WW Magazin No. 2/16 BIG

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WW MAGAZIN Nr. 2 APRIL / MAI 2016

SAISON-TRENDS

Mode, Beauty Schmuck und Uhren, mit denen man glänzt

JULIAN SCHNABEL

Wie der Maler lebt und arbeitet. Zudem zeigen wir Auszüge aus seinem Werk (sowie einige seiner Frauen, ­Kinder und Freunde) FOTOKUNST

Blick ins Werk von Erwin Olaf EIN THEMA – ZWEI MEINUNGEN

«Privatmuseen schaffen Vielfalt» – « Privatmuseen schaffen Einfalt» UND ETWAS GANZ ANDERES:

Fr. 6.50

Ist Motorradfahren eine Kunst? Und kann man mit über 40 noch damit anfangen?


Der umwerfende Anblick einer Ikone. Die neue Generation des SL. Jetzt bei Ihrem Mercedes-Benz Partner.


Editorial  Innenbetrachtung

Die Kunst, Künstler zu verstehen – und ihre Werke zu lieben

Was auffällt im Gespräch mit Künstlern: Oft reden sie verständlich, ja bodenständig, und Werte, die sie vertreten, dürfen als bürgerlich bezeichnet werden. Bis zum Augenblick, in dem der Journalist sein Aufnahmegerät laufen lässt. Dann verfallen Künstler in einen Jargon, der einem Soziologielehrbuch entnommen sein ­könnte. Und inhaltlich weicht ihr Pragmatismus einer Radikalität, die nur schwer ernst zu nehmen ist. Was ist passiert? «Wenn ich on the record gehe, muss ich mich anders ausdrücken», erklärte ein Künstler die Verwandlung. «Weil Kollegen sonst meinen, ich wäre Nr. 2 2016

ein sell-out, sei kommerziell geworden.» Zum Glück gibt es Künstler, die reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, ob ein Band läuft oder nicht. ­Julian Schnabel zum Beispiel. Deshalb lassen wir ihn in dieser Kunst-Ausgabe reden. Und Kollegen von ihm, die uns ebenfalls Einblick geben in ihr Leben. Damit wir verstehen, was es heisst, Künstler zu sein. Und damit wir ihre Werke verstehen – und lieben können. Ich wünsche viele Einsichten und gute ­Unterhaltung.

April / Mai

WW Magazin 3


Innenbetrachtung  Mitarbeiter dieser Ausgabe

1) CHRISTOPH NOE

3) EMILY K. NATHAN

Auf seiner Website steht ­«Kurator, Sammler, Kunstberater und -händler». Was zur Nachfrage verleitet: «Und was machen Sie beruflich genau?» Unser Mitarbeiter beschäftigt sich mit Kunst und dem Kunstmarkt, und zwar in Asien, vor allem China, wo der Deutsche mit seiner Frau seit zehn Jahren lebt, zurzeit in Hongkong. Er hat die Entwicklungen von Kunst und Künstlern im grössten Land der Erde aus der ersten Reihe mitbekommen. Und entwickelt hat sich dort einiges. Etwa haben viele Reiche um ihre Sammlungen herum e­ igene Museen gebaut: vermögende Chinesen, ­a ndere Asiaten, aber auch Sammler in Amerika und Europa. Noe w­ollte mehr darüber erfahren und ­untersuchte den Gegenstand. Die ­Ergebnisse stehen im von ihm mitverfassten «Private Art ­Museum R ­ eport» – Seite 40.

Kunst zu machen ist das eine, ­etwas aus Kunst zu machen, das andere. In der Kunst-­Ausgabe unserer Zeitschrift ­kommen mehrere Leute vor, die Kunst ­machen, Künstler also. Und es kommt eine Frau vor, die etwas aus Kunst macht, die Kunstkritikerin ­Emily K. Nathan. Die Amerikanerin in ­Paris schreibt über das Werk des niederländischen Kunstfotografen Erwin Olaf, aus d ­ essen Portfolio wir ­Auszüge zeigen. Eine gute ­Kunstkritikerin schreibt w ­ eniger darüber, was wir sehen, wenn wir ein Werk b ­ etrachten, sondern vor allem über das, was wir erst sehen, wenn sie es für uns ­interpretiert. ­Emily, die etwa für das ­­T Magazine der New York Times ­arbeitet, für die F ­ inancial Times, ­Artsy oder Art News, ist eine gute Kunstkriti­kerin, ­finden wir – ­Seite 42.

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CHRISTOPH NOE , ANDREAS RITTER , EMILY K. NATHAN MARIANNE ESCHBACH UND STILLS & STROKES 1)

2)

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2) ANDREAS RITTER

«Alle grossen Geister denken gleich», dachte der Redaktionsleiter, als er den neusten Beitrag des Kunstkolumnisten las – dieser schrieb über die Entwicklung, dass immer mehr Reiche ein eigenes M ­ useum um ihre Sammlung bauen und der ­Öffentlichkeit zugänglich m ­ achen. Also genau über die Entwicklung, die unser Mitarbeiter Christoph Noe in ­einer Studie mituntersucht h ­ atte und deren Ergebnisse er uns zur Veröffentlichung ­anbot. Der ­immer ­gut informierte Ritter, von Beruf Anwalt in Zürich, war wieder mittendrin in der Kunstwelt, in der er ­ ­­­arbeitet und sich als Interessierter und Sammler auch sonst aufhält. In seinem Meinungsbeitrag teilt er einige Einschätzungen der e­ rwähnten Studie, andere widerlegt er, ganz wie man es sich von einem Anwalt erwartet – Seite 10.

4  WW Magazin

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März / April

4) MARIANNE ESCHBACH UND STILLS & STROKES (MELANIE HOMAN & STEFAN V ­ ORBECK)

Die Schreiberin und die ­Fotografen sind verantwortlich für unsere Uhrenstrecke. Die ­Gemeinsamkeit ihrer Arbeit mit derjenigen der oben beschriebenen Kritikerin, die über Bilder ­eines Kunstfotografen schreibt: Ein Bild ist mehr als das, was man darauf sieht. Hier ging es darum, dass die g­ezeig­ten U ­ hren erst ausgewählt (eher einfach) und dann nach Berlin transportiert werden mussten (eher aufwändig), wo sich das Stills & Strokes-Studio befindet. An Marianne, unserer Uhrenund Schmuckkennerin, war es, logistische und, sagen wir, ­politische Herausforderungen zu bewältigen – welche Uhr b ­ efindet sich wo und ­gelangt wie nach ­Berlin? Und welche Hersteller mögen ­einander gut genug, dass ihre Uhren nebeneinander stehen dürfen? An den Fotografen war es, die Stücke kunstgerecht in Szene zu setzen – Seite 30.

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Bilder: Florian Kalotay / 13 Photo, Bryant Lee

4)



Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

WW Magazin Nr. 2    IN H A LT

Julian Schnabel in seinem Studio in Montauk, New York (ohne Titel, Polaroidkamera, 2004).

Wie Julian Schnabel SICH SIEHT, zeigt dieses Selbstporträt. Wie er DIE WELT SIEHT, erzählt er im Interview. SEITE 22 6  WW Magazin

April / Mai

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Titelbild: Maya Wipf & Daniele Kaehr, Julian Schnabel / 2016 ProLitteris, Zürich Bild auf dieser Seite: Julian Schnabel / 2016 ProLitteris, Zürich

GROSSES BILD, GROSSER MALER


BUCHERER.COM

EINZIGARTIG WIE IHRE EMOTIONEN – SEIT 1888 UHREN SCHMUCK JUWELEN


Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

I N H A LT

WW-Magazin Nr .2 NEUE SCHWEIZER MEISTER

CONTRIBUTORS

Mitarbeiter dieser Ausgabe SEITE 4

TREND-REPORTE

HAUTE JOAILLERIE

SEITE 16 SCHMUCK

GESEHEN BEI EMILIO PUCCI

SEITE 17

MODE

SEITE 18 BEAUTY

KOLUMNEN UHRENSTRECKE

Wir zeigen die SCHÖNSTEN MODELLE dieser Saison SEITE 30

KUNST

von Andreas Ritter SEITE 10 PERSÖNLICHE GESCHICHTE

von Clemens Gunzer

RUBRIKEN, GESCHICHTEN

SEITE 12

BRIEFING

Fälschungen und Kopien SEITE 14

WANDERLUST

von David Schnapp

PRIVATMUSEEN

SEITE 48

Gut oder schlecht? SEITE 40

SERVICE ANLEITUNG BEZUGSQUELLEN ARBITER ELEGANTIARUM

KÜNSTLERPORTFOLIO

Pipilotti Rist

Eine Auswahl des fotografischen Werks von Erwin Olaf. Und fünf Fragen an den Niederländer SEITE 42

SEITE 50

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April / Mai

SEITE 51 IMPRESSUM

SEITE 51

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Bilder: Stills & Strokes, Courtesy of Galerie Rabouan Moussion Paris, Illustrationen: Zohar Lazar, Paul Blow

SEITE 20


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Aussenbetrachtung  Kunstkolumne

Illustration: ADA BUCHHOLC

MEINE TROPHÄENSAMMLUNG

Viele REICHE werden REICHER, und die öffentliche Hand greift immer öfter ins LEERE – ob's einen Zusammenhang gibt, ist hier nicht das Thema. Sondern, dass sich immer MEHR PRIVATSAMMLER ihr EIGENES MUSEUM leisten, das auch dem Publikum offensteht. Das muss nicht schlecht sein, es kann aber.

Text:

ANDREAS RITTER

S

oeben erschienen ist die erste empirische Studie [Private Art Museum Report] über das neue, noch ziemlich unergründete Phänomen der Museen von Privatsammlern, die seit Anfang des neuen ­Millenniums weltweit wie Pilze aus dem B ­ oden schiessen. In dem Report sind einige aufschlussreiche ­Erkenntnisse zu ­finden: etwa, dass es in Südkorea 45 Privatmuseen gibt und das Land d ­ amit auf Platz eins zu liegen kommt, gefolgt von den USA mit 43, Deutschland mit 42 und C ­ hina mit 26 M ­ useen. ­Italien bringt – durchaus e­ rstaunlich – noch 19 Museen hervor, ­Spanien und Frankreich je 10. Die Schweiz ist nicht ­unter den Top Ten. Das Städte­ranking führt Seoul mit 13 M ­ useen an, und vier weitere Städte unter den zehn bestplatzierten befinden sich in A ­ sien. Dafür rangiert nicht ein einziger asiatischer Künstler unter den am meisten Ausgestellten, diese Ehre bleibt, w ­ enig verwunderlich, westlichen Bluechip-Künstlern wie Andy ­Warhol, Anselm Kiefer, Gerhard Richter oder Damien Hirst vorbehalten. Über die Hälfte der Privatmuseen wurde nach 2000 g ­ egründet, die meisten der b ­ randneuen s­ tehen in China – auch dieses ­Resultat überrascht nicht sonderlich, füllen dort doch ­private ­Museen die Lücke, die in anderen Ländern öffentliche Institutionen aus­ füllen. Auch besucherzahlenmässig scheint die Idee des Sammlermuseums den Zeitgeist zu treffen: 25 Prozent der untersuchten Häuser ziehen mehr als 20 000 Besucher jährlich an, Spitzenreiterin ist die ­populäre ­Saatchi Gallery in ­London, ­deren Ausstellungen sich ­ganze 1,5 Millionen ­Leute im Jahr ansehen. Alles in allem wird in der Studie das p ­ ositive F ­ azit ­gezogen, wonach private Museen es auf die must-see-Liste von Touristen während S ­ tädtevisiten geschafft hätten. So weit, so gut, doch wie ist dieses Ergebnis zu werten? Vermutlich nicht ohne

