WW Magazin No. 2/18

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WW MAGAZIN Nr. 2 MAI / JUNI 2018

DOROTHEA STRAUSS Die Kuratorin, die der Mobiliar-Versicherung ein künstlicheres Image verpasst HUBERT LOOSER Der Sammler möchte seine Kunstschätze in Zürich zeigen – doch er muss warten, seit Jahren

Lernen Sie Künstler, Sammler und Kuratoren kennen; erfahren Sie, welche Museen, Shows und Anlässe Sie besuchen sollten – unsere Kunst-Ausgabe



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Innenbetrachtung  Editorial

Kunst der Selbstdarstellung

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Die schönen Künste dienen nämlich nicht bloss zur Verschönerung der Umgebung, sondern auch der Selbstdarstellung. ­Während der Künstler seinen Gefühlszustand oder eine andere Botschaft mitteilen möchte, in der Hoffnung, diese bleibe der Welt lange Zeit erhalten, will der Sammler durch das Zusammentragen und Zurschaustellen der ihm gehörenden Schätze noch mehr: unsterblich werden nämlich. Sie finden, das sei zu hoch gegriffen? Die Erkenntnis stammt nicht von mir, sondern von einem Künstler. Wir wünschen Ihnen einen schönen Kunstsommer. Und viel Lesevergnügen, natürlich.

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Nr. 2 2018

Illustration: Haley Tippmann

In dieser Ausgabe geht es zur Hauptsache um Kunst. Doch Sie müssen nicht ­erschrecken, wir erzählen wenig über technische oder historische Zusammenhänge auf diesem Gebiet; stattdessen mehr von Menschen, die Kunstwerke hervorbringen respektive sammeln. Egal, ob wir einen chinesischen Performancekünstler befragen, einen Schweizer collector oder den Präsidenten der Londoner Royal Academy of Arts – es geht immer um den Menschen respektive seinen Antrieb für das Schaffen von respektive für Kunst. Und ohne schon zu verraten, was in den Porträts, Berichten und Interviews steht: Es dreht sich immer um Menschliches, manchmal fast zu Menschliches.



Innenbetrachtung  Mitarbeiter dieser Ausgabe

1) DUONG NGUYEN

3) FELI SCHINDLER

«Es gibt wenige Mitarbeiterinnen, die mehr Einfluss auf den Look des WW-Magazins ­haben, als Duong – und doch ­findet man ihre Autorenzeile nirgends. Weil sie Bildredaktorin ist.» Wer ein Elefantengedächtnis hat, erinnert sich an d ­ iese Zeilen – wir haben sie schon einmal geschrieben, als wir Duong zum ersten Mal ­vorstellten nämlich. Eine Bildredaktorin ist verantwortlich für die Beschaffung der Bilder. Das heisst, die kümmert sich um F ­ otoproduktionen, aber auch um Bildrechte. Was mit der O ­ rganisation von Abläufen zu tun hat sowie mit dem haushälterischen Umgang mit dem Budget. Denn, das alte Lied, die Bedürfnisse des Art-Directors und des Redaktionsleiters sind (fast) unendlich, die vorhandenen Mittel dagegen (sehr) endlich. Dass unser Heft dennoch reich bebildert ist, wie wir finden, ist ihr Verdienst.

Gerne vermelden wir an d ­ ieser Stelle einen Neuzugang: Feli Schindler, ehemalige Korrespondentin für die Neue Zürcher ­Zeitung und Kunstkritikerin für den Tages-Anzeiger, gibt in dieser Ausgabe ihren Einstand. Für die studierte Kulturjournalistin war das Treffen mit ­Dorothea Strauss, Kuratorin der Sammlung der Schweizer Mobiliar, sowie ­aktiv in diversen anderen Belangen, die mit Kunst zu tun h ­ aben, fast so etwas wie ein Treffen mit einer guten Bekannten – man kennt sich, die Schweizer Kunstwelt ist eine kleine. Das sind entweder keine erfolgversprechenden Voraussetzungen für ein ­Porträt, oder sehr erfolgversprechende. Wir finden, der Artikel, in dem Feli Schindler die « ­ liebe ­Dorothea» beschreibt, sei gelungen, aber Sie entscheiden; der Beitrag beginnt auf Seite 42. Wo, übrigens, auch aufgelöst wird, was es mit dem «liebe Dorothea» auf sich hat.

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DUONG NGUYEN , CHRISTOPH STÄHLI , FELI SCHINDLER , BIRGIT SCHÖSSOW 1)

2)

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4)

Unser Mitarbeiter ist im richtigen Leben Inhaber der Berner Werbeagentur Boxx. Darum geht es hier aber nicht, sondern um seine Leidenschaft für klassische Automobile respektive vor allem seine 1965 Corvette convertible. ­Sobald er über den betagten amerikanischen Sportwagen zu erzählen respektive davon zu schwärmen beginnt, fällt einem auf, dass er von dem Auto in der weiblichen Form spricht. Weil die Corvette eben, sagt er, eine Sie und kein Er oder Es sei. Zickig sei sie manchmal, gibt er zu – etwa wenn die Zündung nicht geht oder wenn sie den Dienst schon auf den ersten Kilometern einer geplanten Ferienreise versagt, und zwar auf der Autobahn. Aber auch das sieht er ihr nach. Noch mehr über die Beziehung, die eine Liebesgeschichte sein muss, erzählt er auf Seite 48.

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4) BIRGIT SCHÖSSOW

Manchmal holt man als Verant­wortlicher eines ­k leinen ­Magazins zum grossen Schlag aus – und haut dann d ­ aneben. In der Regel ist das so, aber nicht immer. Darum hatte unser Art-Director Jürg ­Sturzenegger die Idee, fürs C ­ over dieser ­ Ausgabe die Hamburger Illus­­tratorin ­Birgit ­Schössow anzu­fragen. Immerhin ­hatte diese bereits zahlreiche Titelbilder für Zeitschriften of the world ­gezeichnet. Was, n ­ eben viel ­A nsehen in der Branche, auch die H ­ amburger Abendpost-­ Headline «Von der Norddeutschen Provinz aufs New YorkerCover» hervorbrachte; gemeint ist das ­stilprägende Magazin von ebendort. ­Birgit sagte also zu, unseren Kunst-­Titel zu illustrieren. Das Ergebnis sind gleich zwei Kunststücke: Das eine ist dem Art-­Director gelungen, das andere der Zeichnerin.

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Illustration: Birgit Schössow

2) CHRISTOPH STÄHLI


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*

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**

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Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

WW Magazin Nr. 2    IN H A LT

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Titelbild: Birgit Schössow

Hubert Looser, unsere WW-Persönlichkeit, war einmal Jäger, also Unternehmer, seit einiger Zeit ist er Sammler. Er hat in den vergangenen fünfzig Jahren so viele KUNSTSCHÄTZE zusammengetragen, dass sein Haus am ZÜRICHBERG (inklusive Garage) ein PRIVATMUSEUM geworden ist. 2012 beschloss er, seine Werke, darunter v ­ iele mittlerweile unbezahlbare Abstrakte E ­ XPRESSIONISTEN, ­öffentlich zu machen und lieh sie dem Kunsthaus. Weshalb man sie bis heute (und bis auf weiteres) nicht anschauen kann, steht ab SEITE 22.

Bild auf dieser Seite: Nathan Beck

WENN DER BEGRIFF «ART CAR» EINE NEUE BEDEUTUNG BEKOMMT


339 Passagiere im Flugzeug?

Es fühlt sich an, als wäre ich der Einzige. In SWISS First begrüssen wir Sie mit Ihrem Namen. Denn hier dreht sich alles nur um Sie und Ihre Wünsche.

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Innenbetrachtung  Inhaltsverzeichnis

I N H A LT

WW Magazin Nr. 2 CONTRIBUTORS

WW-ARCHITEKTURREISE

Mitarbeiter dieser Ausgabe SEITE 6

TREND-REPORTE

UHREN & SCHMUCK

SEITE 18 GESEHEN BEI BOUCHERON

MODE

SEITE 20

KOLUMNEN

IM GLASHAUS

New Canaan, Connecticut – wo sich die grösste Ansammlung von Mid-Century-Modern-Häusern befindet SEITE 36

KUNST IN ZÜRICH

von Andreas Ritter SEITE 12

GESCHICHTEN

SEITE 14 WANDERLUST

von Christoph Stähli SEITE 48

1

2

KULINARIK

von Mark van Huisseling SEITE 50

RUBRIKEN

3

4

DER UNSICHTBARE

5

Portfolios des chinesischen Künstlers Liu Bolin 6

BRIEFING

SEITE 30 LIEBE DOROTHEA

Die Kuratorin, die der Mobiliar ein künstlicheres Image verpasst

Schweizer Kunstexporte SEITE 16

SEITE 42 SERVICE ANLEITUNG BEZUGSQUELLEN

SEITE 53

WER IST WER IM CAFÉ DES ARTISTES?

ARBITER

IMPRESSUM

Salvador Dalí (1), Pipilotti Rist (2), Jeff Koons (3), Andy Warhol (4), Frida Kahlo (5), Joseph Beuys (6)

Michelle Nicol

SEITE 53

COVER

SEITE 52

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ELEGANTIARUM

Bilder: Michael Biondo, Laurent Baillet / Courtesy Galerie Paris-Beijing / Ruinart campaign «Liu Bolin artist of year»

KUNST IN LONDON

von Mark van Huisseling



Illustration: JINDRICH NOVOTNY

Aussenbetrachtung  Kunstkolumne

BASLER LIEFERN DEN BESTEN GRUND, ZÜRICH ZU BEREISEN

Die Verantwortlichen der FONDATION BEYELER ermöglichen die Installation eines grossen Werks des Brasilianers ERNESTO NETO in der Halle des ZÜRCHER HAUPTBAHNHOFS. In den kommenden Wochen wird es unter Besuchern für gute Laune sorgen. Wenn wir es davon haben: Was tut eigentlich unsere Stadt für Kunst im ÖFFENTLICHEN RAUM?

Text:

ANDREAS RITTER

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ebt uns die Spinne zurück!», das habe ich in meiner Kolumne im Herbst 2015 geschrie­ ben. Und dass Kunst im öffentlichen Raum ein schwieriges und kontroverses Thema sei. In ­Zürich liess sich das in den vergangenen Jahren exem­ plarisch aufzeigen: Der Hafenkran aus den J­ ahren 2014/15 war ein von Anfang an verknorztes, an Banalität kaum zu überbietendes, dennoch aber teures Projekt, das rasch in Vergessenheit ge­ riet. Die riesige eiserne Spinne «Maman» von Louise Bourgeois, die 2011 ein paar Wochen am Bürkliplatz ihr Unwesen trieb, begeisterte da­ mals schon und ist bis heute vielen Menschen in bester Erinnerung geblieben – wie gut stünde es Zürich an, «Maman» wäre am See geblieben! ­Erneut braucht es nun den Einsatz der Verant­ wortlichen des B ­ eyeler-Museums in Riehen bei Basel, um Zürchern zu zeigen, was tolle Kunst im öffentlichen Raum zu leisten in der Lage ist: Bald wird im Hauptbahnhof Zürich, der grössten Halle der Schweiz, ein anderer Künstler mit welt­ weiter Ausstrahlung sein Netz spinnen. Es ist ein anspruchsvolles Projekt, das ­Ernesto Neto schon in wenigen Tagen der Öffentlichkeit übergeben wird; und nur wenig hat die ­Fondation Beyeler bisher dazu preisgegeben. Was Vorfreude und gespannte Erwartung garantiert. Der brasili­ anische Künstler installiert sein Werk mit Namen «Gaia Mother Tree», es handelt sich d ­ abei um eine aus bunten Baumwollbändern handgeknüpfte, baum- und netzartige farbenfrohe Skulptur, die sich bis hinauf zur zwanzig Meter hohen Decke ausbreiten wird. Neto gehört zu den bedeutend­ sten lateinamerikanischen Künstlern unserer Zeit,

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mehrmals hat er an der Biennale in ­Venedig teil­ genommen und in Museen weltweit ausgestellt. Der Künstler bezieht sich in seiner Arbeit auf kunsthistorische Referenzen und integriert Spiri­ tualität, Humanismus und Ökologie in sein Werk­ schaffen. Charakteristisch für seine Skulpturen und Installationen sind biomorphe Formen und organische Materialien, Transparenz und Sinn­ lichkeit spielen eine wichtige Rolle. So kann auch das Werk in Zürich betreten, durchquert oder in Bewegung gesetzt werden. Auch der Geruchssinn wird angesprochen – herabhängende tropfenför­ mige Elemente sind mit duftenden Gewürzen und getrockneten Blättern gefüllt. Der Besucher wird so eingeladen, sich auf seine Wahrnehmung zu konzentrieren und mit seinem Umfeld und dem Werk auf sinnliche Weise zu interagieren. Das Werk wird zu einem Ort der Begegnung. Die riesige baum- und netzähnliche Konstruk­ tion wird in die Halle des Zürcher Hauptbahnhofs eingepflanzt, dieser Zeitzeugin der Industrialisie­ rung, erbaut 1871, über 2000 Quadratmeter gross. Den Hauptbahnhof benutzen werktäglich 441 000 Passagiere, mit mehr als 2900 Zugfahrten pro Tag ist er einer der meistfrequentierten B ­ ahnhöfe der Welt. Die Fondation Beyeler schenkt damit der Stadt Zürich einen grossen Auftritt, der, so meine Prognose, internationale Beachtung ­finden wird. Jeden Tag werden fast eine halbe Million eilige Pendler, orientierungslose Touristen, welt­ gewandte Reisende in diesem Sommer in Zürich empfangen durch dieses monumental poetische Kunstwerk, das die grossen Fragen des Lebens stellt und zum Innehalten aufruft, vielleicht gar zum Verweilen einlädt. Schöner kann die ­Ankunft in einer Stadt kaum sein. Kunst im öffentlichen Raum wird damit in ­exemplarischer Weise als Integrationsfaktor e­ iner Gesellschaft verstanden, ja vermutlich sogar eine

