Die Wildspitze Ausgabe 2022

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Kunst & Kultur, Ski alpin, Mountain Bike Mitterwallner, Ryding, Lorenzi, Gstrein

Historische Fotos aus dem 19. Jahrhundert Aufregende Zeitreise in die Vergangenheit des Ötztals

Moderne Alpinarchitektur Das spektakuläre Bauen in den Ötztaler Bergen

DIE WILDSPITZE

Zeitschrift für das intensive Erleben des Ötztals

Exemplar
Die Wildspitze 2022 – Ihr persönliches
Hannah Philomena Scheiber malt –exklusiv für die „Wildspitze“: die Wildspitze
Der blaue Berg

TOP QUALITY SKIING

Gratis Skibus im Ötztal Schneesicherheit bis Ende April Kein Gedränge bedeutet Sicherheit & Spaß Tiroler Berggastronomie auf höchstem Niveau: Hohe Mut Alm, Top Mountain Star & Top Mountain Crosspoint Naturrodelbahn in Hochgurgl Funslope in Hochgurgl; Funslope, Familypark & Funcross in Obergurgl Parkhaus Festkoglbahn Ötztal Superskipass: 6 Skigebiete, 1 Ticket

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25 Lifte & 112 km Pisten von
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SKI-IN & SKI-OUT
studioelf.at
FOTO:
Ötztal Tourismus, Rudi Wyhlidal
OHNE WARTEZEITEN

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich freue mich, Ihnen nach coronabedingter Pause im vergangenen Jahr wieder eine neue Ausgabe der „Wildspitze“ präsentieren zu dürfen. Es ist die inzwischen zwölfte Ausgabe der „Zeitschrift für das intensive Erleben des Ötztals“.

Als wir das Magazin aus der Taufe gehoben haben, fragten wir die Redaktion, ob sie wohl auch genug Stoff für ein ganzes Heft finden würde. Die Antwort: Das Ötztal ist so lebendig, dass uns der Stoff zehn Jahre lang nicht ausgeht. Jetzt können wir hinzufügen: und darüber hinaus.

Das Tal ist lebendig, der Tourismus ist es auch. Wir haben in der „Wildspitze“ schon in den vergangenen Ausgaben immer wieder über Gegenwart und Zukunft des Ötztals nachgedacht, und wir tun es auch in dieser Ausgabe. Der neue Obmann des Ötztal Tourismus –willkommen, Benjamin Kneisl – hat 2020 die Agenden von seinem Vorgänger Bernhard Riml übernommen. Bei Bernhard möchten wir uns für seine großartige Arbeit von ganzem Herzen bedanken. Kneisl, 35, trifft im Gespräch auf Philipp Falkner, 28, den neuen Prokuristen der Bergbahnen Sölden. Die beiden gehören einer Generation an, die sich engagiert um die Zukunft des Tals bemüht und entschlossen ist, die Weichen richtig zu stellen. Wohin die Reise gehen soll, ab Seite 30.

Als passionierter Radfahrer freue ich mich besonders, dass es wieder eine Ötztalerin gibt, die im Mountainbike-Weltcup ganz vorne mit mischt. Mona Mitterwallner ist erst 20, aber das Regal, wo sie ihre Pokale abstellt, braucht schon sehr viel Platz. Wir haben sie in ihrem Elternhaus in Haiming getroffen und über Werdegang und Ziele gesprochen. Ein Satz, der mir dabei besonders in Erinnerung geblie ben ist, lautet: „Um zu erreichen, was noch niemand erreicht hat, muss ich Dinge tun, die noch niemand getan hat.“

Das ist ein Satz, der uns alle inspirieren kann.

Zuletzt möchte ich Ihnen die großen Bildstrecken dieser Ausgabe ans Herz legen. Außergewöhnlich und unterhaltsam, was ein Blick ins Archiv des Ötztaler Originals Ernst Lorenzi zum Vorschein gebracht hat. Beeindruckend und originell, wie die Gurgler Künstlerin Han nah Philomena Scheiber ihre Interpretation der Wildspitze gemalt hat. Und einmal mehr erstaunlich, welche historischen Dimensionen unseres Tals die historischen Landschaftsbilder aus dem Atelier K. F. Würthle erschließen. Dank an Edith Hessenthaler von den Ötztaler Museen, die uns diesen Schatz zugänglich gemacht hat.

Ich wünsche Ihnen eine vergnügliche Reise in die Vergangenheit und die Zukunft des Ötztals – und natürlich vor allem in die Gegenwart.

Oliver Schwarz, Geschäftsführer Ötztal Tourismus

Die Wildspitze 2022 3
„Ich wünsche Ihnen eine vergnügliche Reise in die Vergangenheit und die Zukunft des Ötztals –und natürlich vor allem in die Gegenwart“
Editorial COVERFOTO: FRANZ PRESCHERN; ILLUSTRATION: ROLAND VORLAUFER
Ihr Oliver Schwarz

Am

Die Bilder von Ernst Lorenzi Seite 14

6 Zwölf Fragen

„Es gibt einen Hunger aufs Skifahren“

Interview mit Rainer Gstrein, dem Rennleiter der alpinen Skirennen in Sölden

8 Magische Plätze

Drei Orte im Ötztal, die besondere Menschen sehr schätzen Elisabeth Saumwald-Zoller über ihren Weinberg in Haiming. A nna-Lena Riml über die Schönwieshütte im Rotmoostal. Vitus Auer über einen Platz am Bichl bei Niederthai.

30 Was die Zukunft bringen wird

Gespräch zwischen TVB-Obmann Benjamin Kneisl und dem Prokuristen der Seilbahnen Sölden, Philipp Falkner

34 Die schönsten Häuser auf den höchsten

Bergen

50 Sport

Porträt von MountainbikeShootingstar Mona Winterwallner. Interview mit Slalomstar Dave Ryding. Wandertipps von Walter Klier.

64 Der blaue Berg Dokumentation der Entstehung eines Kunstwerks

14

Wie Ernst Lorenzi das Tal sieht

Ein Blick in das prallvolle Archiv des Fotografen und Ötztaler Originals Ernst Lorenzi. Die „Wildspitze“ zeigt die besten Bilder aus den letzten fünfzig Jahren –und erzählt die unterhaltsamen G eschichten dahinter.

50

Dossier über das moderne alpine Bauen auf dem Gaislachkogl, in Gurgl, Sölden und Längenfeld. Interview mit Hans Obermoser, dem Architekten des IceQ, des 007 Elements und weiterer spektakulärer Neubauten der vergangenen Jahre.

Kultur

Ausstellung über den Stuibenfall: Gespräch mit Walter Falkner und Edith Hessenberger. Feministische Kunst in Lehn. Das neue Mesnerhaus in Längenfeld.

W ie Hannah Philomena Scheiber f ür „Die Wildspitze“ die W ildspitze malt

72 Die Zeitmaschine

Ein altes Fotoalbum aus dem Atelier K.F. Würthle enthält einen Schatz K napp 150 Jahre alte Landschaftsfotografien erlauben eine aufregende Zeitreise in die Vergangenheit des Ötztals.

82 Nachruf Martin Gstrein 1930–2022)

3 Editorial 82 Impressum

Die Wildspitze 2022 5
FOTO: ERNST LORENZI
Inhalt
Tag, als auf dem Rettenbachgletscher ein Rennen gefahren wurde.

Es gibt einen Hunger aufs Skifahren

Die schwierigste Frage gleich am Anfang: Kein Überdruss am Skisport nach so vielen Jahren? Sicher nicht. Ich bin zwar schon ein paar Jahr zehnte dabei, aber die Freude am Racing ist ungetrübt.

Du bist seit 1993 Rennleiter der alpinen Skirennen in Sölden. Wie hat sich deine Aufgabe verändert? Die Aufgabe selbst bleibt immer gleich. Als Race Director leite ich die Vorbereitun gen auf die Rennen, überwache alles, was im technischen Bereich anfällt, und leite die Mannschaftsführersitzungen.

Und die Rahmenbedingungen?

Technisch ist vieles besser geworden. Als wir in den 90er-Jahren die ersten Rennen ausgerichtet haben, mussten wir die Wasserpräparation – die Verhärtung des Schnees, damit die Piste renntauglich ist – noch mit langen Feuerwehrschläuchen ma chen, die uns auf dem Gletscher immer eingefroren sind. Inzwischen ist der Gletscher selbstverständlich mit Wasser versorgt. Es gibt ganze Diplomarbeiten übers Präparieren.

Apropos Gletscher. Wie nehmt ihr den Klimawandel wahr?

Der Gletscher apert ständig ab, keine Frage. Es braucht ständig Pistenbauarbeiten. Um die Befahrbarkeit im Herbst zu garantieren, machen wir wie alle anderen Gletscherskigebiete Snowfarming.

Das heißt?

Schon im Winter der Vorsaison werden Schneedepots angelegt. Die Depots und neuralgische Stellen des Gletschers werden mit weißem, reflektierendem Vlies abgedeckt, um das Abschmelzen zu verhindern.

Von welchen Flächen sprechen wir da? Zehn bis zwölf Hektar.

Hat sich der Stellenwert des Skisports verändert?

Der Skisport hat in Österreich, der Schweiz, Südtirol und Süddeutschland unverändert einen riesigen

Stellenwert. Das merken wir am Zuschauerinteresse. Ich denke, dass wir bis zu 15.000 Zuschauer zum Saisonstart erreichen können. Es gibt einen Hunger aufs Skifahren.

Worauf freust du dich persönlich am meisten? Auf das Treffen mit den alten Kolleginnen und Kollegen. Wir sprechen noch immer dieselbe Sprache.

Wie groß ist das Team, mit dem du den Saisonstart

Insgesamt 600 Menschen, von den Pistenrutschern bis zum Catering. Und das Großartige daran: Jeder Einzelne trägt zum Erfolg der Veranstaltung bei. Wir können auf keine Mitarbeiterin und keinen Mitarbeiter verzichten.

Auf welches Team müssen wir im bevorstehenden Weltcup besonders achten, abgesehen von

den Cracks aus Österreich und der Schweiz? Ich erwarte, dass die jungen Norweger sehr stark sein werden. Sie können sich ohne großen Druck entwickeln und genießen eine universelle Sportausbildung.

Und was wünschst du dir persönlich? Dass die deutschen Stars mitmischen. Das ist gut fürs Publikumsinteresse.

Wie lang wirst du noch Rennleiter bleiben? Solange es mir Freude macht und ich gesund bleibe.

Rainer Gstrein, 66, stieg nach einer Verletzung als Jugendlicher sofort als Trainer in den Spitzenskilauf ein. Nach zwei Jahren als Cheftrainer in Liechtenstein arbeitete er von 1990 bis 2016 in verschiedenen Funktionen als ÖSVHerrentrainer und war mitverantwortlich für eine goldene Ära der österreichischen Ski-Cracks. Nach einem schweren Skiunfall arbeitete er sich hartnäckig ins Leben zurück. Seit 1993 ist der gebürtige Sölder Gstrein Rennleiter der alpinen Skirennen in Sölden.

Die Wildspitze 2022 6
Zwölf Fragen
Zwölf Fragen an Rainer Gstrein, Rennleiter der alpinen Skirennen in Sölden.
FOTO: ERNST LORENZI
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Eine Oase der Gelassenheit

Die Winzerin Elisabeth SaumwaldZoller über ihren Weinberg in Haiming, wo sich der Kreislauf ihres Tuns

Elisabeth Saumwald stammt ur sprünglich aus Niederösterreich. Sie studierte Wirtschaft und unter richtete an einer Handelsakademie, als sie einen Mann namens Peter Zoller kennen lernte. Der hatte zwei Eigenschaften, die eigentlich nicht zusammenpassten: Er lebte in Tirol – und er war Winzer

Inzwischen ist Elisabeth SaumwaldZoller fast zwanzig Jahre mit ihrem Peter verheiratet. Und sie hat miterlebt, dass es möglich ist, im Inntal Wein anzubauen und zu keltern. Natürlich nicht im großen Stil wie in den großen Weinanbauregionen. Derzeit hat das Paar in drei Weingärten 7.000 Reben ausgepflanzt, die eine Ernte von etwa 5.000 Flaschen erlauben.

„Wir sind eher eine Manufaktur“, sagt Saumwald-Zoller Ihre Weinberge liegen auf nach Süden ausgerichteten Hängen zwischen dem Inn und einer Steilwand des Tschirgant, wo Sonnenlicht, Stauhitze, Feuchtigkeit und mikroklimatische Beson derheiten seit dem Jahr 2000 kleine, feine Ernten von Chardonnay, Müller-Thurgau, Sauvignon Blanc, Blauburgunder, Zweigelt und Merlot erlauben.

Es ist ein Naturschauspiel, wie die Reb berge zwischen Fels, Wald und Fluss liegen und der Landschaft einen ganz eigenen

Elisabeth Saumwald-Zoller unterrichtet an der Handelsakademie in Imst und betreut gemeinsam mit ihrem Mann Peter das gemeinsame Weingut in Haiming. Arbeit und Erholung befinden sich in perfekter Übereinstimmung.

Akzent verleihen. Hier hat das Paar aus Holz einen Verkostungsraum und eine großzügige Terrasse gebaut, wo Gäste empfangen und Weine probiert werden oder auch Konzerte im kleinen Rahmen stattfinden.

Aber vor allem nutzt diese „Oase der Ruhe und Gelassenheit“ die Winzerin selbst. „Hier schließt sich für mich der Kreislauf unseres Tuns. Wo wir eine ganze Vegetationsperiode lang unsere Reben pflegen, genießen wir auch die Früchte unserer Arbeit. Allein – oder in Gesell schaft der Menschen, die genauso Freude an diesem Platz haben wie wir.“

Weingarten Saumwald-Zoller Haiming-Magersbach Em alicius si officid que sinventiam ut lamenda cum excepre, sequodiae pa quid magnihi taquamet fugitasin plaboriate as recat dellace stibus aritiis expland ucipsae sequas eum

Der Weinberg Saumwald-Zoller in Haiming befindet sich zwischen einem Steilhang des Tschirgant und dem Inn. Er ist zu Fuß von der Innbrücke Haiming aus zu erreichen. Per Voranmeldung kann auch eine Weinverkostung vereinbart werden: www.zoller-saumwald.at

Haiming

Sautens

Längenfeld

Umhausen

Ötztal-Bahnhof Sölden Obergurgl

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Magische Orte
nach Feierabend schließt.
Innsbruck Brenner Oetz
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Vent
FOTO: PHILIPP HORAK, ILLUSTRATION: ROLAND VORLAUFER

Zwischen den Charakterbergen

Es war nicht auf dem geradesten aller Wege vorgezeichnet, dass AnnaLena Riml die Amtsleitung der Ge meinde Sölden übernimmt. Erstens wäre die Sölderin gern Skirennfahrerin geworden, besuchte im Stubaital die Skihaupt schule und fuhr erfolgreich FIS-Rennen, als sie ein Kreuzbandriss aus ihren Träumen riss. Statt Sportlerin zu werden, machte sie Matura und beschloss, Medizin zu studie ren, bekam keinen Studienplatz und sattel te auf Rechtswissenschaften um. Mit dem juristischen Abschluss in der Tasche erledig te sie Praktika in Kitzbühel und Innsbruck, bevor in Sölden die Stelle als Amtsleiterin frei wurde. Seit 2018 fungiert die 32-Jährige als rechte Hand des Bürgermeisters, regelt als Standesbeamtin-Stellvertreterin gele gentlich den Zivilstand der Sölderinnen und Sölder und genießt die vielen Facetten des Berufs, vor allem den ständigen Kon takt zu den unterschiedlichsten Menschen.

