WW Magazin No. 6 November / Dezember 2014
Zum Nachmachen
Stilvoll sein wie Mr und Mrs Beckham
WWPersönlichkeit Ursula Knecht macht aus Schweizer Mädchen internationale Topmodels Lucha Libre Freistilringen auf mexikanische Art
sein leben ist ein kampf Der Stil von Cassandro, dem Exoten des sonderbaren Sports
mobilität
Mode, Uhren, Schmuck, Reisen, Inneneinrichtung
Weltwoche Verlags AG
Saison-Trends
Eine Zeitschrift der
Uber und andere Startup-Firmen fahren Taxis davon
Fr. 6.50
Editorial
Nr. 6 2014
Weder serviceorientiert noch kundennahe
Das Wort «relevant» hört man an Redaktionskonferenzen nicht mehr oft. Die Frage, ob eine Story relevant ist, wurde verdrängt von der Frage, ob sie dem Leser etwas bringt, also serviceorientiert ist, und/oder sie Marketingchefs von Unternehmen, die Inserate schalten, gefällt, also kundennahe ist. Darüber klagen ist nicht zielführend. Die Lage ist, wie sie ist. Und wird sich nicht ändern, weil Redaktionsleiter sie nicht gut finden. Es gibt aber noch eine andere Art Geschichten, von denen nicht mehr geredet wird und die man in Zeitschriften immer weniger findet. Geschichten, die weder serviceorientiert noch kunden nahe, noch relevant sind. Was sind sie dann? Um was für Geschichten handelt es sich? Es sind Ge schichten, die interessant sind. Geschichten wie die des Ringers mit Künstlernamen Cassandro, die wir auf dem Cover ankündigen und ab Seite 54 zeigen respektive erzählen. Man kann fragen, was es mit dem eigenen Leben oder der Ware eines Unternehmens zu tun habe respektive wo die Relevanz sei, wenn sich ein Homosexueller in Frauenkleidern zu einem der 4
erfolgreichsten Freistilringer Mexikos hochkämpft. Die ehrliche Antwort: nichts und nirgends. Also kein Stoff für eine Story? Falsch, finden wir. Es ist nämlich interessant. Und gibt einem Gelegenheit, für eine kurze Zeit Abstand von der e igenen Welt zu nehmen und in eine unbekannte, von mir aus absurde Welt einzutauchen. Eskapismus kann man dem sagen. Und d iesen zu ermöglichen, finden wir eine vornehme Aufgabe, wenn man eine Zeitschrift machen darf. Wir danken für Ihr Interesse an unserer Zeitschrift und unseren Ansichten.
Ihr Mark Van Huisseling
sehr service-orientiert Wer Taxis nutzt, sollte unsere Recherche über neue Fahrdienste wie Uber und andere lesen. Und wird danach vielleicht anders unterwegs sein.
November / Dezember 2014
Meisterstück Heritage Perpetual Calendar and Hugh Jackman Crafted for New Heights Die Montblanc Meisterstück Heritage Perpetual Calendar ist mit einer der anspruchsvollsten Komplikationen der Uhrmacherkunst ausgestattet. Solange ihr Automatikkaliber MB 29.15 ausreichend aufgezogen ist, muss sie erst im Jahr 2100 wieder korrigiert werden. Eingebettet in ein 39-mmGehäuse aus 18 K Rotgold, verspricht dieser raffinierte Zeitmesser, zu einem lebenslangen Begleiter zu werden. Visit Montblanc.com
Contributors
benedikt sarreiter
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Roderick Aichinger
Wieder ein Mitarbeiter, der aus der vermutlich besonders kreativen Gegend in der Nähe von Zürich kommt, aus der etwa auch der Art-Director und der Grafiker dieser Zeitschrift sowie die frühere Editor at large, Nadine Strittmatter, kommen: aus Baden. Aichinger, der für diese Ausgabe Uhren und Schmuck in der ihm eigenen Art fotografiert hat (ab Seite 48), hat in den vergangenen Ausgaben bereits e inige solche Fotostrecken fürs WW-Magazin realisiert (darunter Uhren an den Handgelenken von Kunden eines Barber-Shops in New York). Dass diese Fotoproduktionen in New York entstanden, ist kein Zufall – A ichinger lebt und arbeitet seit einiger Zeit in dieser Stadt. Dass die Fotostrecken überhaupt entstanden, ist schon eher ein Zufall: Unser Mitarbeiter studierte nämlich Architektur, «um irgendwie kreativ zu sein, aber nicht das brotlose Künstlerleben zu leben». Und auch weil er nicht wusste, dass man Foto grafie studieren könne und Architektur ebenfalls brotlos sein könne. Er hat es dann doch noch geschafft, kein brotloser Künstler, aber ein Fotograf zu werden. Dabei geholfen hat, denken wir, dass er nach dem Studium in München eine Fotoschule besuchte. Und dass er seine Kreativität nicht verloren hat, obwohl er längst weit weg ist vom kreativen Flecken in der Nähe von Zürich.
