergangenen Jahren in Aspen, Colorado, statt). Igor war für Iouri schon immer ein Vorbild – und ist es heute noch. Durch ihn fand Iouri mit zehn Jahren zum Skateboar­ den und mit elf zum Snowboarden. Die bei­ den Brüder waren besessen vom Schneesport und verbrachten jeden Winter in den Bergen. Weshalb aber ist heute nicht Igor der Profi­ snowboarder der Familie Podlad­tchikov? «Er war zu risikofreudig», antwortet ­Iouri. Igor zog sich eine schlimme Verletzung zu und musste nach der Intensivstation die Sportler­ laufbahn aufgeben und verfolgt seither eine andere Leidenschaft, Musik. Iouri trat aus dem Schatten seines grossen Bruders. «Ich habe für ihn seinen Traum weitergelebt. So wurde er auch zu meinem.» ­Iouri wollte nicht nur der beste Snowboarder der Familie sein. Er wollte mehr. Mit fünfzehn Jahren kam er ans Sport­ gymnasium, nahm an Wettkämpfen teil – zu­ erst regional, dann kantonal und bald auch national. «Du musst ein extremer Egoist sein, sonst wird das nichts. Ich habe mich bei jedem Wettkampf aufs Neue bewiesen und so hoch­ gekämpft.» Bis zum 11. Februar 2014.


Ein normaler Tag im Leben von Iouri ­Podladtchikov? – Blöde ­F rage, «normal» gibt es bei ihm nicht mehr.

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Ruben über Iouri «Ich habe Iouri in der fünften Klasse kennengelernt, als wir elf Jahre alt waren. Ich hatte damals ein uraltes Skateboard, das in einem wirklich sehr schlechten Zustand war. Iouri wollte es unbedingt haben. Wir haben einen Tausch­ handel gemacht. Seither sind wir die besten Freunde. Schon früh habe ich gemerkt, dass Iouri ein ganz anderer Denker ist. Er denkt sehr sportlich und zeigt grossen Kampfgeist. An einem Punkt, an dem andere aufgeben, gibt Iouri Vollgas, um noch mehr zu erreichen. Eine Niederlage ist für ihn ein Ansporn, es besser zu machen – besser als alle andern. Ist es jedoch etwas, was ihn nicht interessiert, dann ist es ihm auch v ­ öllig egal, ob er gut darin ist oder nicht. Ich bin einer der wenigen Menschen in seinem Leben, deren Meinung er sich anhört und sich auch zu Herzen nimmt. Manchmal streiten wir uns ­wegen ­Meinungsverschiedenheiten, in die wir uns reinsteigern. Dann ­möchte man lieber nicht mit uns zusammen sein. Aber wir versöhnen uns meistens schon am selben oder nächsten Tag.» Ruben Cassiano, 27, ist Iouris bester Freund (Bild oben links). Er arbeitet als DJ und im ­Verkauf.

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Er hat seine ­Leidenschaft zum Beruf gemacht, einen Plan B gab es nie und gibt es nicht für Iouri Podladtchikov.

Melinda über Iouri «Ich war vor etwa zehn Jahren die Freundin von Iouris Bruder Igor. ­Einmal habe ich Igor an einen Freestyle-Wettkampf begleitet, und ich kann mich gut erinnern, wie der ­kleine ­Iouri auf der Rampe am Skaten war. Wir haben ihm zugeschaut. Gian­ Simmen kam auf uns zu und beob­ achtete ihn. Er war begeistert von den Tricks, die Iouri draufhatte. Ich hatte ja keine Ahnung, wie gut er ­ für sein Alter war. Iouri hat mir dann seine Probleme mit Mädchen und seine ­ersten ­Liebeskummergeschichten anvertraut. Ich war seine Ratgeberin. Er war schon damals sehr ehrgeizig.

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Ehrlich gesagt, ich ­glaube, in ­seinem Leben gab es noch fast keinen Moment, in dem er nicht das erreicht hätte, was er sich in den Kopf gesetzt ­hatte. Sport, Frauen und ­Fotografie – ­überall bekommt er immer das, was er will, weil er auch dafür kämpft. In seiner Clique ist er der Anführer. Wenn er dabei ist, wird’s garantiert lustig. Er schafft es im­ mer, gute Stimmung zu verbreiten. Seine Geburtstagspartys sind legendär, da kommt der Russe in ihm zum Ausdruck.» Melinda Por, 27 Jahre alt, ist seit über zehn Jahren mit Iouri befreundet. Sie arbeitet für eine Event- und Kommunikationsagentur.

Die Olympischen Spiele in Sotschi waren für Iouri ein grossartiges Erlebnis. Mit 94,75  Punkten gewann er die Goldmedaille für die Schweiz in der Disziplin Snowboard-Half­ pipe der Herren: die Krönung seiner bishe­ rigen K ­ arriere. «Ich habe den Sieg bis heute nicht richtig verarbeitet. In Worte fassen kann ich das nicht. Um wirklich zu verstehen, was in Sotschi passiert ist, sollte man einen Film darüber machen. Vielleicht würden die Leute dann ansatzweise begreifen, wie es sich ange­ fühlt hat», so I­ ouri. Sein Leben nach den Olympischen Spielen habe sich verändert. Nicht nur ein bisschen und nicht nur sein Leben, auch das seines Umfelds. ­Iouri fällt es zwar schwer, die Veränderungen zu erklären. Es ­fühle sich an, als hätten alle ­einen Schritt weg von ihm gemacht. Die ­L eute in seinem Umfeld haben sich distanziert und hätten irgendwie mehr ­Respekt vor ihm. «Es war so: ‹Wow, er ist jetzt Olympiasieger – und was ist jetzt?›», sagt er. Niemand ­w usste, wie mit der neuen Situation umgehen. Iouri emp­ fand diese Zeit als belastend, ­hatte Angst, dass es so bleiben würde. Die Lage habe sich nor­ malisiert. Und es amüsiere ihn, wie jetzt plötz­ lich alle etwas von ihm wollten. «Früher hätte ich mir das nicht vorstellen können. Ich ­k riegte schon mit, wie Shaun White von Fans belagert ­w urde, und dachte immer: ‹Das würde mich echt nerven.› Jetzt passiert mir das auch. Es ist anstrengend. Aber es ist eine ange­nehme Anstrengung.» (Shaun White, ein Amerikaner, war die längste Zeit der unerreichbar schei­ nende Beste der Sportart und so etwas wie ein Popstar – sein Bild war etwa auf dem Co­ ver des Rolling Stone-Magazins.) Ein normaler Tag im Leben von ­Iouri ­Pod­ladtchikov? Blöde Frage, «normal» gibt es nicht mehr. Es gibt die Saison und die N ebensaison, aber keine normale Woche ­ und keinen normalen Tag. Interviews geben, an Events teilnehmen, Businessgespräche mit Sponsoren führen und tägliches ­T rainieren stehen bei ­Iouri auf dem Plan. Sein L ­ eben sei ein A ­ benteuer geworden, findet er. «Die ­Nebensaison ist normalerwei­ se etwas ruhiger. Aber seit dem Olympia­ sieg ist alles dreimal so i­ntensiv wie vorher. Nur, ich mag es so, wie es ist. W ­ ürde es mir nicht gefallen, dann ­w ürde ich es nicht tun. Ich zwinge mich selbst zu nichts.» In

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Iouri über seine Fotografie «In der Welt der Fotografie gibt es noch so viel Platz für mehr, sogar in der obersten Liga. Das macht mich traurig. Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit und Empathie. Mein Hauptmotiv sind deshalb Ehrlichkeit und Verletzlichkeit. Meine Bilder zeigen oft ­ junge Frauen, weil diese gar nichts anderes können, als ehrlich, verletzlich und welt­ offen zu sein. Ich ­ liebe es, die Bilder mit meiner Polaroid­ kamera zu schiessen. Ein Polaroid hat so viel mehr Charme. Das Bild ist einfach jedes Mal perfekt, weil man sowieso nichts daran verbessern ­ kann. – Ich habe mal gelesen, dass viele L ­ eute das fotografieren, bei dem sie am meisten befürchten, es zu verlieren. Die stärksten Bilder in der Geschichte der Fotografie haben meistens damit zu tun.»