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Grund erscheint die Schweiz für einmal nicht auf ­einer Hitliste im Kunstmarkt. Und dies, ­obwohl wir eine starke private Sammlertradition h ­ aben, ­allen voran in Basel, aber auch in Zürich, Genf und anderswo. Basel beherbergt etwa, um bloss zwei herausragende und weitsichtig ­angelegte private Beispiele zu nennen, das Beyeler-­Museum oder das Schaulager der ­Familien Oeri und ­Hoffmann. Es gibt aber in der Schweiz zum Glück auch die starken öffentlichen Institutionen, etwa das dieser Tage nach einer Renovierung und E ­ rweiterung wiedereröffnete Kunstmuseum Basel. Und es gibt nach wie vor Sammler, w ­ elche die Einbringung ihrer Schätze als gesellschaftliche Verantwortung im Hinblick auf die B ­ ewahrung des kulturellen ­Gedächtnisses ihrer Heimatstadt verstehen; oder solche, die mit ihrem grossen privaten ­Sammlerengagement genau die Lücken zu füllen in der Lage sind, die ein ö ­ ffentliches Museum in der eigenen Sammlung aufweist. In wichtigen Fällen werden die Sammler in Zürich, wie sich zurzeit abzeichnet, mit der Erweiterung des Kunsthauses vergrault. Es trifft leider zu, dass die öffentlichen Institutionen je länger je mehr um ihre F ­ inanzierung ringen und dem Sammler nicht immer das bieten können, was sich dieser wünscht. Doch es lohnt sich für ­beide Parteien hier o ­ ffen aufeinander zuzugehen und um eine befriedigende Lösung zu ringen. Denn was die Studie über die Privatmuseen nicht aussagt: Sammlermuseen ­beherbergen oft ­«Trophäensammlungen», die ­vorgenannte L ­ iste der am meisten ausgestellten W ­ erke spricht Bände. Die Zurschaustellung des eigenen Geschmacks einer Sammlerpersönlichkeit ist legitim, oft auch interessant, manchmal faszinierend. Aber braucht es dazu gleich ein Museum? Ich sehe die Zeiten kommen, da wird man in einer Stadt nicht nur die immer ­gleiche Prada- und Louis-Vuitton-Boutique vorfinden, sondern auch klonartig gleich konzi­pierte ­Privatmuseen. Unterscheiden wird sich noch die (Star)Architektur – wenn nicht jeder Sammler mit Frank Gehry baut, nachdem Bernard A ­ rnault in

April / Mai

­ aris und Maja Hoffmann in Arles mit ihm ihre P Träume verwirklicht ­haben. Es gibt ja noch Rem ­Kohlhaas, ­Renzo Piano, Jean ­Nouvel und natürlich ­Herzog & de Meuron. Die Architektur selbst wird zum Kunststatement, zum massgeschneiderten Ausdruck der Sammlerpersönlichkeit. Endgültig schwierig wird es mit der Konzeption des Privatmuseums aber, wenn sich der Sammler verabschiedet. Wer führt dann die Vision weiter, wer kauft an, stellt aus und hält die Institution am Leben? Fraglos, es gibt die Erfolgsgeschichten – ich freue mich b ­ ereits auf meinen nächsten Besuch bei Miuccia ­P rada in Mailand, nicht nur in ihrer Boutique, auch in ihrem neuen privaten Museumskomplex, der, wie bereits in Venedig, neue Formate von Ausstellungen anstrebt und bereits nach kurzer Zeit zu einem lebhaften und nicht elitären Treffpunkt für Kunstinteressierte, weit ab vom historischen Zentrum Mailands, geworden ist. Aber es wird auch nicht wenige moderne Formen privater Mausoleen geben – Zeichen ihrer Zeit ohne die notwendige Eigenständigkeit, genügend Mittel und eine schlüssige Strategie, die deshalb nicht überdauern werden. Es gibt bereits Beispiele privater Institutionen, die nach dem Ableben des Sammlers ihr Programm nicht mehr finanzieren konnten und wieder schlossen. Da ist das öffentliche ­Museum, das überdauert, einer privaten Insti­ tution haushoch überlegen. Wenn man denn beidseits die Verantwortung wahrzunehmen bereit ist: von Seiten des Sammlers und der öffentlichen Institution. Auf den Seiten ­40 / 41 gibt es mehr­Informatio­nen über den in diesem Text e­ rwähnten «­P rivate Art Museum Report».

ANDREAS RITTER ist Rechtsanwalt für Kunstrecht. Der 52-Jährige führt ­gemeinsam mit Sibylle Loyrette die Kanzlei Ritter & Partner Rechtsanwälte in Zürich.

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Blick in die von Wes Anderson ­gestaltete «Bar Luce» in der Fondazione Prada in Mailand – ein allerdings grossartig gelungenes Projekt.


«Auch junge Galerien tragen zur Reputation Zürichs bei»; Clemens Gunzer vor einem Werk von Valentin Ruhry.


Persönliche Geschichte  Aussenbetrachtung

Bild: TOBIAS STAHEL

HOTTINGEN STATT HONGKONG

Wovon es in ZÜRICH wirklich nicht zu wenig gibt, sind SCHUHGESCHÄFTE und GALERIEN, denkt man beim Stadtbummel. Mit Schuhen handelt unser Autor nicht, wohl aber mit Kunst. Er erzählt, weshalb er sich entschieden hat, dort eine Galerie zu eröffnen, wo er eigentlich nicht sesshaft werden wollte: in Zürich.

Text:

CLEMENS GUNZER

I

m Jahr 2005 ergab sich, während der Di­plomarbeit meines Architektur- und Designstudiums, die Möglichkeit, eine spannende Stelle im Zürcher Retail-Design-Büro ­eines Bekannten zu übernehmen, die ich nach dem Diplom an der TU Wien g ­ erne ergriff. ­Ursprünglich war Zürich bloss als Zwischenstopp auf der Reise nach Hongkong gedacht, doch fast elf Jahre, drei Jobs, zwei Firmen, eine Ehefrau und zwei Kinder später, wird mein Leben wohl vorläufig nicht in Hongkong stattfinden. Und das nicht, weil es zu mühsam oder zu weit weg wäre, sondern weil Zürich für mich und meine Bedürfnisse alles bietet. Es ist zwar teuer hier, viel teurer als zum Beispiel in Österreich, wo ich ­herkomme, ­jedoch ist das Einkommensniveau auch nicht zu vergleichen. Das spielt natürlich für mein Business eine grosse Rolle. Wenn ich ein Beispiel geben darf: Ein Junganwalt etwa, ein Konzipient, verdient in Österreich 1800 Euro im Monat brutto (zirka 1400 netto), er ist dreissig Jahre alt und hat zehn Jahre Ausbildung (Studium und Assistenz) hinter sich. Für ihn stellt sich die Frage, welches Bild er sich kaufen soll, erstmal nicht. Für seine Berufskollegen in Zürich kann die Einkommenslage – vielleicht 7000 bis 10 000 Franken brutto im Monat – und die damit verbundene ­spending power ganz anders aussehen. Als Kunsthändler, der nicht seit jeher in dieser Branche tätig ist, sondern als Amateur, also Liebhaber, dazugekommen ist, finde ich es wichtig, mit einigen mehr oder weniger gleichaltrigen Künstlern und Sammlern zu arbeiten. Wir haben alle ungefähr dieselbe

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Wellenlänge und verstehen uns. Wenn man solche Sammler hegt und pflegt, dann werden sie einen im besten Falle über eine längere Periode begleiten. Und Künstler, deren Werke ihnen gefallen, vielleicht «in die ­T iefe sammeln», wie man sagt, also nicht bloss eine Arbeit kaufen, sondern immer, wenn der Künstler etwas Neues hervorbringt, ­etwas ­kaufen. Dies ist freilich nur möglich, wenn das Sammlerbudget dies auch zulässt – und von jungen Leuten mit einem solchen Budget findet man in Zürich nun mal mehr als anderswo auf dem e­ uropäischen Kontinent. Auch ist die ­awareness, das ­Bewusstsein für zeitgenössische Kunst, hier sehr hoch, und man muss niemandem den Unterschied zwischen einem Bild und einer Skulptur erläutern. Mir ist bewusst, dass in der Kunstmetropole Zürich allerhand Wettbewerb herrscht, jedoch fände ich es vermessen, mich mit den Granden der Branche zu vergleichen. Aber auch junge Galerien, wie vielleicht die meiner Wenigkeit, tragen zur Reputation Zürichs bei, eine der Kunstmetropolen Europas und also der Welt zu sein. Die hohe Dichte an ­g uter Kunst, die man hier in der Stadt und in ihrer Umgebung sieht – ob nun in alteingesessenen Galerien und Institutionen oder in blutjungen off-spaces (neuen Galerien, Studios, Ateliers und so weiter) –, führt meiner Meinung nach nicht nur zu einem darwinistischen Wettkampf nach dem Prinzip des «survival of the fittest», sondern hilft auch, die Aufmerksamkeit und das ­Interesse der Bevölkerung für ­zeitgenössische Kunst zu schärfen. Und damit meine ich ­weniger die grosse M ­ asse – diese wird nie für K ­ unstkäufe zu gewinnen sein –, sondern eher die kritische ­Menge an Kunden, die es braucht, um eine Galerie wie meine ­erfolgreich betreiben zu können. Dazu kommt, dass Kunst generell ein people business ist. Es stehen überall

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Persönlichkeiten im Vordergrund: auf der ­einen Seite die Künstler, ohne die es uns alle nicht in dieser Form gäbe, und auf der anderen Seite die Sammler sowie, im besten Fall, in der Mitte die Galeristen, Kuratoren, Vermittler und so weiter. Im Vergleich zu L ­ ondon, New York und Basel während der Art Basel, also den Metropolen der Kunstwelt, wo Myriaden von Experten an die Eröffnungen pilgern, ist Zürich kleiner, kompakter und überschaubarer, lässt aber durchaus Platz, um zu experimentieren und seine Position zu beziehen. Ich weiss nicht, ob es bei uns Galeristen ein Richtig und ein Falsch gibt, das liegt wohl eher im Auge des Betrachters. In meinem Programm finden sich neben dem Schweizer Künstler Lori Hersberger ­einige Österreicher, die ich mit Vergnügen dem Zürcher Publikum präsentiere. ­G erade als Nachbarländer ist es attraktiv, sich a ­ nhand der zeitgenössischen Kunst zu vergleichen. Und hier kommt auch wieder unsere gemeinsame Geschichte als Mitteleuropäer ins Spiel – wir sind uns relativ ähnlich, aber eben doch dramatisch verschieden. Mit anderen Worten: Wir interessieren uns füreinander. Und das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man meine Künstler und mein Angebot wahrnimmt. Ferner ist in Zürich zudem die Lebensqualität schon fast sprichwörtlich hoch und, wie betont, auch die Kaufkraft für K ­ unstkäufe vorhanden. Und diese Kombination hilft mir, meinem nicht realisierten Traum, nach H ­ ongkong auszuwandern, kaum mehr nachzutrauern.

CLEMENS GUNZER, 35, ist Galerist in Zürich und Kitzbühel.

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Aussenbetrachtung  Lug und Trug

Redaktion: SARAH STUTTE  Illustration: PAUL BLOW

JEDER IST WARHOL

REKORDPREISE

Noch zu seinen Lebzeiten gelangten ständig unautorisierte WarholDrucke aus seiner Factory auf den Markt. Ihn selbst bekümmerte dies nicht weiter. Bislang befand eine Kommission der Andy Warhol Foundation dreimal im Jahr über die vorgelegten Bilder. Doch weil der juristische Ärger in den letzten Jahren zu gross wurde, lösten die Nachlassverwalter von Warhol – Roy Lichtenstein, ­Jean-Michel ­ Basquiat und Keith ­Haring – ihre ­Schiedsstellen einfach auf.

Der Genfer Kunsthändler Yves Bouvier ­geriet 2015 in Verdacht, den russischen ­Unternehmer und Präsident des Fussball­ clubs AS Monaco, Dmitri R ­ ybolowlew, ­betrogen zu haben. Bouvier verkaufte ihm unter anderem Gemälde von P ­ icasso, ­Modigliani, Gauguin, Degas und da V ­ inci für insgesamt drei Milliarden Dollar und verlangte dafür anscheinend etwa eine ­Milliarde zu viel, ausserdem soll er ­gefälschte Herkunftsnachweise vorgelegt haben. Ein ­anderer Fall: Der deutsche Kunst­ berater Helge ­Achenbach ­betrog Kunstkäufer um Millionen, indem er Herkunft und / oder Preise von Werken, mit denen er handelte, falsch a ­ ngab. Zu den ­Geschädigten gehört etwa Bertholt Albrecht, Sohn des verstorbenen Aldi-Grün­ ders Theo ­Albrecht.