Hanna Lauer Dinge zu beschreiben, die alltäglich sind und/oder nahe liegen, ist eine Auf gabe, die vielen Journalisten nicht besonders naheliegt. Weil sie nicht daran denken; was in Ordnung wäre. Oder weil sie nicht über e twas berichten möchten, was Leser ungefähr gleich gut wie sie selber beobachten und be urteilen können; was nicht in Ordnung wäre. Mit anderen Worten: «Lieber Wellington als Wallisellen», wie man in der Branche sagt. Bei unserer Mitarbeiterin Hanna Lauer, die in dieser Ausgabe ihren Einstand im WW-Magazin gibt, ist das nicht der Fall. Sie hat für uns recherchiert, was vom Angebot neuer Fahrdienste wie Uber et cetera zu halten ist und was das für die altgedienten Taxiunternehmen bedeutet. Und, finden wir, hat ihn gut gelöst – inklusive Selbstversuch an e inem Samstagabend bei Regenwetter. Das Ergebnis der Recherche lesen Sie ab Seite 36. Und ohne das Ergebnis von Hanna, freier Journalistin mit Affinität zur ehe maligen Verlegerin der Welt woche – sie hat im damaligen JeanFrey-Verlag eine kaufmännische Lehre gemacht –, vorwegzunehmen: Die Start-up-Unternehmen machen ihren Job gut. Das schreiben wir. Obwohl oder gerade weil jeder Leser und jede Leserin unsere Behauptung selber prüfen können.
Ursula Knecht
Wenn man unsere WW-Persönlichkeit auf einer Veranstaltung trifft, zum Beispiel am Opernball in Zürich oder an der NRJ Fashion Night, begegnet man e iner zurückhaltenden Frau, die, so sieht es aus, wenig Interesse hat an anderen Leuten. Vor allem wenn es sich bei diesen Leuten um jüngere und/oder gutaussehende Mädchen handelt. Frau Knecht, meint man, sei ein kalter Fisch. Ist sie nicht, meiner Meinung nach. Ihre Zurückhaltung, ihr scheinbar geringes Interesse hat andere Gründe: Sie m öchte nicht, dass junge F rauen, mit denen sie Blickkontakt hat oder sie sich unterhält, denken, dies sei der Augenblick, in dem sie entdeckt würden – der Moment, den eine junge Frau, aus der in der Zwischenzeit ein Topmodel w urde, später als Beginn einer grossen Laufbahn beschreiben wird. Einverstanden, Ursula Knecht hat einige der Mädchen, die dank der Zusammenarbeit mit ihr Models oder Topmodels wurden, im Flughafen, auf der Strasse oder an einer Veranstaltung entdeckt. Doch das ist nicht der Normalfall, wie eine Model agenturchefin arbeitet. Wie dieser Normalfall aussieht, sehen Sie ab Seite 40.