Obwohl sie nicht das Naheliegende tat und Sport studierte, haben Sport und Bewegung einen wichtigen Platz in AnnaLena Rimls Leben. Sie liebt das Kitesurfen genauso wie Skitouren in den Ötztaler Alpen: „Auf dem Gipfel stehen und sagen: Wow, das ist meine Heimat. Und dann mit den Skiern die erste Linie in den frisch ge fallenen Schnee ziehen.“

Anna-Lena Riml, 32, ist Amtsleiterin der Gemeinde Sölden. Die studierte Juristin agiert als rechte Hand des Bürgermeisters und regelt den Zivilstand der Sölderinnen und Sölder. Auf der Schönwieshütte findet sie natürliche Zufriedenheit.

Die Schönwieshütte in Obergurgl ist für Anna-Lena Riml „einer der schönsten Orte der Welt“. Die neu gebaute Hütte befindet sich zwischen dem Rotmoos- und dem Gaisbergferner, zwischen Bergen, die „für mich Charakter haben“. Abseits von Liften und präparierten Pisten ist die Hütte Ausgangspunkt für Skitouren und Wande rungen, aber auch ein Ort, „an den ich gern zurückkehre, um nach der Tour ein Bierchen zu trinken“.

Anna-Lena Riml liebt die Ruhe, die diesen Ort umfängt, und das Gefühl, im Einklang mit der Natur zu sein. „Hier macht sich eine natürliche Zufriedenheit breit“, sagt sie. „Und das macht für mich diesen Platz aus.“

Die Schönwieshütte liegt am Eingang zum Rotmoostal am Fuß des Hangerer. Sie ist von Obergurgl in einem einstündigen Fußmarsch zu erreichen. Im Winter ist besonders die Skihochtour zum Eiskögele beliebt, deren Anstiegsroute nach Benutzung des Gaisberglifts und der Steinmann bahn nahe der Schönwieshütte beginnt.

Ötztal-Bahnhof

Längenfeld Umhausen

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Magische Orte
Anna-Lena Riml sucht auf der Schönwieshütte den Abstand zum Alltag und die Nähe zum Himmel.
A13 A12 A12
Innsbruck Brenner Oetz
Vent
Sölden Obergurgl Sautens
FOTO: ALEXANDER MARIA LOHMANN, ILLUSTRATION: ROLAND VORLAUFER

Das Tor zur weiten Welt

Die Berge sind sein natürliches Habitat, daran hat auch sein Archi tekturstudium nichts ändern kön nen. Zwar schloss Vitus Auer, Jahrgang 1990, aus Umhausen seine Lehrjahre mit dem Titel eines DI ab, aber ausschließlich will er sein Leben dem Bauen und Gestalten nicht widmen. Also arbeitet er 20 Stunden pro Woche im Architekturbüro Armin Neurauter in Innsbruck und hebt sich den Rest der Woche für seinen Job als Skilehrer und Bergführer im Ötztal auf.

Seine Leidenschaft aber trägt ihn hoch hinaus. Vitus Auer fliegt mit dem Gleit schirm, wann immer die Verhältnisse und seine Zeit es zulassen. Dabei wurde er als junger Mann von Höhenangst geplagt, aus gerechnet. Vitus Auer stammt aus einer Al pinistenfamilie, die Angst vor dem Abgrund schlug aus der Art. Vitus beschäftigte sich damit und fand heraus, dass es sich eher um Sturz- als um Höhenangst handelte. Nach ei nem Klettercamp im Jahr 2014 kam die Idee auf, den Paragleiterschein zu machen. Mit drei Freunden erledigte er das in zwei Wo chen, allerdings wurde die ganz große Faszi nation fürs Fliegen noch nicht mitgeliefert: „Damals wusste ich noch nicht, wie faszinie rend der Sport tatsächlich ist.“ Die Höhen angst jedenfalls war wie weggeblasen.

Auf der Rampe unter dem Bichl unter dem berühmten Marbergerhaus startet Vitus – Spitzname: Veit – inzwischen bei jeder vielversprechenden Gelegenheit, um sich hoch über dem Tal „frei wie ein Vogel“ zu fühlen. Er hat gelernt, dass die größte Herausforderung beim Fliegen darin besteht, stets konzentriert zu bleiben und in jeder Situation mentale Stärke zu bewei sen. Stattdessen braucht es die genaueste Beobachtung der Umstände: Woher kommt der Wind? Wie ist die Thermik? Wie stehen die Wolken? Sein längster Flug dauerte siebeneinhalb Stunden, rund um die Ötztaler Alpen.

„Der ,Magic Bichl‘ ist für mich wie ein Flughafen“, sagt Vitus Auer. „Er öffnet mir das Tor zur Welt.“

Vitus Auers „Tor zur Welt“ liegt unterhalb des Marbergerhauses am Bichl in Niederthai.

Es ist mit einem kurzen Spaziergang vom Ortszentrum in Niederthai leicht zu erreichen, in der nahen Jausenstation gibt es gute Verpflegung.

Vom Tal aus kann man den Bichl auch auf dem Wanderweg über den Stuibenfall ansteuern.

Vom Tal aus kann man den Bichl auch über den Wanderweg über den Stuibenfall ansteuern.

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Magische Orte
Auf der Rampe unter dem Bichl startet Vitus Auer mit dem Gleitschirm in die grenzenlose Freiheit über dem Tal. Immer und immer wieder.
Innsbruck
Brenner A13
Oetz A12 A12 Ötztal-Bahnhof Sölden Obergurgl Sautens Vent Vitus Auer, 32, stammt aus Umhausen und arbeitet als Architekt, Skilehrer und Bergführer. Seine Leidenschaft aber gehört dem Paragleiten.
FOTO: PHILIPP HOTAK, ILLUSTRATION: ROLAND VORLAUFER
Längenfeld Umhausen
Vitus Auers „Tor zur Welt“ liegt unterhalb des Mahrbergerhauses am Bichl in Niederthai.
Es ist mit einem kurzen Spaziergang vom Ortszentrum in Niederthai leicht zu erreichen, in der nahen Jausenstation gibt es gute Verpflegung.

Der Mann, ohne den wir das Ötztal nicht scharf sehen würden

Ernst Lorenzi ist, was man früher einen Tausendsassa genannt hätte. Er ist ein Ötztaler Original, geboren auf der Alp, aber mit der Sesshaftigkeit hatte er es nicht so. Er war Fußballer, Weltreisender, Rallyefahrer, Automechaniker und Skilehrer – und das ist noch lange nicht alles.

Er lernte unzählige Prominente kennen, erfand die Papierfliegerweltmeisterschaft, und weil das noch immer nicht reicht, hat er auch eine beeindruckende Karriere als Fotograf hingelegt.

„Die Wildspitze“ zeigt die besten Bilder Ernst Lorenzis aus den letzten fünfzig Jahren – und erzählt die Geschichten dahinter.

14 Fotografie Die Wildspitze 2022
FOTO: PHILIPP HORAK

Start im Morgenrot

Zwischen vier und fünf Uhr früh begin nen die meisten Arbeiten auf der Welt cup-Piste auf dem Rettenbachgletscher. Pressechef Ernst Lorenzi ist in der Regel um sechs Uhr oben. Sein erster Weg führt ihn zum Start, weil sich oben bei gutem Wetter ein imposantes Bild bietet. Auf der Piste ist um diese Zeit bereits reger Betrieb. Schon im Halbdunkel besichti gen die Rennfahrer den Kurs, die Rut scher sind im Einsatz, um der Piste den letzten Schliff zu geben, Transparente werden angebracht, die Hilfskräfte vom Militär sind in Position. Wenn die ersten Zuschauer kommen, ist alles längst fertig. Oft nimmt Lorenzi Kollegen von TV-Anstalten mit auf den Gletscher, um sie mit dem unglaublichen Panorama zu überraschen. Das Bild auf dieser Seite wurde 2021 am Renntag aufgenommen –aus der Gondelbahn. Schon am Vortag hatte Lorenzi die Stimmung gesehen, aber keine Kamera dabei gehabt. Dieser Fehler passierte ihm nicht zweimal.

Die Wildspitze 2022 Fotografie 16
Die Wildspitze 2022
18 Die Wildspitze 2022

Aufgenommen beim Ötztaler 2021 auf der Abfahrt vom Jaufenpass. In Walten findet am Renntag der Kirtag statt, entsprechend wird gefeiert. Lorenzi bekleidet beim Ötz taler keine Funktion mehr, sondern begleitet ihn nur als Fotograf. Seine Bücher „Ich habe einen Traum“ und „Ein neuer Traum beginnt“ dokumentieren die Geschich te dieses Radmarathons von Beginn bis 2020. An diesem Tag fuhr er zuerst mit dem Auto an der Szene vorbei, sah die feiernden Männer am Straßenrand und kombinier te, dass die Kombination aus Sport und Spaß ein gutes Motiv ergeben würde. Er drehte um, gab eine Flasche Wein aus und drückte im richtigen Moment ab.

Lorenzi: „Die Bauern, die da hocken, hatten eine Mordsgaudi, weil ich ihnen nachher das Bild geschickt habe. Es sind ja Leute, denen wir am Kirtag lästig sind, weil alle Straßen gesperrt sind. Da ist es das Mindeste, ihnen eine Flasche Wein auszugeben.“

Fotografie 19 Die Wildspitze 2022
Die einen quälen sich, die anderen feiern

Morgan zwischen den Felsen

Ernst Lorenzi, der frühere Rallyefahrer, hat ein besonde res Verhältnis zu schönen und starken Autos. Er besitzt nicht nur den Rallyekäfer (siehe S. 14), sondern auch einen Morgan, das ideale Gefährt zwischen Oldtimer und un terhaltsamer Motorisierung. Kein Wunder, dass Ernst und sein Morgan im ganzen Ötztal bekannt sind. Auf die sem Bild befindet sich der Morgan auf einer Straße in den Dolomiten in der Nähe von Cortina. Im Wagen sitzt Ernsts Frau Bernadette, die sich persönlich weigert, das Fahrzeug selbst zu bewegen, Beifahrerin ist das Höchste der Gefühle. Um das Motiv zu erfassen, musste Lorenzi einen längeren Fußmarsch in Kauf nehmen, um schließlich mit einem 400er-Teleobjektiv den gewünschten Effekt zu erzielen. Das Bild wird im „Morgan-Kalender“ erschei nen – einem weiteren unter den zahllosen Projekten Ernst Lorenzis.

20 Fotografie

Eilige Prozession

Das Motiv entstand bei einer Zusammenarbeit Ernst Lorenzis mit dem Regisseur Hubert Lepka, der im Ötztal mit „Hannibal“ und „Friedl mit der leeren Tasche“ nachhaltige Zeichen gesetzt hat. „Bei Huberts Inszenierungen sind immer Fahrzeuge im Spiel“, sagt Lorenzi. „Bei dieser Visualisierung der ,Klangwolke‘ auf der Ars Electronica spielte auch ich mit meinem VW Käfer eine Rolle – und natürlich dieses schöne Steyr-Lastauto, auf dem Hubert die Prozession arrangiert hat.“ Im Hintergrund ist schemenhaft die Kirche auf dem Pöstlingberg zu sehen. Das Motiv verwendete Ernst Lorenzi auch bei einer Kollaboration mit dem Karikaturisten Dietmar Kainrath. Wieder ein anderes Projekt.

Die Wildspitze 2022 22

Verpasster Wheelie auf dem Betondach

Die Radfahrerin, die auf diesem Bild das abschüssige Dach des 007 Elements auf dem Gaislachkogl hinauffährt, ist die zweifache Junioren-Weltmeisterin Laura Stigger. Das Bild entstand im Rahmen einer Promotion, die Ernst Lorenzi für die Bergbahnen Sölden und für Laura selbst fotografierte. Lorenzi: „Die Bergbahnen Sölden tun viel für den Radsport, speziell für Laura. Da machten wir eine kleine Promotion auf dem Dach des 007 Elements. Es ist zwar abschüssig, aber so wie Laura Rad fahren kann, wurde mir nicht bang. Das Dach ist auf der einen Seite zugeschüttet, aber auf der anderen Seite geht es in den Abgrund hinunter. Den Wheelie, den Laura gemacht hat, hab ich nicht ganz erwischt. Und ein zweites Mal wollten wir’s dann doch nicht versuchen. Der Berg im Hintergrund ist die Äußere Schwarze Schneide. Da gibt es richtig geile Skihänge – aber das nur nebenbei.“

Fotografie Die Wildspitze 2022 23

Sport, Glamour und Prominenz

Großes Foto links: Petra Giuliani war 1986 Miss Tirol. Ernst Lorenzi lernte sie kennen, als er mit ihr Gymnastikfotos auf dem Rettenbachgletscher machte, und freundete sich mit ihr an: „Dieses Bild ist noch analog fotografiert. Wir machten es bei einem Trödler, einfach zum Spaß – wie eigentlich fast immer.“ Oben links: Snow-Speed-Rennen im Rahmen des Paracross-Events des Motorsportclubs Ötztal. Oben rechts: Jan Ulrich mit Frank Wörndl bei minus 17 Grad auf der Piste – Wörndl hatte eine Wette gegen das TelecomTeam verloren und musste mit einem Tanga Ski fahren. Mitte links: Le-Mans-Sieger Helmut Marko auf dem Skibob, Teil des Paracross 1975. Mitte rechts: J&B-Rafting-EM mit den besten Kajakfahrern aus aller Welt, erstes richtig großes Event auf der Ötztaler Ache. Unten links: Skilehrer-Freunde von Lorenzi beim Skifahren am Gletscherbruch des Rettenbachferners Mitte der Neunzigerjahre. Unten rechts: Olympiasiegerin Rosi Mittermaier schenkt Buggls Hans – Seilbahnchef Hans Falkner – ihren Olympiasiegerski. Das deutsche Skiteam war das erste, das auf dem Rettenbachgletscher trainierte. Hans hatte ihr zum Olympiasieg 1976 100 Rosen geschenkt. Das war Rosis Revanche.

Fotografie Die Wildspitze 2022 25

Silvestertherme unter dem Nebel

Aufgenommen zu Silvester 2017 in Burgstein. Ernst und Bernadette verbringen in der Regel den Silves terabend bei Freunden, die nicht weit entfernt woh nen. Als Ernst die besondere Wetterlage bemerkte –im Tal hing ein tiefer, transparenter Bodennebel –, verabschiedete er sich von der fröhlichen Runde und ging samt Kamera und Stativ hinauf nach Burgstein, weil er eine Vorahnung hatte, dass die Silvesterrake ten rund um den AQUA DOME eine ganz besondere Stimmung erzeugen würden. Lorenzi: „Um Mitter nacht bin ich in Burgstein droben gehockt, direkt am Abgrund, und hab diese unglaublichen Silvester feuer gesehen. Ich hatte mir schon gedacht, dass der Nebel von unten beleuchtet sein würde. Aber dass einzelne Raketen über den Nebel hinaufsteigen und ihn auch noch von oben beleuchten, war eine gelun gene Überraschung.“ Das Bild ist mit offener Blende sechs Sekunden lang belichtet worden.