Iouris ipod-Liste Mannequine – Die Musik von Ruben höre ich am liebsten zum Trainieren. The Doors – Mein Spitzname «The Iours» ist von dieser Band abgeleitet. Cat Vulcano – Das ist die Band meines Bruders Igor. Little Dragon – «Paris» ist einfach mein Lieblingssong. Disclosure – Den Song «You and Me (­ Flume Remix)» ­ hatte ich für Olympia ausgewählt. Er lief während meines Runs. Grimes – Das Lied «Genesis» bringt mich zum Tagträumen. Sébastien Tellier – Als ich ihn live sah und er «Ritournelle» performte, kam ich irgendwie in eine neue Welt. Father John Misty – Den Song «Hollywood Forever Cemetery Sings» höre ich jeden Tag ein paarmal.


seiner freien Zeit geniesst ­Iouri dafür den ­normalen Alltag ­eines normalen 26-Jähri­ gen. Partys organisieren, im Skatepark Bru­ nau neue Tricks üben, spontan nach Paris, London oder Berlin ver­reisen und mit Freun­ den abhängen. Das, sagt er, sei der n ­ ormale Teil seines Lebens, und für diesen ­kämpfe er: «Einfach frei und spontan ­leben können, neben all diesen Verträgen und Sponsoren.» Der Sieg in Sotschi hat Iouri, logisch, auch Türen geöffnet. Vor allem die Modewelt wurde auf den jungen Snowboarder mit Starqualitä­ ten aufmerksam. So ist er etwa in der Ak­ ris-Punto-Kampagne (Sportswear-Kollektion) für kommenden Herbst/Winter zu sehen, und im vergangenen Frühjahr lief er in Paris für ­Desi­gner Julien David über den Laufsteg. Auch dem Traum, als Fotograf zu arbeiten, kam er etwas näher. Zwei Tage nach seinem Medail­ lengewinn twitterte die Redaktion der Vogue Paris: «Watch out Mario Testino. After win­ ning gold in the men’s halfpipe at #Sochi, @iouriamazing says he’s going to shoot the next cover of Vogue» (sinngemäss etwa: «Pass auf, Mario Testino, Iouri will deinen Job»). ­Iouris Antwort auf den Tweet: «@voguema­ gazine so I suggest Madeleine Dixon for the cover, can we discuss this further over brunch in P ­ aris please?» Fotografiert hat er im März dann bereits sein erstes Cover, noch nicht für Vogue, aber für 20 Minuten Friday im­ merhin, eine Beilage der grössten Zeitung der Schweiz. Auf seiner To-do-Liste steht, ­neben dem Vogue-Cover, etwa der Abschluss des ­Studiums der Kunstgeschichte: «In allem, was ich mache, ist mir wichtig, einen Fort­ schritt zu spüren. Ich muss weiterkommen. Im Leben darf man nicht stehenbleiben.» 2018 will ­Iouri wieder an den Olympischen Spielen teilnehmen. «Ich will wissen, was noch drin­ liegt.» Dann macht er eine Pause, schwebt mit seinen Gedanken ­irgendwo, aber nicht im 2018, so sieht es aus. Der Plattenspieler, mittlerweile auf­gebaut, spielt die Joy-Division-Platte zu Ende (eine Band, so veraltet, aber qualitativ so gut wie der Plattenspieler selber). Iouri hat begonnen, seine Büchersammlung ins Regal zu räumen, darin gibt es Werke von Ernest Hemingway bis Paulo C ­ oelho. Dann fällt ihm ein, dass er nicht ewig Zeit hat: «Fuck, schon halb vier. Ich hab noch einen anderen Termin. Ich muss los.» Iouri zieht sich um, und Minuten später, am Taxistand beim Bahnhof Stadelhofen, erkennen ihn einige Fans im Teenageralter: «Iouri, hey Iouri.» Iouri – seine Augen hin­ ter der Sonnenbrille verborgen – bleibt still, ­ignoriert die Rufe. Er lässt nicht erkennen, ob es ihn stört, eine öffentliche Person zu sein, oder ob er es geniesst, aber wie er zuvor ­sagte: «­A nstrengend – aber eine ­a ngenehme Anstrengung».

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originalton

Das hilft mir beim Einschlafen

Iouri Podladtchikov erklärt Iouri Podlad­tchikov.

Spitzname

Wunsch von der Fee

Geburtsdatum Mein Lebensmotto

Sternzeichen

Mein Stil Beziehungsstatus

Erster Kuss

Meine Fans wissen nicht, dass

Das letzte Mal, dass ich geweint habe

Ich könnte niemals leben ohne Meine Fans

Ich wäre gerne für einen Tag * Japanischer Zeichentrickfilm-Serienheld ** Erfundenes, unzerstörbares Metall aus einem Marvel-Comic *** Einer der drei Musketiere **** Comicfigur

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Die Stadt Genf als Schauplatz, wo wir neue Herbstmode von LOUIS VUITTON ­fotografierten, ­erkennt fast keiner. Das ­schöne Mädchen ­hingegen ist bekannt – sie heisst Tosca.

Bilder: Tomo Brejc

Kleid «Shetland Graffiti», Stiefel «Gimmick» und Tasche «Lockit» von Louis Vuitton.

Styling: Kim Dung Nguyen 38

schöne


unbekannte


Jacke von Louis Vuitton.

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Strickjacke, Hose, Hemd, Sonnenbrille «Influence Carré», Schuhe «Cottage» und Tasche «Keepall Bandoulière 45 Nomade» von Louis Vuitton.


Pullover, Hemd, Hose und Schuhe von Louis Vuitton.


Kleid, Reisedecke «Camouflage», Schuhe «Eyeline Pumps» und Tasche «Pochette W Magnolia» von Louis Vuitton.

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Bilder: Duong Nguyen

44 Monat 20XX


Kleid von Louis Vuitton.

Bilder: Duong Nguyen Monat 20XX

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Kleid, Armreif «Black Zippy» und Tasche «Marly Epi Dune» von Louis Vuitton.


Parka «Explorer», Pullover, Hose, Schuhe «Landlord Richelieu» und Tasche «Keepall Bandoulière 45 Nomade» von Louis Vuitton.

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Jacke, Shirt und Hose von Louis Vuitton.

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CREDITS

Kleid und

Digital Operator:

Stiefel

Jeremy Rigby

«Gimmick»

1. Foto-Assistent:

von Louis

Armand Yerly 2. Foto-Assistent: Corentin de Tonnac Hair/Make-up: Emmanuel Florias (Style Council) Models: Tosca D. (A Models Amsterdam), Julien Sabaud (Viva Models)

Vuitton.


Als Aurel Bacs bei Christie’s anfing, Uhren zu versteigern, belief sich der Jahresumsatz auf 8 Millionen ­Dollar – als er aufhörte, auf 128 Millionen.

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Bacs’ neue Zeitrechnung Zehn Jahre lang versteigerte der Zürcher Aurel Bacs die gesuchtesten Vintage-Uhren der welt. Dann gab er seine Stelle bei Christie’s auf. Seither warteten Sammler gespannt darauf, was der grosse kenner seltener armbanduhren als Nächstes machen wird. Text: Oliver Schmuki Bilder: Sébastien Agnetti

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s braucht viel, bis Aurel Bacs das Gefühl für Zeit verliert. Doch genau das ­geschah, als sich die Besucher im Saal des Genfer «Four Seasons»-Hotel nach einer von Bacs geleiteten A ­ uktion im vergangenen November von ihren Stühlen erhoben und zu applaudieren begannen. Grund für die ­Standing Ovations war nicht nur die soeben zu Ende gegangene und mit grossem Abstand ertragsreichste Armband­uhrenversteigerung, die je organisiert ­worden war – 40,3 Millionen Franken wurden am 10. und 11. November 2013 insgesamt umgesetzt. Die Versteigerung war zudem die vor­läufig letzte, die der Zürcher Aurel Bacs in Europa leitete. Ende 2013 beendete er seine zehn­jährige Laufbahn beim ­britischen Auktionshaus Christie’s, wo er ­International Head der Uhrenabteilung war. Doch das Ende von etwas Altem ist immer auch der Anfang von etwas Neuem, es gilt bloss, die Sanduhr umzudrehen. Wer Uhren kennt und sammelt, kennt nicht bloss A ­ urel Bacs’ Namen, er kennt sein Gesicht, seine Körper­sprache, seine Stimme. In der Welt der klassischen ­U hren und des Handels führt tatsächlich kein Weg an ihm vorbei. Bacs ist hauptverantwortlich dafür, dass Christie’s bei Sammleruhren-Auktionen heute Weltmarktführer ist. Vor seiner Zeit bei Christie’s war Bacs, der mit seiner Frau und ­G eschäftspartnerin Livia Russo und ihrer gemeinsamen

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Zeit-etappen Diese Uhren ­ haben Aurel Bacs auf ­seinem bisherigen Lebensweg berührt – und er sie auch.

Patek Philippe, Ref. 2508

Für meine erste Patek ­Philippe habe ich mich mit zirka vierzehn über ­beide Ohren ver­schuldet. Die Rückzahlung hat J­ ahre gedauert! Die g ­ oldene Version war damals zwar das ­Doppelte wert, Stahl ­gefiel mir aber besser und schien mir auch viel ­seltener. ­Heute ist sie ein Mehr­faches wert – ich ­w ürde diese Uhr erst nach ­meinem ­letzten Hemd verkaufen.