November / Dezember 2014
Bilder: Stephanie Fuessenich, Anne Gabriel-Jürgens
Es gibt unangenehmere Aufträge, als an einen entlegenen Ort zu reisen, um über ein geheimnisvolles Getränk zu recherchieren – was in diesem Fall ein Euphemismus ist für: zu trinken – und das Erlebte respektive SichEinverleibte zu beschreiben, nachdem man irgendwie zurück ins Büro gekommen ist. Mit anderen Worten: Es war ein Auftrag, den wir unserem Mit arbeiter Benedikt Sarreiter mit Genuss erteilten. Die Reise und die damit verbundenen Erfahrungen haben nicht bloss einen Text hinterlassen (Seite 60), sondern auch einen bleibenden Eindruck. Seit neustem sei sein liebstes Getränk «Chartreuse 1605 Liqueur d’Elixir», pur auf Eis, sagt Sarreiter. Es handle sich dabei nämlich um e inen würdigen Drink für den Beginn feierlicher Abende. Und: «In so gute Tanz- und Singstimmung kommt man selten schneller.» Was für unseren in München lebenden und für Cocktail-Abende die Bar «Gabanyi» – wo es auch «Char treuse» gibt – besuchenden Autor gut ist, empfehlen wir auch Ihnen. Und geben Ihnen, ganz zum Schluss, seinen Rat mit auf die «Chartreuse»Erkundungsreise: «Geniessen Sie, aber geniessen Sie mit Mass.»
Nr. 6 2014
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EL PRIMERO CHRONOMASTER 1969 T R I B U T E TO T H E R O L L I N G S TO N E S
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Inhalt 1
No. 6 2014
Titelbild: Katie Orlinsky Bild auf dieser Seite: Anne Gabriel-Jürgens
Erste Option So sieht das Familienalbum aus, wenn man Ursula Knecht heisst und von Beruf Model-Mama ist, also eine Modelagentur führt. Wie der Job und der Alltag aussehen, sieht man ab Seite 40.
8 November / Dezember 2014
VIVE ELLE NEUE DIAMANT-KOLLEKTION AUS DEM ATELIER BUCHERER
Das feine Formenspiel im Esprit des Art déco – Triumph der Schönheit, Hommage an die Sinnlichkeit der 20er-Jahre.
UHREN SCHMUCK JUWELEN Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Wien | Paris | bucherer.com
Inhalt 2 Kolumnen Mode von Lisa Feldmann Seite 12
Kunst von Andreas Ritter Seite 14
Einsichten und Absätze aus der Welt der Schuhe. SEITE 16
Stilvorlagen Magnus Carlsen Seite 26
Kulinarik
Trend-Report
Seite 60
Wanderlust von Mark van Huisseling Seite 64 Arbiter Elegantiarum Schmuck
Victoria und David Beckham
Seite 18
Seite 68
WW-Persönlichkeit echt surreal Seite 48
Geschichten
DamenMode Seite 20, 21 Ursula Knecht Die Inhaberin der Schweizer Modelagentur Option
Wohnen Seite 22
Reisen Seite 24
Service
lucha libre
Greubel forsey
Weltmeister im Freistilringen auf
Uhrmacherkunst der Superlative.
Mexikanisch ist – eine Dragqueen.
Seite 62
Seite 54 BEZUGSQUELLEN uber
Seite 66
entdeckt die Talente von mor-
Ein moderner «Taxi»-Dienst stellt
gen – heute wie gestern.
die Branche auf den Kopf.
IMPRESSUM
Seite 40
Seite 36
Seite 66
Bilder: Roderick Aichinger, Anne Gabriel-Jürgens, Engadin St. Moritz / swiss-image.ch
Uhren-, Fingerring-, Arm- und Halsschmuck-Fotostrecke.
Illustrationen: Bill Rebholz, Akira Sorimachi
von Benedikt Sarreiter
ECHT SURREAL: Ring und Halskette, «Happy Emotions»-Kollektion, 18 Karat Weiss- und Roségold mit Diamanten respektive Brillanten, beide von CHOPARD; Jacke von Ports 1961.
Briefing
No. 6 2014
10 November / Dezember 2014
www.volkswagen.ch
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Dinosaurier zurückkehren: circa 0.0000015 Prozent. Somit nicht unmöglich.