NATIONALHELD

Der Londoner Tom Keating arbeitete als Anstreicher und Restaurator, seine Leidenschaft galt aber dem Malen. Doch jegliche Versuche, seine eigenen ­Werke zu Geld zu machen, schlugen fehl. Frustriert fing er nicht nur an, ­berühmte Maler zu imitieren, sondern ­seine mehr als 2000 Fälschungen auch speziell zu präparieren. So gab er deutliche Hinweise auf die Unechtheit der ­G emälde (­b eispielsweise ein GuinnessGlas in einem R ­ embrandt). Die ­L ondoner Kunstszene, die jahrelang nichts bemerkt hatte, war brüskiert. ­Keating w ­ urde zum National­helden, zum ­K ämpfer gegen das Establishment. 1977 wurde er zwar angeklagt, landete wegen seines schlechten ­Gesundheitszustands aber nicht hinter Gittern. Dafür bekam er eine e­ igene TV-Show, und s­ eine Werke wurden nach seinem Tod erfolgreich bei Christie’s ­ver­steigert.

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BERÜHMTER BETRÜGER Um 1490 sollte der 15-jährige Malschüler Michelangelo ein Porträt nachzeichnen. Die Arbeit gelang ihm so gut, dass er das Original behielt und die Kopie z­ urückgab. Der Lehrer wäre ahnungslos geblieben, wenn Michelangelo den Schwindel nicht selbst zugegeben hätte. Einige Jahre ­darauf schuf der junge Florentiner eine Marmorskulptur, und ein Kunsthändler riet ihm, diese in der Erde zu vergraben, so

dass sie für antik gehalten würde. Dann solle er sie für viel Geld nach Rom ver­ kaufen. E ­ inige Monate später fand man auf einem römischen Weingut die «klas­ sische» Marmorstatue. Der Kurienkardi­ nal San ­Giorgio zahlte dem Händler 200 Florentiner Dukaten, ­­ und Michelangelo erhielt einen Anteil. Doch 1496 flog das Täuschungsmanöver auf. Michelangelos Karriere schadete dies jedoch nicht.

SCHÄTZFRAGE

Auch dem Schweizer Oliver Wick, der unter anderem für Beyeler und das Kunsthaus Zürich als Kurator arbeitete, wehte ein rauer Wind entgegen: Er zertifizierte ein gefälschtes Gemälde von Mark Rothko als echt . 2014 w ­ urde er aufgrund dieser Expertise angeklagt. Kläger war der ­amerikanische Milliardär Frank Fertitta III., der das Gemälde «Untitled (Orange, Red and Blue)» 2008 für 7,2 Millionen Franken gekauft hatte.

April / Mai

SCHWABINGER KUNSTFUND

Im Februar 2012 ­w urden 1280 Kunst werke aus dem Nachlass des 1956 verstorbenen Kunsthändlers Hildebrand ­G urlitt in der Schwabinger Wohnung seines Sohnes ­C ornelius ­b eschlagnahmt. Ein Teil der Gemälde galt seit 1945 als verschollen. Bei vielen Werken bestand z ­ unächst der Verdacht, dass es sich um NS-Raubkunst handeln ­könnte. Cornelius Gurlitt starb 2014, stellte aber vorher sämtliche fraglichen Werke für ein Jahr der Provenienzforschung zur Verfügung und übertrug ­seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern.

«NACH ART VON» Wieviele Werke moderner Meister genau in den Museen und Privatsammlungen dieser Welt hängen – und dabei eigentlich von Elmyr de Hory stammen –, weiss niemand genau. Der Ungar, 1906 in ­Budapest ­geboren, fälschte nach eigenem Verständnis nicht, er schuf «nach Art von». Seine Bilder waren von solch grosser Sorgfalt und Qualität, dass es Experten schwerfiel, de Horys Urheberschaft zu erkennen. 1974 drehte Orson Welles mit «F wie Fälschung» einen Film über sein Leben. Er selbst starb 1976 an einer Überdosis Schlaftabletten.

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Quellen: Wikipedia, Die Welt, Frankfurter Allgemeine, Focus Online, Berner Zeitung, Tagesanzeiger, Süddeutsche Zeitung, The Guardian Online, Kunstfälschung

Briefing DIE KUNST DER FÄLSCHUNG


So nah, so fern. = Bergsommer Tirol

Heute ein Moment. Morgen ein bleibendes Erlebnis. Tirol. Dich erleben und sich entdecken. Dich entdecken und sich erleben. Sich in deiner schier unendlichen Bergwelt verlieren. Und finden. Erleben Sie eine kostbare Zeit und auĂ&#x;ergewĂśhnliche Sommergeschichten: mein.tirol.at


Aussenbetrachtung  Opener

Redaktion: MARIANNE ESCHBACH  Bild: DOUGLAS MANDRY

WW Magazin Nr.2    T R EN D-R EPORT Klassische Form der Sünde: Cartiers neue Schlangenkreationen

SET «SERPENDOR» VON CARTIER Ring und Ohrringe aus Gelbgold, besetzt mit weissen, braunen und orangefarbenen Diamanten, Einzelstücke, Preis a. A.

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Verführung und Gefahr, ­Faszination und Ablehnung liegen nahe beisammen. Das macht die Schlange so interessant. Das geschmeidige ­Lebewesen windet sich seit Jahrtausenden durch Mythen und Kulturen. Dank exzentrischen Frauen und grossen Schmuckkünstlern w ­ urde es zum begehrten Accessoire. ­L ouis ­Cartier erkannte das animalische ­Potenzial und l­ancierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus kostbaren Steinen geschnittene T ­ iere. ­Seine ­G eliebte, Meisterschülerin und spätere Schmuckdirektorin ­Jeanne T ­ oussaint, war verantwortlich und zugleich Inspiration für die Kollektion. 1968 erreichte Cartier eine der spektakulärsten Schmuckbestellungen: Die mexi­ kanische ­Filmdiva María Félix liess ein technisch meisterhaftes, bewegliches und mit 2473 Diamanten besetztes ­Schlangencollier ­anfertigen. Jeanne Toussaint war ihre S ­ eelenverwandte. Den Zeiten entsprechend ist die neueste Schlangenkreation von der ­Pariser Rue de la Paix etwas ­kleiner ausgefallen, in ­ihrer Kostbarkeit und ihrem R ­ affinement ist sie aber ­keineswegs bescheiden.

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Schmuck  Aussenbetrachtung

Redaktion: MARIANNE ESCHBACH

Trend-Report BLAUES WUNDER

1. Collier, Weissgold mit Saphiren, von PIAGET, Preis a. A. 2. Ohrhänger «Luna», Weissgold mit Saphiren, von GRAFF DIAMONDS,

LIEBLINGSSTÜCKE

Preis a. A. 3. Ring, Platin mit Tansanit, von TIFFANY & CO., Preis a. A. 4. Ring «Entourage Classic», Weissgold mit Saphir und Brillanten, von BEYER JUWELEN, Fr. 13 300.–. 5. Bracelet, Roségold mit Saphiren, von ­POMELLATO, Fr. 31 500.–.

Bracelet «Signature Ultime»,

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6. Ring «Emotion», Weissgold

Weissgold mit 221 Brillanten und

mit Saphiren, von FABERGÉ,

265 Saphiren, von ­CHANEL, Preis a. A.

Fr. 20 520.–. 7. Ohrschmuck, Weissgold mit Tansaniten, von BUCHERER,­­ Fr. 10 600.–. 8. Ohrhänger, Weissgold mit Tansanit, von LA SERLAS, ­ Preis a. A. 9. Bracelet, Weissgold mit blauen Saphiren, von SHAMBALLA JEWELS, ca. Fr. 12 500.–.

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10. Ohrringe, Weissgold und Platin mit Burma-Saphiren, von B ­ ULGARI, Preis a. A.

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11. Ring «Temptations», Roségold mit farbigen Saphiren, von CHOPARD, Preis a. A. 12. Ring «Seahorse», Platin mit ­­ Sri Lanka-Saphir, von GÜBELIN, Preis a. A. 13. Ohrringe «Winter Frost», Gelbgold mit London Blue Topas, von OLE LYNGGAARD COPENHAGEN, Fr. 4615.–.

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14. Ring, Roségold mit Saphiren, von ­­DE ­GRISOGONO, Preis a. A.

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K

unst und die FARBE BLAU: ­Picasso malte von 1901 bis 1905 nur Blau, und Yves Klein erfand 1955 das ULTIMATIVE ULTRAMARIN. Blau beruhigt. Es sei denn, es kommt beispielsweise in Form ­zweier Burma-Saphire von über 25 Karat d ­ aher – dann kann es schön aufregen.

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Aussenbetrachtung  Mode

Redaktion: YVONNE WIGGER

Trend-Report LAUT, EXZENTRISCH

LIEBLINGSSTÜCKE

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AUF DEM LAUFSTEG

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alls es diesen Sommer nach den Designern geht, schlägt EXZENTRIK Normalität. Materialien und FARBEN ­werden kombiniert, man darf auffallen und EKLEKTISCH sein wie PIPILOTTI RIST ­(Seite 50). 4

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1. Outfit von CHANEL, Jacke: Fr. 5890.–, Kleid: Fr. 8290.–, Hose: Fr. 6460.–, Schuhe: Fr. 530.–.

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2. Outfit von GUCCI, Jacke: Fr. 2840.–, Oberteil: Fr. 790.–,

Outfit von

Rock: Fr. 3020.–, Schuhe: Fr. 910.–.

DRIES VAN NOTEN,

3. Outfit von EMILIO PUCCI,

Jacke: ca. Fr. 1215.-,

Weste: Preis a. A., Oberteil:

Oberteil: Preis a. A.,

ca. Fr. 600.–, Rock: ca. Fr. 1065.–.

Bra: ca. Fr. 215.-,

4. Outfit von MIU MIU,

12 GESEHEN BEI DRIES VAN NOTEN

Tüllweste: ca. Fr. 260.-,

Tiara: Fr. 540.–, Kleid: Fr. 1380.–,

Rock: ca. Fr. 1285.-,

Oberteil: Fr. 530.–, Rock: Fr. 990.–,

Gürtel: ca. Fr. 240.-.

Tasche: Fr. 2500.–, Schuhe: Fr. 860.–. 5. Outfit von PRADA, ­­­

13

Jacke: Fr. 31 250.–, Kleid: Fr. 3630.–, Rock: Fr. 11 800.–, Halskette: Fr. 440.–, Tasche: Fr. 2740.–, Schuhe: Fr. 1110.–.

14

6. Outfit von MARCO DE VINCENZO, Jacke: ca. Fr. 5150.–, Oberteil: ca. Fr. 725.–, Weste: ca. Fr. 2780.–, Rock: ca. Fr. 1390.–, Schuhe: ca. Fr. 600.–. 7. Ohrringe von PRADA, Fr. 580.–. 8. Buch «Cross Purpose» von ASSOULINE, ca. Fr. 191.–. 9. Sonnenbrille von OLIVER PEOPLES & THE ROW, Fr. 298.– ­­(bei Mytheresa.com). 10. Oberteil von ALESSANDRA RICH, Fr. 1373.– (bei Mytheresa.com). 11. Jacke von CHARLOTTE SIMONE, Fr. 820.– (bei Avenue32.com). 12. Ring von GIULIANA MANCINELLI BONAFACCIA,­ca. Fr. 325.–. 13. Tiara von SAINT LAURENT, Fr. 1470.– (bei Mytheresa.com).

Tasche von GUCCI,

14. Schuhe von M MISSONI, Fr. 345.–.

Fr. 3020.–.

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April / Mai

Nr. 2 2016


Mode  Aussenbetrachtung

Trend-Report LEISE, SINNLICH

1. Unterwäsche von AGENT PROVOCATEUR, ca. Fr. 462.–. 2. Bluse von DKNY, Fr. 275.– (bei Stylebop.com).

Outfit von BALENCIAGA, Parka: ca. Fr. 3000.-, Bra: ca. Fr. 2340.-, Hose: ca. Fr. 2665.-, Tasche: Preis a.A., Schuhe: ca. Fr. 1245.-, Halskette: ca. Fr. 265.-.