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Das Ötztaler Original

Wie Ernst Lorenzi zum Ötztaler Kreativzentrum wurde. An welche Regeln er sich sicher nicht halten wollte. Und warum es mit dem Fotografieren so gut geklappt hat.

Könnte sein, dass ihn diese Sommer in den Bergen geprägt haben. Als Ernst Lorenzi ein Bub war, wurde er bei Nale und Nene, den Großeltern, die eine Bauernschaft hatten, als Hirte auf die Alm geschickt. Das Gefühl, das er von dort mit brachte, nennt er heute noch „grenzenlose Freiheit“. Und auf die Frage, was eigentlich sein angestammter Beruf ist, antwortet Ernst Lorenzi: „Ich bin Freigeist.“

Das bedeutet im konkreten Fall, dass sich Ernst Lorenzi die Freiheit herausnahm, nicht einen Beruf zu ergreifen, sondern mehrere, und zwar hintereinander, übereinander und nebeneinander, je nachdem.

Am Anfang, nachdem er in Stams in der Schule unglücklich gewesen war, wollte er Fußballer werden. Auf Umwegen: Er heuerte als Mechanikerlehrling beim Präsidenten von Wacker Innsbruck an, dem damals noch stolzen Tiroler Fußballklub. Am Tag seiner Gesellen prüfung überlegte er es sich anders: Er wander te nach Schweden aus, wo er eine Freundin hatte. Als er wieder zurückkam, arbeitete er in der Werkstatt und als Skilehrer, lernte seine heutige Frau kennen und zog sicherheitshalber mit seinem Freund Florian Falkner erst einmal nach Paris. Kehrte zurück. Die nächsten Jahre beschreibt er in seinen eigenen Worten so: „Meisterprüfung gemacht und gescheitert. Rallye gefahren. Formelwagen gefahren. Gepfuscht und überlebt.“ Damals war Ernst Lorenzi 25 Jahre alt.

Er begann Veranstaltungen zu erfinden und auszurichten. Nach dem vom Motorsport club Ötztal organisierten „Paracross“, einer mutigen Kombination aus Motocross, Skibob und Schwimmen, zu der Prominente wie Niki Lauda, Derek Bell und Henri Pescarolo nach

Könnte auch von Henri Cartier-Bresson sein, ist aber der erste Lorenzi: erstes selbst geschossenes Foto des jungen Mannes, das die Eltern in Venedig zeigt.

Sölden kamen – „Walter Röhrl kommt noch immer“, sagt er –, waren es erst Motorradren nen auf Schnee, dann Profi-Skirennen, die Lorenzi mit seinen Freunden Michael Falkner und André Arnold organisierte. Nach amerikanischem Vorbild installierten sie Wisbi Rennstrecken (Wisbi = Wie schnell bin ich?), auf denen sich Touristen und Amateure an den Zeiten gestandener Rennfahrer orientieren konnten. Ernst gründete eine Agentur. Fuhr mit dem braunen VW 1302, der auch am Auf macherbild zu sehen ist, elf Jahre lang Rallye und erntete zahlreiche Klassensiege.

Auch wenn er mit vielen potenten Firmen zusammenarbeitete, blieb Lorenzi stets selbst ständig. Bei den meisten Großveranstaltungen im Ötztal hatte er die Finger im Spiel, vom Ötztaler Radmarathon über den „Hannibal“ bis zur Ötztal Classic.

Seine Kamera war immer dabei, und weil Ernst Lorenzi nicht nur ein Gefühl für Action, sondern auch für Ästhetik besitzt, entstand nicht nur ein Archiv des bunten Treibens, son dern auch das eines ganzen Lebens, natürlich als Freigeist.

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Ernst Lorenzi in seinem Büro. Für eine Ordnung im klassischen Sinn sind weder er – noch das Büro – gemacht. Kreative Ordnung sieht nämlich anders aus. FOTO: PHILIPP HORAK

Soul, electri ed.

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Der neue Taycan Cross Turismo.

Das Ötztal ist kein Produkt, sondern ein Lebensraum“

Ein Gespräch mit Benjamin Kneisl, dem Obmann des Ötztal Tourismus, und Philipp Falkner, dem Prokuristen der Bergbahnen Sölden, über gegenwärtige und zukünftige Aufgaben des Tourismus, externe und interne Kommunikation, das Mitarbeiterproblem und unerwartete Betätigungsfelder.

Die beiden jungen Männer treffen einander im neuen TVB-Haus in Sölden. Ben jamin Kneisl hat im Winter 2020, an einem denkbar schwierigen Moment, von Langzeitobmann Bernhard Riml die Obmannschaft des Ötztal Tourismus übernommen. Philipp Falkner ist nach mehreren Jahren in einem Baukonzern, wo er Bauleitungen besorgte und Verantwortung für Teams und Projekte trug, zu den Seilbahnen gewechselt. Die beiden repräsentieren den Generationen wechsel in Ötztaler Leitbetrieben. „Die Wildspitze“ erörterte mit den jungen Führungskräften die großen Themen dieser Zeit: wie der Tourismus der Zukunft aussehen wird. Was sich im Ötztal ändern muss und wo sie Chancen und Herausforderungen sehen. Benjamin und Philipp kennen einander übrigens erst, seit sie ihre Funktionen bekleiden, Jack Falkner stellte den Kontakt her. „Die Chemie stimmt“, sagt Philipp Falkner. „Wir kommen aus derselben Generation, da redet man sich doch etwas leichter.“

Wo liegen derzeit die großen Problemfelder? Wo heißt es anpacken –und wo kann man von den Alten lernen?

kneisl: Für mich geht es darum, Stärken zu stärken und Schwächen auszumerzen. Das versuche ich von Anfang an zu machen – wie es auch mein Vorgänger Bernhard Riml getan hat, der mir den größten Ver band des Landes einwandfrei übergeben hat. Mit Corona hat sich viel geändert. Sowohl bei den Werten der Gäste als auch bei jenen der Mitarbeiter. Meine Aufgabe ist es jetzt, den Tourismus zukunftsfit zu machen. Ich nenne mich Digitaler Ob mann, weil die Digitalisierung große Chancen bringt. Im Marketing, im Finanz wesen und im Mitarbeiterwesen. Wir haben unsere Jobs in sehr herausfordernden Zeiten übernommen.

falkner: Ich arbeite Tür an Tür mit Jack Falkner, einem der bestimmenden Touristi ker im Ötztal. Wir setzen uns Tag für Tag mit den Problemen – Krieg und Energie krise halte ich für noch größere Herausfor derungen als Corona – auseinander und diskutieren Lösungen. Wir als Junge stehen da in der Pflicht. Wir müssen Ideen ein bringen, die uns gemeinsam zukunftsfit machen.

Welche neuen Aufgaben warten auf euch?

kneisl: Schauen wir uns das Beispiel Mesnerhaus an. Dort mussten wir handeln, weil sich weder ein heimischer Betrieb noch die Gemeinde bereitfand, eines der schönsten Häuser im Tal zu übernehmen (S. 56).

falkner: Wir sind angehalten, möglichst viele Leute auf diesem Weg mitzunehmen –auf sie zuzugehen, sie für Veränderungen zu gewinnen. Früher war das nicht üblich, aber die nächste Generation tickt einfach so.

kneisl: Wir alle – Alt und Jung – müssen erkennen, dass sich die Zeiten geändert haben. Die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Und dann handeln.

30 Die Wildspitze 2022
„Ich sehe nicht nur die Probleme. Ich sehe auch die Chance des schnellen Handelns.“
FOTO: PHILIPP HORAK
Philipp Falkner
Gespräch

Thema Mitarbeiter: Was früher undenkbar war, ist heute ein großes Problem. Wie finden alle Betriebe die Mitarbeiter, die sie brauchen, um ihren Aufgaben nachkommen zu können?

falkner: Ich sehe nicht nur das Problem, sondern auch die Chance. Ich denke, unsere Generation hat gelernt, dass die Kreisläufe kurzlebiger werden und dass schnelleres Handeln gefragt ist. Was die Mitarbeiter betrifft, ist es unsere Aufgabe, potenzielle Mitarbeiter zu identifizieren und sie direkt anzusprechen.

kneisl: Es sind in den letzten Jahren viele Jobs entstanden, die Personal abziehen. Wir können unsere Aufgaben aber nicht an Maschinen delegieren. Der Dienstleistungs sektor ist auf Menschen angewiesen. Wir Gastgeber werden an unseren Dienstleis tungen gemessen, also an unseren Mitar beitern. Deshalb ist der Dialog – die inter ne Kommunikation – mit den Mitarbeitern auch so wichtig. Wir können den Mitarbei tern heute eine breite Infrastruktur anbie ten, von der nicht nur sie, sondern auch

die Einheimischen profitieren. Wir haben jahrelang den Fehler gemacht, nur an den Gast zu denken. In Zukunft müssen wir genauso an unsere Mitarbeiter und die Einheimischen denken, einen strategi schen Prozess für ein noch lebenswerteres Tal in Gang setzen. Das Gute daran: Davon profitieren wir alle.

Wie werden eure Visionen von den anderen Entscheidungsträgern, z. B. in den Gemeinden, aufgenommen? kneisl: Sagen wir so: Es haben noch immer nicht alle begriffen, dass Tourismus, Landwirtschaft, Infrastruktur, Gewerbe nicht unabhängig voneinander gedacht

Benjamin Kneisl (r.)

35, ist Obmann des Ötztal Tourismus. Der Sölder ab solvierte in Innsbruck die HTL-Elektrotechnik, über nahm 22-jährig den Betrieb seiner Eltern und brachte die Grünwald Resorts auf Wachstumskurs. Im Orts ausschuss Sölden begann er, das Gemeindegeschehen mitzugestalten, und über nahm 2020 von Langzeitobmann Bernhard Riml die Agenden des TVBObmanns.

Philipp Falkner,

28, ist Prokurist bei den Bergbahnen Sölden. Der gebürtige Niederthaier absolvierte parallel zu seiner Tätigkeit bei einem Baukonzern sein Studium des Bauingenieurwesens und schloss es als DI ab. Dann folgte er der Einla dung von Jack Falkner –keine Verwandtschaft! –und wechselte zu den Bergbahnen Sölden.

Hier sieht er seine Aufgabe in der Etablierung neuer Strukturen und im Prüfen von Innovationen. Gleichzeitig schloss er sein zweites Studium mit dem MBA in Kaufmännischer und Strategischer Führung ab.

werden können. Es gehört alles zusammen. Wenn wir nicht alle an einem Strang ziehen, bekommen wir echte Probleme. falkner: Konkretes Beispiel. Wenn wir in Sölden endlich die Ortsumfahrung in Angriff nehmen, ein Projekt, das schon seit Ewigkeiten diskutiert wird, dann schaffen wir einen attraktiveren Ort – für die Gäste, für die Einheimischen und für die Mit arbeiter. Wir müssen begreifen, dass alles mit allem zusammenhängt, dass die Orts entwicklung eine Voraussetzung für einen funktionierenden Tourismus ist – und umgekehrt.

„Wir müssen nicht nur an unsere Gäste, sondern auch an die Mitarbeiter und die Einheimischen denken.“
Die Wildspitze 2022 31
Benjamin Kneisl

Viele junge Menschen möchten nicht mehr so viel arbeiten wie ihre Eltern und Großeltern aus der Gründergeneration, sie achten auf Work-Life-Balance. Wie seid Ihr dafür gerüstet?

falkner: In unseren Betrieben bieten wir längst Modelle an, die diesbezüglich sehr attraktiv sind: vier Tage Arbeit, drei Tage frei zum Beispiel.

kneisl: Das bringt große Umstellungen mit sich. Vier Tage-Woche für Mitarbeiter heißt für an sieben Tagen geöffnete Saison betriebe noch mehr Bedarf an Mitarbeiter, Personalzimmer, etc. Im Tourismusverband hat uns Corona aber auch gezeigt, dass viele Jobs auch per Home-Office erledigt werden können und gleitende Arbeitszeit ein gang bares Modell ist. Früher konnte sich jeder Betrieb seine Mitarbeiter aussuchen. Heute ist es genau umgekehrt: Der Mitarbeiter sucht sich aus, wo er arbeiten möchte. Das ist ein Problem, das wir ausbügeln müssen. falkner: Wir werden uns kurzfristig sehr intensiv um Mitarbeiter bemühen müssen, ich nenne das ganz bewusst: Klinken put zen. Mittelfristig wird es flexiblere Arbeits zeitmodelle brauchen, daran kommen wir nicht vorbei. Ich bin aber guter Dinge, dass sich die schwierige Mitarbeitersituation langfristig bessern wird. Da ist auch die Po litik gefragt.

kneisl: Und wir müssen die Vorteile, die wir bieten können, besser kommunizie ren: guter Verdienste, Unterkunft und Verpflegung gratis, attraktive Benefits für die Freizeit. Wir haben gute Argu

mente. Im Prinzip müssen wir neben der Tourismuswerbung auch Mitarbeiter werbung betreiben.

Ihr seid jetzt an den Hebeln. Wie soll die Situation in zehn Jahren aussehen, wenn es nach euch geht? Was soll sich verändert haben? kneisl: Zehn Jahre ist vielleicht ein zu kurzer Zeitraum. Da hat sich ein bisschen was verändert, aber noch nicht genug. Wenn wir sozial nachhaltig arbeiten, also die Einheimischen überzeugen und mit nehmen können, wird es uns gelingen, den Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Damit meine ich Einheimische, Gäste und Mitarbeiter. Es muss uns gelin gen, weniger Masse und mehr Wertschöp fung zu erzielen. In meiner Vorstellung sitzen Einheimische, Gäste und Mitarbeiter dann an einem Tisch und freuen sich an der Schönheit dieses Ortes. Vom Projekt Tourismus sollen alle gleichberechtigt leben können.

falkner: Unsere Aufgabe wird sein, diese Ziele unablässig zu kommunizieren. Wir müssen täglich Überzeugungsarbeit leisten. In zehn Jahren sind wir nicht mehr die, die in Zukunft verantwortlich sein werden, sondern die, die etwas zusammen gebracht haben – oder nicht.

Wie bewertet ihr die Tatsache, dass

matisch sehen. Jeden Verkauf werden wir leider nicht verhindern können. Anderer seits als Aufforderung, noch mehr in die Lebensqualität des gesamten Tals zu investieren, um es nicht so weit kommen zu lassen. Diesen Dialog werden wir führen müssen.

kneisl: Natürlich wollen wir nicht, dass Leitbetriebe verkauft werden – auch wenn wir private Entscheidungen natürlich akzeptieren müssen. Es ist wichtig, dass die Zukunft des Tals – die untrennbar mit dem Tourismus verbunden ist – auch von uns Einheimischen entschieden werden kann. Investoren kommen ins Tal, um hier Geld zu verdienen. Die Familienbetriebe sind da, weil sie hier ihre Heimat haben. Das Ötztal ist kein Produkt, sondern ein Lebensraum.