Tochter in Genf lebt, für die Auktionshäuser Sotheby’s und Phillips tätig. Als Bacs seinen Rücktritt bekanntgab, tauchten zwei Beträge in fast jedem Artikel, den man dazu finden konnte, auf: der jährlich durch Uhren­ auk­tionen erzielte Umsatz von Christie’s vor Bacs’ Stellenantritt – und derjenige gegen Ende seiner Amtszeit. Die Beträge lauteten: 8 und 128 Millionen US-Dollar. Und das war erst noch vor der hier erwähnten November-Auktion. «Nach einer erfolgreichen Auktion pflegen die ­L eute jeweils zu sagen: ‹I knew it.›», sagt Bacs. «Aber in diesem Fall hörte man das nicht einmal von den grössten Grossmäulern. Unsere wildesten Fantasien wurden weit übertroffen.» Er bezieht sich mit dieser Aussage vor ­a llem auf den ersten Teil der Auktion, der vor dem Hintergrund des fünfzigsten Geburtsjahres des ­legendären «Daytona»-Modells von Rolex stattfand und bei dem ausschliesslich «Daytonas» angeboten wurden, fünfzig Modelle an der Zahl, alle fanden einen neuen Besitzer. Lässt man Bacs den Erfolg erklären, nennt er den Zeitpunkt der Auk­tion (die Nach­frage nach Rolex-Uhren ist derzeit auf einem Höchststand); den Einbezug von Pucci Papaleo (bekannt als «Rolex-‹Daytona›-Gott» und Autor mehrerer Bücher über die Marke), der bereits in der Vorbereitungsphase konsultiert wurde und als Gaststar in Genf jeder Uhr seinen Segen mit auf den Weg gab; sowie natürlich die angebotenen Stücke selbst, eines schöner, rarer und besser erhalten als das andere. Und vielleicht war die Möglichkeit, sich ein «Souvenir» zum Abschied von Bacs und Russo mit nach Hause nehmen zu können, mit dafür verantwortlich, dass die fünfzig Uhren­modelle über zwölf Millionen Franken einbrachten – fast viermal so viel, wie zuvor geschätzt worden war. Bacs kennt keinen Singular. Er geniesst es zwar, sich über seine Person, seinen Job und natürlich Uhren zu unterhalten. Aber er betont jedes Mal, wenn er von «wir» spricht, den Team-Effort, der vonnöten sei, um der­a rtige Erfolgsauktionen möglich zu machen. Mit «wir» ist vor allem seine Frau gemeint, die zuletzt ebenfalls als Uhrenspezialistin für Christie’s tätig war. «Kalter Entzug» – so beschreibt Aurel Bacs das Gefühl, mit dem er in dieses Jahres starten musste. Und das obschon er eine Auszeit in den Bergen genoss und mit frischer Bräune im Gesicht ein wenig aussieht wie der junge Robert De Niro. Wohin es beruflich genau gehen soll, hat das attraktive, gutvernetzte power couple erst kürzlich kommuniziert. Klar war schon früh, dass die nächsten Karriereschritte gemeinsam begangen werden sollten. Und dass die beiden den Uhren und dem Handel damit erhalten bleiben würden, war von Anfang an jedem klar, der eine ähnliche Leidenschaft für etwas besitzt wie ­Aurel Bacs und ­L ivia Russo. Doch man hat sich Zeit genommen und erst ­M itte dieses Jahres in einem ersten Schritt eine gemeinsame Firma gegründet – auf privater Basis können sich dort Sammler seit ­einigen Wochen beim Uhrenkauf und -verkauf beraten lassen, ­spezielle und seltene Modelle erwerben und abstossen oder ­a ndere Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Gleichzeitig aber können sich Bacs und Russo gut vorstellen, früher oder später mit einem Partner, schätzungsweise erneut mit einem Auk­tionshaus, einen Exklusivvertrag über eine Zusammenarbeit abzuschliessen. Gerüchte, wer es sein könnte, gibt es, bestätigen wollen die beiden

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aber noch nichts. «Wir prüfen derzeit verschiedene uns vor­liegende attraktive Ange­b ote», mehr ist von Bacs on the record zurzeit nicht zu bekommen. Bacs, geboren mit dem Geschenk einer goldenen­ Stimme im Jahr 1971, wuchs in Zürich auf und begann nach der Maturität Wirtschaft zu studieren, erst an der HSG in St. Gallen, dann in seiner Heimatstadt. Doch ein Stelleninserat, das er nicht ignorieren konnte, liess ihn 1995 das Studium vorzeitig abbrechen: Sotheby’s suchte einen ­U hrenspezialisten. «Mein Umfeld machte mir klar, dass die Chance, diesen Job zu bekommen, ungefähr so gross sei wie die, in einem Formel-1-Cockpit zu sitzen; sogar ­Nasa-Astronauten gebe es mehr», sagt Bacs. Doch der Sohn eines Uhrensammlers war zu diesem Zeitpunkt ­bereits seit fast zwölf Jahren im Uhrenuniversum tätig in ­einem gewissen Sinn: «Als Teenager begleitete ich meinen ­Vater bei Besuchen von Flohmärkten und Auktionshäusern. ­Später wendete ich mehr und mehr Stunden pro Woche für mein Hobby auf, das bis dahin de facto zu ­einer Vollzeitbeschäftigung herangewachsen war.» Während seine Kommilitonen also unter mehr oder minder sanfter elterlicher Führung ihr Studium weiterverfolgten, wurde er sogar dazu ermutigt, sich für die Stelle zu bewerben. Da Bacs keinerlei Arbeitserfahrung vorzuweisen­ hatte, schickte ihn Sotheby’s für ein erstes «Bewerbungsgespräch» zum Finanzmanager, einfach deswegen, weil ­jener gerade zufällig gerade in Zürich war. «Sie dachten wohl, meine Bewerbung sei ein Scherz.» Doch ­einige Gespräche und Monate später wurde er eingestellt, obschon er im Bezug auf sein zukünftiges Pflichtenheft «keinen ­blassen Schimmer» hatte. Da der für eine Auktion zuständige Spezialist nicht zwingend der Mann ist, der dann hinter das Stehpult tritt – diese Aufgabe bedarf ­einer Menge Erfahrung, eines exzellenten Verständnisses der Auktionsobjekte sowie des Marktes plus Verkaufs­ geschick –, war Aurel Bacs zu Beginn mit dem Lokalisieren, Authentifi­zieren und Einschätzen von Uhren beschäftigt. Und zudem war er verantwortlich für das ­Zusammenstellen der Auktionskataloge und das Informieren des ­U hrenfotografen – Bereiche, die gerade ­heutzutage stetig an Wichtigkeit gewinnen, da ­potenzielle Käufer genauestens wissen möchten, in was genau sie ihr Geld investieren. Zum ersten Mal selbst den Auktionshammer schwingen durfte Bacs im vierten Jahr bei Sotheby’s. Die Erfahrung übertraf alle seine Erwartungen. «Diese Tätigkeit ist etwas vom Grossartigsten, was man überhaupt machen kann im Leben – in bekleidetem Zustand», zitiert Bacs einen anderen berühmten Auktionator. Er vergleicht diese Funktion mit der eines Schauspielers, der bis zu acht Stunden auf einer Bühne steht – ohne Skript. Man habe als Katalysator zu agieren für 250 Leute im Saal und dreimal so viele, die am Telefon mitbieten – hinzu kommen die schriftlichen Gebote und neuerdings auch jene Bieter, die online teilnehmen und in der ganzen Welt verstreut sind. Die eigentliche Versteigerung einer Uhr, die vielleicht sechzig Sekunden dauert, vergleicht Bacs mit einer vulkanischen Eruption; explosionsartig entladen sich dabei die monatelange Vorarbeit und alle Emotionen, die man den beteiligten Menschen und den technischen Zeitzeugen gegenüber entwickelt hat, die eben erst gefunden, bewertet und kommissioniert und aus Mexiko, Indonesien oder von wo auch immer eingeflogen wurden.

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Patek Philippe, «Jumbo Nautilus» in Stahl, Ref. 3700/1

Meine Mutter ­schenkte diese Uhr meinem V ­ ater zu seinem ­fünfzigsten ­G eburtstag – noch ­heute trägt er sie fast ­täglich. Ich ­erinnere mich ­genau, wie meine E ­ ltern diese Uhr bei ­Beyer, dem schönen ­a lteingesessenen Uhrengeschäft an der Bahnhof­ strasse, kauften. Vor ein paar Jahren schenkte ich mir s­ elber das Nachfolge­ modell (Ref. 5711/1), das ich seither ebenfalls fast täglich trage. Eine Jahrhundertuhr!

Rolex, «Daytona», Ref. 6263

Ein Überraschungsgeschenk meiner Frau zu meinem ­Geburtstag am Vortag der «Daytona»-Auktion im letzten Herbst, wo mit fünfzig Uhren fünfzig Welt­rekorde gebrochen wurden – die wohl unglaublichste Auk­ tion, die ich je erlebt habe! Natürlich trug ich d ­ iese Uhr, als ich die Auktion leitete. Der Text, der auf dem Gehäusedeckel eingraviert ist, soll mich daran erinnern, dass ­jeder Abschied auch ein Neu­anfang ist.