3. Sonnenbrille von ESCADA, Fr. 195.–. 4. Ring von ELIZABETH AND JAMES, ca. Fr. 130.–.

GESEHEN BEI ­ ALENCIAGA B

5. Tasche von COCCINELLE, Fr. 399.–. 6. Slip-Dress von SAINT LAURENT, Fr. 1130.– (bei Mytheresa.com). 7. Portemonnaie von COS,

Schuhe von CALVIN KLEIN

ca. Fr. 100.–.

­COLLECTION, Fr. 910.–.

8. Schuhe von BALLY, Fr. 625.–. 9. Kleid von VICTORIA BECKHAM, ca. Fr. 1935.–.

AUF DEM LAUFSTEG

10. Outfit von GIVENCHY, Oberteil: ca. Fr. 4900.–,

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Hose: ca. Fr. 1305.–, Schuhe: ca. Fr. 1060.–. 11. Kleid von NARCISO RODRIGUEZ, ca. Fr. 2690.–.

10

12. Outfit von PRINGLE OF SCOTLAND, Jacke: ca. Fr. 1145.–, Oberteil: ca. Fr. 470.–, Hose: ca. Fr. 665.–. 13. Outfit von CALVIN KLEIN ­COLLECTION, Preis a. A.

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IT PIECES / ACCESSOIRES

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er zweite Saison-Dresscode lautet: LINGERIE . SATIN, SPITZE­ und ­Seide für Frauen, die mit den Looks der gegenüberliegenden Seite so wenig ­anfangen können wie VIELE MÄNNER .

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April / Mai

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Beauty  Aussenbetrachtung

Redaktion: VALESKA JANSEN

Trend-Report FERIEN IM GESICHT IM SHOP GESEHEN

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Nagellack «New Orleans She's a Bad

1

Muffuletta!» von OPI, Fr. 20.–.

4 FÜR SIE GEFUNDEN

6 2 8

1. Contouring- und Lidschatten­ palette «Shape Matters» von S ­ MASHBOX, Fr. 89.– (bei Marionnaud.ch). 2. Lipbalm «Ultra Rich Lip Tint Carlotta Pink» von CLARK'S BOTANICALS, Fr. 26.– (bei Sueskind.ch).

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3. Wangenpuder «Blusher Copacabana» von RODIAL, Fr. 41.–. 4. Nagellack «Rouge Coco

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Stylo Le Vernis Marinière»

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von CHANEL, Fr. 33.–. 5. Lidschatten «Runway Collection» von ARMANI, Fr. 65.–.­ 6. Nagellack «La Petite Robe

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Noire Vernis à Ongles» von GUERLAIN, Fr. 32.–. 7. Lidschattenstift «Phyto-Eye Twist Emerald» von SISLEY, Fr. 45.–.

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8. Lipliner «Gwen Stefani Glide-on Lip Pencil» von URBAN DECAY, Fr. 25.–. 9. Gesichtspuder «Mineralize Skinfinish Natural Sunny Side» von M. A. C, Fr. 41.–. 10. Pinsel «Long Blending Brush» von M. A. C, Fr. 67.–. 11. Mascara «Sumptuous Knockout Black» von ESTÉE LAUDER, Fr. 39.–. 12. Lidschattenpalette «Bain de Mer» von DIOR, Fr. 92.–. 13. Puder «Sun Designer Palette Tan & Flash Cruise» von BY TERRY, Fr. 79.–. 14. Lippenöl «Juicy Shaker Berry in Love» von LANCÔME, Fr. 30.–.

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uancen von PINKFARBENEN ­ROSEN, smaragdgrünem Meer, BLAUEM HIMMEL, goldenem Sand – das Make-up der Saison erinnert an ­Ferien in der Provence. April / Mai

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Nr. 2 2016


Ihr Eigenheim? 3 ½ - 4 ½ Zi. Wohnungen, 6.5 Zi. DEFH in 8306 Brüttisellen Paul Späni Tel. 052 338 07 09 www.lindenbuck.ch

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Bild: Julian Schnabel / 2016 ProLitteris, Zürich

Ein Hut, zwei farbige Brillengläser und eine Pyjamahose (nicht im Bild): Julian ­Schnabel in seiner U ­ niform, vor einem seiner «Rose Paintings».


Text:

Bild:

MARK VAN HUISSELING

MAYA WIPF & DANIELE KAEHR

Im Normalfall gilt: MALER MALEN, REDNER REDEN. Julian ­Schnabel ist MALER UND REDNER. Und keiner, der ihn kennt, würde behaupten, dass er viel mit «normal» zu tun hat. DER ­­­GESCHICHTENERZÄHLER, der seit vierzig J­ahren aus der Kunstwelt herausragt, lebt in einem Palast in New York, hat sechs Kinder mit drei Frauen – und fährt am ­ liebsten ins E ­ ngadin. Nr. 2 2016

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Story  WW-Persönlichkeit

Sie haben sechs Kinder mit drei Frauen [er war zweimal verheiratet, sein jüngster Sohn, Shooter, ist zweieinhalb], Häuser auf verschiedenen Erdteilen [Amerika, Mexiko, Spanien], Ausstellungen überall . . . Ihr Leben ist kompliziert, nicht wahr?

Julian Schnabel, 64, ist ein amerikanischer Maler und ­Regisseur aus Brooklyn; er wird zu den Hauptvertretern des Neoexpressionismus gezählt. Schnabel ist nicht bloss durch seine Bilder aufgefallen – wichtige, oft sehr grosse Werke kosten über eine Million Dollar –, sondern auch durch Filme, bei denen er Regie führte: darunter «Basquiat», ein Porträt des Malers, mit dem er bekannt war, «Before Night Falls» mit Javier Bardem, der für seine Rolle eine Nominierung für den Academy Award «Oscar» erhielt, oder «Le scaphandre et le papillon» («Schmetterling und Taucherglocke»), für den er mit dem Regiepreis des Festivals von Cannes ausgezeichnet wurde. Schnabel lebt in Manhattan in einer ehemaligen Parfümfabrik, die er in einen venezianischen Palast ­umbauen liess. Ihr Sohn stellt Bilder von Ihnen in seiner Galerie aus – sind Sie ein stolzer Vater?

Ich finde, er macht einen grossartigen Job. Er liebt Kunst; er schläft, isst und trinkt dafür. Er wollte schon mit vierzehn Jahren Kunsthändler werden, ich sagte: «Bist du verrückt? Du magst Kunst nicht einmal.» Doch dann habe ich gesagt, er könne tun, was er wolle, ich würde ihn unterstützen. Jetzt ist es schön, zu sehen, dass er seinen Platz in der Welt ­gefunden hat. Und er ist gut, sehr professionell.

Wie lange arbeiten Sie an einem Bild, das für eine ­Million verkauft wird?

Drei Monate, vielleicht vier . . . Mein Sohn fragt, ob ich mit ihm essen möchte – er macht HummerSpaghetti [er empfing eine Textbotschaft auf seinem Mobiltelefon]. Er soll mit seiner Freundin essen, ich bleibe hier. Langweilige Frage für Sie, interessante Antwort für ­meine Leser – woher kommt die Inspiration?

Ich seh Bilder überall. Ich komme hierher und sehe, wie Schnee auf Bäume fällt – andere sehen nur Weiss, für mich ist’s ein Bild. Ich seh auch Bilder beim Surfen in den Wellen [bevor er diesen Satz sagte, schenkte er zweimal Grappa nach und sprach zehn Minuten oder so über die Wichtigkeit des Wellenreitens respektive seinen Entscheid, nach New York zurückzukehren vor vierzig Jahren, um Künstler zu werden, statt Surfer auf Hawaii zu bleiben]. Was ist wichtiger, malen zu können oder Bilder zu sehen?

Das müssen Sie sagen, alles andere wäre unprofessionell.

Ich bin der unprofessionellste Mensch, ich will ­a lles andere sein als professionell. Sie sagen «Kunsthändler», wenn Sie von Ihren Sohn sprechen, nicht «Galerist» – gibt es noch Galeristen, die Kunst lieben? Oder nur noch Händler, die Geld wollen?

Es gibt bestimmt noch Leute, die Kunst lieben. Aber die Kunstwelt ist heute anders, es gibt viel mehr Händler, und es gibt Berufe, die es früher nicht gab – Kunstberater und so. Kennen Sie «Das Parfüm» ­[Roman von Patrick Süskind, d. Red.]? Diese L ­ eute, die dem Zauber seines [der Haupt­figur] Parfüms verfallen sind – so ist das mit Kunst: Wenn Sie’s verstehen, verstehen Sie’s. Und sonst nicht.

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Ich bin zur Hauptsache Maler, ich mache meine Arbeit selber, hab keine Assistenten. Ich zerschlage Glas oder Porzellan und bemale es. Dann überleg ich: Kann ich es besser machen? Wenn ja, mache ich es, sonst fange ich was Neues an. Das kann man nicht vergleichen mit dem Arbeitsprozess eines Künstlers wie Jeff Koons [seine Werke – ­verschiedene ­Medien – erzielen zehn- oder zwanzigmal höhere Preise und werden von zahlreichen Mitarbeitern h ­ ergestellt], es ist nicht sehr kompliziert. Und das Gute daran: Ich habe keine Sitzungen. Aber es stimmt, ich bin ­beschäftigt, und ich bin überall.

Ich hab nichts gelernt in der Schule. Im Winter 1976, mit 25, reiste ich nach Italien, ich hatte nicht genug Geld, um eine Schale Mozzarella zu kaufen, aber ich sah die Bilder der grossen Maler – Duccio, Piero della Francesca, Caravaggio [Maler des 13. respektive 16. Jahrhunderts], dort habe ich alles gelernt. Sie lebten mit ihren Eltern erst in Brooklyn, später in ­Texas – wie kamen Sie auf Italien?

So wie ich mit meinen Eltern lebte, das war kein Leben, sondern eine Imitation des Lebens – alles war generisch . . . Ich musste raus. Als Sie nach New York zurückkehrten in den frühen 1970er Jahren, wie fanden Sie den Einstieg in die Welt der Kunst und Künstler – Ihre Jugend in Texas und auf Hawaii hat Sie darauf wohl nicht vorbereitet . . .

Ja, ich wusste wenig über die Künstler, die ­damals neu und interessant waren – Jasper Johns, Richard

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WW-Persönlichkeit  Story 1. Julian Schnabel mit David Bowie und Iman, Bowies 50. Geburtstag, New York, 1997. — ­ 2. Mit Sohn Vito, Eröffnung der Ausstellung «Urs ­Fischer: Bruno & Yoyo», St. Moritz, 2015. ­ — 3. Mit ­Michael (Mr.) Chow, Art Basel Miami, 2015. — 4. Mit ­Dennis Hopper, Cinématèque P ­ aris, 2008. ­ — 5. Mit einem Teil ­seiner ­Familie (v. l. n. r.): Olmo, Cy, Stella, Olatz (seine zweite Ex-Frau), New Y ­ orker Premiere von «The Motorcycle ­Diaries», 2004. ­ — 6. Mit Angelina ­Jolie, New Yorker Premiere von «In the Land of Blood and Honey», 2011. ­— 7. Mit Lou Reed, United Nations General Assembly Hall, 2011. ­ — 8. Mit Laird ­Hamilton, New York, 2010.

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Bilder: Getty Images, Giancarlo Cattaneo / Courtesy of Vito Schnabel Gallery

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SEINE FAMILIE UND FREUNDE

Er kennt le beau monde, und die Welt kennt ihn. Weshalb? «Vielleicht, weil Kunst den Platz von Religion eingenommen hat», sagt er.

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Story  WW-Persönlichkeit

SEIN WERK (AUSWAHL)

«Ich sehe überall Bilder», sagt Julian Schnabel. Das ist vielleicht der Grund, weshalb er nicht ­­aufhört zu malen. Seit über vierzig ­Jahren.

ALAS

FORE GET NOTHING

2005, Tintendruck, Öl und Tinte auf Polyester.

ABSTRACT PAINTING ON BLUE VELVET

1980, Samt auf Samt mit geschweisstem Stahlrahmen.