Was folgt für euch daraus? falkner: Die Leitbetriebe müssen sich auch um Angelegenheiten kümmern, die eigentlich nicht prioritär scheinen. Zum Beispiel Betriebe oder Aufgaben überneh men, wo nicht das Geschäft entscheidet, sondern die soziale Nachhaltigkeit, um die derzeit gut laufenden Geschäfte auf dem selben Niveau weiterführen zu können. kneisl: Beispiel Mesnerhaus: Ich halte es im Grunde für die Aufgabe der Gemein de, sich um ein denkmalgeschütztes historisches Gebäude im Ortskern zu kümmern, das sonst in falsche Hände gerät. Dass wir eingesprungen sind, zeigt nur, wie sich unsere Aufgaben verändern –und wie wir diese Verantwortung leben. Die Welt verändert sich. Damit werden sich auch die Aufgaben eines Tourismusverban des ändern – müssen. Als in Sölden die Bike Republic entstand, haben wir ökologi sche Nachhaltigkeitskriterien definiert, die später vom Land mehr oder weniger über nommen wurden. Vielleicht geschieht jetzt dasselbe mit dem Thema soziale Nach haltigkeit. Wir sind jedenfalls entschlossen, diesen Weg zu gehen.

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„Wir müssen die Vorteile, die wir bieten können, besser kommunizieren.“
Benjamin Kneisl
Gespräch
„In zehn Jahren sind wir die, die etwas zusammengebracht haben – oder nicht.“
FOTOS:
Philipp Falkner
PHILIPP HORAK
timmelsjoch.tirol tmmm.at TIMMELSJOCH HOCHALPENSTRASSE 2.474 m ƒ Mehr als 500 Motorräder und Oldtimer auf 4.500 m 2 ƒ 4D-Kino mit den neuesten KTM-Motorrädern ƒ Panoramarestaurant MOTORCYCLE EXPERIENCE WORLD Öffnungzeiten: ca. Mitte Mai – Ende Oktober täglich 7 – 20 Uhr

Die Alpen brauchen vor allem Kultur

In den Ötztaler Alpen sind in den letzten Jahren Musterbeispiele spektakulärer moderner Architektur entstanden. Ein Rundblick.

007 Elements

auf dem Gaislachkogl Das Museumsobjekt, designt von der „Obermoser arch-omo zt gmbh“, fügt sich auf 3.040 Metern wie ein Fels in die Landschaft.

Architektur
FOTO: JASON O’REAR

Der neue „Top Mountain Crosspoint“ am Beginn der Timmelsjochstraße, Gurgl, mit dem vergrößerten Motorcycle Museum. Architekt: Michael Brötz. Gegenüber an der Bergkante: eines der Objekte der „Timmelsjocherfahrung“ von Architekt Werner Tscholl.

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FOTO: ALEXANDER MARIA LOHMANN
Architektur
FOTO: MARKUS BSTIELER

Das Naturparkhaus in Längenfeld, in dem die außergewöhnliche Fauna und Flora des Ötztals beschrieben und nachvollziehbar gemacht wird.

Architekt: Hanno Schlögl.

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Gespräch mit Johann Obermoser, dem Architekten des ice Q, der Bergstation Gaislachkogl, des 007 Elements und anderer alpiner Projekte, über architektonische Kultur und das Bauen in den Bergen.

Was bedeutet Ihnen Architektur?

Ich sehe sie nicht als Arbeit, sondern als Erfüllung.

An welchen Bautraditionen haben Sie sich orientiert?

Eigentlich an zwei komplett unterschiedlichen: einerseits am minimalistischen Bauhaus Stil, andererseits am mit Orna menten behafteten postmodernen Stil von Charles Moore und anderen. Dazwischen habe ich mich am Anfang bewegt. Schließ lich habe ich mich aber ziemlich eindeutig zum Minimalismus bekannt. Das prägt bis jetzt unsere Objekte.

Ihre Häuser im Ötztal haben zum Teil eine stark skulpturale Anmutung. Mhm. Jedes Gebäude entwickelt sich aus dem Ort, wo es steht, und aus der Funktion, die es hat. Die Materialität ist abhängig vom Ort, an dem man baut. Es gibt sicher stilistische Gemeinsamkeiten bei allen Bauten, aber entscheidend für die Gestaltung ist vor allem anderen der Ort, wo das Gebäude steht.

Wie beginnt die Arbeit an einem so exponierten Ort wie dem ice Q? Das war insofern eine besondere Herausforderung, als wir ja komplett im Permafrost gebaut haben. Da kamen zu den funktionalen und gestalterischen Herausforderungen auch die geologischen Probleme dazu, die den Bau dann stark bestimmt haben.

er an spektakulären Orten seine Spuren:

stammt genauso aus seinem Atelier wie die Anlage des 007 Elements, die Gaislachkoglbahn und die Giggljochbahn. omoarchitekten.at

Aber die Form des Gebäudes stand von Anfang an fest?

Nein. Der ice Q sah am Anfang ganz anders aus. Er sollte ursprünglich ein Turm mit einer riesigen Plattform werden, unten ein Kiosk, oben das Restaurant, komplett getrennt voneinander. Es war der Einwand der Gastro Betreiber, für die es nicht in Frage kam, dass Küche und Restaurant auseinander liegen. Das war der Grund, warum wir noch einmal umgedacht haben.

Haben Sie nichts vom ersten Projekt behalten?

Doch, das Grundprinzip: die Reflexion. Am Berg hat man gestalterisch zwei Möglichkeiten. Entweder man baut so, dass sich die Landschaft im Gebäude spiegelt –oder man baut das Gebäude so, dass es selbst zu einem Teil der Landschaft wird.

Sie haben sich für die Reflexion entschieden.

Ja, für die Reflexion der Landschaft von außen – und für die Inszenierung der ein zigartigen Landschaft aus dem Gebäude heraus. Deshalb haben wir gestalterisch Blöcke übereinander gestapelt, um Terras sen zu generieren, von denen aus der Blick auf die Umgebung inszeniert werden kann. Dazu kommt dann, wie bereits angespro chen, das Funktionale: Küche und Restau rant auf einer Ebene, sprich: großer Grundriss – im Gegensatz zum schlanken ersten Entwurf, der eher in die Höhe streben sollte.

Wie sind Sie und Ihr Team die geologischen Probleme angegangen? Mit möglichst kleinen Fundamenten. Aus mehreren Gründen: erstens um das

Die Wildspitze 2022 40 Architektur
Gespräch von Christian Seiler und Peter Reinthaler Johann Obermoser, 68, studierte in Innsbruck Architektur, arbeitete mehrere Jahre in Wien, bevor er 1983 in Innsbruck sein eigenes Büro eröffnete. Er entwarf viele öffentliche und private Bauten, mehrheitlich in Tirol, und wurde dafür mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Ötztal hinterließ Der ice Q auf dem Gaislachkogl FOTOS: PHILIPP HORAK, JASON O’REAR (2)

007 Elements

Die schräg inszenierte James-BondErfahrung, quer durch den Berg.

Die Räume der Erlebnisausstellung graben sich in das gefrorene Felskonglomerat. Durch den „Barrel of the gun“ (Revolverlauf) gelangt man in die Zwischenwelt zwischen Bond-Fiction und Hochgebirgsrealität. Im Berginneren ließ Architekt Johann Obermoser sieben Betonelemente dynamisch miteinander verbinden, sodass sie sich an die Gesteinsbewegungen anpassen können. Über leicht geneigte Ebenen führt der Weg durch die Ausstellung bis zum Blick in den Abgrund. Die Materialien Beton, Stahl und Glas schlagen eine minimalistische Brücke zwischen archaischer Bergwelt und dem perfekt inszenierten Mythos der Marke „007“.

Die Wildspitze 2022 41
Spektakulärer Blick von der Terrasse ins Tal: Der Bau stand wegen des Permafrostes auf dieser Höhe vor erheblichen technischen Herausforderungen.

Verschmelzung von moderner Holz- und klassischer Alpinarchitektur: Das Restaurant (rechter Teil) sitzt unter einem Satteldach, das mit weitem Schwung über Seilbahnhalle, Motorradmuseum und Mautstation ausläuft.

Grundriss einer harmonischen Verbindung: Sämtliche Funktionen werden mit Holz-Stahl-Oberflächen und leichtem Industrial Design individuell geprägt und zusammengehalten.

geologische Gleichgewicht auf dem Berg nicht durcheinanderzubringen, zweitens um das Gebäude zu unterlüften, vom Wind umwehen zu lassen, damit die Wärme nicht in den Permafrost eindringen kann. Da haben wir vom Bau der Seilbahnstation gelernt. Die steht auf 23 Fundamentpunk ten, der ice Q nur mehr auf drei. Diese Bauweise hat sich sehr bewährt und wird jetzt auch international beim Bauen in den Bergen so praktiziert.

Kann ich mir das wie einen Stelzenbau vorstellen?

Ja, so in der Art. Mit dem Unterschied, dass die Stelzen hydraulisch bis zu einem Meter verstellbar sind, um etwaige Veränderun gen im Boden auszugleichen.

Wie groß waren die bisherigen

Top Mountain Crosspoint

Die Herausforderung, Größe in der Landschaft verschwinden zu lassen. Der ästhetische Zweckbau am Eingang der Timmelsjoch straße wurde im vergangenen Herbst, nur zehn Monate nachdem ein Brand große Teile des Gebäudes zerstört hatte, in vergrößerter Form neu eröffnet. Er enthält gleichzeitig Mautstation, Seilbahnhalle, das Motorcycle Museum (Seite 54), ein Restaurant sowie Wohn- und Büroräume. Seine „geschwungen-organische Linienführung“ (Architekt Michael Brötz) lässt das Gebäude ideal in der Landschaft verschwinden.

Schwankungen in den 14 Jahren, in denen die Bergstation der Gaislachkoglbahn beobachtet wird?

Keine drei, vier Millimeter. Früher musstest du alle zwanzig Jahre neue Stationen bauen, weil sie von den Bewegungen des Bergs auseinandergerissen wurden.

Sie haben in Tirol sehr viel gebaut, bevor Sie Ihre großen Projekte im Ötztal realisiert haben. Wie haben Sie im Ötztal zu bauen begonnen?

Zuerst hab ich gar nicht gebaut, sondern an einem Wettbewerb für die – später gar nicht verwirklichte – Zentrumsbahn teilgenommen. 2008. Da wollte ich einen Dorfplatz bauen, wo abends die Kabinen wie ein Riesenrad laufen, ein neues Zentrum mit Gastronomie und Veranstaltungs orten entstehen kann. Das Projekt schlug

völlig aus der Art. Es war uns klar, dass es nicht realisiert wird. Trotzdem haben wir den Wettbewerb gewonnen – aber realisiert wurde das Projekt aus anderen Gründen nicht – es gab Widerstand gegen neue Lift trassen, der Bau der Bahn wurde abgesagt. Dafür haben wir dann den Auftrag für den Gaislachkogl bekommen.

Bei der Gaislachkoglbahn war die Bergstation kaum mehr benutzbar und musste erneuert werden.

Da sagten uns die Bergbahnen: Wir müssen was tun. Schaut euch das an. Wir waren die Ersten, die die Garagierung der Kabinen der Talstation über der Einstiegsebene situiert haben. Das war ein neues funktio nalistisches Prinzip, das nach außen transparent macht, wie die Gondeln „schlafen gehen“.

Die Wildspitze 2022 42
ALEXANDER
LOHMANN
FOTO:
MARIA

ice Q

Nicht für einen Baukörper im engeren Sinn, eher für einen Witterungsschutz mit einer Folie, die auf dieser Höhe allerdings noch nie eingesetzt worden war. Das war natürlich ein gewisses Risiko. Aber da hat der Bauherr Selbstbewusstsein bewiesen und ist mit uns gemeinsam das Risiko eingegangen, die Folie notfalls erneuern zu müssen.

Was war der Vorteil dieser Folie, abgesehen von der Ästhetik?

Die Kosten. Die Stahlkonstruktion, auf die die Folie aufgespannt wird, muss nur sich selbst tragen, das war eine Riesenersparnis. Wir haben also die Funktionen der Seil

am Anfang unserer Zusammenarbeit, die ja bis heute sehr fruchtbar weitergeht: ice Q, Giggljoch, 007 Elements usw.

Ist Architektur das Produkt von Vertrauen?

Auf jeden Fall. Die internationale Resonanz in den Medien war für uns und unseren Bauherrn eine zusätzliche Bestätigung, die unser Vertrauen gestärkt hat.

Der ice Q ist zum Leuchtturmprojekt für das Bauen in den Alpen geworden. Da hatten wir natürlich auch Glück. Wir sperrten am 8. Dezember auf, und im Februar kamen die Location Scouts des

gestanden sind, am Ort der künftigen Baustelle, wie gehen Sie da vor?

Was empfinden Sie? In welche Richtung beginnen Sie zu denken?

Zuerst sortiere ich die ersten Eindrücke der Funktion. Dann forme ich im Kopf eine Figur, der ich einen Mantel, eine Materiali tät, zuspreche. Danach kommt die Frage, was das Gebäude kommunizieren soll, seine Darstellungskraft. Am Gaislachkogl war das die Ruhe, das Introvertierte des Gebäudes. Deshalb haben wir auch die Verbindungs brücke außen angebracht, um die Integrität des Gebäudes zu unterstreichen. Ich wollte, dass die Menschen in dem Haus Ruhe fin den, jede Hektik abstreifen und genießen.

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FOTO: RUDI WYHLIDAL
Transparente Verbindungen: Lift- und Bergstation auf dem Gaislachkogl.

Das Gebäude hat, wenn man es das erste Mal betritt, fast etwas Sakrales. So ist es. Es ist ein Kraftplatz. Man kann sich finden. Diese Stimmung haben wir inszeniert, indem wir den Lärm der Über gänge nach außen geschoben haben. Im Haus selbst herrscht Ruhe. Dazu kommt, dass es nicht sehr groß ist – eine leichte Holz Stahl Konstruktion, die auf den Fundamenten steht und auf diese Weise die großen Auskragungen bewältigt. Das Haus stellt sich automatisch immer von selbst gerade.

Wie funktioniert das?

Indem der Schwerpunkt sehr tief gesetzt ist. Selbst große Gewichtsverlagerungen im Haus können automatisch ausgeglichen werden.

Außen sieht das Haus utopisch aus, innen aber sehr heimelig. Weil wir innen die Holzkonstruktion sichtbar machen. Ich sage jetzt mal: eine moderne Alm. Mit der Patina, die das Haus in den nächsten Jahren bekommt, wird es sicher noch schöner.

Dieser Gedanke ist ein Anschluss an die alpine Bautradition. So ist es. Den Steinboden haben wir zum Beispiel aus Gletscherfelsbrocken schnei den lassen und eingebaut, und so etwas spürt man. Der Gneis geht in die Land schaft über. Das Holz stammt von der Lärche, die unsere Landschaft stark prägt.

Ist diese Materialsensibilität ein Schlüssel zum Bauen in den Alpen?