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Bedeutung für den Tourismus bekommen – w ­ arten wir auf die Berichterstattung in den internationa­ len Medien. Doch Halt, neben aller Vorfreude auf und positiven Prognosen über dieses Ereignis sei die Frage erlaubt, was denn Zürich selber für die Kunst im öffentlichen Raum der Stadt tut? Wäh­ rend nämlich das Beyeler-Museum beträchtliche eigene Mittel aufbringt und weitere von privaten Gönnern zusammenträgt, um ein spektakuläres Kunstereignis zu inszenieren, das nur gerade et­ was mehr als einen Monat zu sehen sein wird, ist von offizieller Zürcher Stelle wieder einmal nur wenig zu hören: Die städtische Initiative für Kunst im öffentlichen Raum plant für diesen Sommer Interventionen einer Künstlerschar mit durchaus guten Namen sowie einem Kurator mit ­Profil in Zürich Nord, wohl um diesen wachsenden Stadtteil zu bewerben. Doch wie viel oder wenig Resonanz wird das erzeugen? Wären nicht ein starker und mutiger Auftritt im Stadtzentrum sowie ein am­ bitioniertes Rahmenprogramm die bessere Wahl? Und wie engagiert sich das Kunsthaus, dessen Eröffnungsbau gen Himmel wächst, in Sachen Kunst im Aussenraum? Das Kunsthaus wird vor­ aussichtlich ab 2020 e­ inen wunderbaren Skulptu­ rengarten erhalten, wir sind ­gespannt, was dafür in Planung ist. Vorläufig können wir Zürcher nicht viel mehr machen, als uns im Stamm des «Gaia Mother Tree» im HB zu treffen, um uns an die­ sem Werk zu freuen und darüber zu diskutieren, was Kunst im öffentlichen Raum ­bewirken kann, wenn man es denn richtig macht.

GAIA MOTHER TREE

von Ernesto Neto, Installation in der Halle des Hauptbahnhofs Zürich; im Juni und Juli.

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Die baum- und netzähnliche Konstruktion wird in den Zürcher Hauptbahnhof eingepflanzt. Und ungefähr so aussehen – Visualiserung des Werks von Ernesto Neto.


Aussenbetrachtung  Spezial-Report

Vom Burlington House (links) in die Burlington Gardens (rechts) gelangt man neu trockenen Fusses – und sieht dabei viel Kunst.

SIR DAVIDS WEICHE HÄNDE

Text:

MARK VAN HUISSELING

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er Präsident braucht bloss zwei Wörter, um die Neugestaltung der Gebäude, in denen sich die Royal Academy of Arts, kurz RA, befindet, zu beschreiben: «Ein Meisterwerk.» Und der Geschäftsführer kommt mit gleich wenig Wörtern aus, um die A ­ rbeitsweise des verantwortlichen Architekten zu charakterisieren: «Soft hands.» Dabei handelt es sich

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um eine Redewendung aus dem Cricket, dem britischsten aller Ballspiele – wenn ein batsman, Schläger, «weiche Hände» hat, bedeutet das, dass er den Ball, den ihm ein gegnerischer Spieler entgegenwirft, kontrolliert übers Feld wegzuschlagen versteht. Christopher Le Brun, Präsident der ­ältesten Kunstschule Grossbritanniens, und Charles Saumarez Smith, Geschäftsführer der RA, sprechen über den Architekten David C ­ hipperfield. Seit dem 19. Mai ist die von ihm umgebaute Akademie wieder offen; diese ist bekannt für ihre Sammlung mit Werken klassischer britischer Künstler sowie ihre Ausstellungsräume

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an der vornehmen ­Londoner ­Piccadilly-Strasse, über ihr Ausbildungsprogramm – ­jährlich werden weniger als zwanzig Künstler für eine ­dreijährige Gratisweiterbildung ausgewählt – wissen Aussenstehende wenig. Chipperfield und Mitarbeiter haben die Räume während der vergangenen zwei Jahre aufgefrischt und mit den dahinterliegenden Burlington-Gardens-­ Gebäuden verbunden, was die Fläche für Ausstellungen und Anlässe fast verdoppelt. Zur Erinnerung: In voraussichtlich zwei Jahren werden die Verantwortlichen des Kunsthauses Zürich auch einen ChipperfieldBau e­ röffnen. Nämlich die Erweiterung des

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Bild: David Chipperfield Architects

London hat seinen Museumsbau von DAVID CHIPPERFIELD bereits – vor wenigen Tagen eröffnete die ROYAL ACADEMY ihre vergrösserten und frisch renovierten Räume wieder. Ein Augenschein an der PICCADILLY-Strasse.


Spezial-Report  Aussenbetrachtung

bisherigen Museums auf der gegenüberliegenden Seite des Heimplatzes. Natürlich lassen sich die Bauvorhaben – hier ein Neubau auf dem Gelände der alten Kantonsschule, auf dem sich zuvor die Turnhalle befand, dort eine Zusammenlegung und Renovation respektive ein Umbau bestehender grade listed buildings, mit Auflagen versehener Altbauten – nicht vergleichen. Trotzdem hört man gerne von RA-Chef Saumarez Smith, dass es Sir Davids Spezialität sei, « ­ makellose Räume» zu gestalten, in denen nichts von den gezeigten Werken ablenke und wo diese meist in natürlichem Licht zu betrachten seien. Eine Einschätzung, die ich nach einem Augenschein während der Baustellenbegehung vor der W ­ iedereröffnung bestätigen kann (ich war Gast der RA). Zurück nach London. Die Royal Academy – sie hat 350 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von umgerechnet 50 Millionen Franken, das durch Eintrittsgelder und Spenden von Gönnern g ­ edeckt wird – ist eine ziemlich einzigartige ­Institution: Sie wird von zurzeit 160 Künstlern und Architekten, den academicians, geführt. Das war schon immer so seit der Gründung vor 250 Jahren. ­A kzeptiert ein Künstler die Anfrage und lässt sich in die Akademie aufnehmen, stiftet

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er (oder sie – zurzeit sind 28 Prozent der academicians weiblich) ein Werk. So kam über die Zeit eine ­bedeutende Sammlung zusammen: Von John ­Constable oder J. M. W. Turner zu ­David ­Hockney, Gilbert & George oder Tracey Emin. Man kann es sich nur schwer v ­ orstellen, aber die vielen Künstler, von denen die Mehrheit Einzelkämpfer mit starken Meinungen sein dürften, schaffen es irgendwie, gemeinsame Entscheide zu fällen. Und zwar, so sieht es aus, richtige Entscheide – die RA ist ­wirtschaftlich gut unterwegs. Die Verantwortlichen sammeln genügend Geld bei Gönnern, darunter amerikanische Unternehmer und in London lebende Russen-Oligarchen, um den Betrieb ­sicherzustellen. Auch der Chipperfield-­Umbau, der ­gegen 80 Millionen Franken kostete, ­konnte mit Spenden bezahlt werden (dazu kamen 18 Millionen von einem Fonds der ­nationalen Lotterie, der solche Vorhaben unterstützt). Der Künstler Antony Gormley, Mitglied der Akademie seit rund zwanzig Jahren, b ­ eschrieb mir seine fellow academicians als einen «Haufen Anarchisten, die ein Kulturunternehmen führen». Er versteht das als K ­ ompliment und nennt die Organisationsform «ein Geschenk» (an die kunstinteressierte Ö ­ ffentlichkeit). Er scheint Recht zu haben: Die meisten grossen

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Ausstellungen der RA ziehen über 150 000 Besucher an. Das ist die Zahl, die Geschäftsführer Saumarez Smith als ­Break-Even-Marke nennt. Und das führt zu Zustüpfen aus ­T icketverkäufen. Fragt man den Präsidenten Christopher Le Brun, einen 66-jähriger Maler, der an drei Arbeitstagen die Woche die RA führt und den Rest der Zeit eigene Werke schafft – ab 3. Juni werden seine neusten Bilder in der Londoner Lisson-Galerie gezeigt –, nach seinem wichtigsten Führungsgrundsatz, antwortet er: «Die Politik draussenhalten.» Wer dagegen ein Mitspracherecht geniesst, ist die Queen. Königin Elisabeth II. sei involviert, sagt Le Brun, ihre Majestät prüfe seine Vorschläge genau, unterschreibe dann aber immer alles. Auch involviert ist Sir David ­Chipperfield, Commander of the British ­Empire (CBE) und ein academician zudem – er hat also sozusagen sein eigenes Klubhaus umgebaut.

ROYAL ACADEMY OF ART Erste Ausstellung in den neuen Räumen: Tacita Dean, Landscape, 19. Mai – 12. August 2018

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Aussenbetrachtung  Erfolgreich im Ausland

Redaktion: SARAH STUTTE  Illustration: LESJA CHERNISH

Briefing SCHWEIZER KUNSTEXPORTE EUGEN GOMRINGER

PIPILOTTI RIST

Zurzeit ist der Poet im Gespräch, aufgrund des Aufruhrs um eines seiner Gedichte, das von der Fassade einer Berliner Hochschule entfernt werden soll. Doch der 93-Jährige war deutsch- sowie spanischsprachigen Literaturfreunden schon vorher ein Begriff, denn er gilt als Begründer der konkreten Poesie. Diese versucht, die sprachlichen Elemente von ihrem Sinn zu lösen und ­somit aus ihrer funktionalen Begrenzung zu befreien. Stattdessen rücken Klang und Visualität in den Vordergrund. Gomringer wurde in ­B olivien geboren, wuchs aber in Herrliberg und Zürich auf. Seine Tochter Nora ­G omringer ist ebenfalls erfolgreich als Lyrikerin.

Die Frau mit dem Namen, der sich an Pippi Langstrumpf ­anlehnt, ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten V ­ ideo-, Experimentalfilm- und Performancekünstlerinnen unserer Zeit. Ihre prämierten Werke wurden schon überall ausgestellt, von Venedig über ­Tokio bis nach New York oder São ­Paulo. Ihren bunten, möglichst alle Sinne anregenden Installationen scheinen Menschen ­ausserhalb ihres Heimatlandes noch offener gegenüberzustehen als in der Schweiz. In S ­ ydney wurde ein Museum, das eine Retrospektive von ihrem Werk zeigte, überrannt: Die Show zog so viele Besucher an, wie keine andere Ausstellung zuvor.

Peter Fischli und David Weiss bildeten ein nicht nur in der Schweiz sehr angesehenes Künstlerduo. Die beiden Zürcher, die von 1979 bis zu Weiss’ Tod 2012 zusammenarbeiteten, nahmen sich Gegenständen und Situationen des Alltags an, um sie in vielfältigen Kunstformen wiederzugeben (sogenannte Readymades). Sie arbeiteten mit verschiedenen Materialien und Medien sowie immer mit viel feiner Ironie . Fischli/Weiss ­vertraten die Schweiz mehrfach an der Biennale Venedig, aber auch an anderen internationalen Kulturveranstaltungen.

BRUNO GANZ 1941 in Zürich geboren, ist er einer der wenigen Schweizer Schauspieler, die im Ausland grosses ­A nsehen und hohe Bekanntheit geniessen. Schon früh spielte er in Deutschland Theater und wurde in den 1970ern einem grösseren Publikum durch seine Rollen in Filmen des neuen deutschen Autorenkinos bekannt. Später ­drehte er mit Francis Ford Coppola und ­R idley Scott. Ob als Engel in «Der Himmel über Berlin», als Hitler in «Der Untergang» oder als Alpöhi in «Heidi» – eindrücklich sind alle ­seine Charaktere. Für diese wurde er und wird er bis heute ausgezeichnet, ­z uletzt gleichzeitig mit dem ­Ehrenpreis und als bester Darsteller des Schweizer Filmpreises 2017.

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MARC FORSTER

Er ist in Hollywood angekommen, seit­ längerem arbeitet er nur noch mit ­g rossen Schauspielern und/oder Stars und ist M ­ itglied der Oscar-­Academy. Doch der Weg zum Ruhm war für den in Davos aufgewachsenen R ­ egisseur steinig. Vor seinem Durchbruch 2001 mit «Monster’s Ball» lebte er in New York mit sieben Studenten in einer dunklen Wohnung, zeitweise war er sogar obdachlos. F ­ orster hielt durch und wurde der erste Schweizer, der ­e inen Bond-Film drehen durfte. STEFAN BACHMANN

Der heute 25-jährige A ­ utor von Fantasyromanen h ­ atte, b ­ evor er mit 16 J­ahren ­seinen Bestseller «The P ­ eculiar» – «Die Seltsamen» b egann, schon vier unveröf­ fentlichte ­B üchermanuskripte ­fertiggestellt, alle auf Englisch. Kein Wunder, denn er ­startete bereits im Vorschulalter die ersten Schreibversuche. Sein ­D ebütroman schlug besonders

in Amerika und Deutschland ein, sogar in der New York Times ­w urde das Buch gelobt. Doch Schreiben ist nicht sein einziges Talent: Bachmann, g ­ eboren in ­C olorado, aufgewachsen in Adliswil, ­ ­ b esucht seit seinem elften Lebensjahr das Zürcher ­Konservatorium, hat einen Bachelor in Orgel- und ­Filmkomposition und spielt fünf Instrumente.