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SHIVA

1987, Öl und Tempera auf Kabukitheater-Kulisse.

2011, Tintendruck, Öl, Gips und Harz auf Polyester.

PROCESSION (for Jean Vigo) 1979, Öl, Wachs und Modellierpaste auf Leinwand.

1980, Öl, Teller und Spachtelmasse auf Holz.

PORTRAIT OF FRED HUGHES

PAINTING FOR MALIK JOYEUX AND

1987, Öl, Teller und Spachtelmasse auf Holz.

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PORTRAIT OF A GIRL

BERNARDO BERTOLUCCI (Surfer) 2006, Tintendruck, Gips auf Polyester.

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WW-Persönlichkeit  Story

SEINE VORBILDER

Diese Werke grosser Meister hat er als junger Künstler gesehen, auf Studienreise in Italien.

OGNI ANGELO HA IL SUO LATO SPAVENTOSO

2008, Tintendruck, Gips und Tinte auf Polyester.

UNTITLED

2015, Öl, Teller und Spachtelmasse auf Holz.

JESUS ÖFFNET DIE AUGEN EINES BLINDEN MANNES

von Duccio di Buoninsegna.

GOTHIC RUN RIOT OR KATHY PAINTING

1986, Öl, Wachs und Tempera auf Kabuki-Theater Kulisse.

LARGE GIRL WITH NO EYES

2001, Öl und Wachs auf Leinwand.

RUHE AUF DER FLUCHT NACH ÄGYPTEN

FORMAL PAINTING AND HIS DOG

1974, Acrylbinder und Acryl auf Leinwand.

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ROSE PAINTING (Near Van Gogh's Grave) VIII

2015, Öl, Teller und Spachtelmasse auf Holz.

April / Mai

Bilder: Julian Schnabel /  2016 ProLitteris, Zürich

von Michelangelo Merisi da Caravaggio.

PORTRÄT VON BATTISTA SFORZA

von Piero della Francesca.

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Story  WW-Persönlichkeit

«Ich sah Beuys auf einen ­braunen Papiersack zeichnen, an dem ein Knochen ­befestigt war – das hatte gewaltigen Einfluss auf mich.» Rauschenberg und so, aber ich hatte einen Platz im Whitney Independent Study Program [Schule des gleichnamigen Museums für amerikanische Kunst], und dort lernte ich viele Künstler kennen: Richard ­A rtschwager, Malcolm Morley, das war eine ganz neue Welt für mich. Oder in «Max’s Kansas City» [Nachtcafé, das Künstler besuchten], das zwar 1974 zumachte, wo ich William de Koonig traf oder ­L arry Poons . . . Kurz, ich hatte eine wunderbare Gelegenheit, das Privileg vielmehr, in diesem Umfeld zu verkehren und trotzdem meiner eigenen Intuition zu folgen. Und Sie interessierten sich auch für damals aufkommende deutsche Künstler – ungewöhnlich für einen Amerikaner in New York, nicht wahr?

Eigentlich interessierten mich ihre Werke erst später. Aber als ich in Italien war, war arte ­povera [«arme Kunst»; bedeutendste Kunstströmung I­taliens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts] gerade aktuell. Ich sah Joseph Beuys im Studio Marconi [Galerie in Mailand] auf einen braunen P ­ apiersack zeichnen, an dem ein Knochen befestigt war – das hatte einen gewaltigen Einfluss auf mich. Und in einem Optikergeschäft, in dem ich zufällig gelandet war, fragte mich die Inhaberin, ob ich ihren Nachbarn treffen möchte, weil ich Maler sei und er Kunstsammler. Also fuhr ich nach V ­ arese, um die Sammlung von Giuseppe Panza di Bumo [damals einer der wichtigsten Sammler der Welt von moderner Kunst], von dem ich noch nie gehört hatte, anzuschauen; er hatte etwa frühe Werke von Claes Oldenburg oder Bruce Nauman. Es war sehr eindrücklich, aber ich zeigte ihm meine Bilder nicht – ich fand sie zu unaufgeräumt, er hatte viele [Werke von] Minimalisten. Als Maler, denke ich, entscheiden Sie allein, aber als ­Regisseur eines Films, bei dem fünfzig Leute auf dem Set mitarbeiten und fast noch einmal so viele anderswo, entscheiden Sie wohl nicht mehr . . .

Ich entscheide immer noch allein. Tatsächlich?

Joseph Beuys sagte mal zu mir, während e­ ines Dinners von Heiner Bastian [ein Sammler und ­Kurator], als Heiner von kollektiver Schuld sprach, Beuys sagte also: «Es gibt keine kollektive Schuld. Ich bin schuldig.» Und ich dachte: «Das stimmt.»

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Wenn etwas, was ich mache, gut ist, dann bin ich schuld daran. Und wenn etwas schlecht ist, bin ich ebenfalls schuld daran. So. Sehr deutsch, dieses kollektive Schuld-Ding.

Beuys war ein sehr ungewöhnlicher Kamerad, er war richtig cool. Und er hatte recht. Den Film «Basquiat» machte ich, nachdem ein Filmer zu mir kam, um mich zu Basquiat zu interviewen. Ich ­dachte: «Okay, ich helf ihm.» Dann merkte ich: Der Typ war ein Tourist, er hätte es falsch gemacht, er hatte nichts verstanden. Ich kaufte ihm die ­ Rechte ab – und machte den Film selber. Gute Leute ­haben mir dabei geholten – Dennis Hopper, der mein Freund war, Chris[topher] Walken, Willem ­Dafoe, Gary Oldman, alle spielten sie mit. Sie kannten meine Bilder, sie wollten im Film sein. Dennis hat mir zugeschaut und gesagt: «Weisst du was? Es sieht aus, als würdest du seit vierzig Jahren Filme machen. Und jetzt folge diesem Schauspieler mit der Kamera dorthin und dann diesem dorthin.» Ich habe eine wirklich gute Ausbildung bekommen. Und Investoren, die für die Produktionskosten auf­ kommen, wollen die ebenfalls nicht mitreden?

Wenn wir es von diesem Film haben: «Basquiat» kostete 3,6 Millionen Dollar. Eine ­M illion habe ich von meinem Geld genommen. Und den Rest habe ich mir bei Sammlern geliehen, die Bilder von mir als Sicherheit akzeptierten. Man lernt zwar im Filmgeschäft, man sollte nie sein e­ igenes Geld in einen Film stecken – aber ich habe mich nicht daran gehalten, weil der Film sonst nie entstanden wäre. Ich habe mal geschrieben: «Hör jedem zu, aber befolge seine Ratschläge nicht.» Und Reinaldo Herrera [ein Modemacher] sagte: «Wir lernen jeden Tag dazu, aber wir setzen das Gelernte nie um.» Ich befinde mich auf dem middle ground zwischen diesen Positionen. Wenn man Ihnen zuhört, bekommt man den Eindruck, Sie kennen fast jeden wichtigen Menschen des Planeten. Und, auch interessant, jeder kennt Sie. Weshalb ist das so?

Ja, ich kannte zum Beispiel Gianni A ­ gnelli oder Stavros Niarchos, das waren wirklich sehr, ­sagen wir: intensiv lebende Leute. Leute, denen es wichtig war, das Zentrum der Aufmerksamkeit zu ­besetzen. Weshalb interessierten die sich für mich? Ich denke, das hat damit zu tun, dass Kunst, aus was für Gründen auch immer, den Platz eingenommen hat, den Religion hatte. Und das widerspiegelt wohl den Fakt, dass die Kunstwelt plötzlich so gross und bedeutend wurde. Natürlich gibt es ­viele Leute, die viel mehr Geld haben als ich oder ­andere Künstler, aber die können sich nicht mit mir ­anlegen, weil ich was mache, was sie nicht können – Kunstwerke nämlich.

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WW-Persönlichkeit  Story

Sie können dafür die Werke von Ihnen und anderen Künstlern kaufen.

Ja, Sie können dein Werk kaufen. Aber sie können dich nicht zwingend kaufen – ausser du willst dich verkaufen. Aber wenn du dich nicht gross für Geld interessierst, haben sie nichts gegen dich in der Hand. Tom Waits hat gesagt: «Geld ist bloss e­ twas, das du aus dem Zug wirfst.» Grosser Satz.

Tom ist gross. Er hat auch gesagt: «Du kannst den teuersten und schönsten Palast haben, wenn ­keine Liebe drin wohnt, ist es bloss eine H ­ ütte.» Das sind wichtige Erfahrungen: zu sehen, wie du etwas verlierst, was du kostbar fandest; eine L ­ iebe, die zu Ende geht, Trennung, Scheidung; z ­ uzusehen, wie dein Leben auseinanderfällt . . . Dieses Gefühl von Verlust, das ist superwichtig. Und dieses Gefühl von Unmöglichkeit, etwas festzuhalten, das ist es, was ich versuche, auszudrücken, wenn ich einen Film mache. Oder wenn ich ein Bild male. Oder nehmen wir den Film «Youth» [des italienischen Regisseurs Paolo Sorrentino], den keiner beachtet hat – für mich der beste Film des vergangenen Jahres. Das war ein verdammt guter und tiefsinniger Film. Diese Szene in der der Typ, der aussieht wie [Diego] Maradona kommt und den Ball in die Luft tritt . . . Soviel ich weiss, war das Maradona.

. . . Echt? Eben, sehen Sie? Diese P ­ räzision, wenn du sowas drauf hast, dann kannst du ­jederzeit ruhig sterben, ganz egal, was du zuvor g ­ emacht hast oder noch machen wolltest. Du und die Welt sind in Einklang, weil – whatever. Aber jetzt habe ich eine Frage: Weshalb wollten Sie mich interviewen? Weil ich eine Kunst-Ausgabe von WW Magazin herausbringe – und Sie auf dem Cover haben wollte. Und weshalb waren Sie bereit, mir ein Interview zu geben?

Ich tue es für meinen Sohn, ich unterstütze s­ eine Galerie [sein Sohn Vito, 29, hat vergangenes Jahr in St. Moritz in den Räumen der ­Galerie Bruno Bischofberger eine Galerie eröffnet und u ­ nter anderem Werke von ihm ausgestellt – ­«Julian Schnabel – 6 Rose Paintings»; Bischofberger ist ­Julian Schnabels Galerist und Vitos Taufpate]. Mir ist es egal, ein Interview zu geben. Es ist Arbeit. Oder wie Lawrence Olivier sagte: «Schauspielern ist umsonst, aber wenn ich mit der Presse reden soll, müsst ihr mich bezahlen.»

ZUHAUSE, WEG VON ZU HAUSE Dieses Gespräch fand statt in der «Villa Flor», einem Hotel in S-Chanf im Engadin, wo er seit den 1980er Jahren hinfährt.

1981: EIN TREFFEN MIT JASPER JOHNS BEI DER GOLDENEN TÜRE Auszug aus Julian Schnabels Autobiografie «CVJ, Nicknames of Maitre D’s & Other Excerpts from Life».