Patek Philippe,

Das Publikum, das nach qualitativ hochstehenden ­Vintage-Uhren dürstet, die Menschen wie Bacs aufspüren wie Trüffelhunde die seltenen Pilze, ist auf allen fünf Kontinenten angesiedelt. Die Schweiz spielt in dieser Spitzen­ liga, trotz ihrer Uhrengeschichte und ihres Reichtums, verhältnismässig eine kleine Rolle. Danach gefragt, weshalb jemand sechs- oder siebenstellige Beträge für ­U hren hinlegte, erklärt sich Aurel Bacs mit Leidenschaft. Weshalb aber Jahr für Jahr neue Rekorde erzielt werden, das deutet Bacs mit einer Überlegung, die von Oldtimer-Automobilspezialist S ­ imon Kidston kommt. Bacs: «Kidston meint, es wäre zu einfach, zu sagen, dass Sammler­objekte einfach so stetig an Wert zulegen würden. Man müsse auch berücksichtigen, dass Geld immer mehr an Wert ver­liert.» Richtig ist jedenfalls, dass gut er­ haltene Highend-Sammleruhren in Kleinstauflagen ­älteren ­Datums – wie beispielsweise die «Pink 2499» von Patek Philippe – w ­ ahre Exklusivitäten bedeuten und genau deshalb so be­gehrenswert sind. Interessanterweise würden, wie Bacs sagt, bloss r­ eiche Investoren bei Auktionen gegenüber Sammlern und Kennern sehr oft den Kürzeren ziehen. «Geld allein kann solche Uhren nicht kaufen. Erst durch hartnäckiges Jagen, durch das konstante Studium solcher Uhren, die stetige Lektüre und durch die ­Liebe zum Objekt der Begierde kommt man an sie heran.» Die Ge­schichte e­ iner Uhr bezeichnet Bacs als ihre vierte ­Dimension. Kratzer und andere Spuren der Zeit würden dem Gegenstand Patina verleihen und Charakter; ähnlich wie eine Narbe verraten sie etwas über die einstigen Träger. Können in der Brust eines Fans, oder vielmehr: in der Brust einer Person, die sich mit Haut und Haar ­einer Leidenschaft verschrieben und diese zu ihrem Lebens­ inhalt erklärt hat, zwei Herzen schlagen, kann man also einerseits eine Uhr lieben und andererseits mit ihr handeln wollen? «Ja», antwortet Aurel Bacs, ohne auch nur ­einen kleinen Moment lang zu zögern. Ihm falle es leichter, adieu zu sagen und sich mit dem neuen Besitzer zu ­freuen. Für ­L ivia Russo hingegen ist das Abschiednehmen in jedem Fall eine schmerzhafte Erfahrung. Sie ­w ürde am liebsten jede schöne Uhr, die ihr unter die Finger gerät, selber besitzen. «Ich leide jedes Mal, wenn ich mich von einem besonders schönen Exemplar verabschieden muss», sagt sie. Das erklärt vielleicht, weshalb sie ihre goldene «Daytona» für ihr Gegenüber gut sichtbar trägt, während ihr Ehemann erst beim ­Fotoshooting seinen Zeitmesser sozusagen aus dem ­Ä rmel schüttelt. Es ist ihre emotionale Seite (obwohl Aurel Bacs seine Frau sein «Gehirn» nennt), die seine ratio­nale Art ausgleicht. Und auch wenn ­L ivia Russo damals, bei der Genfer Verabschiedung ihres Mannes, Tränen in den Augen hatte – ihr kam das Zeitgespür nicht abhanden. Genau zehn Minuten lang sei applaudiert worden.

Ref. 1527

Dieses Einzelstück entdeckte ich als ­Teenager in der Literatur. 2009 lud mich ihr Besitzer zu sich nach H ­ ause ein und vertraute mir das Stück nach monatelangen ­Diskussionen zur Versteigerung an. Ihr Erlös: 6,2 Millionen Franken – die teuerste Armbanduhr, die ich je verkauft habe.

40,3 Millionen Franken

So viel hat Geld die letzte von Aurel Bacs geführte Auktion für Christie’s im Herbst 2013 eingebracht.

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Aurel Bacs und seine Frau und Geschäftspartnerin Livia Russo ergänzen sich optimal; er steht für das ­R ationale, sie für das Emotionale.

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Am Leib getragene Gedichte: Kleidung ist Ausdruck der Identit채t des Tr채gers.


Nr. 4  2014  Essay   Dieter Meier

Dresscode Wie kleidet man sich für einen Messebesuch? – Kommt drauf an, ob man auf eine Buch- oder eine Kunstmesse geht.

Text: Dieter Meier Illustration: Bill Rebholz

M

eier-mach-Schon versucht mit den folgenden Zeilen, die These zu erhärten, dass die Besucher und Verkäufer an Buchmessen sich in der Selbstdarstellung durch die Kleidung radikal unterscheiden von Galeristen, gallerinas und Publikum an Kunstmessen. Selbstverständlich ist die Behauptung, wenn auch nicht total aus der Luft gegriffen, so doch ein wenig unseriös, da es sich nicht um eine grosse Felduntersuchung handelt, sondern um zufäl­lige Impressionen, die bei der Frieze London, der Fiac in Paris und der Buchmesse in Frankfurt den Autor angesprungen haben. Einleitend seien die Unterschiede des kulinarischen Angebotes erwähnt, das auf der Buchmesse dem Oktoberfest nachempfunden ist, ohne dieses auch nur annähernd zu erreichen. Currywürste, Brezeln, Croque-Monsieur und Croque-Madame, Crêpes in allen Varianten, heissen Schinken und Gulaschkanonen gibt es auch auf der Buchmesse, aber ein entscheidendes Grossereignis fehlt auf dem weltgrössten Jahrmarkt des geschriebenen Wortes: ganze Ochsen am Spiess. Die Kunstmessen hingegen sind Sushi-und-Schampusgestützt, allenfalls ergänzt mit allerlei Häppchen der Conve­nience-Oberklasse. Nach diesem Ausflug in die Niederungen der Nahrungsaufnahme nun aber endlich zur Sprache der Kleidung, die hier wie dort gesprochen wird und als Jargon der Eigentlichkeit und als am Leib getragenes Gedicht Ausdruck der Identität des Trägers ist, der so seinen Auftritt auf dem Planeten bestreitet und sich, ob er will oder nicht, zu erkennen gibt. An der Buchmesse dominieren schlechtsitzende Anzüge, meist zerknittert, Polyester-verseucht, mit geklebtem Futter, Handorgel­falten im Beckenbereich und zu langen Hosen, die das traurige Schuhwerk oft fast ganz bedecken. Bei diesen Herren, die mit offen fliegendem ­Jackett, stets in Eile, aus ihren Kojen steuern, trifft man auch immer wieder auf stattliche 19.-Jahrhundert-Bäuche, die nonchalant und manchmal

September / Oktober  2014

durchaus insistierend als Manifest für die letzten Wampen zur Schau gestellt werden, mit dem uns diese meist intellektuel­len Menschen wohl mitteilen wollen, dass es im Geistesleben Wichtigeres gibt als einen schlanken Leib und ein vernünftig geschnittenes Sakko. Sicher gibt es auch am Fest des gedruckten Wortes ein paar Damen und Herren, die im Schuhwerk von John Lobb, im stilvoll verwaschenen Leinenjackett – wie es schon der Reichsmusikkammer-Präsident unter Hindenburg, Richard Strauss, am Tegernsee spazieren führte – zum Ausdruck bringen, dass ihr Verlag, der mit Kinderbüchern und a ­ llerlei ­Merchandising-Schabernack tierisch ­Kohle macht, die viertausend Euro für Extravaganzen spielend wegsteckt. In der Esoterik­abteilung sitzt ein munteres Völkchen in kleinen Systembauboxen und lässt sich in schonend gewaschenen Wollsachen den direkten Draht zum Übernatürlichen nicht vermiesen. N ­ ackte F ­ üsse stecken gesalbt in Kneipp-Sandalen, und leise Naturfarben begleiten die Andacht am Stand. Aber an Buchmessen bewegen sich auch die seltenen Wunderknaben und -mädchen des Bestsellergeschäfts, die den Weg zum Massschneider oder in die Chanel-Boutique gefunden haben und als Ausdruck der Verzweiflung im Umgang mit dem neuen Luxus in viel zu ­engen Hosen die Konturen ihres Gemächts oder ­G esässes herzeigen. Da die Kunstgemeinde sich als Wander­ zirkus bewegt und die Grossveranstaltungen der Postmoderne interkontinental abklappert, gleichen sich die Verhüllungen an ­F rieze und Fiac mit kleinen Unterschieden. An der ­Pariser Fiac zeigen sich immer noch Leder- und k ­ nappe ­T igerhöschen, die der Fantasie des Aficionados bei der Verlängerung der Oberschenkel keinen Spielraum mehr lassen. Auch ­schwere Gold­ketten auf Solarium-gebräunten Männerbrüsten, die als Trophäen graumelierter JeanMarais-Doubles im Grand Palais immer noch herumkrebsen, sind in London undenkbar. Sonst aber hat sich die Kunsttruppe dies- und jenseits des Ärmelkanals auf einen Kodex eingependelt, nach dem aus komfortablen Ständen uni­forme Stilsignale gesendet werden, die weltweit einfach zu dekodieren sind. P ­ rada grüsst Jimmy Choo, Marc Jacobs brilliert mit radikalem Understatement, das nicht einmal