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GRÉGOIRE MARET Er spielt ein Instrument, das in der Schweiz eher unpopulär ist: Die Mundharmonika. Dazu noch in einem Genre, in dem auch bloss wenige aus unserem Land on top sind: dem Jazz. Der Genfer ist im Ausland bekannter, gilt als Jazzharmonika-Weltstar gar. Und das ist nicht untertrieben, denn als Begleitmusiker stand er bereits mit ­Herbie ­Hancock, Stevie Wonder, Elton John oder Sting auf der Bühne. 2017 wurden seine Verdienste im Musikbusiness dann auch h­ierzulande geehrt: Das Bundesamt für Kultur zeichnete ihn mit dem Schweizer Musikpreis aus.

ROMAN SIGNER

Der Appenzeller, der soeben achtzig wurde, ist Bildhauer, Z ­ eichner, Filmer sowie Aktionskünstler – und dafür vielerorts bekannt, auch im Ausland. Dies belegen zahlreiche A usstellungen seit den ­ ­ f rühen 1970er Jahren. Er begründete ­einen neuen Skulpturbegriff und mit ­seinen transformierten Alltagsgegenständen schuf er eine ­andere Wahrnehmung beim Betrachter. ­Berühmt-berüchtigt ist der Künstler für seine Spreng-Aktionen; er arbeitet mit Dynamit, weil Kunst, wie er findet, nicht langweilig sein müsse.

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Quellen: Wikipedia, Schweizermusikpreis, SRF, Diogenes, Familienleben, Femelle, Nau, NZZ, Schweizer Illustrierte, Spiegel, Sikart

FISCHLI/WEISS


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Zürcherstrasse 124 Postfach 322 8406 Winterthur Telefon 052 / 235 80 00

SVIT Immobilien-Messe in Zürich 29. - 31. März 2019, Lake Side Zürich

Stand April 2018

VIS

U U NE

6 ½ Zi. Doppel-Einfamilienhaus 8127 Forch-Küsnacht, R. Schiesser Tel. 044 316 13 21 Preis 2‘354‘000.-, Bezug ab Winter 2017/18 www.ufdeforch.ch


Aussenbetrachtung  Opener

Redaktion: MARIANNE ESCHBACH

WW Magazin Nr. 2    T R EN D-R EPORT

T

Kolumbiens schönster Export – SMARAGDE . Nicht nur edel, sondern auch grün

Tiefgrüne kolumbianische Smaragde – über 350 Jahre lagen sie auf dem Meeresgrund, untergegangen mit der spanischen G aleone «Atocha». Die edlen ­ ­Steine stammten aus den MuzoMinen und sind heute wieder in deren Besitz. In den Jahrzehnten des Unabhängigkeitskampfs in K ­ olumbien und den damit verbundenen p olitischen Wirren, waren ­ ­ d ie ­M inen fast in Vergessenheit geraten. Später wurden sie von verschiedenen Syndikaten ausgebeutet und schliesslich verstaatlicht. Smaragdkriege folgten bis in die 1990er Jahre. Im endlich friedlichen K ­ olumbien sind heute nicht mehr nur die ­Steine grün, sondern auch die Gesinnung der Betreiberfirma MTC: Die Minen wurde nachhaltig modernisiert, und Umwelt- sowie A ­ rbeiterschutz wurden eingeführt. Zwölf erstklassige Smaragde (mit entsprechendem Zertifikat), die Carlo Mutschler an der Baselworld vor zwei Jahren erwerben konnte, stammen ebenfalls aus den MuzoMinen, für den Leiter des Schmuckateliers bei Beyer in Zürich war der Kauf «ein Glücksmoment». Und nach Abschluss der zwei Jahre dauernden Arbeit wurden die drei Smaragd-Stücke zum Teuersten, was Mutschler und sein Team bisher angefertigt haben.

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Bild: Dave Nauli

«LE VERT DE LA COLOMBIE»-Set von ­Beyer Uhren & Juwelen aus Weissgold mit 1157 Brillanten und zwölf ­Smaragden erster Güte. Die grünen Edelsteine ­w iegen insgesamt 51,5 Karat. ­Fotografiert auf Mangostan-Früchten. Fr. 1 350 000.–

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Nr. 2 2018


Uhren & Schmuck  Aussenbetrachtung

Redaktion: MARIANNE ESCHBACH

Trend-Report GELB & GOLD

FÜR SIE GEFUNDEN

LIEBLINGSSTÜCKE

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1. Halskette «Merco», Gelbgold, von AURÉLIE BIDERMANN, ca. Fr. 500.–. 2. Uhr «Admiral AC-One 45

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iel SONNENSCHEIN gab's in den vergangenen Wochen. Wer den VITAMIN-D-SPIEGEL weiter erhöhen möchte, greift in die SCHMUCKSCHATULLE, wo diese Saison Gelb und Gelbgold strahlen.

Squelette», Automatikaufzug, von CORUM, Fr. 9900.–. 3. Chronograf «Mille Miglia Racing Colours», von CHOPARD, Fr. 5680.–. 4. Chronograf «Chrono XL Tour de France Special Edition», Quarzwerk, von TISSOT, Fr. 345.–. 5. Chronograf «Speedmaster Professional», Automatikuhrwerk, von OMEGA, ­­­­Fr. 4860.–. 6. Uhr «Invictus Neon», Titan, von

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HAUTLENCE, Fr. 21 500.–. 7. Haute-Joaillerie-Collier «L'Esprit

GESEHEN BEI KOCHÉ

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du Lion Dazzling», Berylle und Diamanten, von CHANEL, Preis a. A. 8. Brosche «To Bee or Not To Bee», von DELFINA DELETTREZ, Preis a. A. 9. Ohrring «Lotus», Gelbgold, Rutilquarz und Diamantpavé, von OLE LYNGGAARD COPENHAGEN, ca. Fr. 6200.–. 10. Ring «Wolf», Gelbgold mit gelben Saphiren, von BOUCHERON, Fr. 60 700.–. 11. Ring «Peekaboo», von B ­ UCHERER,­ Fr. 1250.–. 12. Ohrring «Nazca», von LYDIA COURTEILLE PARIS, ca. Fr. 5200.–. 13. Bracelet «City Hard Wear Chain Wrap», Gelbgold, von TIFFANY & CO., Fr. 7450.–. 14. Uhr «Santos de Cartier», aus Gelbgold, von CARTIER, Fr. 37 000.-. 15. Uhr «Oyster Perpetual Date Just 36», Stahl und Gelbgold, von

Uhr «Arceau Casaque», lackiertes Champlevé-Email-Zifferblatt, Quarzwerk, von HERMÈS, Fr. 3300.–.

Nr. 2 2018

Outfit von Koché aus der Herbst/ Winter-Kollektion 2018. Das Pariser Trend-Label macht klar: Gold wird künftig erst recht glänzen. Preise auf Anfrage.

ROLEX, Fr. 12 000.–. 16. Schmuckuhr «Grand Bal Plume Or», Automatikuhrwerk, von DIOR, Preis a. A.

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Moderedaktion: WW-FASHION-TEAM

Aussenbetrachtung Mode

Trend-Report MÄRCHENFARBEN

LIEBLINGSSTÜCKE

AUF DEM LAUFSTEG

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1. Outfit von CÉLINE, Blazer: ca. Fr. 2160.–, Rock: ca. Fr. 1795.-, Schuhe: ca. Fr. 1020.-. 2. Outfit von DRIES VAN NOTEN, Mantel: ca. Fr. 1610.-, Stiefel: ca. Fr. 780.-.

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ieser MODESOMMER verspricht Spass: ­luftige ­Röcke, ausgefallene ­ Ohrringe, Plastiktaschen, BUNTE , ­lange ­Sommerkleider und ­gestrickte ­Designs, in ROSA und GELB etwa.

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3. Outfit von MIU MIU, Top: Fr. 1110.–, Rock: Fr. 1280.-, Schuhe: Fr. 760.-, Tasche: Fr. 1110.-, Strümpfe: Fr. 180.-. 4. Outfit von LOEWE,

GESEHEN BEI JIL SANDER

Kleid: ca. Fr. 3830.-, Hut: ca. Fr. 300.-, Schuhe: ca. Fr. 660.-,

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Tasche: ca. Fr. 3830.-. 5. Outfit von LOUIS VUITTON, ­­­­ Kleid: Fr. 6850.-, Sneakers: Fr. 900.–. 6. Outfit von CHRISTIAN DIOR, Kleid: ca. Fr. 8380.–, kurze Hose (gestreift): ca. Fr. 900.-. 7. Schuhe von CÉLINE , ca. Fr. 1055.-. 8. Ohrringe von MARNI, ca. Fr. 300.-.

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9. Parfüm von HELMUT LANG, ca. Fr. 168.-. 10. Sonnenbrille von ANDY WOLF EYEWEAR, Fr. 240.-. 11. Tasche von BURBERRY, ca. Fr. 1970.-. 12. Badekleid von ERES, Fr. 445.-. 13. Kleid von BALENCIAGA, ca. Fr. 1700.- (bei Mytheresa.com).

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Outfit von JIL SANDER, Mohair-Kleid: Fr. 1425–, Schuhe: Fr. 590.–, Ohrringe: ca. Fr. 200.–.

Tasche von CHANEL, Fr. 590.–.

Nr. 2 2018


WW Magazin – die schönsten Seiten der Weltwoche – bereichert Ihr Leben vier Mal jährlich – die nächsten Ausgaben: 18. Oktober 2018 über BUSINESS-INNOVATIONEN 22. November 2018 zum TRÄUMEN (schöner Schmuck, kostbare Uhren)

Wir wünschen viel Lesespass! WW MAGAZIN Nr. 2 MAI / JUNI 2018

DOROTHEA STR AUSS Die Kuratorin, die der Mobiliar-Versicherung ein künstlicheres Image verpasst.

HUBERT LOOSER Der Sammler möchte seine Kunstschätze in Zürich zeigen – doch er muss warten, seit Jahren.

Im Glashaus

nturydie grösste Ansammlung von Mid-Ce In New Canaan, Connecticut, gibt's geben Tipps für Ihren Aufenhalt. Modern-Häusern. Wir zeigen sie – und


Xxxxxx  Xxxxxx Xxxx Story  WW-Persönlichkeit

Styling: XXXX XXXX XXXX  Model: XXXX XXXX

«Er ging mit der Beharrlichkeit an den Ausbau seiner Sammlung, die er als Unternehmer gezeigt hatte», aus einem Bloomberg News-Porträt über Hubert Looser.

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November Mai //Juni Dezember

Nr. 2 2018 Nr. 4 2017


TEXT:

Mark van Huisseling BILDER:

Nathan Beck

Bild: Willem de Kooning / ProLitteris, Zürich

AM ENDE DER ZEIT Willem de Kooning Ausschnitt aus «Ohne Titel IX» von 1977 (Öl auf Leinwand).


Story  WW-Persönlichkeit

Das ist die Geschichte eines Mannes, dessen Geduld erschöpft ist. Schliesslich wolle er nur Gutes tun, fand HUBERT LOOSER. Und lieh dem KUNSTHAUS ZÜRICH seine bedeutende Sammlung. Damit sie möglichst viele Leute sehen können. Das ist sechs Jahre her. Doch gesehen hat die SIEBZIG WERKE bisher – niemand.

D

Das zweite Leben des Hubert Looser begann Anfang der 1990er Jahre. Er hatte damals gerade die ihm gehörenden M ­ ehrheitsanteile zweier Unternehmensgruppen, in denen zirka vierzig Firmen ­zusammengefasst waren, verkauft. Und war vom Unternehmer, ­dessen Vermögen mehrheitlich in seinen Betrieben gebunden war, zum Privatier geworden, dem reichlich Mittel in flüssiger Form zur Verfügung standen. «Wer einen gewissen Reichtum und ein gewisses Alter erreicht hat, hat gesellschaftliche Verantwortung», sagt er. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Stiftung für den guten Zweck gegründet. Sowie eine Sammlung von Werken Schweizer und ausländischer Künstler mit hoher Bedeutung aufgebaut. Damals beschloss er, sich von nun an ausschliesslich um seine wohltätigen Unterfangen und seine Sammlung zu kümmern, diese weiterzuführen respektive voranzutreiben. Looser wurde 1938 als sechstes von sieben Kindern einer Unternehmerfamilie in Vilters im Sarganserland geboren; das e­ lterliche Geschäft, die Firma Elco, stellte Ölheizungen her. Nach seiner kaufmännischen Lehre erkannte der junge Mann, dass diese nicht reichen würde, den beruflichen Weg zu gehen, den er sich vorstellte. Er schaffte es, zu Anfang seiner Zwanzigerjahre an der ­C olumbia Universität in New York die Master of Business Administration, also die MBA-Ausbildung, zu absolvieren und erfolgreich abzuschliessen, obwohl ihm die Vorbildung für die Aufnahme s­ owie die für den Inhalt des Lehrgangs nötigen Kenntnisse im ­Grunde fehlten. Schon während und vor allem nach der Weiterbildung bereiste er zahlreiche Länder. Zu dieser Zeit begann er, sich für Kunst zu interessieren und – mit damals noch sehr überschaubaren Mitteln – Werke zu kaufen. Beruflich boxte er zu Beginn seiner Laufbahn über seiner ­G ewichtsklasse, kann man sagen. Und auch sein Interesse an sowie