«E

ines Abends war ich, zu Ehren des Komponisten Morton Feldman, in Francesco Pellizzi’s Stadthaus in New York zu einem kleinen Abendessen eingeladen. Francesco kaufte 1977 / 1978 ein Gemälde von mir und ein kleines Bild namens ‹The Pool Painting for Norma Desmond›, von 1975. Das Bild hatte eine Gips-Fassung und ein weiches Loch in der Mitte. Jasper Johns war einer der Gäste. Ich war sehr froh, ihn zu treffen, denn ich respektiere seine Arbeit. Er wurde sehr von Benita umschmeichelt, einer jungen Komponistin, und auch von Morton selber. Vielleicht war das aber auch nur normale Freundschaft. Es erschien fast unmöglich, mit Jasper Johns zu reden. Er war sehr cool. Mir kam es so vor, wie mit einem Gott zu sprechen, der von drei Greifvögeln umgeben ist. Oder als ob ich ein Messdiener wäre. Als Benita sich umdrehte, um mehr Weihrauch zu holen, warf ich eine Robe über, schlüpfte hinein und nahm demütig ihren Platz ein. Ich hatte das überwältigende ­Gefühl, dass Johns der Mensch war, der dich für jedes Wort, das in New York aus deinem Mund kommt, verantwortlich macht. Der Mann war sehr beeindruckt von sich selbst. Und ich auch. All meine Übung, die ich mir während meiner Argumentationen mit Richard Serra im ‹Max’s Kansas City› angeeignet hatte, kam mir nun gelegen. Ich sagte auf meine charmanteste Art und Weise: ‹Bist du nie von dir gelangweilt, wenn du in den Spiegel schaust?› ‹Redest du über dich selbst oder über mich?›, antwortete er. ‹Ich schätze, ich rede über mich›, sagte ich, ‹aber ich dachte, es könnte auch auf dich zutreffen.› Das brach das Eis. Ich erzählte ihm, dass im Haus einige Bilder von mir hingen, und fragte ihn, ob er sie sehen wolle. Obwohl wir sogar in der gleichen Galerie ausgestellt hatten, sagte er, dass er nie eines meiner Bilder gesehen hätte. Während wir geduldig ‹The Pool Painting of Norma Desmond› anschauten, sagte er: ‹Es ist sehr schön, aber was soll es bedeuten?› In Gedanken sagte ich: ‹Für dich – schätze ich – nicht viel. Und ich bedaure, dass es nicht mehr gibt zum Anschauen.› Ich habe es sehr geschätzt, ihn zu treffen.»

«Von aussen sieht es so aus, als ob Kunst aus einem Kampf zwischen Generationen entsteht. Aber so ist es nicht. Die Art, wie ich anerkenne, so wie Jasper Johns, entspringt einer tieferen Inspiration als nur jener, Kunst zu verneinen, die vor fünf oder zehn Jahren gemacht wurde. Kunst, die über die Kunstwelt spricht, ist eine Staubflocke. Kunst, die die Kritiker beliefert, ist leer. Wenn Künstler ihren Glauben in kraftvolle Verbindungen legen, weil sie denken, diese begünstigten ihre Arbeit, dann betrügen sie ihre ­Klasse, sie betrügen sich selbst. Ihr Urteilsvermögen ist beeinträchtigt. Das zerstört Künstler, macht sie nur paranoider und lässt sie sich noch isolierter fühlen, während genau dies Realität wird. (Es könnte Realität werden, egal was man tut.) Die wahren Künstler leben während und ausserhalb ihrer Dekade, selbst wenn sie nichts tun und sterben. Denn sogar dann tun sie etwas, und ihre Werke tun es. Auch wenn beides ein bisschen ramponiert wird. Die Mechanismen, die einen Künstler der 1960er Jahre oder der 1970er Jahre definieren, sind ein praktisches Marketingkonzept für die Entbehrlichkeit von Künstlern beim Versuch, das seltene Objekt auszusuchen und zu präsentieren. Es zügelt und limitiert die Möglichkeiten des Wachstums in der Kunst, weil es die Künstler daran hindert, etwas anderes zu schaffen als das, was während der Zeit ­ihrer Zustimmung vereinbart wurde. Resignation ist meine grösste Angst.» ­

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Übersetzung aus dem Amerikanischen: SARAH STUTTE

Julian Schnabel: CVJ. Hatje Cantz, 2015. 228 S., Fr. 29.90


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Neue Schweizer Meister* ST  &   B i l de r : S T I L L S

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* und ein deutsches Meisterwerk

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«Oyster Perpetual Pearlmaster», 39 mm, Everose-Gold mit ­D iamant-Besatz, von ­ROLEX, Fr. 118 000.–.

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Wir zeigen die SCHÖNSTEN UHREN dieser Saison. Gefragt ist, was gefällt – solange es EDELMETALL ist, und zwar, was Gehäuse und Armband betrifft – das ist zeitgenössisch.


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Sxxxxx Dxxx  Xxxxxx «Caprice», 24,7 x 34,5 mm, ­Saphirgehäuse und Milanaise-Armband aus Rotgold, von ­C ENTURY, Fr. 18 750.–.

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Nr. 2 2016

«Faubourg», 15,5 mm, Roségold mit ­ Diamanten auf der Lünette, ­lackiertes ­ Zifferblatt, von LA MONTRE HERMÈS,

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­­F r.  14  000.–.


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«Lucea», 33 mm, neue ­Bicolor-Version aus Stahl und Roségold mit ­weinrotem ­Zifferblatt und ­D iamant-Besatz, von ­BULGARI, Fr. 10 000.–.

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«Happy Sport», 30 mm, ­Roségold mit ­D iamanten zwischen zwei S ­ aphirglasscheiben, von ­C HOPARD, Fr. 32 260.–.


Nr. 2 2016 April / Mai 34  WW Magazin

«Dior VIII Montaigne», 25 mm, Rotgold mit Diamanten auf der L ­ ünette und auf dem Perlmuttzifferblatt, von DIOR , ­ Fr. 35 700.–.


Nr. 2 2016 April / Mai 35  WW Magazin

«Nautilus», 35,2 mm, Version aus Roségold der 1976 zuerst in Stahl l­ancierten Sportuhr im ­D esign eines Schiffs-Bullauges, von PATEK ­PHILIPPE, Fr. 42 000.–. «Ultraplate», 40 mm, ­ Dreizeiger-Uhr, ­ «Villeret-­K lassik»Kollektion, ­­ von BLANCPAIN, ­ Fr. 36 300.–.


Nr. 2 2016 April / Mai 36  WW Magazin

«La Clé de Cartier», 35 mm, Roségold mit Brillantbesatz auf der ­Lünette, von C ­ ARTIER, Fr. 40 000.–.


Nr. 2 2016 April / Mai 37  WW Magazin

«Atlas», 29 mm, ­Zweizeiger-Uhr mit ­Datumsanzeige aus Stahl und Roségold, von ­T IFFANY & CO., Fr. 5700.–.


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«Dolce Vita», 23 x 37 mm, ­Modell aus Edelstahl mit massiv ­roségoldeter Krone und RoségoldUmmantelung im ­A rmband, von LONGINES,Fr. 4100.–.

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«Pavonina», 31 x 31 mm, aus Edelstahl mit ­Rotgold-­Elementen, von GLASHÜTTE ­ ORIGINAL, Fr. 8200.–.


Nr. 2 2016 April / Mai 39  WW Magazin

«Royal Oak Selfwinding», 37 mm, Designikone von 1972 in neuer Ausführung aus Roségold, von ­ AUDEMARS ­PIGUET,

Fr. 41 100.–.


Report  Privatmuseen

Interview: SARAH STUTTE

L ÄNDERÜBERSICHT

Belgien China Deutschland Griechenland Grossbritanien Russland Südkorea Türkei Vereinigte Staaten

Mein Geld, mein M ­ useum

Für den sogenannten «Private Art Museum R ­ eport», der ERSTEN GLOBALEN STUDIE über Privatmuseen, ­wurden über 300 Sammlungen untersucht. Die ­Studie zeigt auf, wo private Museen am S ­ CHNELLSTEN ­ aben. ­WACHSEN und welche Beweggründe Sammler h Dazu ­befragten wir Mitverfasser Christoph Noe.

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arum sind Privatmuseen wichtig?

Weil sie eine Ergänzung und Erweiterung des Angebots sind. In unserem Report haben wir unter anderem private und öffentlich zugängliche Museen in Rom zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert mit dem heutigen Privatmuseumsangebot von Berlin und Seoul verglichen – schon ­damals machten wohlhabende Leute ihre Sammlungen zugänglich. Viele Museen, die privat starteten, sind mit der Zeit institutionell

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Privatmuseen  Report Der Anteil der privat geführten Museen ist in den letzten Jahren weltweit stark angestiegen. ­Mittlerweile ist er in Asien sogar höher als in Europa oder Amerika.

mit zeitgenössischer Kunst befassten. Etwas Ähnliches sieht man jetzt in China, wo es eine Vielzahl von Museen gibt, aber wenige öffentliche, die sich auf zeitgenössische Kunst konzentrieren. Die Privatmuseumsbesitzer wollen diese Lücke schliessen. Ein simpler Grund ist aber auch in einigen Fällen, dass Sammler für ihre Kunstwerke ein Lager ­b enötigen. Daraus entwickelt sich dann ein Museum. Ist es nur gut, wenn mehr private Museen entstehen oder birgt diese Entwicklung auch Gefahren und wenn ja, welche?

­ eworden, wie The Frick Collection oder das g Guggenheim Museum in New York. Mit welcher Absicht eröffnet ein Sammler sein eigenes Museum?

Wir stellten ganz unterschiedliche B eweggründe fest: Patricia Sandretto – ­ die Frau hinter der Turiner Sandretto Re ­Rebaudengo-Sammlung – eröffnete ihre Stiftung vor zwanzig Jahren, weil es bis dato nicht nur in ihrer Region, sondern in ganz Italien nur sehr wenige Institutionen gab, die sich

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Wir finden es bemerkenswert, wenn Privatmuseumsbesitzer Ressourcen in die Hand nehmen und Energie aufwenden, um mehr Vielfalt in der Kult ur zu ­ g ewä h rleisten. ­Viele Gründer machen ihr ­Museum ­s ogar kostenlos z ugänglich. Eine Gefahr ­ sehe ich, wenn zum Beispiel reine S ­ tatussymbole gebaut werden. Eine herausstechende Architektur kann für eine Stadt wichtig sein, wir plädieren aber auch für einen sensitiven Umgang mit der Umgebung. Die manchmal geäusserten ­B edenken, dass sich Privatmuseumsbesitzer nicht mehr in ­öffentlichen Einrichtungen engagieren, teilen wir nicht – ­viele Sammler haben grosse Sammlungen, gross genug, um Werke in ihrem Privatmuseum zu zeigen ­sowie als Leihgaben in ­öffentlichen Einrichtungen. Zudem gibt es eine Vielzahl von Sammlern, die sich auch als trustees und in boards von öffentlichen Museen engagieren. Mittlerweile ist der Anteil an privat geführten Museen in Asien höher als in Europa oder ­Amerika. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?

In China sind die Zeitspannen zwischen dem Beginn des Sammelns und einer

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­ useumseröffnung kürzer, während man im M Westen eher Jahrzehnte sammelt, bevor man an ein Museum denkt. In China herrscht halt Aufbruchsstimmung. Auch in S ­ üdkorea gibt es sehr viele Privatmuseen, was uns überrascht hat. Offenbar steht auch hier, von staatlicher Seite her, das Ausstellen von zeitgenössischer Kunst nicht im Fokus. Sieht man in Asien Kunst als eine Möglichkeit an, die Volkswirtschaft der jeweiligen Länder voranzutreiben?

In gewisser Weise schon, wenn man in Summe über Kunst und die Möglichkeiten von Kunst redet. In Hongkong und Singapur sind in den letzten Jahren sehr viele Messen und Galerien entstanden. Die ­K reativindustrie wird als interessanter Wachstumsmarkt ­gesehen. In Shanghai entwickelt sich der «West Bund» als Kunststandort. ­Mittlerweile gibt es dort schon vier oder fünf Privatmuseen, und es werden mehr. In Hongkong gibt es keine Zensur und keine Mehrwertsteuer. Ist dies auch für den privaten Museumssektor ein Standortvorteil?

Nicht unbedingt. Hongkong hat einen grossen Nachteil für Privatmuseen, weil die ­I mmobilienpreise so hoch sind und die Stadt ­generell so teuer ist. Dies ist auch der Grund, warum es in New York oder London nur wenige Privatmuseen gibt. Berlin war beispielsweise über Jahre eine günstige Stadt, dies hat auch Sammler, die gar nicht aus Berlin kamen, angezogen, dort ihre M ­ useen zu eröffnen. Welche Privatmuseen können Sie empfehlen und weshalb?

Da ich in China beheimatet bin, liegen mir Museen hier nahe: Etwa das architektonisch beeindruckende, von Steven Holl ­gebaute ­Sifang Art Museum in den Bergen von Nanjing. Auf den Seiten 10 / 11 urteilt Kunstkolumnist Andreas Ritter zudem über Chancen und ­Risiken privater Kunstmuseen.

CHRISTOPH NOE, 40, ist Kunstberater; der Deutsche arbeitet und lebt in Hongkong. Der «Private Art Museum Report» wurde durch «Larry’s List» (in Kooperation mit Art Market Monitor of Artron), einer OnlineKunst-Datenbank, erhoben; Noe ist Mitgründer und Direktor.