Der neue Touareg. Mit neuen Assistenz- und Sicherheitssystemen. Bereit für was auch immer. Fahrer des neuen Touareg bleiben entspannt. Dank neuer Highlights wie optionaler automatischer Distanzregelung ACC, Luftfederung, Area View mit 360°-Sicht auf dem Display, Multikollisionsbremse, 100% Steigfähigkeit plus einer ganzen Reihe Offroad-Features und serienmässigem 4MOTION. Damit sind Sie in nahezu jeder Situation auf der sicheren Seite – selbst wenn Ihnen mal etwas Grösseres über den Weg läuft. Jetzt bei Ihrem Volkswagen Partner Probe fahren.
Lisa Feldmann Mode
Nr. 6 2014
«Tragbar» war früher einmal ein Schimpfwort in der Modewelt. Warum ist es heute ein Must?
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Vom neuen, aufregenden Design zum Klassiker in Rekordzeit.
Wangs Vorgänger Ghesquière wiederum, der sich einst ernsthaft an den Archiven des spani schen Genies Balenciaga abarbeitete, entwirft nun für Louis Vuitton Mode, die so ähnlich ist wie ein Mini Cooper Countryman: lustig, jung und modern auf eine für alle verständ liche Weise. «Ich habe den Mädchen im Ate lier zugehört und den Frauen um mich herum, was sie wünschen, was sie brauchen», sagte der Designer nach der Show backstage. Par don? Das Postulat des Hausfrauentests beim wichtigsten Modehaus Frankreichs? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen tragbare Mode, im Gegenteil, mei ne Schränke sind voll davon. Und ich bin die Letzte, die kommerziellen Erfolg verachtet, habe eine Schwäche für Blockbuster-Filme und HitSingles. Aber ich sehe dennoch, dass hier etwas verloren geht, ein kulturelles Erbe verspielt wird. Ich habe mir nie viel aus Couture gemacht, Karl Lagerfelds Métiers-d’Art-Kollektionen für Chanel können sich ohnehin nur noch Oligarchen- und Scheichfrauen leisten.
Die kreative Fähigkeit, ein Zeitgefühl in Mode zu übersetzen – das bedeutet mir mindestens so viel wie das Talent, ein Buch schreiben zu können. Ich wurde in den neunziger Jahren ge prägt. Damals h atte die Mode das kreative Re gime übernommen, und punkto Bedeutsamkeit Literatur, Musik, Film und Theater eingeholt, wenn nicht überholt. Und mir als Geisteswis senschaftlerin tatsächlich Inhalte vermittelt, die Welt erklärt. Aber hierzu muss Mode et was leisten. Findet sie in unserem Bewusstsein nur noch als Bekleidung statt, darf sie kein intellektuelles Interesse mehr erwarten. Man kann sich vorstellen, wie traurig meine Freundin, die Chefredaktorin, über diese Entwicklung sein muss. Und für einmal bin ich ganz ihrer Meinung.
lisa feldmann orientiert sich zurzeit beruflich neu; zuletzt leitete sie die deutsche Ausgabe des Interview-Magazins. Zuvor war sie Annabelle-Chefredaktorin.