Auf jeden Fall. Man hat sich traditionell beim Bauen die Umgebung zunutze gemacht, und das machen wir auch. Wir machen, wenn möglich, die Materialien, die wir für die Konstruktion brauchen, sichtbar. Das hat etwas Archaisches, das die Menschen spüren.

Wie es bei alpinen Bauten sehr oft geschieht.

Ja, denn die Menschen, die vor hundert, zweihundert Jahren in den Bergen gebaut haben, machten keine Fehler. Sie hatten ein Gefühl für das Wesentliche. Sie konn ten die Proportionen richtig erkennen und umsetzen. Heute ist das anders. Im alpinen Raum spielt die architektonische Sensibilität eine entscheidende Rolle, um Verbindung und Anschluss zum Ort entdecken zu können und mit geeigneten Interventionen zu reagieren. Das Wesentliche geht heutzutage leider oft durch zu viele Signale, Änderungen und unklare Voraussetzungen verloren.

Sie haben nach dem Bauen auf dem Berg auch mitten in Sölden gebaut, nämlich das neue TVB-Haus. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Der Bauplatz im Zentrum von Sölden hat einen sehr kleinen Grundriss. Der Auftrag bestand darin, ein Haus zu bauen, das trotz des geringen Platzes Selbstbewusstsein ausstahlt. Für mich war von Beginn an klar, dass wir einen sehr scharf geschnittenen Körper machen müssen, der die Bedeu tung dieses Hauses auf elegante Weise symbolisiert.

Das Haus ragt von seiner Grundfläche schräg in Richtung Ötztaler Ache. Für mich ist die Schräge eine Geste, um den vorliegenden Platz zu erfassen, und ein Verneigen vor dem Gast. Hier ist der Tourismusverband zu Hause, der den Gast willkommen heißt. Für die Außenfassade habe ich mit den Holzschindeln eine klassi sche Materialität gewählt, einen Werkstoff, mit dem ich sehr gern arbeite.

Völlig anders als auf dem Gaislachkogl beim ice Q … Ja, sicher. Denn dort oben war das Material der Funktion geschuldet: Das Gebäude ist dazu da, die Landschaft zu feiern. Das TVB Haus ist da, um Gäste klassisch willkommen

zu heißen. Ein Schindelhaus in seinen zahl losen Ausformungen über den Alpenraum ist etwas Vertrautes, aber auch Besonderes.

Gibt es überhaupt noch genug Hersteller von Holzschindeln? Es ist extrem schwierig, Handwerker zu finden, die Schindeln herstellen und verarbeiten können. Die Schindeln auf dem TVB Haus zum Beispiel sind vorgealtert, damit die Fassade nicht wegen der unterschiedlichen Neigungen ganz ver schiedene Farben bekommt. Der Block soll ja als Block wahrgenommen werden.

Sie haben sehr viel Erfahrung beim Bauen in den Bergen gesammelt. Was ist das Wichtigste, das man dabei berücksichtigen muss? An welche Grundregeln muss man sich halten? Ich glaube, es gibt nicht die eine allgemeine Regel, die alles erklärt. Der Ort, wo gebaut werden soll, regelt vieles schon selbst. Baue ich an einer Hangkante? Bin ich im Wald? Bin ich mitten im Dorf? Bin ich oben am Berg? Alle Orte brauchen individuelle Herangehensweisen.

Gibt es keine Gemeinsamkeiten, auf die man Rücksicht nehmen sollte? Doch. Die Proportionen. Ich liebe zum Beispiel die Proportionen alter Bauernhöfe mit ihren kleinen Fenstern. Jedes sitzt genau am richtigen Ort. Da können wir uns mit unseren Ideen nur ein Beispiel nehmen.

Und das Material?

Es empfiehlt sich, auf die Umgebung Rück sicht zu nehmen. Wenn wir uns für Materialien entscheiden, die vor Ort prä sent sind, stärken wir die Bindung zum Ort. Das Erste, was ich mache, wenn wir einen Auftrag bekommen, ist die Orts­

Die Wildspitze 2022 44 Architektur
„Entweder man baut am Berg so, dass sich die Landschaft im Gebäude spiegelt. Oder man lässt das Gebäude Teil der Landschaft werden.“
GÜNTHER
„Man hat sich beim Bauen in den Alpen seit jeher die Umgebung zunutze gemacht. Und das machen wir auch.“
FOTOS:
RICHARD WETT

Naturparkhaus

Ein Museum jenseits musealer Konservierung.

Im Bereich des früheren Längenfelder Badl ist das Naturparkhaus von Architekt Hanno Schlögl das operative Zentrum des Ötztaler Naturparks. Der Bau sitzt wie ein „künstlicher Fels“ (Schlögl) am Ansatz des Hangs. Die Oberflächen sind aus waagrecht geschaltem Sichtbeton, der eine optische Brücke zwischen Fels und Holz schlagen soll. Das auf dem Dach gesammelte Niederschlagswasser läuft über einen spektakulären Wasserspeier in das vor dem Haus angelegte Biotop und nimmt damit das Bad-Motiv noch einmal auf.

Der Aufriss zeigt das geneigte Dach, auf dem sich das Wasser sammelt, um ins Biotop gespien zu werden.

Die Wildspitze 2022 45 Architektur
1 5 10m A
Skulpturale Details der Fassade und des überdachten Eingangsbereichs: einladende, komplementäre Einheiten. Im Inneren des Hauses finden Ausstellungsraum, Verwaltung (Bild), Shop und ein großzügiger Mehrzweckraum Platz. Grundriss des Naturparkhauses: Anziehungskraft durch Zurückhaltung.

Gurgl Carat

Das neue Kongresszentrum in Gurgl, am Dach des Ötztals.

Das vom Büro „Superwien“ geplante Kongresszentrum in Gurgl ersetzt den alten Piccardsaal. Es spielt geschickt mit der Formensprache des Dia manten: Gurgl tritt seit einigen Jahren als „Diamant der Alpen“ auf. Große, scharf geschnittene Glasflächen spiegeln die umlie gende Hochgebirgslandschaft und symbolisieren das Haus selbst als Edelstein. Superwien: „Das gewählte Material, die Transluzenz und die Form machen den Diamanten von außen und innen erlebbar.“

Platz für bis zu 600 Menschen in einem Saal, der über dem Boden schwebt. Der Raum unter dem neuen Saal wird zu einer Erweiterung des Ortskerns, ein „Gelenk zwischen Saal und Platz“.

besichtigung. Ich nehme mir Zeit, um den Ort zu beobachten und zu analysieren. Gehe von oben nach unten, von unten nach oben, rundherum, wechsle die Talsei te – es ist ja auch wichtig, wie ein Gebäude von der anderen Talseite aus wirkt.

Noch ganz ohne Vorstellung, was das einmal werden soll?

Käme ich mit einer fixen Vorstellung, täte ich mir schwer, mich davon wieder zu lösen.

Sind Sie bei diesem Kennenlernen des Bauplatzes allein?

Den ersten Weg mache ich meistens ohne den Bauherren, damit ich nicht sofort mit irgendwelchen Anforderungen konfron tiert werde, die meine Ideen beeinflussen.

Sie beginnen zu entwerfen, ohne mit dem Bauherren gesprochen zu haben? Nein, nach der Besichtigung treffen wir uns und diskutieren. In dem Gespräch kommen wir in der Regel so zusammen, dass wir einen gemeinsamen Weg finden. Idealerweise entstehen die Ideen durch einen intensiven Austausch.

Wie funktioniert das bei den enorm auffälligen Projekten im Ötztal?

Mit Jack Falkner hatte ich einen sehr aufgeschlossenen Bauherren, der einerseits etwas fordert, andererseits aber ein verläss licher Partner ist. Diese Kombination ist besonders wichtig, um außergewöhnliche Projekte erstens entwerfen und zweitens umsetzen zu können.

In der idealen Welt sieht es also so aus: Der Bauherr muss genau wissen, was er will. Für die formale Umsetzung sind Sie zuständig. So ist es. Der Bauherr muss seine Ideen im Bauwerk sehen, aber auch bereit sein, das, wofür nicht er zuständig ist, zuzulassen.

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Architektur
„Der Ort, wo ich baue, regelt schon vieles. Baue ich am Hang? Oben am Berg? Im Wald? Oder im Dorf?“
FOTO: WERNER ELMER

Vent –echte Naturerlebnisse genießen

Vent hat die höchste Dichte an 3.000 ern und die größte zusammenhängende Gletscherfläche der Ostalpen.

Das lockt natürlich Wanderfreunde und Berggenießer magisch an. Belohnt wird man mit purer Natur, Zirbenwäldern und unvergesslichen Gipfelerlebnissen. Im Winter begeistern Schneesicherheit auf über 1.900 Metern und Skierlebnisse mit grandiosem Panoramablick.

Willkommen in Vent –Gastfreundschaft inmitten des Naturparks und Naturschutzgebietes.

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Im Erdgeschoß sind Servicetheken und eine multimediale Ausstellung der touristischen Angebote untergebracht, in den Etagen darüber befinden sich Büros.

Tourismus

Das Gebäude, das die Gäste willkommen heißt.

Auf einem kleinen Baugrund im Ortszentrum von Sölden entwarf Johann Obermoser ein dreistöckiges Bürohaus, das sich leicht in Richtung Ötztaler Ache neigt. Das Haus ist mit vorgealterten Lärchenschindeln verkleidet, die der klaren, zeitgenös sischen Formensprache des Hauses einen traditionellen Anschluss verleihen. Das mit Glas ummantelte Erdgeschoß verleiht dem Gebäude fast schwebende Leichtigkeit.

Beide Seiten müssen offene Augen und Ohren haben, wenn sie in so einen Prozess gehen. Ich lerne bei jedem Bau dazu, und ich freue mich, wenn auch der Bauherr

Wie nennen Sie diesen Prozess? Sehr weit gefasst: Kultur. Kultur macht unser Zusammenleben aus, sie formuliert den Respekt füreinander. Ich beobachte heute, dass oft sehr aggressiv und apodiktisch miteinander umgegangen wird. Da kann nichts Kreatives entstehen. Das schlägt sich auch in der Baukultur nieder.

Sehen Sie in Ihrer Arbeit also auch eine gewisse pädagogische Funktion? Ich würde es vielleicht nicht pädagogisch nennen. Aber ich glaube, dass man mit Architektur das Leben von Menschen ver bessern kann, und zwar so, dass sie gar nicht genau merken, warum. Als wir die ersten M Preis Märkte gebaut haben, beka men wir von vielen Leuten die Reaktion, aha, irgendwas ist anders, wir fühlen uns hier wohler als in anderen Supermärkten.

Ausgerechnet im Supermarkt?

Ja, ausgerechnet im Supermarkt. Gute Supermärkte zu bauen ist architektonisch viel nachhaltiger, als irgendwo ein lässiges Einfamilienhaus hinzustellen. In den Supermarkt geht ja jeder hinein. Und versteht irgendwann, dass eine gute Beleuchtung etwas dazu beiträgt, dass man sich wohl fühlt, dass gute Sichtachsen die Orientierung erleichtern. So etwas zu denken und zu verstehen, ist für jeden Architekten enorm wichtig, ja, auch aus pädagogischen Gründen. So wie die Gestaltung von Schulen: enorm wichtig. Kindergärten: enorm wichtig. Die Men schen saugen die Vorteile guter Architektur auf und geben sie weiter. So entsteht Kultur. Und Kultur ist genau das, was wir beim Bauen in den Bergen am meisten brauchen.

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„Ich glaube, dass man mit Architektur das Leben von Menschen verbessern kann. Ohne dass sie genau merken, warum.“
FOTOS: ÖTZTAL TOURISMUS CHRISTIAN FLATSCHER (2), ÖTZTAL TOURISMUS WERNER ELMER
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Kultur

Turmmuseum Oetz / Kunst

Ein Wasserfall als Spiegel der Gesellschaft

Die spektakuläre Ausstellung „Der Stuibenfall“ zeigt im Turmmuseum Oetz eine der großen Attraktionen des Ötztals in erstaunlichen Bild-, Ton- und Textelementen. Ein Gespräch mit Ausstellungsmacher Walter Falkner und Museumsleiterin Edith Hessenberger.

Woher kommt Ihr Interesse am Stuibenfall, Herr Falkner?

Falkner: Ich stamme aus Umhausen. Für mich war der Wasserfall immer schon ein Naturdenkmal von Rang und Namen. Schon meine Mutter hat alles gesammelt, was den Wasserfall betroffen hat: Fotos, Bilder, alte Prospekte. Damit war der Grundstein für die Sammlung gelegt, die ich dann übernommen habe.

Sie haben weitergesammelt.

F: Ja, vor allem erschwingliche Stiche und Bilder von darstellenden Künstlern. Der Wasserfall wurde ja oft gemalt. Kaum ein Künstler, der das Tal besucht hat, ist am Wasserfall vorbeigegangen, ohne ihn zu malen.

Frau Hessenberger, wie haben Sie von dieser Sammlung erfahren?

Hessenberger: Walter Falkner ist an mich herangetreten und hat mir gezeigt, was er zusammengetragen hat. Ich war von Anfang an begeistert. Die Zusammenstel lung war sehr vollständig und gründlich –so, wie du eben bist, Walter. Und der Stuibenfall ist nicht nur sehr schön, son dern er kann auch sehr viel erzählen.

Was erzählt er?

F: Das Wasser des Stuibenfalls wird und wurde mannigfaltig benutzt. Für Bewässe rung, Mühlen und Elektrizitätswerke. Es gab ja bekanntlich in der Nazizeit gigantische Pläne, im Ötztal ein Kraftwerk zu bauen, das sogar Längenfeld unter Wasser gesetzt hätte.

Außerdem zieht der Stuibenfall enorm viele Touristen an.

F: Er war immer ein Magnet für Touristen, die schon seit der Jahrhundertwende kamen, um den Wasserfall zu sehen. Noch vor ihnen waren die Reiseschriftsteller da, die den Stuibenfall schon seit 1850 in ihren Berichten erwähnten.

Auch das gehört zu Ihrer Sammlung?

F: Ja, Zeitungsartikel und Reiseberichte. Auch Hans Jäger, der Gründer dieses Museums, hat da schon viel zusammen getragen. Zwei Drittel der Bilder dieser Aus stellung stammen aus seiner Sammlung.

Was macht der Stuibenfall mit seinen Betrachtern?

F: Er begeistert sie. Die hautnahe Betrach tung, die durch Klettersteig und Stiegen möglich ist, schafft ein besonderes Erlebnis.

Sie thematisieren diese Nähe auch in der Ausstellung Sie zeigt den Wasserfall in idealisierten alten Darstellungen, aber auch in aktuellen Bildern, in denen die Treppe fast die Hauptrolle spielt.

F: Das entspricht der Spannbreite der Betrachtungsmöglichkeiten. Wir zeigen Bilder von Schuhplattlern, die sich vor dem Wasserfall präsentieren, und von Bergläufern beim Stuibenfall Run. Wir zeigen die Stuibentuifel, die eine sehr neue Tradition sind, und erzählen die Sage vom Stuiben Nannele, auch wenn die in den alten Geschichtsbüchern nirgends vorkommt.