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Aussenbetrachtung  Künstlerportfolio

Bilder: ERWIN OLAF

Erwin Olaf

Text: EMILY K. NATHAN Übersetzung aus dem Amerikanischen: SARAH STUTTE

Der Niederländer ist einer der GROSSEN BILDINSZENIERER unter den F ­ otografen – seine Bilder werden mit der M ­ ALEREI von EDWARD HOPPER oder NORMAN ­ROCKWELL verglichen. Wir geben E ­ inblick in seine Arbeit, lassen diese von einer ­ ekommen ­Kritikerin interpretieren und b vom Künstler Antworten auf unsere Fragen.

in faszinierender Schauer erfüllt die ­Fotografien und Videos von E ­ rwin Olaf, hervorgerufen durch den Raum zwischen expressiver Kraft und formeller Stille. Er ­arbeitet fast exklusiv in Serien, was ihm erlaubt, die visuelle Tiefe und Breite jedes Themas zu ergründen, das er auswählt. So ist es auch mit seinem Œuvre von 2014 mit dem passenden Titel «Waiting». Es gibt keine menschlichere Erfahrung, die besser die Spannung zwischen Perfektion und Zusammenbruch veranschaulicht , als der Akt des Wartens. Wir warten in der Schlange auf Kaffee; wir warten auf die Post; wir warten auf die U-Bahn; wir warten auf die schriftliche Zusage oder das Jobangebot oder den Anruf. Und jeder Moment, den wir warten, beinhaltet das Potenzial einer Fülle von Emotionen, die Möglichkeit der Entwicklung von einem Zustand der Absicht und Haltung zum Zerfall. Diese Entwicklung ist genau das Szenario, das Olaf beschreibt und auf einer mikrokosmischen S ­ kala bespielt. Das Decorum [Prinzip der antiken Rhetorik, ­beschreibt ein angemessenes Verhalten oder eine angemessene Sache, d. Red.] lehrt uns, geduldig zu sein, ­unsere natürlichen animalischen Impulse zu ignorieren, einschliesslich des Verlangens nach dem, was wir uns wünschen, gerade dann, wenn wir es uns wünschen – und ermutigt uns, ruhig zu sitzen. Zeit verstreicht. Unser Besucher kommt nicht; der Postbote ist zu spät; der Zug hat an der Station gehalten, und dort beginnt der Bruch. Er kann langsam sein, ein Riss in einem Fenster, der aus dem Rahmen zu den Rändern hin kriecht oder eine Explosion,

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eine Glasscheibe, die mit brutaler Gewalt zerschlägt und beim Aufprall zerschmettert. Unabhängig von der Form dauert es. Das ­Zusammenbrechen der Stützwände der Etikette ist das Thema von «Waiting». Olaf hat die Erfahrung des Wartens als Zwischenzeit beschrieben, die ­innerhalb zweier Gefühle existiert; sie ist da, in der ­Grauzone inmitten von Erwartung und Enttäuschung, die im ­Leben sehr viel Raum einnimmt. Interstitielle ­Momente sind, in der Tat, von Beginn an ­Gegenstand von Olafs Arbeit. In «Dancing School» aus der ­Serie «Rain» von 2004 stehen ein junger Mann und eine junge Frau als schräge Winkel z­ ueinander in einem ausdruckslosen senffarbig gefärbten Raum, beide blicken träge in Richtung Kamera. Das Zimmer ist unheimlich still; es gibt keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen den Gegenständen, und der Tanz hat noch nicht begonnen – oder vielleicht ist er schon zu Ende. In «The Boxingschool», aus der Serie «Hope» von 2005, stehen zwei Boxer nahe beieinander, die Stiefel enggeschnürt, die Fäuste umwickelt, die Brust entblösst, vor, während oder am Ende des Kampfes. Nachwehen oder Vorspiel? Eine solche Mehrdeutigkeit ist sowohl verwirrend als auch unendlich überzeugend. «Waiting» steht sowohl in Einklang mit der vorherigen Arbeit des Künstlers, ist aber auch bezeichnend für eine neue Richtung. Wie frühere Serien erforscht sie das dramatische Potenzial des Nicht-Handelns weiter, aber sie entfernt zeitliche Unsicherheiten aus dem Skript. Die Wahl der Verbform für den Titel – ein Gerundium – ist bemerkenswert, da sie sinnstiftend für ein Moment-in-Entwicklung-Verfahren

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WAITING

Der Originaltext «Erwin Olaf: The Space ­Between» zur Fotoserie «Waiting» wurde von der amerikanischen Kunstkritikerin ­Emily K. Nathan ­ geschrieben. Sie war ­Mitherausgeberin des Art News ­Magazine aus New York und schreibt etwa für The Observer, Financial Times oder das New York Magazine; Nathan lebt in Paris.

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PORTRAIT 2, SHENZHEN, 2014

aus der Serie «Waiting».


Aussenbetrachtung  Künstlerportfolio

LA DÉ FENSE 3, 2014

aus der Serie «Waiting». SHENZHEN 1, 2014

aus der Serie «Waiting».

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Künstlerportfolio  Aussenbetrachtung

THE DANCING SCHOOL, 2004

aus der Serie «Rain».

THE HAIRDRESSER, 2004

aus der Serie «Rain».

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Aussenbetrachtung  Künstlerportfolio

THE HALLWAY, 2005

aus der Serie «Hope». THE BOXINGSCHOOL, 2005

Bilder: Courtesy of Galerie Rabouan Moussin Paris

aus der Serie «Hope».

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Künstlerportfolio  Aussenbetrachtung

steht. Und die dreizehn Fotografien, die die Serie bilden, bieten die perfekte Kontraktion: Ihre minutiös beobachteten formellen Eigenschaften täuschen über das komplexe Chaos von Empfindungen hinweg, die sie hervorrufen. Sie sehen perfekt inszeniert aus, aber sie fühlen sich auch perfekt roh an, wie in Echtzeit erlebt. Drei Frauen warten auf die Ankunft einer Verab­ redung in einem öffentlichen Raum, der mit i­ hnen verbunden ist – eine asiatische Frau in einem R ­ estaurant in Hongkong; eine westeuropäische Frau im Hochhausviertel La Défense in Paris; eine afrikanische Frau in der Lobby eines Hotels in Nairobi – und die Bilder skizzieren ihre Erfahrung. In Nairobi steht ­unsere Protagonistin auf ihren Füssen, das Kinn hochgehalten und die Schultern stolz zurückgedrückt, ein eleganter Mantel um ihre Taille geknotet. Klick: Die nächste ­Fotografie deutet den Verlauf der Zeit nur durch ihre veränderte Haltung an. Sie hat ihren Mantel abgelegt und sitzt nun auf dem Rand eines Ledersessels, den Rücken steif, die Arme förmlich gekreuzt über ihrem Schoss. Schliesslich sehen wir sie wieder auf

ihren Füssen, die Illusionen aufgegeben. Ihre Arme hängen schlaff an den Seiten ­herunter, ihr Kinn ist – in völliger Niederlage – auf ihre Brust hinunter­ gesunken und sie blickt auf den Boden. Vom Kontext des eigenen Narrativs entfernt, kann jedes dieser Bilder als für sich alleine stehendes Porträt gelesen werden. Aber es ist als Puzzleteil, das ein grösseres Bild ergibt, konzipiert. Dieses ­Gefühl wird durch das titelgebende Herzstück der ­Serie ­unterstrichen: Eine Zweikanal-­Videoinstallation projiziert Bilder in einem grauen Modul, welches speziell für die Ausstellung designt wurde und sich vom Rest der Galerie absetzt. Auf den Bildschirmen im dunklen, geschlossenen Raum gleichzeitig gezeigt, werden die Frauen aus zwei verschiedenen Winkeln dargestellt – in einer ­engen, frontalen Nahaufnahme und einem Ganzkörper-Profil-Foto, aus der Distanz geschossen –, dem Zuschauer werden so zwei Perspektiven auf einmal geboten. Erst sind es Bilder von beispielhafter Eleganz: Gut gepflegt und kosmopolitisch, in scharf zugeschnittenen Outfits strahlen die Frauen

die geordnete Zurückhaltung von Olafs Jugend aus. Ihre Gesichter sind ruhig und unbeschwert; ihre Fussknöchel haben sie steif unter sich gekreuzt. Aber die Momente verstreichen, ohne ein Zeichen ihrer Verabredungen, und sie sind auf dem Bildschirm gefangen. Im Video, anders als in den Fotografien, gibt es keine Kurzschrift: Die Frauen sind einem Zustand unbekannter Dauer ausgesetzt – unbekannt sowohl für sie als auch für uns, die Zuschauer. Unser e ­ igenes Unbehagen wird durch die Bezeugung ihres Unbehagens verstärkt; so wie ihre Unruhe wächst, wächst ­unsere. Wir beobachten, wie sich die Muskeln in ­ihrem Gesicht verzerren und spannen, erst subtil, als sich die Enttäuschung wie Staub um sie herum legt; erleben wir, gemeinsam mit ihnen, den langsamen und qualvollen Prozess der Ernüchterung. U ­ nsere Hoffnung ist, zusammen mit ihrer, erschüttert. Als die Sekunden verstreichen, ist die schwebende, klassische Musik des Videos das einzige Geräusch, das wir hören, unser einziges Mass an Zeit klingt aus – und es trifft auf unsere Ohren wie ein Requiem für verlorene Momente.

FÜNF FRAGEN AN ERWIN OLAF

«Sie reden offen über Ihre Positionen – soll der Künstler eine Botschaft verbreiten oder seine Kunst?» er niederländische Fotograf Erwin Olaf, 56, heisst ­eigentlich Erwin Olaf Springveld. Er fotografierte Werbe­ kampagnen für Bottega Veneta oder The New York Times, ist jedoch bekannter für seine Kunstfotografie. In der ­Libération verglich ein Kritiker seine «bis in winzigste Einzelheiten inszenierten» ­Fotografien mit der Malerei von Edward Hopper oder Norman Rockwell. Er wird von Galerien in Berlin, New York oder Paris vertreten respektive in Museen in M ­ oskau, Hongkong oder Den Haag ausgestellt. Bei seiner neuesten A ­ rbeit ­dagegen – Details, die er in Reims in den Kreidekellern von ­Ruinart, ­einer Champagnermarke, die zur Louis-Vuitton-Moët-Hennessy-LVMHGruppe gehört, aufnahm – handelt es sich fast um konkrete Fotografie. Olaf, 2011 mit dem Johannes-Vermeer-Preis ausgezeichnet, lebt in Amsterdam.

«Sie reden offen darüber, dass Sie schwul sind, dass Sie für Minderheiten sind, gegen Rassismus und so – soll der Künstler eine Botschaft verbreiten oder seine Kunst?» «Ich versuche, eine Botschaft mit meiner Arbeit zu verbreiten, aber das geht nicht immer, weil es passen muss. Im Moment bin ich besorgt über u ­ nsere Freiheit, die Meinungsfreiheit, die in Gefahr ist. Nach dem ­Charlie Hebdo-Massaker zum Beispiel habe ich zwei Selbstporträts – mit einem gag [Knebel] und gekleidet wie ein Islamist – gemacht, e ­ inmal wütend, einmal verängstigt . . . Parallel dazu ­fotografiere ich Akte – weshalb sollte ein Körper verdeckt werden, wegen angeblich religiöser Gefühle, die verletzt werden? Um ehrlich zu sein: ­­­F ­. . . off! [Hau ab!] Der Körper ist ­etwas vom Schönsten, was es gibt – Reflektionen auf der Haut, Licht und Schatten . . . beautiful.»