November / Dezember 2014
Illustration: Riikka Sormunen
or Jahren ass ich mit einer gu ten Freundin während der Mode wochen in Mailand. Obwohl wir uns in vielen Dingen blind einig waren, stritten wir im Laufe des Abends, wie schon einige Male zuvor, um die Meinungs hoheit der Modemetropolen. Meine Freundin, selbst Chefredaktorin einer bedeutenden Modezeitschrift, fand alles, was in Italien gezeigt wurde, fad, klassisch, zu kommer ziell – nur in Paris wage man noch, in Anlehnung an die Couture früherer Jahre, die Provokation, die Innovation. Mir hingegen gefielen die Kollek tionen von Jil Sander, Prada und Bottega Veneta. Viel moderner fand ich deren Ansatz, einen neuen Stil zu kreieren: gerade Linien, das Weglassen von allem Überflüssigen, wie es mir vorkam. Daran musste ich denken, als ich die Kollek tionen dieser Saison auf den Laufstegen sah. Be sonders in Paris. Die wichtigsten Designer, deren Einladungen gehandelt werden wie Eintrittskarten in den Olymp, kann man an zwei Händen abzäh len. Das war schon immer so. Was nicht so war: dass ein Teil der geladenen Presse, die wichtigs ten Blogger und sowieso alle anwesenden Filmund Fernsehstars bereits Stücke der Kollektion trugen, die wir erst zu sehen bekamen. Was aber noch interessanter war: Das ging ohne Probleme. Während nämlich früher im Grunde nur, sagen wir, Charlotte Gainsbourg die intellektuel len Designs von Balenciagas Nicolas Ghesquière tragen konnte und das Label darüber hinaus weni gen französisch-russischen gallerinas vorbehalten war, passte jetzt jede einigermassen flotte Banke rin in die grosszügig geschnittenen Teile. In jedem gutsortierten Kaufhaus findet man Kollektionen mit mehr Pfiff als in derjenien des jungen Balenciaga-Kreativchefs Alexander Wang, der seine Meriten einst in der Strickmode erwarb – er liebt, offenbar, Reissverschlüsse, alles Spor tive und simple Schnitte. Dabei hatte Cristóbal Balenciaga sein Haus einst geschlossen, weil er die hundskommune Streetwear nicht ertragen konnte, die im Zuge der Studentenunruhen be gann, die Pariser Strassen zu dominieren.
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Kunst Andreas Ritter
Kunst kann aufund anregen. Zum Beispiel, wenn man ein Werke ersteigert. Das weiss, wer schon an auktionen geboten hat. Manchmal ist es noch auf- und anregender, wenn man nicht mitgeboten hat, weiss unser Kolumist. Maurizio Cattelan, «Untitled»,
bei Christie’s), heute sind die Kataloge dick wie einst Telefonbücher und wird daselbst kunsthistorische Exegese teils an den Haaren herbeigezogen breitgewalzt, um die Attraktivität der Lose zu steigern. Die ersten zwanzig Werke in den day sales sind den Shootingstars der Szene gewidmet, Künstlern wie Jacob Kassay, der vor drei Jahren in den Auktionen auftauchte, bevor er überhaupt eine einzige institutionelle Ausstellung vorzuweisen hatte. Seine silbernen Leinwände übrigens gingen dieses Jahr zum unteren Schätzpreis weg. Schon Pierre-Auguste Renoir hat es treffend ausgedrückt: «Es gibt nur eine Auskunft über den Wert eines Kunstwerks, und die kommt aus dem Auktionssaal.» Während der Viewings an den Tagen vor der Auktion glichen die Auktionshäuser Bienenstöcken, so emsig wurden die Ausstellungen des Auktionsguts besucht. Auch in Sachen Ausstellungen sind die Auktionshäuser auf dem Vormarsch: Phillips hat an der neuen Location gleich zwei Stockwerke herausgerissen, um eine museale Skulpturenausstellung zu präsentieren, kuratiert von Francesco Bonami. Der Auktionsmarkt ist ein Markt für Insider, Künstler werden hier hochgeschraubt und wieder fallengelassen. Im Fahrstuhl nach ganz oben war dieses Mal Sigmar Polke – nach Kippenberger und Richter der dritte deutsche Künstler, der in den letzten Jahren die Londoner Auktionen im Sturm eroberte. Müssig zu erwähnen, dass die Tate Modern zeitgleich zu den Auktionen eine Polke-Retrospektive zeigte. Die Frieze-Woche ist durch, der Tross bewegt sich über Paris in Richtung New York und Miami: Die Insider werden sich wiedersehen bei der Doppelausstellung mit dem arroganten, aber trefflichen Titel «Cosa Nostra», die der Megasammler Adam Lindemann mit Werken von Maurizio Cattelan (wieder ein Italiener!) in New York kuratiert; interessanterweise in einer eigenen Galerie, «Venus Over Manhattan», und, noch bemerkenswerter, beim Auktionshaus Sotheby’s – beide mit Räumlichkeiten an der schicken Upper East Side in New York. Eine rare Möglichkeit für neue Sammler, sich mit dem Erwerb eines der zwanzig Werke endgültig in den «ehrenwertesten Sammlerklub», eben die «Cosa Nostra», einzukaufen. Beeilen Sie sich, die Ausstellungen sind seit dem 1. November schon o ffen, und die Sammler ziehen schnell – Geldbeutel anstatt Pistolen.