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sein Zugang zu Kunst waren überraschend für einen Jungen aus der Ostschweizer Provinz und einem Elternhaus, in dem niemand ­dafür affin war. Doch schon in der Klosterschule in ­Appenzell, die er ­besuchte, habe sich dank Werken der beiden Lieners, die es dort gab (Vater Carl August war Spätimpressionist; Sohn Carl ­Walter Vertreter der koloristischen Tradition) sein Kunstinteresse und -­ verständnis zu bilden begonnen, sagt er. Bevor Looser dreissig war, kaufte er Bilder, Plastiken und Zeichnungen von Serge ­Brignoni, Lenz Klotz oder Mitgliedern der sogenannten Gruppe 33, die Basler Künstler 1933 gegründet hatten, um sich gegen konservative Kollegen in der Schweiz zu wehren. Seine Leidenschaft für Surrealismus und abstrakten Expressionismus entstand. Mit anderen Worten: Er entschied sich bereits für Kunst für Fortgeschrittene, als er eigentlich noch Anfänger war. Und er kaufte Werke nicht nur für seinen Haushalt, sondern auch für Büros und Geschäftsräume des Familienunternehmens mit Niederlassungen in der Schweiz und im Ausland. Die beiden folgenden Jahrzehnte waren Loosers hungry ­years, er vergrösserte den elterlichen Betrieb stark und öffnete ihn für ­aussenstehende Anleger, machte also aus dem KMU eine Publikumsgesellschaft, an der die Familie noch die Mehrheit b ­ ehielt. Und wiederholte diese Leistung mit einer Unternehmung mit ­Namen Walter Rentsch, einem Bürobedarfshändler, den er zugekauft hatte, um die Abhängigkeit von Ölheizungen zu verkleinern. Vergleichbar entwickelte er in dieser Zeit, was Umfang und Bedeutung angeht, seine Sammlung. Er verbreiterte sie durch A ­ nkäufe aus zwei weiteren Stilrichtungen – Minimal-Art, hauptsächlich ­a merikanische Künstler, sowie Werke des europäischen Gegenstücks, Arte Povera; zu Cy Twombly kam Richard Serra, zu Lucio Fontana kam Giuseppe Penone. Womit die Geschichte wieder im Jahr 1992 angelangt wäre, das vorhin als Beginn des zweiten Lebens des Hubert Looser beschrieben wurde. Weil er damals die verbliebenen F ­ irmenanteile ­verkaufte und mit dem, was man als «arbeiten» beschreibt, ­aufhörte. Nicht, um danach mehr Golf zu spielen (obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt ein recht guter Golfer war, sagt er) oder sich von da an ausschliesslich auf Lustreisen zu begeben. Sondern um das, was er die gesellschaftliche Verantwortung des alternden Reichen nennt, anzunehmen. «Looser ging mit der gleichen Beharrlichkeit an den Ausbau seiner Sammlung, die er als Unternehmer im Geschäftsleben gezeigt hatte», stand in einem Porträt, das 2013 von Bloomberg News verbreitet wurde. Und mit dem gleichen methodischen Ansatz,

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Schwimmbad mit Tisch und Stuhl vom italienischen KĂźnstler Ghia sowie ein trompĂŠ-l'oeil.


Garage wird zur Galerie: Velo mit Anhänger, in Peking auf der Strasse gekauft; Reifenabdruck, von einem Anstreicher, nicht Kunstmaler. Schöner wohnen mit Willem (de Kooning, ohne Titel, zirka 1970-71, links) und Yves (Klein, «ANT 37», zirka 1960, Mitte).


Bilder: FBM studio Zürich, Willem de Kooning / ProLitteris, Zürich, Yves Klein / ProLitteris, Zürich

WW-Persönlichkeit  Story

dank dem er als Unternehmer erfolgreich war – er kaufte z ­ wischen Anfang der 1990er und Ende der nuller Jahre unseres Jahrhunderts fast ausschliesslich Werke amerikanischer Künstler, die in europäischen Museen unterrepräsentiert waren. Es sei ihm dabei um Q ­ ualität gegangen, nicht um Quantität, sagte er mir in einem Gespräch in seinem Haus am Zürichberg, wo sich ein Teil seiner Sammlung befindet. «Ich wollte nicht nach einem Museumsbesuch nach Hause fahren – und dort von zweitklassiger Kunst umgeben sein.» Der Massstab, den er bei seinen Käufen anlegte, sei s­ eine Picasso-Skulptur «Sylvette» gewesen, sagt er. Und sein Budget je Werk in dieser Zeit zwischen 500 000 und einer Million Dollars. Kein Druckfehler – in grauer Vorzeit des Markts für Nachkriegskünstler, vor 20 oder 25 Jahren also, bewerteten ­Kunstkäufer ­w ichtige Werke von Ellsworth Kelly, Cy Twombly, Jasper Johns, Mark Rothko oder Willem de Kooning in dieser Preislage. Z ­ urzeit kosten diese wenigstens das Zehnfache, eher das Zwanzig­fache oder mehr. Beim Ankauf hat der Sammler neben seiner Nase für gute Kunst auch davon profitiert, dass er als Geschäftsmann viel Erfahrung hatte, wie man richtig verhandelt. «The Art of the Deal» ­möchte man schreiben, wenn das nicht der Titel von ­Donald Trumps Autobiografie wäre. Vier ausgewählte, teure Stücke aus Loosers Sammlung allein – Picassos «Sylvette», ­Giacomettis ­Bronzebüste seiner Frau Annette, de Koonings Triptych, das der Künstler für die New Yorker Saint-Peter’s-Kirche an der L ­ exington Avenue ­malte, plus eine Cy-Twombly-Skulptur –, dürften ­gegen sechzig Millionen bringen, wenn sie zur Versteigerung k ­ ämen, sagt er. Dirk Boll, Präsident von Christie’s, dem Auktionshaus, b ­ estätigt ­d iesen Betrag und sagt: «Die Sammlung Looser ist ein hochkarätiger

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Repräsentant eines ‹Collector’s Eye› und enthält zahlreiche museumswürdige Werke der Kunst des 20. J­ ahrhunderts.» Im Nachhinein, dank des Erkenntnisgewinns, den man g ­ emacht hat, sieht manches klar und offensichtlich aus. Doch die Namen der Künstler waren damals nicht annähernd so gross wie ­heute, auch wenn man sich das kaum mehr vorstellen kann. Es sei ihm nie ­darum gegangen, eine names collection aufzubauen, sagt ­L ooser, der, nebenbei, auch kaum auf die Dienste von Kunstberatern zurückgegriffen hat, sondern eine Dialog-Kollektion. Was er ­sagen will respektive was seine Kollektion tut: Werke verschiedener Künstler gegenüberstellen und zwar so, dass die Summe mehr ­ergibt als die Addition der Teile. In seinem Haus, pardon Privatmuseum, klappt das bestens; dort hängt etwa eine Arbeit von Agnes Martin einem Robert Ryman gegenüber. Oder in einer Ausstellung im Museum Folkwang in Essen im Jahr 2016 liessen der Sammler und die Verantwortlichen des Museums einen Dialog beispielsweise entstehen zwischen Arshile Gorky und David Smith. Vor sechs Jahren, 2012, schloss Looser die von ihm so bezeichnete «Transformation von Geld in Kunst» ab. Er hatte die ­Sammlung aus seinem Privatbesitz in die Fondation Hubert Looser übertragen. Was oberflächlich betrachtet fast als formale Angelegenheit oder «von einem Hosensack in den anderen»-Move wahrgenommen werden könnte, hat Folgen für die Erben – sie bekommen die ­Werke nämlich nicht. Er habe seinen beiden Kindern dargelegt, dass Kunst ein Kulturgut sei und darum keinen persönlichen Reichtum darstelle. «Ich habe die Sammlung als Vermittler zusammengetragen, jetzt gebe ich sie weiter.» Für seine Nachfahren sei sowieso gesorgt, sagt er noch. Immerhin ist nicht sein ganzes Vermögen in Kunst investiert. Doch man kann auch heraushören, dass er es nicht als Pflicht des Vaters ansieht, den Kindern den gesamten ­Besitz zu vererben. Stattdessen überliess er dem Kunsthaus Zürich damals ­siebzig ausgewählte Werke, seine bedeutendsten und teuersten. Damit die Sammlung Hubert Looser 2017 in die Kunsthaus-Erweiterung ­einziehen könne, stand in einer Mitteilung von 2013; mit «Erweiterung» ist der Neubau von David Chipperfield Architects, der ­F irma des britischen Architekten, gemeint, an dem zurzeit auf der ­gegenüberliegenden Strassenseite des Museums gearbeitet wird. ­Einen Augenblick bitte – 2017 sollte die Sammlung dort einziehen, doch 2018 wird an der Erweiterung noch gebaut . . . Richtig. Was auch Bauherren, die beispielsweise ein Familienhaus erstellen ­liessen, schon erlebten: Der vereinbarte Zeitplan kann nicht eingehalten werden. Gegenwärtiger Planungsstand ist, dass die Erweiterung in mehr als zwei Jahren, im Herbst 2020 also, abgeschlossen sein und eröffnet werden soll. 2013, übrigens, wurde eine grosse Zahl Werke aus Loosers Sammlung bereits im Kunsthaus gezeigt – der drei Monate dauernde Vorgeschmack darauf, was in der Erweiterung dereinst zu sehen sein soll, wurde in einer Kunsthaus-Medienmitteilung als «hochkarätig» beschrieben. Doch wäre es übertrieben, die e­ rste Show der Fondation Hubert Looser in der Schweiz als Grosserfolg zu b ­ ezeichnen: 25 000 Besucher interessierten sich dafür. Im ­Nasjonalmuseet Oslo hingegen, wo der Sammler seine Werke vergangenes Jahr ausstellte, interessierten sich 90 000 Menschen ­dafür. Man könnte es dem Mäzen nachsehen, falls er zum Schluss käme, möglicherweise hätten sich die Zürcher Museumsverantwortlichen weniger ins Zeug gelegt als ihre Kollegen in Oslo. Seither sind rund fünf Jahre vergangen. In dieser Zeit fand ­L oosers Dialog-Ausstellung in Essen statt und demnächst eröffnet eine Show in Krems (Österreich, Juli bis November 2018); weiter

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Wer genug Platz hat, um alle Bilder aufzuhängen, ist ein Käufer. Wer zu wenig Wände hat, ist Sammler.


WW-Persönlichkeit  Story

Auf der einen Seite steht ein Mann, der gewohnt ist, dass das, was er will, geschieht. Was auf der anderen Seite einige Verantwortliche einer wichtigen Institution vielleicht ein wenig herausfordert – könnte ja jeder kommen.

waren einzelne Hauptwerke in rund vierzig Museen irgendwo auf der Welt zu sehen, darunter Tony Smiths «Ten Elements» im ­Garten der Fondation Beyeler. Der Mäzen hat seine Erfahrungen in ­d iesem Zusammenhang in einen Vortrag eingebracht, den er etwa im Ausbildungszentrum der UBS hielt. Titel: «Vom Sammler zum Public Private Partner». Und kommt zum Schluss, es handle sich dabei um eine «Win-Win-Situation». Ausser, so sieht es im Augenblick aus, in Zürich. Der Stadt also, die seit vielen Jahren des Sammlers Lebensmittelpunkt darstellt. Damit wir uns richtig verstehen: Wenn gebaut wird, kann es ­immer Schwierigkeiten geben, etwa Überschreitungen des vorgesehenen Zeitrahmens. Und wenn gross gebaut wird, wie im Fall der Kunsthaus-Erweiterung, können die Schwierigkeiten/kann die ­Zeitüberschreitung gross ausfallen. Das sieht auch Looser, der in Zwischenzeit seinen achtzigsten Geburtstag hinter sich hat. Und der 2012, als er seine siebzig ausgesuchten Werke dem Kunsthaus überliess, davon ausging, in sechs Jahren wären seine Schätze seit einem Jahr oder länger on display. Doch es gehe nicht bloss um das. Sondern darum, dass er sich eine gezielte Erweiterung sowie qualitative Entwicklung der Sammlung, inklusive seiner Leihgabe, wünsche. Um dem Publikum ein besseres Verständnis der Kunstgeschichte zu ermöglichen. ­Wegen der beschränkten eigenen Mittel der Institutionen seien Private, Mäzene und Sammler, aufgefordert, diese Lücken zu schliessen. Er ist der Meinung, dass Museumsverantwortliche sich darum auch aktiv um bestimmte Werke bei den jeweiligen Sammlern bemühen müssten. Denn nur so könne eine Aufbruchsstimmung auf dem Kunstplatz Zürich entstehen, von der der Erweiterungsbau profitieren würde, sagt er. Looser möchte wissen, was der grosse Plan sei für die Erweiterung, den Neubau der Chipperfield-Architekten also, in den ­Werke seiner Sammlung, hoffentlich, bald einziehen werden. Er hat vor kurzem das sogenannte Kunstforum Zürich erdacht und mitgegründet (WW-Magazin-Kolumnist Andreas Ritter hat darüber ­berichtet). Die Stiftung ist als Diskussionsplattform für Debatten und K ­ onferenzen, die den Kunstdialog anregen, gedacht. Die e­ rste Veranstaltung, im März vergangenen Jahres, drehte sich um die Frage: «Welches Museum wollen wir?» Von mir auf Hubert Loosers Einschätzung angesprochen, antwortet Björn Quellenberg vom Kunsthaus Zürich in einer E-Mail, man sei überrascht, dass ihm die Ankaufspolitik nicht klar sei. Denn «die Prämissen, nach denen die Zürcher Kunstgesellschaft sammelt, sind öffentlich und im Leitbild publiziert». (Es folgt ein Verweis auf die Webseite des Museums.) Weiter: Die Wahrnehmung von Lücken im Bestand sei subjektiv. Wo das Kunsthaus ­solche nicht mit eigenen Mitteln schliessen könne – der b ­ escheidene ­A nkaufs-Etat reicht vorwiegend für den Erwerb Zeitgenössischer