«Hatten Sie Vorgaben von Ruinart, oder haben Sie die ­Motive [Kellerwände, Flaschenhälse et cetera] selber ausgewählt?» «Nein, keine Vorgaben, Ruinart arbeitet seit einiger Zeit mit Künstlern; dieses Jahr war Fotografie dran. Sie sagten bloss: ‹Wir möchten, dass du das Erbe des Hauses interpretierst.› Dann b ­ egann ich in meinem aufwendigen Stil zu arbeiten – ich brachte Set-­Bauer, ­Models, Hairstylisten, Make-up-Artisten . . . Wir waren zehn, zwölf Leute hinter der Kamera; je bekannter man ist, desto mehr Personal hat man. Ich war vielleicht ein wenig geblendet vom Glanz ­einer Champagnermarke. Doch es funktionierte nicht, war nur eine Repetition von dem, was ich schon gemacht hatte, und ich ­fühlte mich unehrlich. Ich spürte das Bedürfnis, was ganz anderes zu m ­ achen. Und als ich die Kellergänge, es gibt acht Kilometer Keller dort, g ­ enauer anschaute, fielen mir Bilder auf: Schimmelpilz an den Wänden, herabfallende Wassertropfen, jahrzehntealte Kritzeleien von Arbeitern . . . Ich dachte: ‹Das ist das Erbe des Hauses.›»

«Wie geht es I­ hnen gesundheitlich?» «Gut im Grunde, aber ich habe ein Lungenemphysem [Erkrankung, die zu zunehmender Atemnot führt; anfänglich bloss bei ­Anstrengung, später auch im ­Ruhezustand] seit zwanzig Jahren, und es ist z­ unehmend.»

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«Wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?» «Ja, Modefotografie etwa, die dynamisch ist und bei der man sich ständig bewegt mit der K ­ amera, kann ich nicht mehr machen.» Der niederländische Fotograf realisierte Werbekampagnen für Bottega Veneta oder The New York Times. Bekannt ist er für ­seine Kunstfotografie.

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«Wie geht ein Fotograf damit um, wenn er nicht mehr ­fotografieren kann, weil ihm die Luft ausgeht?» «Nun, ich versuche, es zu ignorieren, jeder hat irgendetwas. Und das Gute: Ich habe gelernt, ‹Carpe diem› zu praktizieren.» Interview: Mark van Huisseling

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Aussenbetrachtung  Wanderlust

Illustration: ZOHAR LAZAR

Der alte Mann und der Töff VIERZIG ist das neue ZWANZIG, sagt man. Doch es gibt D ­ INGE ,

die ­sollte man tun, wenn man JUNG ist, und ­lassen, wenn's zu spät ist. Zum ­Beispiel ­ AHREN. ­MOTORRADF Oder ist es ganz anders? ­Unser ­Ü-40-Autor sollte es ­wissen.

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Text: DAVID SCHNAPP

Der Beruf des Autotesters verspricht ­schöne Momente: Fast regelmässig ­werden Buben­ t räume war, auf meiner ­ L iste ­gefahrener ­T rophäen stehen Namen wie Bugatti « ­ Veyron», Rolls-Royce ­«Phantom», ­L a mb org h i n i ­« Avent ador», B entley ­«Mulsanne» . . . Und auch die S ­ ommerferien mit e­ inem BMW M5 ­waren u ­ nvergesslich. Nicht, dass mir langweilig geworden wäre, aber ­irgendwann tauchte die Idee auf, es mit schweren M ­ otorrädern zu versuchen. Vor vielen Jahren habe ich auf einer rostigen alten Vespa PK die Motorradprüfung, Grösse 125 ccm, abgelegt. Das ­schwierigste waren die Manöver (Slalom, Spurgasse), weil die Vespa nicht besonders solide auf der Strasse lag. Kurz nach der Prüfung musste ich das Zweirad entsorgen, der Mechaniker

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Wer vierzig ist, Frau und Kind sowie einen Beruf mit etwas Verantwortung hat, steht dem Eingehen von Risiken konservativer gegenüber als ein 25-Jähriger ohne feste Bindungen.

meines Vertrauens war an den immer n ­ euen Problemen verzweifelt und schlug vor, eine ­Vespa GT (250 ccm) zu kaufen. Das Fahrzeug würde ich heute noch empfehlen (unbedingt mit ABS) für jemanden, der ein citytaugliches Motorrad sucht, mit dem man auch mal zwanzig, dreissig Kilometer über Land fahren kann.

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Bloss, eine Vespa ist eine Vespa, «aber kein Töff», sagte ein befreundeter ­Kawasaki-Fahrer jedes Mal, wenn ich ­damit vorfuhr. Also ein richtiger Töff? Ich will es nicht verheim­lichen, wer nach der Vollendung des vierzigsten Altersjahrs mit dem Gedanken spielt, auf ­schwere Motorräder umzusatteln, sollte w ­ issen, worauf er sich einlässt.

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Wanderlust  Aussenbetrachtung

Motorradfahren ist keine Kunst, die nicht zu erlernen wäre, aber es ist wirklich schwieriger als Autofahren, braucht mehr Konzentration, mehr Gefühl und die bessere Technik. Und das ist noch nicht alles, das Problem beginnt im Kopf. Wer vierzig ist, Frau und Kind hat, einen Beruf mit etwas Verantwortung, der steht dem Eingehen von Risiken konservativer gegenüber als ein, sagen wir, 25-Jähriger ohne feste Bindungen. Beim Motorradfahren – jedenfalls, wenn man will, dass es Spass macht – ­sollte man mit einem

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gewissen Elan in einer Kurve liegen; wer zu zögerlich hineinfährt, wird instabil. Anders gesagt: Erst die ­G eschwindigkeit sorgt für Sicherheit. Um sich mental zu entlasten, empfiehlt sich also zunächst die Wahl einer Ausrüstung, die maximales Sicherheitsempfinden auslöst. Ich besorgte mir einen mehrschichtigen Multifunktionsanzug von BMW («Inge­nieurskunst zum Anziehen») mit Rückenpanzer, unzähligen Reisverschlüssen und Schutzvorrichtungen sowie einen Helm, der wohl auch für

April / Mai

einen Spaziergang auf dem Mars die richtige Wahl gewesen wäre. Mittlerweile gibt es sogar ­Motorradanzüge mit integriertem Airbag, wie man es aus dem Rennsport kennt. Als ich zum ersten Mal in Vollmontur auf einem Motorrad sass, einer BMW ­­­S1000R, war ich ziemlich unsicher, ob das alles eine gute Idee war. Zugegeben, das Schöne am Töfffahren ist die Unmittelbarkeit. Der Wind reisst an der Schutzbekleidung, fährt man durch einen Frühlingswald, riecht man die feuchte Erde und den frischen Bärlauch. Die romantische Idee vom Mann und seiner ­Maschine wird auf zwei Rädern wahr. K ­ eine Dämmmaterialien und kein Sicherheitsglas befinden sich zwischen einem selbst und den akustischen oder olfaktorischen Tatsachen des Alltags. Die ­Vibrationen, die H ­ itze und die schiere Kraft eines Reihenvierzylinder-Hochleistungsmotors wie dem der S ­ 1000R – 160 PS für 207 Kilogramm Fahrzeug (ohne Fahrer) katapultieren alles zusammen in 3,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h – sind ein E ­ rlebnis, das in einer auf maximale Sicherheit und ­Berechenbarkeit ausgerichteten Welt sehr ursprünglich wirkt. Ein solches Motorrad fährt man nicht, weil man irgendwo ankommen will. Es geht um das Fahren. Man kann daneben weder Musik hören noch Arbeitsgespräche führen. Es gibt keine Kinder, die in der zweiten Reihe singen oder nörgeln, und ich würde auch meine Frau nicht bitten, auf dem Sozius Platz zu nehmen. Es geht um den (alten) Mann und das Motorrad. Wenn ich Kopfschmerzen habe, fahre ich nicht. Auch nicht, wenn ich es eilig habe oder sonstwie unter Druck bin. Ich setze mich auf den Töff, wenn ich Zeit dafür finde. Es gibt Hunderte schöner Landstrassen, kleinere und grössere Bergüberquerungen ­a lleine in der Schweiz. Es empfiehlt sich, zu Beginn mit kleineren Ausfahrten zu beginnen (60 Minuten) und Autobahnen zu meiden, um sich dann als Nächstes ruhig etwas weiter in die Ferne zu wagen. Eine schöne Tour führt beispielsweise durch das ­Entlebuch Richtung Emmental über den Schallenbergpass, wo man als Töfffahrer an sonnigen T ­ agen nie alleine ist. Zwischendurch hält man an, zieht seinen schwitzenden Kopf aus dem Helm, sieht den Kühen beim Grasen zu und ­geniesst das Gefühl unkomplizierter Freiheit. Denn wie in jedem Klischee steckt auch in ­d iesem ein wahrer Kern.

BMW S1000R Beim Motorrad, das unser Autor mit f­ reundlicher ­Unterstützung von BMW (Schweiz) AG g ­ efahren hat,handelt es sich um eine BMW S1000R ABS mit 160 PS / 118 kW ab Fr. 13 300.(Modell in ­Grundausstattung).

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Anleitung  Arbiter Elegantiarum

Redaktion: YVONNE WIGGER

PIPILOTTI RIST

Brille von VIU, Fr. 195.–.

Brosche von GUCCI, Fr. 270.–.

Seidenbluse von EDUN, Fr. 635.– ­­­ (bei ­Mytheresa.com).

Rist, in Orange und mit grünem Tupfer in der Tasche, hat Spass an ihrem Schreckschrauben-Look.

Hose von MISSONI MARE, Fr. 515.– (bei Stylebop.com).

Schuhe von MICHAEL KORS COLLECTION, Fr. 435.–.

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Sie TRÄGT, was sie MAG und unterwirft sich KEINEM ­MODEDIKTAT. Das hat sie auch nicht n ­ ötig – schliesslich ist PIPILOTTI RIST une artiste und keine Frau, die ihre ­ ASEINSBERECHTIGUNG in der D KUNSTWELT beweisen muss. ­Zudem hat sie, so sieht's aus, VIEL SPASS an und in ­ihrem sorgfältig ­gestalteten SCHRECKSCHRAUBEN-LOOK . Das finden wir gut und wählten sie darum zu unserer STILVORLAGE des Monats. April / Mai

ie ist weit davon entfernt, ein stilprägender Modestar wie Anna ­D ello Russo oder Iris ­Apfel zu sein, aber sie hat ih­ ren eigenen Stil gefunden – der ist so bunt und e­ igen wie ihre Kunst. ­P ipilotti Rist, geboren 1962 im Rheintal, fiel erstmals in den 1990er Jahren auf mit Video­ filmen wie «I’m Not the Girl Who ­Misses Much» und ­«Pickelporno». ­M ittlerweile ist sie seit mehr als zwanzig Jahren die Expertin für fröhliche, ­u nerwartete und ­irritierende Werke. Diese h ­ aben Eingang g ­ efunden in Sammlun­ gen der wichtigsten Museen der Welt, und die Künstlerin hat ­dafür zahlreiche Auszeichnungen ­erhalten. Sich selber respektive ihren Look inszeniert sie ähnlich auffällig – ihr SchreckschraubenStil sorgt für eine Mischung aus Kopfschütteln, Faszination und ­Inspiration, wo immer sie auf­ tritt. Sie bietet, keine Frage, good ­entertainment. Vor einigen Jah­ ren, bei der Presse-Preview ­ihrer Ausstellung ­«Parasimpatico» im Teatro ­Manzoni in der Modestadt ­Mailand, zeigte sie sich etwa in einem Karohemd und e­ iner dazu passenden Hose, ­ p ink-grüne Pflanzenmustersocken und mäch­ tige Herrenschnürschuhe runde­ ten den Look ab. Bei ­einer anderen Veranstaltung hatte sie einen orangenen Overall an, wie man ihn von Häftlingen in Amerika kennt, kombiniert mit einem darunter getragenen Rollkragenpullover in Knallgrün. Und als Rist 2013 den Zürcher Festspielpreis erhielt, hatte sie für den Dresscode des Abends nur einen Wunsch: «Far­ ben! ­A nzüge und Cocktailkleider bitte in ­Regenbogenfarben. Und bitte kein Schwarz.» Das passt zu ihr, denn: Sie unterwirft sich keiner Mode, sondern trägt, was sie mag und was ihr Spass macht. Eines liefert sie auf jeden Fall, und zwar, ausgedrückt in Hash­ tags, wie man sie in der Mode­ welt gerne benutzt: #craziness #overload. Yvonne Wigger

Nr. 2 2016

Bild: Georg Gatsas

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