Andreas Ritter ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der Fünfzigjährige führt gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.
November / Dezember 2014
Bild: Courtesy Sotheby's
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ährend der alljährlichen F rieze-Woche überboten sich die angelsächsischen Auktionshäuser mit Superlativen: evening sales versus day sales, cocktails, collectors dinners und receptions bei den beiden Branchenführern Christie’s und Sotheby’s, derweil der Juniorpartner Phillips mit der Eröffnung eines neuen Hauptsitzes an allerbester Lage in Mayfair punktete. Zahlreich aufmarschiert ist denn auch bereits bei Phillips ein junges internationales Publikum. Doch bei manchen Hauptwerken rührte sich keine Hand im Saal, blieben die Telefone stumm. Der neue CEO von Phillips, Ed Dolman, hatte offensichtlich s eine Mühe, das Hauptlos des Abends, einen Christopher Wool, für die untere Taxe von 1,8 Millionen Pfund höchstpersönlich am Telefon zu vermitteln. Das Pulver noch nicht verschiessen w ollte ganz offensichtlich die Sammlerclique, die in den Tagen darauf bei den grossen Häusern zulangte: Insbesondere die Spezialauktionen zu italienischer Kunst haben teils schwindelerregende Preise hervorgebracht, wie die 12,6 Millionen Pfund für ein blütenweisses 2007. «Achrome»-Bild von Piero Manzoni. Ich erinnere mich noch gut, dass man vor wenigen Jahren bei einem kleinen Zürcher Auktionshaus für einen tiefen fünfstelligen Betrag einen Enrico Castellani hätte ersteigern können, der nun gegen zwei Millionen einbrachte. Italienische Nachkriegs- und Gegenwartskunst sind hoch im Kurs, umso mehr, wenn man in Betracht zieht, dass über fünfzigjährige Werke zufolge rigider Kulturgüterschutz bestimmungen bald wohl nicht mehr einfach aus dem Herkunftsland Italien werden ausgeführt werden können. Während früher die traditionellen drei «d» – debt, divorce, death – gemeinhin für eine nicht sehr glamouröse Champagnerlaune bei Auktionen sorgten, hat sich das Blatt längst gewendet: Bereits vor einigen Jahren gab es die «erste kuratierte Auktion» (so angepriesen wurde die Sammlung Pierre Huber
Nr. 6 2014
HUGO BOSS (SCHWEIZ) AG Phone +41 41 727 38 00 www.hugoboss.com
Zürich BOSS Store Bahnhofstrasse 39 Basel BOSS Store Gerbergasse 25 Genève BOSS Store Rue du Marché 18
Briefing Schuhe
Nr. 6 2014
adidas ur-schuh Seit über 5500 Jahren tragen 2013 produzierte Adidas Der sogenannte «Areni-1» ist mit einem Menschen nachweislich sorg- 257 Millionen Paar Schuhe errechneten Alter von 5500 Jahren um fältig hergestellte Lederschuhe. – so viele wie noch nie zu- ein paar hundert Jahre älter als jener vor. 96 Prozent davon wur- Lederschuh, den man mit Ötzis ÜberWas ein Hinweis dafür sein den in Asien hergestellt. resten entdeckt hat. Er ist damit der Neben den Eigenmarken älteste je gefundene Lederschuh. Entkönnte, dass es zuvor keine Adidas und Adidas Golf deckt wurde er 2008 in Armenien. AufFrauen gab. Alle anderen gehört auch Reebok der gekommen sind Schuhe grundsätzlich Adidas-Gruppe an. vor rund 26 000 bis 40 000 Jahren. Angaben zu einer der besten Erfindungen der ModeSpitzenreiter all star Das zur deutschen Deich geschichte auf dieser Seite sind 1917 wurden erstmals mann-Gruppe gehörende Unternehmen Dosenbachdagegen Fakten. Turnschuhe in Massen Ochsner hat im vergange
rote sohle
Das Unternehmen von Schuhdesigner Christian Louboutin, dessen Modelle dank ihrer roten Sohle und prominenten Auftritten in der TV-Serie «Sex and the City» Berühmtheit erlangten, erzielte 2012 einen Umsatz von 250 Millionen US-Dollar mit 600 000 verkauften Paaren. Die geschätzte Wachstumsrate seines Labels liegt bei 40 Prozent jährlich. An der Spitze der Luxusschuhmarken steht indes Jimmy Choo, der kürzlich an die Börse ging und mit 894 Mio. Euro bewertet wurde.