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Kunst – wende es sich an die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, der auch Hubert Looser angehört. «Die Sammlung des Kunsthauses besteht zu drei Vierteln aus Geschenken, jedes Jahr kommen Dutzende dazu.» In den vergangenen zehn Jahren etwa seien nicht nur die weltbekannte Sammlung Bührle und die Sammlung Knecht im Kunsthaus deponiert worden, letztere sogar als Geschenk, sondern zahlreiche weitere Dauerleihgaben und Schenkungen von Schweizer und ausländischen Gönnern. Welche davon heute oder später als bedeutend angesehen würden, liege im Auge des Betrachters. «Und jede Generation darf darüber streiten.» Von der Kunstgesellschaft, die hinter oder über dem Museum steht, erhielt ich, nebenbei, keine Antworten: «Zu den Tätigkeiten und Entscheiden des Kunsthauses geben in der Regel nicht die ­Vorstandsmitglieder Auskunft», schrieb der Kommunikationsmitarbeiter des Präsidialdepartements der Stadt Zürich. Obwohl ­L ooser sich auch an den Präsidenten des Vorstands, Walter K ­ ielholz, ­respektive Corinne Mauch, die als Stadtpräsidentin Mitglied ist, ­gewendet hat. Das ist die Geschichte der Fondation Hubert Looser und ­ihrer (vorläufig zeitlich befristeten) Leihgabe von siebzig b ­ edeutenden Werken des abstrakten Expressionismus, der Minimal-Art und Arte Povera an das Kunsthaus Zürich. Es ist eine ­komplizierte ­G eschichte, nicht wahr? Oder etwa doch nicht – ist es am Ende stattdessen eine ganz einfache? Bloss eine, die man erst versteht, wenn man sich weniger um die Kunsthistorie oder den Kunstmarkt betreffende Einzelheiten kümmert? Weil sie mehr mit Status und Dominanz zu tun hat? Sowie mit Egos? Man kann es auch so sehen: Auf der einen Seite steht ein Mann, der als Unternehmer erfolgreich war, danach als Sammler. Der als Geschäftsmann einen beispielhaften exit, Ausstieg, vorführte und diesen als Sammler ebenfalls anstrebte. Und nun den Aufstieg zum Mäzen sucht. Ein Mann aber auch, der gewohnt ist, dass das, was er will, geschieht – schliesslich will er Gutes tun, macht eine Leihgabe oder, mit anderen Worten: er bezahlt. Was auf der anderen Seite einige Verantwortliche einer wichtigen Institution vielleicht ein wenig, sagen wir, herausfordert – im Wirtschaftsleben mag’s so sein, dass wer bezahlt, befiehlt. Aber in der Kultur, wo es schliesslich um mehr geht als bloss Geschäfte, hmm? Da könnte ja jeder kommen. Besser folglich, man verwischt die alte und ­scharfe Trennung von Geld und Geist nicht überstürzt und mit leichter Hand . . . Diese Sicht auf die Geschichte sei zu oberflächlich? Tatsächlich, was in der Stellungnahme des Kunsthauses auch noch steht: Die Vereinigung der Zürcher Kunstfreunde entscheide über A ­ nkäufe, die sie dem Kunsthaus als Dauerleihgabe zur Verfügung stelle, basisdemokratisch. Dabei «hat offenbar Hubert Looser die anderen 800 Mäzeninnen und Mäzene nicht von seinen Ankaufsvorschlägen überzeugen können». Möglich auch, dass Herr Looser ein Verfechter angelsächsischer Museumsstrukturen sei, wo die Finanzen und Ankäufe von mächtigen privaten Vorstandsmitgliedern, häufig mit bedeutenden Sammlungen, massgeblich beeinflusst würden. Aber immerhin «funktioniert die Zürcher Kunstgesellschaft seit mehr als 200 Jahren nach einem anderen, sehr erfolgreichen Modell». Und, zum Schluss, steht in der Stellungnahme noch: «Es ist festzuhalten, dass die Sammlung Hubert Looser diejenige des Kunsthauses ergänzen soll und nicht umgekehrt.» Das war die Geschichte des Hubert Looser und seiner aussergewöhnlichen Kunstsammlung. Die er seit mehr als sechs Jahren nicht mehr nur wenigen ausgewählten Augenpaaren zugänglich machen möchte, sondern möglichst vielen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der von fast allem mehr hat als die meisten Menschen, ausser von einem – Zeit.

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Portfolio  Fotokunst

Der Spitzname des chinesischen KÜNSTLERS ist eine Anspielung auf Performances, bei denen er in der UMGEBUNG VERSCHWINDET respektive im Hintergrund untergeht. Am Anfang war es weniger ein Konzept, mehr seine Art des Protests gegen die ZERSTÖRUNG des Pekinger Künstlerviertels durch die Polizei, in dem er damals lebte. Mit anderen Worten: Die Behörden, die ihn am Arbeiten hindern wollten, haben seinen Aufstieg möglich gemacht. Seine Fotoserie «HIDING IN THE CITY» wird auch im Ausland beachtet.

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Bild: Liu Bolin / Courtesy Galerie Paris-Beijing

Der Unsichtbare


ÂŤCivilian and PolicemanÂť, 2006


Portfolio  Fotokunst

«Marine Litter», 2017

Bilder: Liu Bolin / Courtesy Galerie Paris-Beijing

«Yellow River», 2011

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Fotokunst  Portfolio

«Soft Drinks», 2013 «Ancient Watercourse», 2007

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Portfolio  Fotokunst

«Sou Jia Village», 2006 «Iron Fist», Grand Palais, 2014

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Fotokunst  Portfolio

«Das Einzige, worauf es ankommt, ist die Integrität des Werks»

Liu Bolin über seine Auftragskunst für Unternehmen.

L

iu Bolin, 45, ist ein chinesischer Foto­ graf, Bildhauer und Performancekünstler. Für seine bekanntesten Arbeiten bemalt er sich so, dass er (fast) nicht mehr von seiner Umgebung unterscheidbar ist. Er begann damit, als das Pekinger Viertel Suo Jia Cun, wo er und zahlreiche andere Künstler lebten, im Auftrag der Stadtverwaltung abgerissen wurde, weil Baubewil­ ligungen fehlten, angeblich. Die Fotografien seiner Performances ebendort, auf denen er im Hinter­ grund verschwindet, wurden auch in Amerika, Fran­ kreich oder Italien gezeigt sowie beachtet; seither nennt man ihn «The Invisible Man». Er wird von Galerien in New York oder Paris vertreten, seine Werke wurden schon in Museen in Moskau, London oder Stockholm ausgestellt. Bei seiner neusten Arbeit verschmilzt er mit Reben in der Cham­ pagne, Kreide­keller-Wänden von Ruinart in Reims ­respektive Stahlfässern, wo Champagner entsteht, bevor er zur Lagerung in Flaschen abgefüllt wird. Die Bilder entstanden im Auftrag der Marke, die zur ­Louis-Vuitton-Moët-Hennessy-LVMH-Gruppe gehört; im Laufe dieses Jahres werden sie an ver­ schiedenen Kunstmessen in Europa und Amerika zu sehen sein. Liu Bolin ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Peking.

sogenannte ‹kleine Angestellte› von grossen Firmen. Das war auch so bei meinen Bildern für Ruinart, in denen einige Mitarbeiter der Champagnerherstellung mit ihrem Arbeitsplatz verschmelzen. Was sind die Vorteile und Nachteile für Sie als Künstler bei der Zusammenarbeit mit einem ­Unternehmen? Ein Nachteil ist, dass man sich unter einen ­bestimmten Druck setzt, weil man liefern muss. Der Vorteil ist, auf die Erfahrung und Kenntnisse des Auftraggebers oder Partners zurückgreifen zu können – so lernt man eine Menge über Dinge, von denen man früher nicht viel wusste. In Europa und Amerika reagieren viele Künstler nicht positiv, wenn ein Kollege mit oder für eine Firma arbeitet. Wie ist das in China, haben ­Künstler dort weniger Berührungsängste, weil die Trennung von Kultur und Kommerz weniger strikt ist? Ich bin der Falsche, um über die chinesische Künstlergemeinde Auskunft zu geben, ich habe nicht sehr viele Kontakte zu Kollegen und weiss deshalb nicht genau, was diese denken. Was mich betrifft, ist es das Gleiche, ob man ein Kunstwerk im ­Auftrag eines Unternehmens macht oder für die Galerie respektive sich selber: Das Einzige, worauf es ankommt, ist die Integrität des Werks. Solange das Ergebnis stimmt, ist egal, wer dafür bezahlt.

Bilder: Liu Bolin / Courtesy Galerie Paris-Beijing, Ruinart

Als Künstler möchte man gesehen werden, denke ich. Sie dagegen möchten unsichtbar sein oder in Ihrem Werk verschwinden – einverstanden? Unsichtbar zu sein in meinem Werk ist ein ­Symbol für mich. Das heisst, ich bin nicht ganz einverstanden mit dem Begriff ‹unsichtbar›; mir geht es darum, mit meiner Umgebung zu verschmelzen. Ein Symbol wofür? Ein Mittel, genauer gesagt, um eine Entwicklung aufzuzeigen. [Eine Dolmetscherin übersetzte meine Fragen, die ich auf Englisch stellte, ins Chinesische und gab seine Antworten auf Französisch wieder.] Bei meiner Serie, ‹Hiding in the City› von 2011, ging es etwa darum, die Entwicklung Chinas von einer Gesellschaft, in der die Mehrheit der Menschen auf dem Land oder in Dörfern lebte, in eine städtische Gesellschaft aufzuzeigen. Oder mit den Bildern, auf denen ich mit dem Gemüseangebot oder der Soft Drink-Auswahl eines Geschäfts verschmelze, wollte ich auf die Lebensmittel-Skandale aufmerksam ­machen, die es in industrialisierten Ländern gibt. In meinen neueren Arbeiten verschmelze nicht nur ich mit der Umgebung, sondern auch andere ­Leute, die in den Bildern vorkommen – beispielweise

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Sie sind am bekanntesten für Ihre Fotografien. Doch Sie beherrschen andere Medien, sind auch Maler oder Bildhauer, was weniger wahrgenom­ men wird. Stört Sie das? Zuerst einmal meinen Dank dafür, dass Sie es wahrgenommen haben, das freut mich; ich bin ­ausgebildeter Bildhauer und male oft, zirka sechzig ­Prozent meiner Arbeitszeit verwende ich dafür. Und ich denke im Augenblick viel darüber nach, ob ich zufrieden sein soll, dass ein Teil meiner Arbeit stark beachtet wird. Oder ob ich mehr dafür tun müsste, dass ­meine anderen Werke ebenfalls wahrgenommen werden . . . Aber ich will ehrlich sein: Es ist ein Traum von mir, einmal eine Ausstellung zu bekommen, in der Werke der verschiedenen Medien, mit denen ich arbeite, gezeigt werden. Interview: Mark van Huisseling

Mit dem Arbeitsplatz verschmelzen: Der Künstler (oben u. unten rechts) in den Reben von Ruinart.

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Diesen Herbst findet im Lausanner Musée de l’Elysée eine Ausstellung mit 70 grossformatigen Bildern von Liu Bolin statt (ab 17. Oktober 2018).

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Story  Architekturreise Das 1949 erbaute Glass House von Philip Johnson. Hier lebte er während 55 Jahren.

In NEW CANAAN in Connecticut befindet sich die wohl grösste A ­ nsammlung von ­HÄUSERN im ­Mid-Century-Modern-Stil Amerikas – und somit der Welt. Ein Besuch bei NEW YORKS stilvollen Nachbarn. Text: ODILE BURGER

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Bild: Xxxxxx Xxxxxxx

IM GLASHAUS


Bild: Michael Biondo


N Next station to heaven – Vorgarten zum Paradies. So beschrieb ein Journalist New C ­ anaan Ende des 19. Jahrhunderts. Das New trägt der Ort in Connecticut in seinem N ­ amen wie so viele in Amerika – weil er eben ziemlich neu ist, gemessen an Kanaan, einer R ­ egion, ­deren Bezeichnung ins Altertum zurückgeht (sie stand für das heutige südwestliche ­Syrien). Seit 1868 fährt die Eisenbahn hin, und aus diesem Grund entdeckten wohlhabende New ­Yorker den Vorgarten zum Paradies, der von dort in bloss einer Stunde erreicht werden kann. Heute zählt die Gemeinde zu den reichsten von Amerika – in einer CNN-Rangliste liegt New ­Canaan bezüglich Einkommen auf Platz fünf. Aber es geht ja nicht nur ums Geld, wenn man vom Himmel beziehungsweise vom ­Paradies spricht. Vielmehr ist hier die Landschaft gemeint, und das vielleicht gerade weil sie nichts Aussergewöhnliches ist, sondern so, wie wir uns eine hübsche Gegend vorstellen: sanfte Hügel, Laubwälder mit alten Baumbeständen und kleine Flüsse, sogenannte creeks, deren Wasserläufe sich durch die unberührte ­Natur schlängeln. Das eigentliche «Stadtgebiet» erstreckt sich zwar über nahezu sechzig Q ­ uadratkilometer, das Provinz-Städtchen aber gleicht dem, was man ein Dorf nennen würde: Es gibt eigentlich nur eine Strasse, die gesäumt ist von ­Restaurants und Geschäften links und rechts. Das Erscheinungsbild ist sauber und gepflegt, die 20 000 Einwohner bezahlen offensichtlich ihre Steuern. Je weiter man sich vom Kern des Städtchens entfernt, desto grösser werden

die privaten Anwesen, und bald thronen auf sanften Anhöhen grosse Häuser im Kolo­ nialstil. Man fragt sich vielleicht, wer denn in den wohl zwanzig Schlafzimmern schläft. Doch – so beeindruckend diese Häuser sind – der Grund, weshalb man als Tourist hierher kommen sollte, liegt im Schatten dieser ­vornehmen Landsitze, nicht selten sogar versteckt in den Wäldern. Dort findet man die wohl grösste Ansammlung von Häusern der Mid-Century-­Modern-Architektur in Amerika und somit der Welt. In den 1940er und 50er Jahren haben sich eine Handvoll Architekten in New Canaan niedergelassen, die später einmal zu den gros­sen Namen gehören sollten. Das Land war günstig, vorausgesetzt man kaufte unwirtliches im Wald, zudem reizte das kulturelle Angebot der nahegelegenen Grossstadt. «The Harvard Five», so nannte sich die Gruppe avantgardistischer Architekten, die ­gemeinsam mit dem deutschen Bauhaus-Gründer, Walter ­Gropius, die Architektur-Fakultät in Harvard ­aufbaute. Es waren dies John ­­­M. ­Johansen, der s­ päter eine Tochter von ­Gropius heiratete, Marcel Breuer, Eliot Noyes, ­L andis ­G ores und P ­ hilip Johnson. Oft publiziert sowie mit Preisen ausgezeichnet wurden deren – aus heutiger Sicht meisterhaften – Bauwerke: das Zuhause von ­L andis Gores oder Eliot Noyes zum Beispiel, Häuser also, die sie für ihre Familien bauten. Aber auch im Auftrag entstandene B ­ auwerke wie das ehemalige pool house von G ­ ores – der ­heutige P ­ avillon im Irwin Park – gilt als ­herausragende Architektur, ebenso das Bridge House von Johansen. Letzteres befindet sich am Ende einer kleinen Sackgasse ­namens Louise’s Lane im Norden der ­G emeinde und mitten im Wald. Ein Einfamilienhaus aus ­seiner neoklassizistisch ­inspirierten Phase, dessen Wohnzimmer sich wie eine Brücke über einen kleinen Fluss erstreckt. Für fünf Millionen Dollar wechselte das Haus vor ein paar Jahren die Hand. Zum Verkauf steht zurzeit das ehemalige Eigenheim von Marcel Breuer, ein Deutscher ebenfalls, der heute vor allem bekannt ist als Erfinder des modernen ­Stahlrohr-Möbels. Er stand wohl am stärksten unter dem Einfluss von Walter Gropius, denn er a ­ bsolvierte als junger Mann eine Tischlerlehre am Bauhaus