als solches zu erkennen ist, Louboutins hohe ­Hacken auf patentierten roten Ledersohlen umschliessen zarte Frauen­füsse mit dem sanften Halt eines Handschuhs, und die Schneiderkunst Azze­d ine Alaïas lässt die gallerinas durch das Labyrinth der Messe schweben, als seien sie nicht von dieser Welt. Auch die ­A rbeitskleidung der Herren steht auf hohem Niveau, und die Dreiecks-Krawatten­k nöpfe, die man bei Polizisten und SVP-Politikern aus der Nordostschweiz noch antreffen kann, sind vom einfachen oder doppelten Windsorknoten definitiv abgelöst worden. Ausser ein paar ­ratlosen Tom-Ford- und Z ­ egna-Kunden, welche ihre Unsicherheit hinter grossen Marken verstecken, regiert auf den Märkten der bildenden Kunst die hohe Schule der Fein-Massschnei­ derei. Da hier die Wertigkeit der Ware, welche die market maker der Postmoderne anbieten, von schwierigen und irrationalen Beurteilungen bestimmt ist, muss der Verkäufer selbst, schon durch sein Äusseres, elegante Glaub­ würdigkeit und Stilsicherheit ausstrahlen und verkauft sich sozusagen mit. Auf dem weiten Feld der Literatur ist das ­Erkennen von Qualität doch wohl eher nach­ vollziehbar und weit weniger subjektiv als in der sogenannt bildenden Kunst, wo die ­heisse Luft, in Ballons geblasen, die Passagiere in die sauerstoffarme Stratosphäre hochzieht, wo diese bei vernebeltem Hirn mit Millionen nach den letzten Zuckungen der Post­moderne werfen für das Ticket in die erlauchten Kreise des geldgestützten Unverstands, wo die immer ­verrückteren Orgien der self-fulfilling pro­phecy gefeiert werden. So können die Verkäufer von Gedrucktem aller Art sich eine rasend entspannte Schlampigkeit leisten, während die Kunstwelt geprägt ist von dem äusserst angestrengten Schein, wo das Phänomen der «letzten Lockerung» (W. Serner) äusserst selten anzutreffen ist, sondern dem Credo «Kleider machen Kunst» mehr oder weniger bewusst nachgelebt wird.

Dieter meier ist Musiker, Autor, W ­ ein­bauer, Rinderzüchter und Restaurantunternehmer. Er lebt in Zürich und Patagonien.

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M旦bel Fischer

Delia Fischer in ihrem M端nchner B端ro im Stadtteil Laim. Das Interior stammt aus ihrem 足eigenen Shop.


Dreissigjährig, 1100 Ange­stellte, fünfzehn Mil­lionen Kunden. Das sind die Eckdaten der InternetUnter­­nehmerin Delia Fischer und ihrer Firma Westwing.

Text: Deborah neufeld Bilder: Hannes Rohrer September / Oktober  2014

w

enn sie mit ihren blonden Haaren, den rehbraunen Augen und ihrer modischen Kleidung an der Wand lehnt, wirkt sie wie ein character model, das zu Dekorationszwecken ins Bild gesetzt wurde. Wenn sie an ihrem Schreibtisch sitzt, in dieser Kulisse mit Lampen, Blumen und ­Accessoires, erinnert sie an eine Darstellerin aus einer TV-Serie, die im Gutverdiener-Milieu spielt. Doch beides hat nichts mit dieser Frau zu tun. Denn Delia Fischer, Münchnerin, ­gerade dreissig geworden, ist Geschäftsführerin von Westwing Home and Living, einer Online-Möbelboutique mit fünfzehn Millionen Kunden weltweit. Sie gehört zu den fünfzig wichtigsten Start-up-Unternehmerinnen der vergangenen Jahre und wurde im Februar vom Wirtschaftsmagazin Business Punk als erfolgreichste Gründerin Deutschlands bezeichnet. Dass sie eines Tages eine Firma leiten würde, die ein Lieblingsobjekt von Gross­ investoren wird, war vor wenigen Jahren noch eine Utopie. Delia Fischer hatte sich damals nicht für ein BWL-Studium entschieden, sondern für Mode­journalismus. Und statt bei ­einem Wirtschaftsmagazin zu arbeiten, fing sie beim ­Burda-Verlag an und schrieb, mit 22 Jahren, für die Frauenzeitschriften Elle und Elle ­Décoration. «Meine tägliche A ­ rbeit bestand darin, Trends aufzuspüren oder Einrichtungsgegenstände und Accessoires zu finden und zusammenzustellen.» Eine Arbeit, die sie l­iebte und die ihr schon während des ­Volontariats den Titel «Stilbotschafterin» einbrachte. «Immer wieder fiel mir dabei auf, wie viel schwieriger es ist, schönes Interior zu finden als s­ chöne Mode.» Während man von Zara bis Prada für jeden Geschmack und jedes Budget vieles ­online kaufen konnte, gab es für Möbel und Einrichtungsgegenstände kaum Angebote. «Ich fand so gut wie nichts, was mir gefallen hätte», sagt sie. «Oder es war so teuer, dass es für mich nicht in Frage kam.» So entstand die Idee eines Online-Shops für Möbel. «Nach fünf Jahren als Redaktorin bei einem Magazin wollte ich etwas Neues ­wagen, fasste mir ein Herz und kündigte.» Damals hatte sie einem Freund, Stefan Smalla, von der Idee erzählt – gemeinsam wurde ein Konzept verfasst und man kontaktierte erste Investoren. «Die Finanzierung der Firma stand aber noch nicht», sagt sie heute. «Trotzdem habe ich den Schritt in die Unabhängigkeit gewagt.» Sie sei eigentlich kein mutiger Mensch. «Doch diese Entscheidung fühlte sich einfach richtig an – ich war 26, hatte kein Haus, kein Kind, noch nicht mal einen Goldfisch, auf den ich Rücksicht nehmen musste», so Delia ­F ischer. «Ich sagte: ‹Now or never›.» Das war 2011 – heute ist sie neben Stefan Smalla und

Matthias Siepe Geschäftsführerin des Unternehmens, das sie mit besitzt. «Es ist wie bei Chanel», sagte ihr Geschäftspartner ­Smalla kürzlich im Handelsblatt, «Delia ist unser Karl Lagerfeld. Ich bin der Nerd im Hintergrund, der sich um Sachen wie Personal, Einkauf und Logistik kümmert.» Westwing Home and Living mit Sitz in München ist ein Unternehmen, das ausschliesslich über seine Website Möbel und Wohn­ accessoires verkauft. Interessierte ­registrieren sich mit ihrer E-Mail-Adresse, gehören damit dem Memberclub an und erhalten einen exklusiven Zugriff auf tägliche Aktionen. Von luxuriösen Betten über moderne Sideboards, von romantischen Hängematten bis zu Dekomaterial aller Art präsentiert Westwing Produkte für schönes Wohnen. Was das Unternehmen von anderen Online-Angeboten abhebt, ist das Konzept: Westwing-Produkte werden nach Themen und Aktionen gegliedert, zum Beispiel «Ferien in der Bretagne» (rustikale ­Beistelltischchen im ­Shabby Chic) oder «Aus Liebe zum Land» (Sofas im Landhausstil) oder «Folkloristisch & Fabelhaft» (Kissen, Lampenschirme und Bilder im Gipsy-Look). Die Kunst also, nicht bloss Produkte, sondern Einrichtungslösungen zu verkaufen und alles so hübsch wie möglich in Szene zu setzen. «­Unsere Lieferanten bekommen ­g rosse Be­ achtung und erreichen durch unsere News­letter hohe Klickzahlen. Und unsere Kundinnen profitieren von tiefen Preisen.» Denn anders als andere Online-Unternehmen bleiben die Produkte bei Westwing nur sehr kurz vor Ort, weshalb die Lagerhaltung wegfällt – und das ist es, was Geld einspart. «Erst wenn ein Sale zu Ende gegangen ist und wir die Bestell­zahlen haben, kaufen wir bei unseren Lieferanten die bis dahin reservierten Produkte ein», sagt D ­ elia ­F ischer. Das zieht zwar die Lieferzeiten in die Länge, dafür garantiere Westwing, dass die Produkte zum verkauften Zeitpunkt immer die günstigsten auf dem Markt s­ eien. Dazu kommt das O ­ nline-Magazin, in dem eine eigene Redaktion über Einrichtungstrends ­b erichtet, Homestorys über Kundinnen veröffentlicht oder Rezepte und Reisetipps liefert. Westwing ist drei Jahre nach der Gründung in zwölf Ländern tätig; 2013 wurden Waren für umgerechnet 134 Millionen Franken verkauft, was einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Die Betriebstätigkeit führte zu einem Verlust von 50 Millionen, was natürlich viel Geld ist für ein junges E-CommerceUnternehmen, aber nicht das Ende bedeuten muss. Denn in der Schweiz alleine hat Westwing 200 000 Mitglieder oder Kunden, in Deutschland 1,7 Millionen, weltweit 15 Millio­ nen – 91 Prozent davon sind weiblich. Doch ­diese unterscheiden sich von Land zu Land sehr. «Französinnen zum Beispiel sind mutige Dekorateurinnen.» Die Russinnen ­seien