ballett
In der Sparte «P roduktion/Gewerbe» gewann das Laufschuh-Unter nehmen «On» den Swiss Economic Award 2014. Die On AG mit Sitz in Zollikon beschäftigt derzeit rund 40 Mitarbeiter.
Ballettschuhe sind seit den
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Ursprüngen des Tanzes, 1682, in Gebrauch. Dazu mal hatten diese jedoch noch einen Absatz – seit der Französischen Revo lution
aber
sind
Stan
dard-Spitzenschuhe
im
Balletttanz ausnahmslos absatzlos.
nen Geschäftsjahr einen Umsatz von 915 Millionen Franken erzielt, gleich viel wie 2012. Verkauft hat der Schuh- und Sportfachhänd ler 2013 insgesamt 13,1 Mil lionen Paar Schuhe – mehr als je zuvor.
Spitzenjahr 2010
Der Umsatz im stationären Schweizer Schuhdetailhandel betrug im Spitzenjahr 2010 gut 2,3 Milliarden F ranken. Zum Vergleich: 2001 wurden noch 1,75 Mil liarden durch Schuhverkäufe eingenommen, 2012 2,1 Milliarden (Quelle: Statista).
Redaktion: Oliver Schmuki November / Dezember 2014
Illustration: Bill Rebholz
start-up
produziert: Marquis Mills Converse erfand den den «All Star» mit Gummisohle und Stoffaufbau. Anfang zwanziger Jahre beginnt die Zusammen arbeit mit Basketballspieler Chuck Taylor; in der Folge wird der Schuh als «Converse Chuck Taylor All Star» zum meistverkauften Basketballschuh aller Zeiten wurde. 2003 wurde Converse vom Nike-Konzern aufgekauft.
Trend-Report
Nr. 6 2014
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Das Symbol der Unendlichkeit, die Acht, befindet sich dreifach in der Jahreszahl 1888, dem Gründungsjahr des Schweizer Traditions-Schmuckunternehmens Bucherer. Vor eineinhalb Jahren begann dessen Designteam mit ersten Entwürfen für die heute neu präsentierte «Vive Elle»-Kollektion, die das Symbol der Unendlichkeit in all ihren Stücken aufgreift. Allein neun Monate benötigten Konstrukteure, Gold schmiede, Fasser und Polis seure (sie bringen den abschliessenden Glanz ins Edelmetall) für die Umsetzung der Designerskizzen. Zwanzig dreidimensionale Stücke gehören nun zur jüngsten Kollektion, bestehend aus Ohrschmuck, Bracelets, Ringen und Ketten. In dem am Vierwaldstättersee gelegenen Atelier in Luzern arbeiteten rund vierzig Mitarbeiter an den zur höchsten Juwelierskunst – der Haute Joaillerie – gehörenden Schmuckstücken.
Halskette «Vive Elle» von BUCHERER, 18 Karat Weissgold, 885 Diamanten in Brillantschliff, 42 cm, Fr. 35 500.–.
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Redaktion: Valeska Jansen Bild: Christine Benz November / Dezember 2014
YOUR TIME IS NOW. MORE THAN A CLUB. MORE THAN A WATCH.
Pontos FCB Eine stilvolle und moderne Sportuhr, die von einem Automatikkaliber angetrieben wird, das für seine chronographischen Leistungen berühmt ist. Des Weiteren ist sie mit einer patentierten, drehbaren Lünette ausgestattet, die unter dem Glas sitzt, und verfügt über eine beeindruckende Wasserdichtigkeit bis 200m.
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