In den 1940er und 50er Jahren haben sich eine Handvoll Architekten in New Canaan niedergelassen, die später zu den grossen Namen gehören sollten: Philip Johnson, Marcel Breuer, Eliot Noyes . . . 38  WW Magazin

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Bilder: Michael Biondo, Julius Shulman, Bryan Haeffele

Story  Architekturreise

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Architekturreise  Story

DIESE HÄUSER SIND ZU KAUFEN

MARCEL BREUER HOUSE II Marcel Breuers ursprüngliches Eigenheim, gebaut 1951, kürzlich umfassend renoviert durch den Architekten Toshiko Mori sowie ergänzt mit einer Stahl- und Glaskonstruktion. 440 Quadratmeter Wohnfläche, 4 Schlafzimmer, 6 Nasszellen, Garten mit Pool. Preis: 3, 6 Millionen Dollar Der 19 Hektaren grosse Park mit Wohnhaus des Architekten Philip Johnson ist seit 2007 öffentlich zugänglich.

THE WILEY HOUSE Philip Johnsons Haus aus den frühen 1950er Jahren, kürzlich renoviert und ergänzt mit einem pool house. Jetziger Besitzer: Frank Gallipoli (Freepoint), 520 Quadratmeter Wohnfläche, 4 Schlafzimmer, 5 Nasszellen, Garten mit Pool und Pool-Haus. Preis: 9, 5 Millionen Dollar

In diesem «Bunker» hinterliess Philip Johnson eine bedeutene Kunstsammlung.

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ELIOT NOYES HOUSE Ursprünglich nach einer Vision von Eliot Noyes gebaut und 2003 vollständig neu gestaltet. Architekt: Joeb Moore, 770 Quadratmeter Wohnfläche, 5 Schlafzimmer, 5 Nasszellen, Garten mit Pool und Pool-Haus. Preis: 5,8 Millionen Dollar

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Story  Architekturreise

Bridge House von John M. Johansen, erbaut 1958 im Auftrag der Familie Warner.

Der «Gores-Pavillon», 1959 als pool house gebaut für Jack Irwin und Jane Watson, Tochter des IBM-Gründers.

Wiley House von Philip Johnson 1953, Frank Gallipoli (vom Rohstoffhändler Freepoint) möchte es zurzeit verkaufen.

in Weimar, anschliessend ­a rbeitete er im Büro von Gropius. 1933 verliess der Jude mit ­u ngarischen Wurzeln Nazideutschland und gelangte über Umwege nach ­A merika, wo er Jahre später in Harvard wieder auf seinen Lehrmeister traf. Sein Wohnhaus in New Canaan, das man für gut dreieinhalb ­M illionen Dollar kaufen kann, ziert das Cover des ­coffee table books «Mid Century Houses Today». Rund hundert Häuser wurden Mitte des vergangenen Jahrhunderts in New Canaan im Mid-Century-Modern-Stil gebaut, davon stehen heute noch achtzig, und vier wurden im «National Register of Historic Places» von Amerika aufgenommen. Eines der bekanntesten ist Philip Johnsons Wiley House, auch das steht zum Verkauf, der jetzige Besitzer, der Investor und Kunstsammler Frank G ­ allipoli, kaufte es als Design-Trophäe, die er – nach ­einer jahrelangen, aufwändigen Renovation – für vierzehn Millionen Dollar zu verkaufen versuchte, was offensichtlich nicht gelungen ist. Jetzt gibt er das Haus für neuneinhalb Millionen her. Wer aber wohnt in diesen Häusern? Es sind einerseits alte Menschen, meist Frauen, die dazumal in die neu gebauten Häuser einzogen, deren Kinder dort gross wurden und die nun in ihren Neunzigern ein zurückgezogenes ­L eben führen. Andererseits findet man junge Familien mit Design begeisterten ­Eltern – mein Cousin etwa. Er ist Mitte vierzig, Absolvent einer Ivy-League-Universität und private banker, verheiratet mit einer Schauspielerin aus Island (sie lernten sich in Los Angeles kennen), heute haben sie drei Kinder. Den ­A nforderungen moderner Familien werden diese Häuser nicht gerecht, leider, sagt er aus Erfahrung. Denn in den Flachbauten der 1950er Jahren gilt function follows form, also das Gegenteil von dem, was man heute als gelungenes Design bezeichnet: Die Küchen sind klein und abgeschieden, die Wohnzimmer hingegen oft gross und ihre Funktion, so scheint es, ist es vornehmlich, Gäste zu beeindrucken. Das Bridge-House veranschaulicht diese These, denn das Kinderzimmer und das Elternzimmer werden durch den spektakulären Livingroom, der als Brücke konstruiert wurde, getrennt. Man stelle sich das Kleinkind vor, das von Albträumen geplagt, quasi einen Fluss überqueren muss, um zu den ­Eltern zu gelangen. «In diesen Häusern ist zwar alles very stylish, aber man muss schon ein grosser Fan sein, um sich das anzutun, wenn man Kinder hat», sagt mein Cousin. Geeignet seien die Häuser für Design-affine, kinderlose Paare. Alle zwei Jahre gibt es eine Möglichkeit, vier auserwählte, privat bewohnte Mid-Century-Häuser


Architekturreise  Story

Philip Johnson war auch ein grosser Provokateur: Die Tatsache, dass er als bekennender Schwuler in ­einem Glashaus wohnte, sorgte für Entrüstung weit über die Grenzen New Canaans hinaus. her. Das 1949 erbaute Glashaus zeigt seine Faszination für klare Formen, inspiriert vom preussischen Klassizismus. Er war ein grosser Anhänger von Mies van der Rohe, der ­übrigens die eingebauten Möbel im Innern zeichnete. Es gibt dort ­keine Wände, was man dank der durchsichtigen Fassade von Weitem sieht. ­Einzig ein zylinderförmiger Körper aus Ziegelsteinen fällt auf, er diente früher als ­Kamin hin zum Wohnbereich sowie als Nasszelle in die andere Richtung. Die zur Schau gestellte Transparenz hatte einen Grund: Johnson war nicht nur ein grosser Architekt, sondern auch ein grosser Provokateur. Er propagierte, im Gegensatz zu den damals üblichen, privat ­abgeschirmten Einfamilienhäusern, das ­Einzimmer-Haus aus Glas. Und die Tatsache, dass ein Schwuler in einem Glashaus wohnte, statt sich zu verstecken, sorgte für ­Entrüstung weit über New Canaan hinaus. (Das Anwesen

ÜBERNACHTEN

Im «Roger Sherman Inn» (155 Dollar plus tax); die Pension mit Restaurant wird allerseits empfohlen, obwohl sie etwas in die Jahre gekommen ist. ­Höheren Ansprüchen gerecht wird das kürzlich renovierte ­ «Greybarns», ein ansehnliches Landhaus in der ­b enachbarten Gemeinde. Elisabeth Taylor verbrachte dort ­ hemann 1959 ihre Flitterwochen mit Eddie Fisher, E Nummer vier. ESSEN

Die Küche des hauseigenen Restaurants «Tavern» im «Greybarns» geniesst einen hervorragenden Ruf. Im Kern des Städtchens gibt es das «Elm», hier isst man wie im Paradies. Ausserdem gibt es eine heavenly ­P izza im «Locali». Oder man geht ins « ­ Uncorked», ein Barbetrieb mit Restaurant, next to the station.

Bilder: Bob Gregson, Michael Biondo Illustration: Julia Pfaller

zu besichtigen. Die Führung wird organisiert durch die Historical Society von New C ­ anaan, geplant ist die nächste am 20. Oktober 2018 (Informationen und Anmeldung findet man auf der Website). Höhepunkt eines Architekturausflugs nach New Canaan ist das Glass House, das ­Meisterwerk von Philip Johnson. Zwei Jahre nach seinem Tod, wurde das neunzehn Hektaren grosse Anwesen 2007 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es handelt sich dabei um sein umfassendes Vermächtnis, nicht zuletzt, weil er dort in einem unterirdischen Gebäude, das an einen Bunker erinnert, eine b ­ edeutende Kunstsammlung hinterliess. ­Johnson kaufte seinerzeit Werke von Frank Stella, Andy ­Warhol, Robert R ­ auschenberg, David Salle, Cindy Sherman und Julian S ­ chnabel. Während 55 Jahren pendelte er zwischen New York und seinem Refugium in New Canaan hin und

ist ab Mai bis in den Herbst geöffnet; Informationen auf der Glass House-Site.) Wer New York besucht, sollte sich einen Tag Zeit nehmen, mindestens, und «aufs Land» fahren. Kein Problem ist es mit einem Mietwagen, man benötigt eine knappe Stunde, ein Navigationssystem allerdings ist von Vorteil. Ich nehme jeweils den Zug: Die Metro North, ein sauberer und angenehmer Regionalzug, fährt von der Grand Central Station in den Nordosten und erreicht nach 65 Minuten die next station to heaven.

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«Wir müssen den Termin verschieben. Hexenschuss beim Yoga. Nicht so schlimm»: Dorothea Strauss per Whatsapp.


Kunst-Laufbahn  Story

Liebe Dorothea Als Elfjährige besuchte Dorothea Strauss mit ihren Eltern die Documenta – und hat diese Welt nie mehr verlassen. ­Seither war sie MUSEUMSDIREKTORIN , Kuratorin und so ziemlich alles weitere, was man sein kann, wenn man mit Kunst, Künstlern oder Ausstellungen arbeitet. Zurzeit verpasst sie der SCHWEIZER MOBILIAR ein künstlicheres Image. Text:

Bilder:

FELI SCHINDLER

GIAN MARCO CASTELBERG

L

«Liebe Mobiliar. Als ich neulich mit einer ­Journalistin einen Termin vereinbaren wollte, ­überwältigte mich eine grosse Schaffenskraft, worauf sich eine KunstExplosion in Bern ereignete, die einen Flächenbrand auslöste.» Natürlich füllte Dorothea Strauss, Leiterin

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Corporate Social Responsibility, keine Schadensmeldung im Stil der beliebten Werbekampagne ­ihres ­Arbeitgebers aus, sondern schrieb per Whatsapp: «Wir müssen den Termin verschieben. Hexenschuss beim Yoga. Nicht so schlimm.» Und hängte einen Smiley an. Der Kunsthistorikerin ist der Humor kurz vor der ­Eröffnung ihrer neusten Ausstellung «Kunst und Nachhaltigkeit Vol. 9. Leben in der Kunst. Werke aus der Sammlung Carola und Günther KettererErtle» deswegen nicht abhandengekommen. Mit einem strahlenden Lächeln begrüsste sie einige Tage später in Bern zahlreiche Gäste: Politiker, Künstler und andere Kunstschaffende, Bürolisten und ­bunte Vögel. Tout Bern sei hier, hiess es, darunter das Sammlerpaar Ketterer-Ertle, Nachfahren der ­­­­bekannten G ­ aleristenfamilie und Besitzer einer bedeutenden Sammlung von Werken Deutscher und Schweizer Expressionisten sowie zeitgenössischer Videokunst. Über 600 Vernissagegäste fanden sich in der spektakulär mit Fotoabzügen der Sammlerwohnung tapezierten und mit Kunstwerken bestückten Lobby der Schweizer Mobiliar-Direktion ein. Kaum fläzten

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Kunst-Laufbahn  Story

GLÜCK UND SEELE STATT POLICEN Kunst fördern heisse, innovative Projekte zu begleiten und Kunstwerke für die Sammlung zu erwerben, sagt die Kuratorin. Auf der Website findet man ­Gegenwartskunst von Ana (Roldán) bis Zilla (Leutenegger). Wer es lieber analog mag, kann sich in der Kantine und Lobby an der Bundesgasse 35 in Bern Werke ansehen. 1. «Blumenstillleben», 1954, Cuno Amiet 2. «Was, Wenn», 2016, Kerim Seiler 3. «Die Wirklichkeit stellt eine Unwahrscheinlich keit dar, die eingetreten ist», 1998, Chantal Michel 4. «Frankenroll», 2016, Opavivara! 5. «Window», 2016, Stephan Melzl 6. «Redefining The Power II», 2011, Kiluanji Kia Henda 7. «Hergiswil, 1961», 1961, Arnold Odermatt 8. «Bravo – First Light», 2017 Julian Charrière

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Bilder: Courtesy Die Mobiliar, Kerim Seiler / ProLitteris, Zürich, Arnold Odermatt / ProLitteris, Zürich, Julian Charrière / ProLitteris, Zürich

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Kunst-Laufbahn  Story

sie sich in die Sessel, wurden sie wieder aus ihrer Komfortzone herausgeholt. Dorothea Strauss forderte zum Mitmachen auf: «Stellen Sie sich auf ein Bein. So. Und stellen Sie sich vor, es kommt ein Windstoss. Wackelig? Unangenehm?» Sie selbst löste das Problem auf ihren High Heels souverän und die Anwesenden, trotz Cüpli und Häppchen in Händen, mehr oder weniger auch. «Sehen Sie, darauf kommt’s an!», rief sie ins Publikum. «Die Balance zu finden – zwischen Tradition und Innovation, zwischen arm und reich, zwischen analog und digital.» Mehr noch, die Kunst biete das beste Übungsfeld, um auf die Welt zu blicken und Zusammenhänge zu entdecken. Fakten und Zahlen allein würden schnell einmal keinen Sinn ergeben, wenn das Kontextverständnis fehle. «MINT-Fächer in Ehren – gemeint sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – aber wir brauchen auch FKK!», forderte sie. Was sie auch sofort auflöste: «Fantasie, Kreativität und Kontext.» Lacher und Applaus. Dorothea Strauss hatte die Leute im Sack. Wer ist die Frau, die im Alter von 27 Jahren Direktorin in einem Museum für gegenstandsfreie Kunst in

«Wir brauchen FKK!» (Fantasie, Kreativität und Kontext): Dorothea Strauss an der Langstrasse in Zürich.