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Edith Hessenberger (r.) und Walter Falkner (l.) vor dem Eingang zur StuibenfallAusstellung. Im Hintergrund das Gemälde von Elmar Kopp (2015). Kulturgeschichte PHILIPP HORAK

Die kolorierte Radierung „Wasserfall bei Umhausen“ aus den Jahren 1801 bis 1805 von Jakob Gauermann (u.) zeigt ein frühes romantisches Bild des Tals. Naturidylle von Ferdinand Pöttmesser (l.), 1946, Aquarell von Vinzenz Hawlicek mit Jugendstilrahmen, 1899.

Die Wildspitze 2022 51 Kultur

Der Stuibenfall als künstlerisches und touristisches Motiv. Holzschnitt von Irmgard Parth (l.), 1970, Umhauser Schuhplattlergruppe vor dem Stuibenfall (o.), 1956, Tourismusprospekte aus den Dreißigerjahren (u. r.) und den Fünfzigerjahren (u. Mitte).

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Der Stuibenfall aus zwei Perspektiven auf einer „Correspondenzkarte“ aus den 1890er-Jahren neben der Ansicht von Umhausen und dem Hotel Krone.

Sie kommen auch auf die Hochwasserkatastrophe von 1762 zu sprechen, als der Wasserfall 70 Häuser in Umhausen wegriss.

F: Ja, wir zeigen den Bericht des Pfarrers, den er in lateinischer Sprache verfasst hat –samt den Namen der zehn Toten. Wir dokumentieren sowohl die Idylle als auch die Gefahren.

Wie ist das Museum in die Aufbereitung des Materials eingestie gen, Frau Hessenberger?

H: Die Sammlung war ein Idealfall. Wir können der Gesellschaft an einem sehr populären Punkt im Tal einen Spie gel vorhalten. Von frühen territorialen Beschreibungen über die romantischen Darstellungen der Kammermaler, den beginnenden Alpinismus bis zum Sommerfrischetourismus, der im vorderen Tal ja schon sehr früh eingesetzt hat. Wir erleben mit, wie der Stuibenfall zum touristischen Hotspot wird, wie sich das Marketing professionalisiert, wie das Spektrum möglicher Nutzungen sichtbar wird – von der Energiegewinnung bis zum Fotomotiv oder zur Diskussion um die 2015 aufgestellte Wasserfalltreppe, um neue Verwertbarkeiten, um die Grenzen des Wachstums. Wir können am Beispiel Stuibenfall unsere wichtigsten Themen sichtbar machen.

Sind für Sie, Herr Falkner, Ausstellung und Buch ein Schlusspunkt Ihres Sammelns?

F: Nein. Ich sammle weiter.

Kunstinstallation

Sölong a Weiwats …

Die Ötztaler Museen nutzen ein Staubnetz, um eine eindeutige Botschaft loszuwerden. Gestaltet von der Künstlerin Katharina Cibulka.

2020 kaufte die Gemeinde Längenfeld das 400 Jahre alte Bauernhaus „Wastls“, das in unmittelbarer Nähe des Ötztaler Heimatmuseums in Lehn bei Längen feld steht. Es soll in Zukunft den belieb ten Museumsort um eine Attraktion reicher machen und wird deshalb im Sommer 2023 umgebaut.

Für den Beginn des Umbaus verschwand „Wastls“ Fassade hinter einem Staubnetz. Auf Anfrage der Ötztaler Museen übernahm die Tiroler Künstlerin Katharina Cibulka die Aufgabe, diese Versuchsanordnung in eine aktionistische Kunstinstallation zu

verwandeln. Wie auf den vorangegangenen 24 Installationen von Cibulka, die alle mit dem Wort „Solange“ begonnen hatten, ergreift auch der Spruch in Lehn Partei – allerdings auf Ötztalerisch.

Der Spruch „Sölong …“ kam übri gens frei Haus. Nachdem die Ötztaler Museen um Postkartenzusendungen mit Vorschlägen für einen feministi schen SOLANGE Spruch auf dem Wastls Haus gebeten hatten, bekamen sie über 150 Postkarten mit Vorschlä gen. Ausgewählt wurde der Satz der Ötztalerin Helene Steger Holzknecht.

Kultur
Hochdeutsch: Solange eine Frau dreimal so viel arbeitet, aber nur ein Drittel verdient, bin ich Feministin. Die Wildspitze 2022 53
CREDIT HIER Die vertiefende Publikation zur Ausstellung im Turmmuseum Oetz. Walter Falkner: Der Stuibenfall. Kleine Kulturgeschichte eines Naturdenkmals. StudienVerlag, 152 Seiten, 19,90 Euro. Bestellung per E-Mail: info@oetztalermuseen.at

Auf dem Motorrad quer durch die Geschichte

Nach einem Großbrand musste das Top Mountain Motorcycle Museum in Gurgl neu gebaut werden. Die Wiedereröffnung ist triumphal: mehr als doppelt so viel Fläche, 550 Motorräder, eine Sammlung mit noch mehr Tiefgang und mit modernsten multimedialen Attraktionen.

Am Anfang stand das Ende. Durch einen Großbrand, der von einem technischen Defekt an einem Präsentationsbildschirm ausgelöst wurde, brannte das erst 2016 eröffnete Top Mountain Motorcycle Museum am 18. Jänner 2021 fast voll ständig ab. Dabei wurden 350 Motorräder und 15 Oldtimerautos zerstört, alle von höchstem historischem Wert.

Die Schrecksekunde dauerte unge fähr einen Monat, dann war den Inhabern und Betreibern Attila und Alban Scheiber klar: Wir machen wei ter. Und zwar auf mehr Grundfläche, mit mehr Ausstellungsstücken und mit

noch mehr Qualität (siehe auch S. 44). Grundlage dieser Entscheidung war die Welle des Mitgefühls, der Solidarität und Unterstützung, die den Museums machern entgegenschlug. Sammler und Motorradinstitutionen aus der

an, sodass nach kürzester Zeit klar war, dass die Ausstellung an der Passstraße über das Timmelsjoch nach ihrer Wiedereröffnung sowohl größer als auch noch besser bestückt sein würde.

„Es war natürlich sehr emotional“, sagt Attila Scheiber über die Momente des Nachdenkens. „Es sind unersetzliche Werte verloren gegangen, Erinne rungsstücke und Familienbesitz. Aber der Zuspruch, den wir bekommen haben, war phänomenal.“

Nach einem Monat fiel die Entschei dung, die Grundfläche der Ausstellung von 2.000 auf 4.500 Quadratmeter aus zudehnen. Das Konzept des Museums wird entsprechend angepasst. Das neue Top Mountain Motorcycle Museum wendet sich

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nicht mehr allein an Museum Im neu gebauten Top Mountain Motorcycle Museum sind spektakuläre 550 Motorräder zu bestaunen. Plus andere Attraktionen aus der Welt des Motorsports.

Motorradfans, sondern soll „ein Erleb nis für alle Besucher werden, unabhängig von der Interessen und Alters gruppe“, sagt Scheiber.

Während der Schwerpunkt der Sammlung unverändert auf der Motorradgeschichte zwischen 1885 und 2000 liegt, wird das neue Museum auch neue Akzente setzen und sich zum Bei spiel mit dem Leben und Wirken von österreichischen und speziell Tiroler Motorradpionieren auseinandersetzen. So enthält es die „Sammlung Max Reisch“, der einer der prägenden Tiro ler Abenteurer und Entdecker war. Zu sehen sind spektakuläre Bilder und Fahrzeuge von Reischs Expeditionen in die Sahara, nach Indien und in andere unbekannte Weltregionen.

Darüber hinaus wird es eine ganze Reihe multimedialer und digitaler Attraktionen geben. Ein 4 D Kino er laubt das nahezu lebensechte Genießen einer Motorradfahrt über das Timmels joch. Digitale Grundkurse tragen zum besseren Verständnis der Motorentech nik bei, Soundclips bieten ein sinnliches Erleben verschiedenster Motorrad modelle. Dazu werden die neuesten KTM Bikes ausgestellt, Oldtimer und Formel Fahrzeuge, die Sammlung histo rischer Rennmaschinen, die mit dem Experten Stefan Knittel zusammenge stellt wird, sucht ihresgleichen. Auf Straßenniveau wird die Dauerausstel lung zu sehen sein, im wechselnde Attraktionen.

„Wir wollen eines der besten Museen der Welt schaffen“, sagt Attila Scheiber. „Es ist unser Ziel, die Zweirad in allen Facetten zu erfassen und dar das neue Top Mountain Motorcycle Museum für das ganze Tal eine Attraktion – und darüber hinaus.“

Top Mountain Motorcycle Museum im Top Mountain Crosspoint. Öffnungszeiten: täglich 10.00–17.00 Uhr www.crosspoint.tirol

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Architektur

Neues Leben für ein altes Haus

Das Mesnerhaus in Längenfeld hat eine neue Bestimmung. Der Ötztal Tourismus vereint unter dem historischen Dach Service, Büros und Gemeinschaftsräume für die Allgemeinheit.

Es ist ein historisches Haus im Her zen von Längenfeld, das gerade eine neue Gestalt bekommen hat. Ursprünglich wurde das Mesnerhaus am Beginn des 18. Jahrhunderts gebaut, um den Mesner zu beherbergen – und ange messene Räumlichkeiten anbieten zu kön nen, wenn der Bischof persönlich einmal den Weg ins Tal findet. Es wurde dann viele Jahre als Gasthaus genutzt und hatte verschiedene Pächter. Im Jahr 2003 wurde es aufwendig und sensibel umgebaut. Dennoch stand das Mesnerhaus vor einer ungewissen Zukunft, als der letzte Betrei ber im Sommer 2021 das Handtuch warf.

Die Entscheidung des Ötztal Touris mus, das Haus zu übernehmen, signalisiert einen mehrfachen Nutzen. Einerseits – so Leo Holzknecht, Destinationsleiter für Längenfeld und Umhausen – wollte der

TVB ohnehin an einen Ort, „wo die Leute sind“. Andererseits aber übernahm man mit der Akquisition auch Verantwortung für ein wertvolles historisches Gebäude an prominentem Platz (siehe auch Gespräch S. 30).

Ein sensibler Umbau passt das Haus, dessen historischer Teil unter Denkmal schutz steht, an die neuen Bedürfnisse an. Die Architekten Haid & Falkner schufen Platz für Büros, bauten einen neuen Ein gangsbereich und verwandelten die histo rischen Stuben in Begegnungsräume, etwa einen kleinen Bauernladen. Im ehemali gen Bischofssaal werden Sitzungen abge halten. Auch die Musikkapelle, die Weggemeinschaft und andere Vereine nutzen das Haus. Unter dem Dach befinden sich zwei kleine Wohnungen für Mitarbeiter. Das Leben ist zurückgekehrt.

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Mesnerhaus in Längenfeld. Details des sorgfältig renovierten Hauses, das nun die neue Heimat für den Ötztal Tourismus ist. PHILIPP HORAK

– von der Wildspitze bis ins Tal.

Außergewöhnliches Talent, außergewöhnliche Erfolge: MTB-Star Mona Mitterwallner.

Sport

Die nach oben offene Mona-Skala

Mona Mitterwallner, 20, aus Silz ist die nächste ganz heiße Aktie im UCI-MTB-Weltcup. Sie trainiert mit den Männern, hat in ihren Altersklassen alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, und nimmt, ausgestattet mit familiärer Unterstützung und enormem Selbstbewusstsein, die nächsten Ziele ins Visier: auch in der Eliteklasse ganz oben zu stehen.

Ssie ist selbstbewusst. Wenn Mona Mitterwallner über ihren Zugang zum Radfahren erzählt, dann scheinen sich die Fakten geradezu zwangsläufig in der richtigen Reihenfolge zu sortieren.

Aus einem Kind, das gern Breakdance tanzt, Fußball, Eishockey und Volleyball spielt, wird eine junge Frau mit dem brennenden Ehrgeiz, die Weltspitze im Mountainbike-Sport zu stürmen.

Monas Karriere begann nicht etwa, weil ihr Papa Downhillrennen mit dem Mountainbike fuhr. Er nahm sie einfach

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STEFAN VOITL (2)

zum Radfahren mit, und der Sport pass te ihr wie angegossen.

„Ich bin“, sagt Mona in der Küche des elterlichen Einfamilienhauses in Haiming, „ein bissl ehrgeizig.“ Wer sie kennt, weiß, dass das eine freundliche Untertreibung ist.

Sie fand also Freude am Radfahren, aber sie suchte auch schnell den Ver gleich. Wurde Mitglied im Racingclub Haiming, der sie zum Cross Country brachte und bis heute ihr Stammverein ist. Nahm an einem ersten Rennen in Italien teil, das sie als Zweite bereits auf dem Stockerl beendete. Ahnte, dass sie eher für den Einzel- als für den Mann schaftssport gemacht ist.

„Ich hatte auf dem Rad augenblick lich das Gefühl: Das ist meine Sportart“, sagt Mona. „Ich mochte es, die Maschi ne zu verstehen. Und ich liebe es, wenn der Wettkampf mir abverlangt, alles zu geben.“

Eine Woche später startete Mona bei einem Rennen in Langenlois. Sie wurde Dritte – „aber mit schlechterem Mate rial als die anderen“, wirft sie energisch ein, als müsste sie sich dafür entschul digen, dass sie nicht schon ihre aller ersten Rennen gewonnen hat, sprich: vergleichsweise auf dem Klapprad.

Das Gespräch mit Mona Mitter wallner spiegelt in seiner interessanten Dynamik auch die familiäre Situation wider. Ihr Vater Walter, selbst Fußballer, Eishockeyspieler und DownhillMountainbiker – atmet die Begeiste rung für den Sport, während Mutter Angelika, die Yogalehrerin ist, die Situation aus einem distanzierteren Blickwinkel zu betrachten scheint. Sie kümmert sich um die ausgeklügelte Ernährung für ihre Tochter und ist ihre Mentalberaterin.

„Ernährung ist ein unterschätztes Potenzial“, sagt Mona, die sich vegeta risch ernährt, während ihre Mutter vegan isst. „Nicht nur für die Gesund heit, auch ganz spezifisch für die sportliche Leistung.“

Damit zielt sie gleich auf zwei Eigen schaften, die Mona enorm am Herzen liegen: „Perfekte körperliche Disposi tion. Und die nötigen mentalen Eigen schaften.“

Mona hat am Anfang ihrer Karriere sehr schnell gewonnen. Das entsprach ihrem Wunsch, „die beste Version mei ner selbst zu sein“, wie sie es etwas über schießend formuliert. Das gute Umfeld verstärkte diesen Wunsch: auf der einen Seite die Eltern mit ihren komplemen tären Ansätzen, auf der anderen Monas Trainer Christoph Rauch, der das Talent des Mädchens rasch erkannte und die Betreuung übernahm.

Sicher ist, dass sich niemand um die Motivation der talentierten Sportlerin sorgen musste. Mona setzte schon nach ihrem ersten Sieg durch, dass sie „ganz Rad fahren“ konnte und war aus tiefster Überzeugung bereit, „alles dem Rad fahren unterzuordnen“.

Im Jahr 2018 gewann sie alle Rennen und wurde Europameisterin. 2019 ge wann sie – „bis auf drei Rennen“ – alles. 2020 war sie noch stärker: gewann alle Juniorenrennen, inklusive der Europaund Weltmeisterschaften.