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«In den Anfangszeiten wurde ich als Assistentin meiner Geschäftspartner abgestempelt», erinnert sie sich. «Das war damals amüsant, aber auch bezeichnend.» Doch nicht nur ­ andere mussten sich an ihre ­ Position gewöhnen – auch Delia Fischer selbst. ­

opulent, in Italien ist es oft romantisch. Und die deutschsprachigen Kundinnen ­setzten auf Sicherheit. Was sich aber in allen ­L ändern verändert hat, ist der persönliche ­Bezug zu den eigenen vier ­Wänden. «Individuelles ­Interior wird immer wichtiger», sagt Delia Fischer. «Vor ­einigen Jahren war alles cool, loftig und sehr austauschbar. Heute kombinieren die ­L eute viel mehr – mischen N ­ eues mit Altem und geben damit ihrem Zuhause einen persönlichen Touch.» Ein Renner s­ eien ­neuerdings Tapeten und gemus­terte Teppiche. «Die sind ge­rade der Wahnsinn – während sie sich vor zwei Jahren kaum verkaufen lies­sen.» Delia Fischer rät zu einer Einrichtung, die die Persönlichkeit der Bewohner widerspiegelt. «Ich finde, Wohnungen und Häuser sind für einen selber da, und nicht, um sie vorzuzeigen.» Wessen Lieblingsmagazine Schöner ­Wohnen, Vogue oder Tatler sind und wer jeden Tag weltweit 15 000 Interior-Produkte verschickt, hat eine Vorzeigewohnung. «Bei mir herrscht akuter Stilmix – eklektisch zusammengesammelt, da ich auf meinen Reisen unheimlich viele Sachen sehe», sagt sie. «­Meine Wände sind alle farbig gestrichen, und ich habe neben wild gemusterten Kissen auf der rosafarbenen Couch eine Vintage-Kommode von Omi, die ich auch nie hergeben würde.» Dieser Stil ist ihr auch bei ihrem persön­ lichen Auftritt wichtig. «Ja, ich kleide mich gerne hübsch», sagt sie. «Ich v ­erkaufe ­Ä sthetik, da finde ich es selbstverständlich, das zu leben.» Dass ihr Äusseres oft als ­G egensatz für eine Businessfrau gesehen wird, daran hat sie sich gewöhnt. «In den Anfangszeiten wurde ich als ­A ssistentin meiner Geschäftspartner abgestempelt», erinnert sie sich. «Das war damals amüsant,

aber auch bezeichnend.» Doch nicht nur andere mussten sich an ihre Position gewöhnen – auch sie selbst. «Ich habe lernen müssen, dass ich meine männ­lichen Geschäftspartner nicht immer umstimmen muss.» Heute mache sie Vor­schläge, statt ­Dinge durchzuprügeln, kommuniziere anders. Auch nach aussen. «Ich merke immer mehr, dass ­meine Rolle diskutiert wird» – dass sie als junge, erfolgreiche Vorzeigeunternehmerin auch ­ ­Meinungsmacherin ist. «Wenn ich so vermitteln kann, dass es nicht nur zwei Typen ­F rauen gibt, hübsches Dummchen oder v ­ erbissene Karrierefrau, dann tue ich das gerne.» Jeden Tag stelle sie sich neuen Herausforderungen, mache Fehler, lerne daraus und versuche, ihren 360 Mitarbeitern in München – zu denen auch ihre Schwester und ihre Mutter gehören – sowie den weiteren über 700 Mitarbeitern weltweit Vorbild, aber auch Kollegin zu sein. «Wenn ich Frauen etwas auf den Weg mitgeben kann, dann, dass sie auf nichts verzichten sollen. Dass sie hübsch und sexy sein dürfen und trotzdem ­Karriere machen können.» Was ihr dabei geholfen hat, war ihr Mantra: «Immer ruhig bleiben». Früher habe sie sich schnell stressen lassen und Panik bekommen. Dabei wolle sie diese Energie positiv nutzen. Für das weitere Gedeihen­ ihres Unternehmens und für ihr nächstes Projekt: ein Buch über Einrichtungsstile. Mit vielen Tipps zum eigenen Wohnbereich und schönen Bildern einer jungen Frau. Sie ist eben das ­b este Aushängeschild für ihr eigenes Business. Lektüre Mitte September 2014 erscheint «Das grosse Buch der Wohnstile» von Delia Fischer bei Callwey.

diese seite Westwing v ­ erkauft Möbel – aber auch Einrichtungsideen. rechte seite Delia Fischer, ­ Businessfrau.

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Sie ist die Geschäftsführerin von Westwing Home & Living, einer Online-Möbelboutique mit fünfzehn ­Millio­nen Kunden weltweit. Und, ach ja, sie ist «Deutschlands erfolgreichste ­Gründerin». (Wirtschaftsmagazin Business Punk) September / Oktober  2014

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So sah Annie Clark aus, als wir sie im Juni in Zürich zum ­Interview trafen, kurz vor ihrem «Kaufleuten»-Konzert (an dem sie n ­ atürlich bereits wieder ganz ­a nders aussah).

Bilder: Duong Nguyen


Nr. 4  2014

St. Vincent Wie sieht die Popmusik der Zukunft aus? Annie Clark liefert mit ihrer Musik und ihrem Aussehen gleich zwei Antworten.

Text: Oliver Schmuki Bild: phil müller

K

Bilder: Getty Images

ürzlich wurde Annie Clark, die unter dem Künstlernamen St. Vincent auftritt, eine überraschende Ehre zuteil: Sie wurde von der Jury der «Best-Dressed List», die jährlich in der amerikanischen Vanity Fair veröffentlicht wird, in die sogenannte Hall of Fame aufgenommen, in der auch der König von Bhutan, Karl Lagerfeld oder Ihre königliche Hoheit Catherine, Herzogin von Cambridge und Ehefrau von Prinz William, auftauchen. Mit anderen Worten, die Popsängerin ist jetzt offiziell auch eine Modegöttin. Das überrascht aber bloss auf den ersten Blick. Denn Clarks Kleidungsstil, auf und neben der Bühne, ist mindestens so eigenständig und unverwechselbar wie ihre Musik. Annie Clark ist in Oklahoma zur Welt gekommen und wuchs in Texas auf. Das Gitarrenspiel, das sie h­eute mit so viel Inbrunst praktiziert wie kaum eine andere, nahm sie mit zwölf in Angriff. Später, als Teenie, arbeitete sie für ihren Onkel und ihre Tante, die als Tuck & ­Patti musikalische Erfolge feierten – als Tour­managerin. Nach der Grundschule und drei Jahren am Berklee ­College of Music zog Clark erstmals nach New York, ­kehrte aber alsbald ernüchtert zurück nach Dallas, wo sie im Jahr 2000 der Rockgruppe The Polyphonic Spree beitrat und wichtige Kontakte in der Musikszene knüpfen ­konnte. Erst 2006 verliess sie ihre Bandkollegen und ­versuchte zum zweiten Mal, in ihrem späteren Bestimmungsort Fuss zu fassen. Manchmal muss man das Glück eben beim Schopf packen – Clark kam allerdings auch zu­gute, dass sie in die Touring-Band des so genialischen wie versierten Musikers Sufjan Stevens a ­ ufgenommen wurde. Heute sagt Clark über New York, dass es der Ort sei, «an den alle Freaks und Spinner aus der Suburb früher oder später hingelangen», was selbstverständlich auch selbstironisch gemeint ist. Sie sei von dem Moment an von der Metropole fasziniert gewesen, als sie «Der Prinz von Zamunda» (1988) mit Eddie Murphy gesehen habe:

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Mein Stil   St. Vincent

«Da wusste ich: Das ist der place to be.» Die Stadt sei ein reicher Ort; reich an Leben, das überall um einen herum stattfinde. «Man braucht bloss eine Häuserzeile entlangzugehen, und man kann einen Mann sehen, der gerade Sex mit einem Weihnachtsbaum hat, oder etwas ähnlich Glorreiches.» Ja, für gut getimte Situa­tionskomik hat Annie Clark, deren zweites Album von 2009 den ­T itel «Actor» trug, ein feines Näschen. Die Themen ihrer Songs mäandrieren zwischen ­Konsumkritik, postmoderner Weltverteufelung, feministischer Selbstfindung und genereller Verwirrung in einer Zeit, in der anscheinend nichts Neues mehr hervorgebracht werde, wie Kulturpessimisten gerne betonen. Erst kürzlich warf der britische Theoretiker Mark Fisher in der Zeit der Popmusik genau das vor. Sein Gedanken­ experiment dazu lautete: «Wenn man eine Zeitreise ins Jahr 1994 unternähme und ein paar Leuten ein beliebiges Popstück aus dem Jahr 2014 vorspielen würde – es würde keine Irritation auslösen, keinen Zukunftsschock. Höchstens würden sie fragen: ‹Was, in zwanzig Jahren klingt Popmusik immer noch so?›» Nun, Fisher hat entweder kein einziges Album von St. Vincent gehört, oder er versteht sie nicht als Popinterpretin. Jedenfalls heisst es in einer Rezension auf Pitchforkmedia.com, ihr a ­ ktuelles Album, das heisst wie sie: «St. Vincent», ­k linge, «als wäre es nicht auf dieser Welt aufgenommen worden». Auch das eine Möglichkeit, die Fishers vorschnelle Äusserung entschuldigen könnte. Tatsächlich zelebriert Annie Clark auf der Bühne die Entfremdung. Mit roboterartiger Pantomime, stimm­ verzerrenden elektronischen Hilfsmitteln sowie mit ausgefallenen Frisuren, Kostümen und Make-up-Techniken erscheint sie fremd – aber doch irritierend wohlvertraut. Das gilt auch für die Musik, die wir von irgendwoher zu kennen glauben. Als sei ein androgynes Wesen in weiter Ferne an eine von der Erde ins All entlassene Zeitkapsel gestossen, die gefüllt war mit lauter Relikten aus den letzten hundert Jahren der Popgeschichte. Tatsächlich aber war für Annie Clark ein anderer Fund wegweisend, nämlich dass sie David Byrne kennenlernte, das schottische Mastermind der Band Talk­ ing Heads. Mit ihm gab sie 2012 das Album «Love This ­Giant» her­aus, der sie es zu verdanken hat, dass sie ­heute bei David Letterman zu Gast ist und in TV-Shows wie «Saturday Night Live» oder «Later with Jools Holland»; dass sie mit Bon Iver im Studio war, im Vorprogramm von Bands wie Arcade Fire oder Grizzly Bear auftrat und ab kommendem Dezember gar mit den Black Keys durch die USA touren wird. Und als sie früher ­dieses Jahres in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen ­w urde – eine grosse Ehre für jeden Musiker –, spielte sie dort mit den verbleibenden Mitgliedern von ­Nirvana deren wahnsinniges «Lithium» – natürlich rundum «St.-Vincent-isiert». So viel zum Thema eigener Stil. St. Vincent live: 9. November, Kaserne, Basel

Street-style Zu Besuch bei S ­ irius XM Radio, Januar 2014.

fashionista Bei den Fashion Awards in New York, Juni 2012.

grunge-rockerin Bei der Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame, April 2014.

rockstar Im Gramvmy-Museum in L. A., März 2014.

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Wanderlust

Zwei Räder sind zwar weniger als vier – aber besser Text: Michael Gotthelf Illustration: Akira Sorimachi 64

Wer sein Auto ­gegen ein Motorrad tauscht, verhält sich ökologisch und ökonomisch ­richtig. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Diskutieren kann man höchstens darüber, welche Marke, ­welchen Typ man fahren soll. Unser Autor hat sich für die neue BMW R nine T ABS entschieden.

W

ussten Sie schon, dass Tempolimits auf Autobahnen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze kosten? Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsstudie, die vor einigen Jahren in der New York Times veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler untersuchten den Zusammenhang zwischen Tempolimiten auf amerikanischen Highways und Wachstum der heimischen Wirtschaft, und die ­Resultate führten möglicherweise mit dazu, dass die Tempolimits von einzelnen Bundesstaaten um teilweise bis zu vierzig Prozent hinaufgesetzt wurden. Es erscheint ja auch zumindest auf den ersten Blick logisch: Wenn man auf der Autobahn Zeit vertrödelt, kann man nicht im Büro oder in der Fabrik arbeiten. Es wäre also auch in der Schweiz eine Überlegung wert, auf ­diese Art und Weise die Wirtschaft anzukurbeln . . . Den notorischen Linksfahrern auf den ­Autobahnen, die dem Augenschein nach hauptsächlich aus alten, weisshaarigen Männern (SVP-Wähler?) und Muttis in Minivans (rotgrüne Sympathisantinnen?) bestehen, wird man vermutlich auch damit nicht Herr. Diesen

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Nr. 4  2014

Langsamfahrern, die möglicherweise aus einer tiefen Unsicherheit (Wie komme ich wieder auf die rechte Spur?), gepaart mit moralischem Selbstgerechtigkeitssinn (Ich sorge als Hilfssheriff für Verkehrssicherheit, einer muss es ja tun), heraus agieren, wird man vielleicht am besten mit verschärften Polizeikontrollen beikommen, wie wir sie auf bayerischen Highways beobachten konnten. Da bis zu einer Angleichung der Gesetzeslage und einem verstärkten Durchgreifen der Gesetzeshüter wohl noch einige Zeit vergehen dürfte, empfehlen wir eine Ausweichstrategie: nein, nicht auf die bayerischen Schnellstrassen – das wäre ja nur eine temporäre, nicht wirklich ziel­führende Lösung. «Umsatteln» heisst die Losung der Stunde. «Raus aus dem Auto, rauf auf den Motorradsattel!» Das Trödeln auf den Autobahnen stört hier weniger, zumal man ohnehin lieber gutausgebaute Landstrassen bevorzugt, die Fahrspass verheissen und einem neue Blicke auf die reizvolle Landschaft bieten. Staus lassen sich mitunter elegant umkurven

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– mit entsprechender Zeiter­sparnis. Ganz offensichtlich werden die Zweirad­vorteile dann im Stadtverkehr: w ­ eniger Standzeiten, ­keine Probleme und Kosten beim Parkieren (obwohl – von Basel ausgehend – auch hier Ungemach der Überregulierer droht, die Parkgebühren für Motorräder forcieren, um für die Schweiz eine weitere Weltmarktführer-Position zu ­sichern) und natürlich niedrige ­laufende Kosten – angefangen von Versicherungs- bis zu ­Steuer- und Benzinkosten. Und: Haben die Schweizer Autofahrer vielleicht eine Spitzenposition in der internationalen ­Tabelle der Langsamfahrer, so sind sie im Verhalten gegenüber Töff­fahrern vorbildlich. So viel Rücksicht­nahme ist uns in keinem anderen Land begegnet. Wer es nicht glaubt, dem sei ein Kurzausflug nach Italien empfohlen, wo ­Motorradfahrer als Jagdtrophäen gelten. Eine Win-win-­Situation also, sieht man ­einmal vom Schweizer Wetter ab. So bleibt am Ende nur die Frage offen, auf welchen Töff man setzt, um aufzusitzen. Das ist zunächst mal eine Budgetund Geschmacks­frage, die jeder selbst entscheiden muss. Technisch gesehen, ist die Beantwortung der Frage etwas einfacher. BMW ist seit Jahrzehnten einer der Marktführer bei technisch hochwertigen Motor­rädern. Wir haben uns diesen Sommer mit einem der neueren Modelle vertraut gemacht, dem BMW R nine T ABS. Die Maschine kommt im Retrolook daher, setzt auf den bewährten Zweizylinder-­ Boxermotor, der bei 1170 cm3 110 PS leistet, und verfügt über ein 6-Gang-­Getriebe. Mit aktuellster Technik ausge­stattet, bietet sie Fahrvergnügen pur. Recht agil lässt sie sich durch die Kurven des Schweizer Voralpenlandes bewegen. Der Motor verfügt über genügend Kraft, um die meiste Konkurrenz dabei hinter sich zu lassen. Ein kleiner Wermutstropfen: Der Roadster fährt sich am besten alleine. Der Soziussitz lädt höchstens zur Fahrt zum ­Bäcker ein. Für längere Aus­flüge ist er schlicht zu unbequem – hier kann der b ­ ayerische Töfffabri­kant noch gerne nachbessern. Ansonsten gibt es ­ nichts zu m ­ eckern. Mit dem Bestseller will BMW ­ seine neunzigjäh­ rige Motorrad-­ Geschichte feiern – die vergoldete Upside-down-Gabel wird als Reminiszenz an die erste Teleskopgabel der BMW R12 von 1923 zitiert. So viel Glanz hat seinen Preis. Ab 16 900 Franken ist die ­Maschine zu ­haben – aber nicht mehr in diesem Jahr: Die e­ rste Produktion der R nine T ist seit Frühjahr weltweit ausverkauft. (Disclosure: Ich bin kein Bayer und die BMW R nine T ABS wurde uns vom Motorradhändler Arrigoni in Adliswil zur Verfügung gestellt.)

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Alle Zeit der Welt seit 1760

«Wir führen nur Marken, die Geschichte geschrieben haben. So wie wir auch.»