Otterndorf an der Nordsee wurde, später die Kunsthalle St. Gallen und während vieler Jahre das ­Museum Haus Konstruktiv in Zürich führte? Eine Antwort auf die ­Frage gibt ein Treffen am Freitagabend im Zürcher Hauptbahnhof: Strauss, in dunklem Mantel und schwarzer Hose, kommt nach einer Woche mit Vernissage, Meetings und Workshops auf dem Weg von Bern an ­ihren Wohnort am Albis mit zwei ­schweren Koffern angerollt. Zielstrebig steuert sie den Japaner um die Ecke an, wo bei Espresso, Edamame und Sake – ­alles gleichzeitig – ein Gespräch mit ihr ­s tattfindet. Austausch sei für sie alles, sagt sie, ob mit Künstlern, ­K limaforschern, Städteplanern oder mit ­ihrem ­Lebenspartner, einem ehemaligen Journalisten, der ­heute in Zürich Kunstausstellungen im ­öffentlichen Raum verantwortet. Oder sei es wie einst mit den ­Eltern und Gästen am Familientisch. Die Mamma war Sängerin und Pianistin, der Vater Bassist und Komponist. Für den Clown Charlie Rivel komponierte der Papa die Begleitmusik. Und wichtig war wohl auch der Grossvater, der Kunstmaler, Unternehmer und ein Freund von Otto Dix war. Ein kreatives Umfeld also. «Reden über Kunst war immer wichtig. Es wurde viel diskutiert, gestritten und wieder versöhnt bei uns zu Hause», sagt sie. Aber wo war das Zuhause? Die ­Engagements der ­Eltern brachten es mit sich, dass man nie länger am gleichen Ort ­lebte. ­D orothea ­wurde in Deutschland geboren, wuchs in Israel, Holland, Deutschland und in der Schweiz auf. In ihrer weitverzweigten ­Familie gibt es hugenottische, russische, j­üdische, rheinländische und ­aargauische Vorfahren. Die ersten Jahre hatte sie Privatunterricht, und der interessierte sie nicht sonderlich. «Viel spannender waren ­andere Dinge. Etwa die ­D ocumenta, welche die Eltern ­regelmässig besuchten.» Man war mit ­Joseph Beuys ­b efreundet und reiste 1972 zur Kunstschau von Harald ­Szeemann, die im ­Nachhinein von Kritikern als bahnbrechend beurteilt wurde. War das die ­Initialzündung für Strauss’ Kunstaffinität? Ja, aber nicht wie man vermuten könnte, das ­Aha-Erlebnis ­eines frühreifen Kindes, sondern mehr eine wunderbare Koinzidenz. «Ich trug damals einen Pulli, Stil siebziger ­Jahre, der ­genau die gleiche ­orange Farbe ­hatte wie Harrys Ausstellungskatalog.» Und weil er farblich p ­ erfekt passte, schleppte sie den Bundesordner stolz durch die Ausstellung, ­erinnert sich Dorothea Strauss. ­Damals wusste sie natürlich noch nicht, dass sie über drei Jahrzehnte später an der FussballWM 2006 in Deutschland für Szeemann die Ausstellung «Rundlederwelten» fertig­ stellen würde – weil dieser während der Vorbereitungsarbeiten verstarb. Item. Es f­ olgte die ­Gymizeit, als Dorothea mit Kollegen


Kunst-Laufbahn  Story

freakige Ausstellungen in Privatwohnungen organisierte. Später studierte sie, zuerst Physik, wechselte dann aber die Richtung und schloss in ­Kunstgeschichte und Dokumentarfilm ab. Dass sie während des Studiums bei der Werbeagentur J. Walter Thompson im Team des

Musste sie sich wegen ihres Jobwechsels anfangs rechtfertigen – Running Gag: «Verkaufst du jetzt Policen?», – hat sie sich unterdessen Respekt verschafft. Werbers Charles Wilp (VW: «Und läuft . . . und läuft . . . und läuft») jobbte, erfüllt sie heute noch mit Stolz. Mit 27 wurde sie Direktorin am Museum für gegenstandsfreie Kunst in Otterndorf an der ­N ordsee. Spuren ­hinterliess sie in der Folge an der Kunsthalle St. Gallen und insbesondere am Zürcher Museum Haus Konstruktiv, wo sie zwischen 2005 und 2013 aufwendige Ausstellungen stemmte, etwa die Übersichtsschau zu hundert Jahre konkret-konstruktiver Kunst. Hier rief sie den «Zurich Art Prize» ins Leben, eine Auszeichnung für Kunstschaffende wie etwa Mai-Thu ­Perret, die das konkret-konstruktive Erbe pflegen und mit zeitgemässen Ideen in die Zukunft führen. Oder sie ­zeigte ­Installationen des Bildhauers ­Tobias Rehberger und der Minimal-Art-Plastikerin Charlotte Posenenske, ­realisierte eine Soloschau des Fotografenpaars Anna und Bernhard Blume, präsentierte Max Bill in einer ­umfangreichen Jubiläumsausstellung und holte bedeutende lateinamerikanische Sammlungen in die Schweiz. Sie modernisierte das Haus, indem sie das Programm internationalisierte und die konkret-konstruktive Kunst mit konzeptuellen Arbeiten ergänzte. Dorothea Strauss denkt vernetzt. Was ihr, gepaart mit ihrer ungebrochenen Neugier auf Unvorhersehbares, nun seit fünf Jahren auch als Leiterin der Abteilung Corporate Social Responsibility, also zuständig für die soziale Verantwortung der grossen Versicherungsgesellschaft, zugutekommt. Sie beschreibt ihre Aufgabe und die ihrer fünfzehn Mitarbeiter so: «Wir setzen auf die

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Zukunft der Natur und unterstützen etwa die Klimafolgen-Forschung an der Uni Bern, Schweizer ­Wanderwege oder Präventionsprojekte im Hochwasserschutz. Wir bauen auf die Zukunft von Kultur, gemeint ist Arbeitskultur genauso wie Städteplanung und Kunst.» Oder anders gesagt: «Wir wollen einen Rahmen geben, um über das Jetzt und die Zukunft nachzudenken.» Musste sich die Kunsthistorikerin bei ihren Bekannten und Kollegen aus der Welt der Kunst wegen ihres Jobwechsels anfangs noch rechtfertigen – Running Gag: «Verkaufst du jetzt Policen?», – hat sie sich unterdessen Respekt verschafft. Man könne Hausrat oder das Auto versichern, nicht aber Glück und seelisches Wohlbefinden. Das haben unterdessen auch die Unternehmen kapiert, sagt sie. Zur Philosophie der Nachhaltigkeit passe deshalb auch, dass der diesjährige «Prix Mobilière», ein Förderpreis für junge Künstler, den das Unternehmen jährlich vergibt, an den Lausanner Umweltforscher und Künstler Julian Charrière geht. Eine Filmreihe, die Strauss in Auftrag gab, mit Titel «Was, wenn . . .» ­dokumentiert Aussagen von Schweizer Persönlichkeiten zu gesellschaftsrelevanten Themen und ermutigt gleichzeitig junge Filmer, ihre Karriere ­voranzutreiben. Kunst fördern heisst aber auch, innovative Projekte zu begleiten und Kunstwerke für die Sammlung des ­Unternehmens zu erwerben. Wer auf der ­Website surft, findet ­G egenwartskunst von Ana (Roldán) bis Zilla (Leutenegger), professionell dokumentiert. Wer es lieber analog mag, kann sich in der Kantine und in der Lobby am Hauptsitz des Unternehmens die Werke des Sammlerpaares Ketterer-Ertle ansehen und von der Kraft der Kunst, die davon ausgeht, überzeugen. Mein Tipp: ­ Peter Aerschmanns vermummte Gestalten – Araberinnen und uniformierte Polizisten – vor dem Blitzlichtgewitter buddhistischer Mönche oder Stäubli/Hafners ­k omische Szenen eines Kunstraubs. Beachten Sie: Viele Führungen sind bereits ausgebucht. Die Angestellten des ­Unternehmens sollen Schlange stehen, hört man in Bern. «Liebe Mobiliar, Dorothea Strauss hat ein Feuer entfacht – löschen Sie es bitte nicht, es wird nicht Ihr Schaden sein.»

KUNST UND NACHHALTIGKEIT VOL 9. LEBEN IN DER KUNST – WERKE AUS DER SAMMLUNG CAROLA UND GÜNTHER KETTERER-ERTLE

Eine Ausstellung, kuratiert von Dorothea Strauss, mit Werken von u.a.: Zilla Leutenegger, Franziska Megert, Chantal Michel, Albert Müller, Yves Netzhammer. Bis 17. August 2018. Geöffnet: täglich zu den Arbeitszeiten, Kantine und Lobby der Mobiliar-Direktion, Bundesgasse 35 in Bern.

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Aussenbetrachtung  Wanderlust

Illustration: TOBY NEILAN

Meine Corvette Unser Autor, ein Berner Werber, hat sich seinen Bubentraum erfüllt – und einen amerikanischen Sportwagen seines Jahrgangs gekauft. Er nennt sein Auto eine «Sie» und erzählt, wie er mit ihr lebt. Und manchmal leidet. Von: CHRISTOPH STÄHLI

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Ich habe meine Corvette 2015 gefunden, nachdem ich sie zwei Jahre lang gesucht h ­ atte. Ich spreche von ihr, nicht weil ich sie zu meiner Frau machen möchte, sondern weil die Corvette eben eine Sie ist und kein Er. Zugegeben, sie ist ein Bubentraum, ich wollte schon immer genau dieses Auto haben. Ich kaufe Autos weder als Investition, noch sind sie ein Statussymbol für mich – ich kaufe mit dem Auge. Es geht also ums Design, auch im Inneren, meine Corvette hat die Ausstaffierung, die ich mir immer gewünscht habe. Ich fahre alte Autos, seit ich mich zurückerinnern kann. Mein erstes Auto kaufte ich mit siebzehn, also noch vor der Fahrprüfung. Ein Ford Cortina. Alle waren ­immer mindestens zwanzig Jahre alt. Einmal hatte ich

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«Nur einmal bin ich unruhig geworden, das war, als ich mitten auf der Autobahn stehenblieb. Ich rief die Polizei, und sie kam alsbald und rettete mich.» Der Halter über sein klassisches Fahrzeug.

sogar einen Wagen aus den 1940er ­Jahren, mit nur drei Gängen, und die Schaltung ­funktionierte bloss mit Zwischengas. Das war eine richtige Familienkutsche, ein «Packard». Für mich – oder für uns damals – ganz praktisch, weil die Kinder, meine Zwillingstöchter, noch klein waren und wir in dem Oldtimer viel Platz hatten. Ich ­besass aber auch mal einen Fiat Dino, der h ­ eute teuer gehandelt wird . . . Überhaupt, ich versuchte kürzlich, mich an alle meine Autos zu erinnern, doch das fiel mir schwer, ich bin dabei eingenickt. Es waren so viele, ich

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glaube, ich hatte mehr Autos als Freudinnen in meinem Leben. In der Regel verkaufe ich eines, nachdem ich ein anderes gefunden habe. Aber meine Corvette ist fürs Leben, sie möchte ich nicht mehr hergeben. Amerikanische Fahrzeuge sind in der ­Regel langsam in der Preisentwicklung, ­dafür stabil – Porsches zum Beispiel oder Mercedes und, vor allem, Ferraris haben in der jüngeren Vergangenheit sprunghaft zugelegt. Ich verfolge das auf Online-Handelsplattformen. Aber wie gesagt, das interessiert mich nur am Rande. Ich liebe es einfach, alte Autos

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Wanderlust  Aussenbetrachtung

zu fahren. Sie riechen gut und fühlen sich ­a nders an. Wenn ich ihre Armaturen sehe, wird mir warm ums Herz. Meine Corvette habe ich in Zürich gefunden, bei einem Händler, der sonst Immobilien kauft und verkauft. Er ist also kein Profi, aber er erwirbt gelegentlich Autos in Amerika und importiert sie. Die Corvette kommt aus Kanada. Sie ist eines der ungefähr 70 000 Fahrzeuge, die zwischen 1963 und 1967 gebaut wurden. Es handelt sich dabei um die zweite Serie dieser Sportwagen, die General Motors produzierte. Die erste Serie war nicht erfolgreich, doch mit der zweiten erreichte Chevrolet, was dem Automobilhersteller vorschwebte: nämlich im Rennsport Fuss zu fassen und ernst genommen zu werden.