2021 wechselte sie in die nächsthöhe re U23-Klasse, gewann – 19-jährig –sämtliche Weltcuprennen und wurde Welt- und Europameisterin. In Capoli veri holte sie sich ihren ersten Titel in der Eliteklasse, nämlich WM-Gold im Mountainbike-Marathon. Es versteht sich fast von selbst, dass sie damit die bisher jüngste Weltmeisterin in dieser Disziplin ist.

„Ich hab den großen Drang, in der Elite zu fahren“, sagt Mona wenig über raschend. Der „Kurier“ nannte ihren

unverhohlenen Ehrgeiz einen „eher unösterreichischen Zugang“. Mit Sicherheit waren die bereits abgeliefer ten Leistungen und die Aussichten auf zukünftige Erfolge der Ötztalerin die Voraussetzung dafür, dass sie Angebote der führenden internationalen Moun tainbike-Teams bekam, selbstverständ lich für die Rennserien der Eliteklasse.

Sie entschied für das Cannondale Factory Racing Team, unter anderem deshalb, weil sie dort ausschließlich männliche Kollegen hat. Sie trainiert lieber mit Männern, denn ihre Partner – „ich möchte nicht überheblich klin gen“ – sollten „gleich gut oder im Ideal fall stärker als ich sein“. Ihr Vertrag läuft einmal bis 2024, und Mona ist optimis tisch, dass das nur der Anfang ist: „Wenn ich abliefere, ist nichts ein Problem.“

Die Ergebnisse der Saison 2022 sind glänzend, wenn auch nicht so eindeutig wie im U23-Weltcup, wo es Mona Mitter wallner gewohnt war, ihre Gegne rinnen bereits auf den ersten Kilome tern zu distanzieren und bis ins Ziel mehrere Minuten Vorsprung herauszu fahren. Sie nähert sich dem nächsten großen Ziel – einem Weltcup-Sieg in der Eliteklasse – sukzessive an, muss die Dichte und Qualität der Konkurrenz aber noch anerkennen.

Zu Hause am Küchentisch formuliert sie das so: „Es ist normal, dass ich hohe Erwartungen an mich habe. Ich will neue Wege gehen. Um zu erreichen, was noch niemand erreicht hat, muss ich Dinge tun, die noch niemand getan hat.“

Neue Ausschläge auf der nach oben offenen Mona-Skala dürfen erwartet werden.

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„Um zu erreichen, was noch niemand erreicht hat, muss ich Dinge tun, die noch niemand getan hat.“
Auf der Jagd nach dem ersten Welt cup-Sieg gegen stärkste Konkurrenz: Mona Mitterwallner.

Ich würde meine Geschichte nicht ändern“

Interview mit dem Slalomfahrer Dave Ryding, der als erster britischer Rennfahrer ein Weltcup-Rennen gewann und mit 35 Jahren Jagd auf den nächsten großen Sieg macht.

Wie fühlt es sich an, so spät in deiner Karriere Kitzbühel zu gewinnen? Späte Erfüllung oder Motivation, weiterzufahren?

Auf jeden Fall Erfüllung. Ich habe immer daran geglaubt, dass ich schnell genug bin, um große Rennen zu gewin nen. Aber es zeigt auch, dass ich immer noch an jedem Tag der Schnellste sein kann. Das motiviert. Also definitiv bei des, Motivation und späte Erfüllung.

Was geht dir durch den Kopf, wenn du zur Siegerehrung gerufen wirst?

In Kitzbühel war es ungewohnt, aber nach Garmisch wurde es ein bisschen vertrauter. Jedenfalls ist es das beste Gefühl der Welt.

Spürst du immer noch die Magie eines Rennens auf höchstem Niveau?

Ja. Der Rennhang ist ein großartiger Ort, um zu sagen: Das ist mein Arbeits platz. Und mir wurde während des Pandemiewinters klar, wie wichtig die Fans für uns Athleten sind. Wir fahren, so gut wir können. Aber sie sorgen für die Atmosphäre, und das macht wirklich einen großen Unterschied.

Wenn du dich mit den Augen des 18-jährigen Dave Ryding betrach test: Gefällt dir, was du siehst? Hättest du dir für deine Karriere mehr oder weniger erwartet? Auf jeden Fall weniger. Mir gefällt sehr,

was ich sehe. Wenn ich an den Beginn meiner Karriere zurückdenke, würde ich sagen, dass jeder verrückt ist, der es im Weltcup versucht. Aber meine Karriere zeigt, dass man es schaffen kann, wenn man einen Traum hat und bereit ist, alles für den Sport zu opfern. Ich hoffe, dass die jüngere Generation sieht, was alles möglich ist.

Was bedeutet das Alter im Profisport: Last oder Erfahrung?

Wenn man älter wird, verliert man etwas an Geschwindigkeit in den Beinen. Aber man sammelt auch Erfahrung im Rennsport, auf und neben der Strecke. So bin ich zum Beispiel neun oder zehn Mal in Kitzbühel gefahren. Für einige der jüngeren Fahrer, die sehr schnell sind, ist es das erste Mal, und das ist eine große Herausforderung. Wenn man seinen Körper fit hält, was mir gelungen ist, und seine Erfahrung nut zen kann, dann hat man einen Vorteil. Dafür bin ich das beste Beispiel.

Wenn du große Skinationen wie Österreich, Frankreich oder die Schweiz beobachtest: Würdest du lieber zu deren Team gehören, oder bist du glücklich, dass du zum Team

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Dave gehörst?
Ski alpin FOTOS: ALEXANDER LOHMANN Gurgl-Partner Dave Ryding: „Ich würde meine Geschichte nicht ändern. Sie ist einzigartig. Und sie ist meine Geschichte.“

Ich bin glücklich mit dem britischen Team. Ich habe dieses Jahr zwei jüngere Jungs bei mir, bin also nicht mehr allein. Das macht einen großen Unter schied. Billy und Charlie sind auf einem sehr guten Niveau, haben Europacups gewonnen und treiben mich jeden Tag auf der Trainingsschanze an. Ich weiß nicht, wie es wäre, im österreichischen Team zu sein, darüber habe ich nie nachgedacht. Ich habe immer getan, was ich konnte, und zwar mit dem, was mir zur Verfügung stand. So bin ich es gewohnt.

Wenn du auf deine Karriere zurückblickst: Was hätte viel besser laufen können?

Ich bin gestürzt, als ich in Levi unter wegs zum Sieg war. Ich hätte also schon im Jahr 2017 gewinnen können. Aber ich mag nicht darüber nachdenken, was ich alles besser hätte machen können. Die Wirklichkeit ist anders. Man lernt mit den Jahren dazu und versucht, Jahr für Jahr die früheren Fehler auszumerzen. Wir Sportler arbeiten jeden Tag daran, besser zu werden. Das ist alles, was wir tun können. Meine Erfolge sind sehr spät gekommen, aber ich blicke nicht mit Bedauern auf die Zeit zurück, wo sie auf sich warten ließen. Ich würde meine Geschichte nicht ändern. Sie ist einzigartig. Und sie ist meine Geschichte. Ich bin nicht Marcel Hirscher, der sechzig Weltcups gewon nen hat. Aber ich fahre mit 35 Jahren immer noch – und vielleicht kommt ja noch ein Sieg dazu.

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kristallwelten.com/hollywood
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Slalom-Ass Ryding nach dem Training in Gurgl: „Ich habe immer daran geglaubt, dass ich schnell genug bin, um große Rennen zu gewinnen.“

noch ein gutes Stück unter den Gipfeln, die einem allerdings schon ziemlich nahe gerückt sind. Es ist ein üblicher Tiroler Blick, für Leute von weiter draußen aber unge wohnt. Ein Berliner Freund saß bei uns zu Hause ein Stück über der Stadt Innsbruck und bemerkte schließlich, er finde es erstaunlich, wenn man den Verkehrsflugzeugen von der Seite beim Fliegen zuschauen könne. Im Ötztal wird man es bestenfalls zu einem Hubschrau ber bringen, aber gewiss wird sich auch dieses Gefühl „zwischen den Welten“ einstellen, sozusagen im „Mezzanin“, wie im Wien der Gründerzeit das Stockwerk zwi schen Erdgeschoß und erstem Stock genannt wurde.

❶ Kühtaier Höhenweg

Im nördlichsten bzw. vordersten Seiten tal des Ötztals starten wir auf 1.750 Meter Seehöhe und bewegen uns nach kurzem Anstieg stets in aussichtsreicher Lage nahe der Waldgrenze durch die Zone der Hochalmen bis zur Balbach Sennhütte. Entweder wird nun ins Dörf chen Ochsengarten abgestiegen, oder man gelangt in kurzem Anstieg zur 2.020 Meter hoch gelegenen Bergstation der Acherkogelbahn; mit ihr kurze Abfahrt ins Ötztal. Den Rückweg zum Ausgangspunkt nimmt man prakti scherweise mit dem Postbus.

❷ Dr.-Bachmann-Weg

Benannt nach dem langjährigen Sölder Arzt und Extrembergsteiger Manfred Bachmann, führt dieser Höhenweg aus der modernen Tourismuswelt von Hochsölden in kurzer Zeit in die wildromantischen steilen Hänge und einsamen Kare des inneren Ötztals mit prächtiger Aussicht auf die jenseits des Tals aufragenden Dreitausender des Hochstubais. Manchmal ist er wegen

der Schneelage erst ab dem Spätsommer begehbar. Von dem schönen kleinen See im Marblkar geht es schließlich im Bogen abwärts ins Tal zu dem Weiler Granstein und zurück nach Sölden.

❸ Venter Höhenweg

Mit siebeneinhalb Stunden von Sölden nach Vent ist dieser Weg eine richtig lange Sache, von den Erbauern vor etlichen Jahren vollmundig, aber wohl zutreffend als „höchster und schönster“ Panoramaweg weitum bezeichnet. Auch hier starten wir mitten aus der Moderne heraus und finden uns bald in den wei ten, oft abartig steilen Wiesen des alten Bergbauernlandes um die Almsiedlung Gaislach wieder (garniert mit vielen Heuhütten), wo das harte, arme Leben der früheren Zeiten mit einem Blick vor die Augen tritt. Schließlich landet der Wandersmann (heute auch: „Wandersperson“) auf dem gut ausgebauten, manchmal erstaunlich ausgesetzten Steig in der schieren Bergeseinsamkeit und am Schluss im lauschigen Bergsteigerdorf Vent. Auch hier per Bus bequem zurück auf Los.

Die Wildspitze 2022 62
ÖTZTAL TOURISMUS/SATELLITE CREATIVE HOUSE
Richtig lange Sache: der aufregende Höhenweg von Sölden nach Vent.

WIR MACHT’S MÖGLICH.

Nicht der Einzelne verändert die Welt, sondern die Gemeinschaft, die stärker als alles andere ist. Das WIR, das füreinander sorgt und füreinander Mehrwert schafft - aus der Region für die Region und die Menschen, die darin leben. Diesen Grundgedanken leben und pflegen die Ötztaler Raiffeisenbanken seit 1888. WIR ist mehr als jeder Einzelne für sich.

Raiffeisen im Ötztal: raiffeisen.at/soelden | raiffeisen.at/laengenfeld | raiffeisen.at/vorderes-oetztal

hochoetz.at 1.000 Abenteuer und WIDIs 5D-Kino 3 aufregende Themenwege vorbei an Berg- und Almhütten und 36 Spielstationen mit kniffligen Aufgabenspannende Missionen für die ganze Familie
© W. Haid

Das blaue und das weiße Spiel von Licht und Schatten

Die Künstlerin Hannah Philomena Scheiber stellt in ihren großartigen blau-weißen Bergbildern sich selbst und die Natur auf die Probe.

Für „Die Wildspitze“ hat sie den emblematischen Berg des Ötztals gemalt und uns dabei zusehen lassen: die Wildspitze. Ein Werkstattbesuch.

Die Wildspitze 2022 Kunst
Text: Christian Seiler Fotos: Franz Preschern
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Im tiefen Blau, das Hannah Philomena Scheiber anmischt, sind nicht snur die Linien der Bergwelt, sondern all ihre Kontraste enthalten. Die braucht es, um zu wertvollen Erkenntnissen zu gelangen.

Das Entstehen der Wildspitze. Von der weißen Leinwand über das Blau des Himmels zur Gestalt des Berges und seinen tiefsten Schatten und Abgründen.

Kunst 67 Die Wildspitze 2022

Kunst

Die Wildspitze 2022 68
Werkstattbesuch bei Hannah Philomena Scheiber. Sie malt buchstäblich jeden Tag, meist an mehreren Bildern gleichzeitig. Ihr Atelier ist eine umgebaute Tischlerwerkstatt, hell und lichtdurchflutet.

Wie entsteht ein Kunst werk? Oder – fangen wir am Anfang an –wann beginnt ein Kunstwerk zu entste hen? Hannah Philomena Scheiber, Malerin aus Obergurgl, hat auf diese Fragen präzise Antworten. Sie denkt ein paar Sekunden nach, wirft den Kopf in den Nacken und sagt: „Jedes Kunstwerk beginnt mit dem Schauen.“

Scheiber, die sich darauf spezialisiert hat, ihre Motive in der Landschaft ihrer näheren und etwas weiteren Heimat zu finden, ist also ständig am Arbeiten. Sie scannt die Silhouetten ihrer Umgebung nach Linien und Formen, die ihr etwas zu erzählen haben. Sie beschreibt den Vor gang der Themenfindung so: „Ich weiß, dass ich etwas gefunden habe, wenn mein Körper in Resonanz zu dem Motiv geht.“

Diese Resonanz äußert sich eher „emotional als analytisch“, sagt Scheiber. Es ist ein Moment der Gewissheit, dass sie malen möchte, was sie sieht, dass sie die äußere Wirklichkeit einer Landschaft, die von uns allen bewohnt, betrachtet, erkannt und geschätzt wird, in die innere Wirklich keit ihrer Kunst übersetzt.

„Sobald ich weiß, dass ich ein Motiv malen möchte“, sagt Scheiber, „spüre ich eine enorme Dringlichkeit. Ich muss dann sofort mit der Arbeit beginnen.“

In der Regel macht sie dann Bilder mit dem Handy, um ihre Eindrücke erst einmal festzuhalten. „Manchmal habe ich die Strukturen aber so genau vor Augen, dass ich weder ein Foto brauche noch eine Vorzeichnung auf der Leinwand. Dann empfinde ich so etwas wie eine innere Gewissheit, die meinen Pinsel lenkt, bis das Motiv Gestalt annimmt. Meine Gestalt. Die Gestalt, die ich ihm zugedacht habe.“

Hannah Philomena Scheiber, 30, wusste schon früh, dass sie Künstlerin werden wollte. Noch vor ihrem Schulabschluss bewarb sie sich an der Universität für Ange wandte Kunst in Wien, wurde unter hun derten Bewerberinnen und Bewerbern auf genommen und studierte Konzeptkunst bei Johanna Kandl und Matteo Thun. Anschließend zog sie – maximaler Kontrast zu ihrem Heimatdorf Obergurgl – nach New York, um ihre Studien bei Stefan Sagmeister und Jerry Saltz an der „School for Visual Arts“ fortzusetzen.