René Beyer

Uhren & Juwelen Bahnhofstrasse 31 8001 Zürich beyer-ch.com


Bezugsquellen

Nr. 4  2014

WW No. 5 erscheint am 16. Oktober 2014

fashion

bURBERRY pRORSUM

http://ch.burberry.com cHANEL

www.chanel.com/de_de cHLOÉ www.chloe.com COS www.cosstores.com eDUN www.edun.com

mARNI www.marni.com mIU mIU www.miumiu.com opi www.opiswiss.ch rOECKL www.roeckl.de sONIA rYKIEL

Hublot www.hublot.com/de Maurice lacroix

www.soniarykiel.com

Omega

sTELLA mCcARTNEY

www.stellamccartney.com tOM fORD

www.tomford.com tORY bURCH

www.mauricelacroix.de Nomos

www.nomos-glashuette.com/de www.omegawatches.com/de Patek Philippe

www.patek.com Rolex www.rolex.com/de

www.toryburch.de

www.eliesaab.com/de EMILIO PUCCI verschiedenes

gIVENCHY

Titelstrecke

www.givenchy.com hERMÈS www.hermes.com

Louis Vuitton

http://de.louisvuitton.com

iSABEL mARANT

Iouri Podladtchikov

www.lovemeorleavemetodie. tumblr.com St. Vincent

www.ilovestvincent.com

www.isabelmarant.com

Westwing

jULIA cHAPLIN

www.westwing.ch

www.juliachaplin.com KOTUR www.koturltd.com

arbiter elegantiarum

ld TUTTLE

Alexander McQueen

www.ldtuttle.com

www.alexandermcqueen.com

lIZZIE fORTUNATO

Mireille guiliano

www.lizziefortunato.com

uhren

mARC jACOBS

Baume & Mercier

www.marcjacobs.com

www.baume-et-mercier.de

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Abo-Service: Telefon: 043 444 57 01 Fax: 043 444 50 91 E-Mail: aboservice@weltwoche.ch Weltwoche: Jahresabonnement Inland: Fr. 218.– (inkl. MwSt.) WW-Magazin: Jahresabonnement Inland Fr. 35.– (inkl. MwSt.) Weitere Angebote für In- und Ausland unter www.weltwoche.ch/abo E-Mail-Adressen: vorname.name@weltwoche.ch Gründer: Karl von Schumacher (1894–1957) Verleger und Chefredaktor: Roger Köppel Redaktionsleiter: Mark van Huisseling Creative Director: Mirko Borsche Art-Direction/Layout: Alexis Zurflüh, Beni Haslimeier Produktion: Oliver Schmuki Fotoproduktion/Bildredaktion: Duong Nguyen Fashion Editor: Kim Nguyen Korrektorat: Cornelia Bernegger (Leitung), Sybille Brütsch-Prévôt Mitarbeiter dieser Ausgabe: Art/Bild: Sebastien Agnetti, Christine Benz, Tomo Brejc, Annette Marnat, Phil Müller, Iouri Podladtchikov, Bill Rebholz, Hannes Rohrer, Akira Sorimachi, Riikka Sormunen, Text/Redaktion: Lisa Feldmann, Michael Gotthelf, Dieter Meier, Deborah Neufeld, Andreas Ritter, Raphael Suter, Yvonne Wigger

ELIE SAAB

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Herausgeberin: Weltwoche Verlags AG Förrlibuckstrasse 70, Postfach, 8021 Zürich Redaktion: Telefon: 043 444 57 00 Fax: 043 444 56 69 E-Mail: redaktion@weltwoche.ch E-Mail: leserbriefe@weltwoche.ch Verlag: Telefon: 043 444 57 00 Fax: 043 444 56 07 E-Mail: verlag@weltwoche.ch Internet: www.weltwoche.ch

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Sekretariat: Miriam Schoch (Leitung), Inga-Maj Hojaij-Huber Marketing: Guido Bertuzzi (Leitung) Anzeigenverkauf: Stephan Schwab (Leitung), Brita Vassalli, Fabian Keller Anzeigeninnendienst: Samuel Hofmann (Leitung) Telefon: 043 444 57 02 Fax: 043 444 56 07 E-Mail: anzeigenid@weltwoche.ch DRUCK: Ziegler Druck- und Verlags-AG, Rudolf-Diesel-Strasse 22, 8404 Winterthur Druckauflage: 90 000 Die Wiedergabe von Artikeln und ­Bildern, auch auszugsweise oder in ­Ausschnitten, ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion gestattet.

September / Oktober  2014


SUN HILL On the top of Kilchberg www.sun-hill.ch

Ein Projekt der Inmitten der Natur und doch zentral gelegen – 10 Minuten vom Zürcher Bürkliplatz entfernt – entstehen im ruhigen Wohnquartier Breitloo in Kilchberg acht Mehrfamilienhäuser mit jeweils 3 bis 5 Wohnungen. Das Projekt besticht durch die Architektur und die hochwertige und elegante Materialisierung. Grosszügige und sonnige 3.5- bis 5.5-ZimmerEigentumswohnungen laden zum Realisieren Ihrer Wohnträume ein.

Bauherr Meili Unternehmungen AG Seestrasse 99a CH-8702 Zollikon

Die Häuser werden im umweltfreundlichen Minergie-Standard mit Erdsonden-Heizung erstellt. Überzeugen Sie sich vor Ort von der herrlichen Nah- und Fernsicht. Gerne präsentieren wir Ihnen Sun Hill anhand unseres Architektur-Modells und der Musterwohnung direkt vor Ort. Im Dezember 2014 sind die Wohnungen bezugsbereit. Wir freuen uns auf Ihren Anruf oder Ihr Mail.

Verkauf Kubus Real Estate AG Seefeldstrasse 9

Kaufpreise: ab CHF 1.5 Mio. Bezugstermin: Dezember 2014

CH-8008 Zürich Tel. +41 44 252 71 80 info@KubusRE.ch


Arbiter Elegantiarum  Emmanuelle Alt

D

Das gewisse Etwas hat beinahe jede Französin, und beinahe jede Nichtfranzösin ist darauf eifersüchtig. Eine Kombination aus ­Eleganz, Klassik und Lässigkeit ist das Geheimnis des Pariser Chics. Dabei muss immer etwas aus dem Rahmen fallen: eine zerknitterte Bluse, ein Riss in der Jeans­hose oder die zerzauste Frisur. Hinter dem Improvisierten steckt also ein Konzept – die französische «Je ne sais pas quoi»-Nachlässigkeit eben. Emma­nuelle Alt verkörpert diese wie kaum eine a ­ ndere. Als Vogue Paris-Chefin und Nachfolgerin von Carine Roitfeld besetzt sie seit drei Jahren eine der wichtigsten Stellen der Modewelt und wurde in dieser Zeit stilprägend. Sie folgt keinem Modediktat. Trends werden nicht mitgemacht, spiegeln sich höchstens in ihren Accessoires wider. Ein normales «Altfit» (Bloggerin Garance Doré) ist eine Kombination aus Blazer oder Leder­jacke, knöchellangen Jeans, einem T-Shirt und schwarzen Pumps. Genauso unbemüht ist auch ihre Lebensart, wie sie in e­ inem I­ nterview mit dem britischen Daily ­Telegraph sagte: «Ich trinke nur Diet Coke, Wasser mag ich nicht. Zudem schaue ich nicht gut zu mir. Ich mache kein Yoga, geschweige denn Pilates – ich ­hasse körper­liche Anstrengung, aber trotzdem bin ich super-energisch. Make-up? Ich betone nur meine Augen ein wenig. Ich lasse mir meine ­Haare immer auf dem Set der Mode­shootings schneiden.» Wir finden: très cool, Madame.

Sie ist der Gegenentwurf zum modeopfer; ihr Stil die endgültige respektive Pariser Mischung aus eleganz, lässigkeit und klassik.

No. 4  2014

T-Shirt von Uniqlo, ca. Fr. 16.–.

Portemonnaie von Chloé, ca. Fr. 705.–.

Lederjacke von McQ ­Alexander McQueen, Fr. 1549.– (bei Mytheresa.com).

«Sofia Coppola Bag» von Louis Vuitton, Fr. 3550.–.

EdP «Infusion d’Iris» von PRADA, Fr. 137.– (100 ml).

Emmanuelle alt hat im Februar 2011 Carine Roitfeld als Chefredaktorin bei

Vogue Paris abgelöst.

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kein Yoga, geschweige denn Pilates.

«Warum f ­ranzösische Frauen nicht dick werden» von Mireille Guiliano. Piper, Fr. 16.90.

Redaktion: Yvonne Wigger   September / Oktober  2014

Bild­: Getty Images

Kein Wasser,


GELESEN Der Fussball ist ein Gott

GELESEN Kann man Fussball hassen und trotzdem ein Mann sein?

Zwei Beitr채ge aus dem Tages-Anzeiger. Gedruckt, online, als App und in unserer Vielfalt an Blogs.


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JUERGEN TELLER

Eine Fotoserie kuratiert von ANNIE LEIBOVITZ, JUERGEN TELLER und BRUCE WEBER A u s s c h l i e ß l i c h i n L o u i s V u i t t o n G e s c h ä f t e n e r h ä l t l i c h . T e l . 0 4 4 2 2 1 11 0 0 l o u i s v u i t t o n . c o m


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