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Meine Corvette ist als Veteran im Verkehr immatrikuliert, was bedeutet, dass ich sie nicht mehr als 2000 oder 3000 Kilometer pro Jahr fahren darf. Ich fahre sie dennoch oft, manchmal sogar im Winter, obwohl ich noch ein anderes Auto habe. Gemeinsam mit meiner 15-jährigen Tochter, die bei mir lebt, mache ich Kurztrips, drei Tage vielleicht. Am schönsten ist es, über Land zu fahren, oder noch besser sind Passstrassen. Wenn man sparsam fährt, liegt der Verbrauch bei vielleicht 13 L ­ iter, der Wagen ist leicht, er wiegt nur 1300 Kilogramm. Auf einer Tour können es dann schon 16 bis 20 Liter Verbrauch sein. Wir fahren also in die Berge, manchmal dann auch weiter ins Piemont oder nach Frankreich. Das macht uns richtig Spass, wir übernachten

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in schönen Hotels und essen unterwegs gut. Autobahnfahren ist hingegen kein Vergnügen, auch wenn der Wagen locker 200 Stunden­ kilometer schafft, die Corvette ist laut, nicht zuletzt, weil sie ein Cabriolet ist. Auch in der Stadt macht es keine Freude, man steht ständig vor roten Ampeln, und die Kupplung geht schwer, das Anfahren ist mühsam. Da bin ich doch lieber mit dem Velo oder zu Fuss unterwegs. Der Unterhalt kostet schon etwas, angefangen beim Garagenplatz, den es unbedingt braucht. Aber in der Stadt Bern, wo ich lebe, ist das nicht so teuer. Im Winter lasse ich immer etwas überholen, auch wenn es nicht unbedingt notwendig wäre. Kabel ersetzen zum Beispiel. Pro Jahr investiere ich maximal 5000 Franken, damit das Auto seinen Wert erhält. Wichtig ist, dass alle Ersatzteile original sind, sonst würde die Corvette den Veteranenstatus verlieren. Mein Garagist ist mein Vertrauensmann, er besitzt selber auch genau ein solches Modell und weiss, wie er damit umgehen muss. Zurzeit ist die ­Corvette bei ihm, sie wollte nicht mehr anspringen und das Problem, wohl die Zündung, lässt sich offensichtlich nicht auf Anhieb beheben. Alte Autos haben so ihre Macken, d ­ amit habe ich viel Erfahrung. Ich werde nicht gleich nervös, wenn mal etwas nicht funktioniert. Es ist eine andere Welt, ich bin ja zum Glück nicht im Pendlerverkehr unterwegs. Nur einmal bin ich unruhig geworden, das war, als ich mitten auf der Autobahn stehenblieb. Ich rief die Polizei und sie kam alsbald und ­rettete mich. Meine Freizeit verbringe ich nicht mit Pützeln und Polieren. Nur einmal im Jahr, bevor der Winter kommt, reinige ich meine Corvette und ziehe ihr dann das «Pyjama» an, eine Abdeckhaube für die kalte Saison. Doch dann nehme ich sie trotzdem wieder raus, vor allem auch, weil meine Tochter – statt mit dem alltagstauglichen Auto – lieber mit der alten Lady unterwegs ist. Sie besteht manchmal sogar darauf, dass wir die ­Corvette nehmen, wenn es zum Skifahren geht. Aufgezeichnet von Odile Burger

CHEVROLET CORVETTE STING RAY C2, zweite Generation, Convertible, Baujahr 1965; 5,3 Liter Hubraum (small block), manuelles 4-Gang-Getriebe, 355 PS, Höchstgeschwindigkeit 218 km/h. Ungefährer Marktpreis für Modelle im Zustand 1 (beste Kategorie): 100 000 Franken.

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Aussenbetrachtung  Kulinarik

Illustration: MARC ASPINALL

AUF DER SUCHE NACH DEM ZAUBER Frühling in den VORALPEN – kann das angenehm sein? Mit Sicherheit, findet unser Autor. Und empfiehlt einen Ausflug nach GSTAAD im Berner Oberland. Vielleicht findet man sogar noch mehr als hübsche Hügel und warmes Wetter.

Text:

MARK VAN HUISSELING

A

uf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich bin kein grosser Fan von Gstaad als Reiseziel für den Wintersport. Weil ich es nicht so gerne mag, wenn man vom Ort, den man wählt zum Ski- oder Snowboardfahren, erst das Auto oder ein öffentliches Verkehrsmittel b ­ enutzen muss, um zur Talstation der Bahn zu gelangen, die einen dann endlich auf die Piste bringt. Doch darum soll es hier nicht gehen – ­antizyklische Berichterstattung in Ehren –, heute interessiert stattdessen, wo man jetzt ein angenehmes ­Wochenende, während dem Frühlingsgefühle aufkommen, in den Bergen verbringen kann. Nach diesem Haftungsausschluss-­ Einstieg, ­denke ich, bin ich ein glaubwürdiger Autor für die folgende Empfehlung. Das Dorf im Berner Oberland hat einen Platz weit oben auf meiner Liste besuchenswerter Orte im Frühsommer. Gelegen auf rund 1050 M ­ etern über Meer und inmitten sanfter, voralpiner H ­ ügel, beginnt die warme Jahreszeit dort Wochen oder Monate früher als zum Beispiel im mehr als 700 Meter höheren Engadin (und dauert länger ebenfalls). Was wohl auch dazu führt, dass rund die Hälfte der Logiernächte in den vierzig Hotels in und um Gstaad auf die Sommermonate entfallen. «Show don’t tell», sagen sie beim Film, «zeige, erkläre nicht». So ähnlich ist das auch, wenn man als Schreiber versucht zu erklären, was

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Gstaad einzigartig macht. Man kann es versuchen, aber kommt die Botschaft beim E ­ mpfänger an, wie man als Sender sich das wünscht? Also nahm ich professionelle Hilfe in Anspruch: «Was macht Gstaad im Sommer einzigartig?», ­fragte ich die zuständige Mitarbeiterin des Tourismusbüros. Oberster Eintrag auf ihrer Liste: «Das Fondueland-Angebot» – dabei handelt es sich um Holz-Caquelons auf Wiesen, die so gross sind, dass sie vier Fondue-Essern Platz b ­ ieten. «Und die Top-Events, darunter Beachvolleyball-, ATP/WTA-Tennis- sowie Poloturnier oder das ­Menuhin-Festival.» Das sind bestimmt p ­ rima Punkte auf der To-do-Liste eines Touristen. Aber entstehen dadurch vor dem inneren Auge Bilder, die einem den Zauber näherbringen, der von dem Flecken ausgeht? Kaum, doch es ist wohl ein Fall von «Wenn der Dichter seine ­Poesie e­ rklärt, wird sie platt». Und immerhin erwähnt die Tourismus-Frau dann auch noch den Lauenensee oder das «Wanderland mit 300 ­Kilometern Wegen»; am Ufer des ersten respektive auf den Pfaden des zweiten kommt man der Magie des Bergfrühlings oder -sommers sicherlich näher als im begeh- respektive besetzbaren Fondue-Caquelon, denke ich. «Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde», sagt man. Was vielleicht übertrieben ist, aber nicht falsch. Wer es eine Stunde auf einem Pferderücken aushalten kann – man muss kein Herrenreiter sein –, sollte nach F ­ eutersoey reiten und dabei die Gegend betrachten sowie entdecken. Im Gasthaus mit Namen «Rössli», übrigens, gibt es feine Forellen aus der Gegend. Woher das Pferd nehmen? In Gstaad befindet sich die Reitschule Vögeli.

Mai / Juni

Weitere gute Gründe für ein (langes) GstaadWochenende sind die herausragenden Hotels: Darunter das «Ultima», bei dem es sich um das jüngste der obersten Kategorie handelt, die ­Eröffnung war Ende 2016. Drei miteinander verbundene, grosse, neugebaute Chalets vermitteln das Gefühl, man habe ein ganzes Haus für sich. Was zwar nicht stimmt, doch die Suiten sind so geräumig, dass man nichts mitbekommt von Mitbewohnern oder der Hauptstrasse nach Gsteig, an der die Chalets liegen. Und das Spa dürfte auch die Erwartungen von Gästen, die bereits viele Badeeinrichtungen in Fünf-­ sterne-Häusern geprüft haben, übertreffen (ich war Gast des «Ultima»). Wem Reiten oder der Aufenthalt in einer Wellness-Anlage zu wenig social ist, für den gibt es in der Halle des «Palace»-Hotels eine Bar. Die Bedienung und die Drinks dort sind wie man es von einer Bar in einem der besten ­Hotels ­erwartet. Doch nur deshalb geht man nicht hin. Sondern weil man möglicherweise ­etwas findet, was man gar nicht suchte. Oder ­jedenfalls nicht wusste, dass man es gesucht hat. ­Womit wir wieder beim Zauber wären, der schwer zu b ­ eschreiben ist. Doch mit offenen Augen und etwas Glück findet man ihn, sei es im grossen Fondue-Topf, an den Ufern des Lauenensees, auf Wanderpfaden oder auf dem Pferderücken. Die M ­ agie ist überall in Gstaad und in der Umgebung. Und sonst hat man ein a ­ ngenehmes Frühlings­ wochenende an der frischen Luft und in einem hübschen Dorf am Fuss hoher Berge verbracht, hat schön gewohnt sowie gut geschlafen, ­gegessen und getrunken.

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«Wanderland mit 300 Kilometern Wegen», empfiehlt das Tourismusbüro (im Hintergrund das «Palace»-Hotel).


Anleitung  Arbiter Elegantiarum

Moderedaktion: WW-FASHION-TEAM

MICHELLE NICOL

Ohrringe von LEIGH MILLER, Fr. 348.–. (bei Net-A-Porter.com).

Lippenstift «101 Beige Mousseline» von GIVENCHY, Fr. 49.90.

Bluse von UNRAVEL, Fr. 635.–. (bei Mytheresa.com).

Clutch von CÉLINE, ­Fr. 2865.–.

Bootie von AEYDE, Fr. 325.–.

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Auf den ersten Blick: Jacke (beziehungsweise Bluse) wie Hose. Doch der Schein trügt – es braucht viel Sachverstand, den modischen «AntiFashion-Look» zu meistern. Man betrachte das Schuhwerk.

Wenn eine Frau in der Geschäftswelt lebt, will sie weniger für ihre Form, also Kleidung, Anerkennung, sondern mehr für ihre Inhalte. Auch wenn diese mit Mode, Marken und äusserem Schein zu tun haben. Denn Mode hat an Bedeutung verloren. Was es ganz schön schwer macht, so aufzutreten, dass man zwar der neusten Mode folgt, dass es aber keiner merkt (ausser den Connaisseurs). Michelle Nicol, eine Zürcher Werberin und unsere Stilvorlage des Monats, kann's. Mai / Juni

Kleider machen Leute . Und manche Leute machen Kleider ­respektive, dass mehr daraus wird als bloss Stoff, der den Körper vor unangenehmer Witterung und ebensolchen Blicken schützt. Michelle Nicol gehört zu den Leuten, die von Beruf dafür verantwortlich sind, dass Dinge mehr darstellen, als sie sind. Mit ­anderen Worten: Sie ist Werberin. Nun ist Werbung a) etwas ­B anales und b) aus den 1980er und 1990er Jahren, einer banaleren Zeit als der unseren. Und ­darum macht Michelle, mit der ich bekannt bin, nicht mehr Werbung, sondern verschafft Kunden (etwa Tirol Tourismus) beziehungsweise Produkten (Götti Brillen zum Beispiel) ein passendes Branding oder Image. Die Zeiten haben sich ­geändert und die Mode hat an Bedeutung verloren. An ihre Stelle ist die Kunst getreten; vor zwanzig Jahren zitierte man Sätze, die ­w ichtige Designer sagten. Heute gibt es keine solchen mehr (­ ausser Lagerfeld vielleicht), darum r­ edet man in Gesellschaft nach, was Künstler vorgesagt haben. Sie sind die Nachfolger der Designer. Nun sind wir abgekommen vom Thema respektive ­M ichelles Garderobe. Doch wir haben ziemlich genau die Entwicklung ­aufgezeigt, der auch sie folgt. Und ihre Garderobe mit ihr. D ­ eren Aufgabe ist es, sich nicht länger in den Vordergrund zu stellen. Sondern so daherzukommen, dass sie nicht Eingeweihten nicht auffällt. Die Kleiderwahl du jour ist modisch unmodisch. Und das ist eine Kunst, die Michelle beherrscht. Mindestens so gut wie ihre Rollenmodelle Miuccia ­P rada oder Pipilotti Rist. Mark van Huisseling

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Bild: Xandra M. Linsin

K

SO GEHT EIN ART-BASEL-OUTFIT


Bezugsquellen Xxxxxx Xxxx  Xxxxxx & Impressum

Styling: XXXX XXXX XXXX  Model: XXXX XXXX

WW MAGAZIN

Nr.3

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erscheint am 18. OKTOBER 2018

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Nr. 4 2017 Nr. 2 2018

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