Die Wildspitze 2022

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Untere Gewerbestraße 7 I 6450 Sölden I Ausfahrt O1 I info@soelsch.com www.soelsch.com | shop.soelsch.com

BHÄNGEN.
ZUM Å

Sie kehrte nach Obergurgl zurück, um eine Karriere als freie Künstlerin einzu schlagen, Schwerpunkte: Malerei und Objektgestaltung. Hatte sie vor ihrem Studium, wie bei Franziska Maderthaner gesehen, noch fotorealistisch gemalt, fand sie beim Malen blau-weißer Trachtenstoffe ein gestalterisches Zentrum im ausschließ lichen Spiel dieser beiden Farben.

Nachdem der Maler Herbert Brandl mit seinen Arbeiten bei der Biennale in Venedig „der modernen Kunst die Berge zurückgegeben hat“, wie es Hannah Philomena Scheiber formuliert, kombi nierte sie die beiden Ideen. Einerseits Bergmotive, ästhetisch in die Gegenwart übersetzt. Andererseits das Spiel der Farben Blau und Weiß, das maximale Kontraste ermöglicht und darin der Philosophie folgt, dass Erkenntnis durch maximalen Kontrast zu erreichen ist.

„Ich interessiere mich für Schattenthe men“, sagt Hannah Philomena Scheiber. „So wie ich mich mit den Schattenseiten des Menschseins beschäftige, gibt mir das Malen von starken Kontrasten die Freiheit, der Bedeutung dieser Schatten nachzuspüren.“

Sie beginnt jedes Bild mit den dunkelsten Stellen. Manchmal zeichnet sie die wich tigsten Linien mit Bleistift vor, manchmal aber beginnt sie direkt mit dem dunkelsten Blau, mit den Stellen ihres Bildes, in denen das Licht zu verschwinden scheint.

„Von den Schatten arbeite ich mich dann konsequent zum Licht vor“, sagt Scheiber. „Ich empfinde das als einen meta physischen Vorgang.“ Sie vertraut dabei ganz ihrer Intuition, verlässt, wenn es sie

drängt, die Vorlage, orientiert sich nur noch an der Horizontlinie, „die mir Orientierung gibt“.

Das Weiß, der maximale Kontrast zum Schattenblau, steht nicht nur für das Licht, sondern für das Wasser in allen möglichen Aggregatzuständen – „also für das zyklische Wiederkehren der Natur“, wie es Scheiber formuliert.

Das Bild der Wildspitze, dessen Ent stehung wir dokumentieren durften, ist nicht Scheibers erste Interpretation dieses höchsten Gipfels im Ötztal. Sie hat den Berg bereits mehrmals gemalt und „natür lich“ auch selbst bestiegen – „im Winter, mit den Ski und mit dem Papa“.

Sie empfand während des Malens nicht „den Wildspitz selbst, sondern den linken Fernerkogel“ als zentral, „weil sich dort die Veränderung der Natur durch den Menschen manifestiert“.

Zusammen mit den Eingriffen, die nötig sind, um die Sicherheit des Lebens in den Bergen zu garantieren, öffnet das ein weiteres Spannungsfeld von Licht und Schatten.

studioscheiber.com

Preise für Gemälde auf Anfrage

Die Wildspitze 2022 70 Kunst
Die Künstlerin vor ihrem fertigen Gemälde der Wildspitze: „Ich habe keine Sehnsucht nach anderen Farben als Blau und Weiß.“
„Ich weiß, dass ich ein Bild malen muss, wenn mein Körper in Resonanz zu dem Motiv geht.“
Hannah Philomena Scheiber

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bucht ihre Wellnessleistungen über die Webseite oder in der Gäste-App. Mit dem CASABLANCA Wellnessplaner können Räume, Mitarbeiter und Termine verwaltet werden.

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Der mehrfache Weltcup Sieger Manuel Feller

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Die Zeitmaschine

Ein altes Fotoalbum aus dem Atelier K. F. Würthle enthält einen Schatz: knapp 150 Jahre alte Naturfotografien, die eine Zeitreise in die Vergangenheit des Ötztals erlauben.

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Die Wildspitze 2022

Blick auf das Ramoljoch: eine kraftvolle Dokumentation der Gletscherwelt im späten 19. Jahrhundert. Bei den Menschen im Vordergrund handelt es sich mutmaßlich nicht nur um frühe Bergwanderer, sondern auch um die Mitarbeiter des Fotografen, die Kamera, Dunkelkammer und Material auf den Gletscher schleppen mussten.

Die Ortsbezeichnungen im Fotoalbum sind in französischer Sprache angegeben, die Perspektiven des Fotografen so gewählt, wie auch heute gern fotografiert wird – mit ungleich geringerem Aufwand, versteht sich. Ganz oben: Similaun, vom Marzellgletscher aus gesehen.

Oben: Schalfferner zwischen Ramolkamm und Schnalskamm. Rechts: Vent vor der Talleitspitze.

74
Zeitreise
Die Wildspitze 2022

Zeitreise

Die Bilder entstanden am Beginn eines alpinen Tourismus. Sie sind wertvolle Dokumente einer nur selten so kunstvoll dokumentierten Zeit. Ganz oben: Blick in die Ortschaft Vent. Oben: Kirche von Gurgl mit umliegenden Bauernhöfen. Rechts: Kirche und Widum von Längenfeld.

Die Wildspitze 2022 76

Die Orte, die auf diesen Bildern vorgestellt werden, sind heute Klassiker der Tourismuswerbung. Sie sind instagramable, lange bevor es Instagram gibt.

Die Wildspitze 2022 77 Zeitreise

Zeitreise

Ein Überfluss an Eis und Schnee, der heutigen Glaziologen Tränen in die Augen treibt. Die Bilder, ursprünglich aufgenommen, um die Vorzüge des alpinen Raums darzustellen, sind heute Zeugen enormer klimatischer Veränderungen. Ganz oben: der Rotmoosferner, im Album falsch als Gaisbergferner beschriftet (rechts von der Hohen Mut). Oben: Wildspitze, vom Ramoljoch aus gesehen. Rechts: „Le Grosse Oetzthaler Ferner / Oetzthal“.

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Als Phänomen und touristisches Motiv seit jeher unumstritten: der Stuibenfall.

Diese Bilder führen uns direkt in die Vergangenheit. Der vertraute Blick in die Eiswelt der Ötztaler Alpen, der sich inzwischen an das rapide Abschmelzen der Gletscher gewöhnt hat, offenbart machtvolle Ferner, ausladend und üppig. Dörfer, deren Kirchtürme aus sehen wie frisch renoviert, sind auf wenige Häuser reduziert. Der Blick in die Vergan genheit offenbart das bäuerliche Leben, wie es heute nur mehr in Spurenelemen ten existiert, als die Landschaft prägende Selbstverständlichkeit.

Die Bilder stammen aus dem Atelier von Karl Friedrich Würthle, einem 1820 in Konstanz geborenen Arztsohn, der zuerst als Maler und Kupferstecher reüssierte, bevor er sich mit der noch jungen Technik der Fotografie zu beschäftigen begann. In Salzburg gründete er 1860 eine „Fotografi sche Anstalt“, um sich auf die Hochgebirgs fotografie zu spezialisieren.

Das klingt einfacher, als es war. Die fotografische Ausrüstung war bis zu 250 Kilogramm schwer und sperrig. Sie musste mit der Hilfe von Trägern und Maultieren an die Aufnahmeorte geschleppt werden, wo in einem Dunkelzelt die fotografischen Platten gegossen und „im nassen Verfahren“ weiterbehandelt werden mussten. Oft war es kaum möglich, wegen der großen Kälte in der Höhe die notwendigen Chemikalien anzumischen. Expeditionen in die Gletscherwelt benötigten bis zu 17 Menschen, um alle Gerätschaften an Ort und Stelle zu schaffen.

Das Atelier war erfolgreich und beschäftigte bis zu sechs Fotografen. Vor allem der Verkauf von Ansichtskarten sorgte für gute Umsätze. Die Bilder, die auf diesen Seiten publiziert sind, stammen jedoch aus einem Album namens „Nord tirol und Nachbarn“, das auf drei Reisen in den Jahren 1872, 1874 und 1886 beruht. Das Album ist nicht weniger als neun Kilo gramm schwer und enthält 136 großforma tige Fotografien auf dem damals üblichen Albuminpapier.

Überraschend, aber sicher kein Zufall, dass diese 136 Fotografien im Ötztal gelan det sind. Sie waren Teil der umfassenden „Sammlung Hans Jäger“. Jäger (1937–2012) war Begründer des Turmmuseums in Oetz, das heute Teil der Ötztaler Museen GmbH ist. Dass der Inhalt jenes „massiven Albums“ erstmals der Öffentlichkeit zugänglich

terin dieser Museen, Edith Hessenberger, zu verdanken. Die Originalbilder waren jedoch zu empfindlich, um ausgestellt zu werden. Deshalb entschied sich Hessen berger (siehe auch Seite 50) dafür, ihren außergewöhnlichen Fund zu digitalisieren und als Buch herauszugeben, aus dem „Die Wildspitze“ die Bilder auf diesen Seiten entnehmen durfte.

Beeindruckende Publikation: Edith Hessenberger: Fotografische Zeitreise durch Tirol, 180 Seiten, StudienVerlag, 19,90 Euro. Bestellungen: oetztalermuseen.at

Die Wildspitze 2022 81
Würthle-Mitarbeiter Gustav Jägermayer (mit Melone) in Aktion. Seltene Aufnahme früher fotografischer Produktion, die Rückschlüsse auf die Schwierigkeiten erlaubt, mobil zu arbeiten. Karl Friedrich Würthle, 1865: bedeutender Landschaftskünstler und Fotopionier.

Martin Gstrein

Martin war ein Freund der „Wildspitze“.

Wir haben ihn begleitet und bewundert. Seine Familie hat für uns diesen persönlichen Nachruf verfasst.

Unser Papa wurde 1930 als zweitältestes von sechs Kindern in Vent, „dem scheastn Platzlan auf dr Walt“, wie er es oft genannt hat, gebo ren. Sein entbehrungsreiches Aufwachsen während und nach dem Krieg hat aus ihm einen bescheidenen, zufriedenen und vor allem friedfertigen Menschen gemacht. Wie oft haben wir von ihm die Sätze „Seid’s friedlich“ oder „Es zählt nit, ob man reich oder arm ist, d’r Frieden ischt es Wich tigschte“ gehört. Für sich selbst ist er mit ganz wenig ausgekommen. Den letzten Groschen hat er zeitlebens für uns Kinder (und später für seine Enkel) ausgegeben.

Erzählen konnte er vieles aus seiner Kindheit und Ju gend, bilder- und detailreich. Wie er bereits mit sieben Jahren allein das Vieh hüten musste oder wie seine Volks schullehrerin weggebracht wurde, weil sie sich weigerte, das Kreuz an der Klassen wand abzuhängen und statt dessen das Hitlerbild aufzuhängen.

Wissen, geistige Wachsamkeit und vor allem Lesen spielten in Papas Leben eine große Rolle. In jeder freien Minute mit einer Zeitung, einem Buch oder dem Lösen von Kreuzworträtseln beschäftigt, jede Nacht bei brennender Nachttischlampe mit einem ge schichtlichen oder literarischen Werk auf seiner Brust liegend eingeschlafen – das sind bleibende Bilder.

1957, nach dem Tod seines Vaters, bewirtschaftete er das Hochjochhospiz und die Martin-Busch-Hütte, bis er schließlich die Führung unseres Gastbetriebs über nahm. Seine eigentliche berufliche Erfüllung fand er aber im Bergführen, das er immer als den „schönsten Beruf überhaupt“ bezeichnete und bis ins hohe Alter

jeden Sommer mit Freude und großem Einsatz ausübte. Dabei brachte er mit seiner geduldigen, ausdauernden und ganz eigenen Art des Führens gerade auch die älteren, langsamen, schwächeren Gäste immer sicher auf den Gipfel, auch wenn es doppelt so lang dauerte wie sonst. Seinen „Hausberg“, die Wildspitze, bestieg er hunderte Male, oft nach einem arbeitsreichen Tag um drei oder vier Uhr in der Früh von Vent aus, manch mal auch zweimal an einem Tag und einmal in Gefolg schaft einer Geiß. 2012 war er mit 82 Jahren zusammen mit einigen seiner Kinder und Enkel bei der Ein weihung des neuen Gipfel kreuzes zum letzten Mal oben. Seine geliebte Natur konnte er danach noch einige Jahre als Wander führer erleben.

Mama und Papa heirate ten 1958. Er lebte für sie, seine sieben Kinder und 13 Enkelkinder. Papa putzte unsere Schuhe, wusch unse re Wäsche und nähte Knöpfe an unsere Jacken, kochte für uns alle, war immer für uns da. Seine Tür stand immer für alle offen. Wir konnten zu jeder Tages- und Nachtzeit unsere Freunde, Studien- oder Fußballkolle gen mitbringen, egal wen und wie viele. „Man muss alle gelten lassen“, war eine seiner häufigen und einpräg samen Aussagen, die er uns für unser Leben mitgab.

Auch in den letzten schweren Monaten seines Daseins, als ihn seine Kräfte nach und nach verließen, wollte er niemandem zur Last fallen und bedankte sich bis zum Schluss für jeden kleinen Handgriff, den wir für ihn machen durften.

IMPRESSUM. Herausgeber: Ötztal Tourismus, 6450 Sölden. Redaktion: Christian Seiler (Ltg.), Peter Reinthaler. Fotografie: Philipp Horak. Illustrationen: Roland Vorlaufer. Mitarbeiter: Walter Klier.

Anzeigenleitung: Guido Walch, Kappenzipfl 14a, 6464 Tarrenz. Herstellung: Michael Bergmeister. Druck: Druckerei Odysseus, 2325 Himberg. Offenlegung laut § 25 Mediengesetz: Eigentümer zu 100 Prozent und Herausgeber ist Ötztal Tourismus, Gemeindestraße 4, 6450 Sölden, Tel.: +43 (0)57200 200, Fax: +43 (0)57200 201, info@oetztal.com, www.oetztal.com. Geschäftsführer: Mag. Oliver Schwarz. Verleger: Christian Seiler Verlags GmbH, 3710 Fahndorf, info@csv.at, www.csv.at. Geschäftsführer des Verlags: Christian Seiler. Blattlinie: Information der Öffentlichkeit über Vorzüge, Geschichte und Eigenheiten der Tourismusregion Ötztal.

Die Wildspitze 2022 82 Nachruf
(1930 2022)
PHILIPP HORAK
J A M E S B O N D E R L E B N I S W E L T - ORIGINAL REQUISITEN - NEUN GALERIEN AUF 1300M² - MAKING OF & BEHIND THE SCENES - ATEMBERAUBENDE FREILUFTPLAZA ÖFFNUNGSZEITEN Winter 22/23 | 17.11.22 bis 23.04.23 Sommer 23 | 08.06.23 bis 03.10.23 Geöffnet von 09.00 bis 16.30 Uhr Letzter Einlass 15.30 Uhr | Letzte Talfahrt 16.45 Uhr Zum Ticketshop: GAISLACHKOGL 3.048M I SÖLDEN I 007ELEMENTS.COM

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